Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Mo. 242. 
Mittwoch, öen 16. Hctober 
1895. 
Morgen-Depeschen. 
Kürzel, 16. Oet. Die kaiserlichen 
Majestäten sind heute Vormittag 9 Uhr 
hier eingetrosten, von einer zahlreichen 
Volksmenge lebhaft begrüßt. 
Berlin, 16. Okt. Das 2. Rheinische 
Husaren-Regiment Nr. 9 soll, wie die 
„Post" hört'im nächsten Jahre von Trier 
nach Straßburg verlegt werden. Es wird 
das einzige Husaren-Regiment sein, das 
in Elsaß-Lothringen garnisonirt sein wird, 
während jetzt nur Dragoner- und Ulanen- 
Regimenter im Reichslande liegen. 
Berlin, 16. Oet. Der Schlächtergeselle 
Müller, der die Frau Mewers in Westend 
ermordet hatte ist heute früh hingerichtet 
worden. 
Berlin, 16. Oct. In der Aula der 
Universität sand heute Mittag die feierliche 
Uebergabe des Rektorates statt. Nachdem 
Prof. Wagner den Eid als Rektor geleistet 
hatte und mit den Zeichen seiner neuen 
Würde bekleidet worden war, hielt er seine 
Antrittsrede, die über die Entwickelung 
des nationalökonomischen Unterrichtes in 
Deutschland und die Stellung der deutschen 
Hochschullehrer der Nationalökonomie zum 
Sozialismus handelte. (S. u. Berlin. Rd.) 
Hannover, 16. Oet. In letzter Nacht 
erschoß in der Nothwehr mit seinem 
Dienstrevolver ein Kriminalschutzmann den 
21jährigen Hausdiener Heinemeyer. 
Der letztere und vier Genossen hatten die 
Aufforderung des Kriminalschutzmannes, 
sich vom Platze zu entfernen, wo sie 
Skandal gemacht hatten, mit einem Angriff 
aus den Beamten beantwortet. 
Bremen, 16. Oet. Das Nordamerika« 
nische Schiff „Parthia", von Liverpool 
nach San Franeiseo unterwegs, wurde 
auf offener See durch Feuer total zerstört. 
Ein Theil der Mannschaft wurde gerettet 
und in Valparaiso gelandet. Der Capitain, 
der erste Offizier und 19 Mann, welche 
das Schiff in Booten verließen, werden 
vermißt. 
Agram, 16. Oct. Die Skandale wieder 
holten sich heute Mittag, nachdem früh 
aus der serbischen Kirche mit Genehmigung 
der Regierung die serbische Nationalflagge 
gehißt worden war. Studenten und eine 
glotze Volksmenge zogen johlend nach der 
Kirche, diese sowie die anstoßende serbische 
Bank bombardirend. Polizisten und 
Gendarmen mußten mit gefälltem Bajonett 
vorgehen, um die Menge zu zerstreuen. 
Budapest, 16. Oct. Die Stratzenexcesse 
nahmen heute vergrößerte Dimensionen an. 
In der serbischen Kirche, die der König 
besuchte, fanden, nachdem der König diese 
verlassen hatte, Raufereien zwischen 
Kroaten und Serben statt. Die Raufereien 
pflanzten sich auf die Straßen fort, die 
von der Gendarmerie förmlich belagert 
waren. Der König war über diese Vor 
fälle frappirt. 
Budapest, 16. Oct. In Totfatu erschoß 
der Johann Mihalki den Gutsbesitzer 
Joses Barkovics, der ersteren pfänden 
ließ. Der Mörder wurde verhaftet. 
Pilsen, 16. Oct. In dem Befinden des 
Grafen Taaffe ist eine derartige Ver 
schlimmerung eingetreten, daß Professor 
Albert aus Wien telegraphisch nach Schloß 
Ellischau berufen wurde, wo der Graf, an 
Herzverfettung und Nierenentzündung 
leidend, darnllderliegt. 
Trient, 16. Oct. In verschiedenen, am 
Fuße des Montebaldo gelegenen Ort 
schaften der Provinz Verona fanden in 
den letzten Tagen ziemlich heftige Erdbeben 
statt. In Malubine stürzten die Rauch 
fänge ein und unter den Einwohnern 
brach eine Panik aus. Aehnlich lauten 
die Berichte von Castello. Die meteoro 
logische Station in Verona berichtet, daß 
daselbst Erdbewegungen beobachtet worden 
waren. 
Eine Unterredung 
mit dem Staatssekretär v. Boetticher, 
die im vergangenen Jahre, offenbar sehr 
bald nach dem Rücktritt des Grafen Caprivi, 
stattgefunden haben soll, wird heute im 
„B. Lokalan;." veröffentlicht. Wir geben 
im nachfolgenden die wichtigeren Stellen, die 
vermuthlich der öffentlichen Discussion aufs 
neue Stoff liefern werden. Es heißt da u. a.: 
„ . . . . Zwei von meinen College» im 
preußischen Staatsministerium sollen ihre Ent 
lassung nachgesucht haben .... Ich bleibe 
gegen meinen Wunsch im Amte. Der Kaiser 
will es so, und ich halte es sür meine Pflicht, 
mit meinen Kräften dem Reiche und dem Staate 
zu dienen, solange man der Ansicht ist, daß ich 
in dieser oder jener Sache vielleicht besseren Rath 
zu geben vermag als ein anderer .... Vierzehn 
Jahre bin ich hier thätig gewesen, und in diesen 
vierzehn Jahren hat es manche schwere und 
stürmische Zeit gegeben. Die schwerste Zeit 
meines Lebens war die, als Fürst Bismarck aus 
dem Amte schied. Man hat mir vorgeworfen, 
daß ich an dieser Verabschiedung die Schuld 
trüge. Sehr zu Unrecht. Zu meinem tiefsten 
Bedauern hat Fürst Bismarck selbst, ich weiß 
nicht, wodurch veranlaßt, die Meinung gefaßt 
und trotz oller meiner Bemühungen daran fest 
gehalten, daß ich an der Herbeiführung des Ab 
schlusses seiner amtlichen Thätigkeit betheiligt 
gewesen sei. Das konnte um so weniger der 
Fall sein, als ich in der kritischen Zeit vier 
Wochen lang durch einen Fall von Scharlach in 
meiner Familie an das Haus gebunden war. 
. . . Ich habe im Gegentheil das Mögliche ge 
than, was irgend in meinen Kräften lag, um zu 
verhüten, was dann freilich unausbleiblich wurde. 
In häufiger Wiederholung bin ich schon vor 
Jahren bei dem Fürsten Bismarck vorstellig 
geworden, er solle doch dem Andrängen des 
Reichstages nach Erweiterung des Arbeiter 
schutzes nachgeben, sei es durch ein umfassenderes 
Verbot der Frauen-, Kinder- und Nachtarbeit, 
sei es durch Ausdehnung der Sonntagsruhe. 
Der Fürst war dafür nicht zu haben. Er blieb 
unerschütterlich bei seiner Meinung, soviel ich 
ihm auch zuredete. . . . Mit dem Kaiser stand 
Fürst Bismarck anfänglich ganz ausgezeichnet. 
Der Kaiser blickte förmlich zu ihm aus und er 
kannte seine Autorität willig an, wie ich über 
haupt allezeit gefunden habe, daß der Kaiser 
sachlichen Gründen, die angemessen vorgetragen 
werden — und auf einen solchen angemessenen 
Vortrag hat er natürlich als Kaiser Anspruch — 
in ausgezeichneter Weise zugängig ist. 
. . . Fürst Bi smarck verstand es nun nicht, die 
Dinge so vorzutragen, daß die Vorstellungen bei 
dem'Kaiser Eingang fanden. Der Fürst sprach 
zum Kaiser autoritativ, und so mußte es denn 
kommen, daß dem Kaiser dies nicht gerade gefiel 
und die Meinung in ihm in den Vordergrund 
trat: er sei doch nun einmal von Gott an die 
Stelle gestellt, an der er stehe, um nach seinen 
Gaben und Kräften und nach seiner Auffassung 
die Regierung zu führen. So kam es, wie es 
kommen mußte: Der Kaiser und Fürst Bismarck 
verstanden sich schließlich nicht mehr. Vergeblich 
stellte ich dem Fürsten Bismarck vor, daß es 
nothwendig sei, dem lebhaften Wunsche des 
Kaisers in Sachen des Arbeiterschutzes, der üb 
rigens meinen Ansichten vällig entsprach, nach 
zugeben. Es war kurz vor der Katastrophe, daß 
mir von einem Kollegen berichtet wurde, der 
Kaiser und Fürst Bismarck hätten eine Aus 
sprache miteinander gehabt, die zu einer vollen 
Verständigung und einem lückenlosen Einvernehmen 
geführt hätte. Ich ivar hocherfreut darüber, und 
da der Kaiser sich zun: Frühstück bei mir an 
gesagt hatte, ging ich zum Fürsten Bismarck, um 
ihn zu fragen, ob er mich gleichfalls mit seiner 
Anwesenheit beehren wolle Ich wollte dem 
Fürsten Bismarck meine herzliche Befriedigung 
über das aussprechen, was ich gehört hatte. 
Ich fand aber den Fürsten in bösester Laune, 
und auf meine ersten Worte hin fragte er, ob 
ich denn wirklich glaubte, daß er zu den in Rede 
stehenden Maßregeln seine Zustimmung geben 
würde! Er werde in den Staatsrath komnien — 
diese Theilnahme des Fürsten an der Staats- 
raths-Sitzung hatte man mir als die Besiegelung 
des Einvernehmens hingestellt — aber nicht, um 
zuzustimmen, sondern um seine entgegenstehende 
Meinung zu vertreten. Als ich nach Hause kam, 
war der Kaiser, der sich verfrüht hatte, schon da, 
in fröhlichster Stimmung. Auch er erzählte, daß 
er mit dem Fürsten Bismarck zu voller Ver 
ständigung gekommen sei. Ich konnte es nicht 
übers Herz bringen, ihm geradezu zu sagen, daß 
er sich in einem Irrthum bezüglich des Fürsten 
Bismarck befinde. Ich erwähnte bloß, daß der 
Fürst in den Staatsrath kommen wolle. Der 
Kaiser vernahm das mit größtem Erstaunen, 
denn der Fürst, meinte er, hätte ihm gesagt, er 
werde dem Staatsrath fernbleiben. So war 
das Mißverständniß unheilbar geworden, man 
verstand sich hüben und drüben nicht mehr. 
Was Fürst Bismarck zur Erklärung seines Be 
harrens in der oppositionellen Stellung ange 
führt hatte, das war als eine Zustimmung auf 
gefaßt worden. Als die Entscheidung getroffen 
worden war, begab ich mich zum Fürsten Bis 
marck, um mich von ihm zu verabschieden. Es 
war wohl die schwerste Stunde meines Lebens. 
Thränenden Auges küßte ich ihm die Hand, 
dankte ihm sür alles Wohlwollen, das er mir 
bewiesen, und bat ihn zu glauben, — es waren 
mir schon allerhand Gerüchte zu Ohren gekommen 
— daß ich nie etwas gethan, was mit der Treue 
gegen ihn nicht vereinbar wäre. Er antwortete 
mir, er setze auch gar nicht voraus, daß ich einen 
Treubruch gegen ihn begangen hätte oder eines 
Treubruches fähig wäre; aber er müsse doch 
sagen, daß ich ihn in dem Kampfe gegen den 
Kaiser nicht so unterstützt hätte, wie ich wohl ge 
konnt. Hierauf konnte ich nichts erwidern, denn 
sonst hätte ich erklären müssen, daß es für mich, 
einen Beamten, einen Kampf gegen den Kaiser 
nicht geben könne. Abgesehen hiervon, ivar es 
auch nicht angängig, daß ich eine Meinung, die 
ich Jahre lang gegen den Fürsten Bismarck ver 
treten, aufgab, weil der Kaiser sie theilte. 
Dagegen bemerken die „Hamburger 
Nachrichten": 
„Daß der Staatsminister von Boetticher immer 
schon andere Ansichten als Fürst Bismarck in 
den Arbeiterfragen gehabt hat, ist ohne Zweifel 
richtig; er war aber nicht in der Berechtigung, 
eine andere Ansicht als die des Reichskanzlers zu 
vertreten, am allerwenigsten hinter dessen Rücken, 
denn er war als Staatssekretär des Innern der 
direkte Untergebene des Reichskanzlers, und hatte 
also die Verpflichtung, mit diesem zu gehen oder 
auszuscheiden. Zum Mitglieve des preußischen 
Staatsmimsteriums aber war er als Nachfolger 
Delbrücks und Hofmanns lediglich ernannt, um 
dort die Ansichten des Reichskanzlers zu ver 
treten, wenn derselbe persönlich nicht dazu im 
Stande war. Auch beim Kaiser hatte Herr von 
Boetticher nicht die Berechtigung andere Auf 
fassungen als die seines Vorgesetzten zu unter 
stützen. Sowohl beim Kaiser wie im Parlament 
war er verpflichter, der Sonntagsruhe und den 
Eingriffen in die Familie durch Verbot resp. Be 
schränkung der Frauen- und Kinderarbeit zu 
widersprechen. Beides hat er unterlassen und 
wir glauben, daß die Meinungsverschiedenheiten, 
die zum Ausscheiden des ersten Reichskanzlers 
führten, im Kabinet, besonders aber bei Im- 
mediatvorlrngen sich der besonderen Befürwortung 
durch Herrn von Boetticher erfreut haben." 
Wenn die Darstellung der „Hamburger 
Nachrichten" richtig ist, so wäre die Stel- 
lung des Herrn v. Boetticher aller 
dings nach Auffassung des Fürsten Bis 
marck sehr subaltern gewesen. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
In Coolgardic (West-Australien) ist ein 
ganzes Häuserviertel abgebrannt. 
Der Schaden beziffert sich auf Lst. 250 000. 
l 
Die abgebrannten Häuser sind zum Thei 
versichert. Das Feuer ist dadurch entstanden, 
daß eine Petroleumlampe umgestoßen wurde. 
Aus einer Höhe von 1000 Fuß stürzte 
in Monrovia (Kalifornien) die Luftschifierin 
Nellie W. Hagel herab, indem der Fall 
schirm, mit welchem sie sich von dem 
Ballon herablassen wollte, den Dienst ver- 
sagte. Sie starb sofort. 
Aokohama, 15. Oct. Der Kaiser erließ 
eine Verfügung, die den japanischen Unter 
thanen untersagt, ohne besondere Erlaubniß 
Korea zu betreten. Ein Telegramm aus 
Söul theilt mit, daß während der Ver 
wirrung, die durch den Angriff der Anti- 
Reformpartei auf den königlichen Palast 
entstanden war, die Ausrührer in den 
Palast eindrangen und 3 Frauen ermorde 
ten, von denen eine muthmaßlich die 
Königin gewesen ist. 
Italien. 
Forli, 15. October. Das Postamt in 
Savignano gerieth nach einer heftigen 
Detonation, die durch das Explodiren einer 
Dynamitbombe erfolgte, in Brand. Das 
Feuer wurde sofort gelöscht, alle Geld 
werthe gerettet. Ein Uhrmacher Santolini, 
der unter dem Verdacht der Thäterschaft 
verhaftet wurde, gestand, in Bologna ein 
Packet mit einem Deklarationswerthe von 
4800 Francs aufgegeben zu haben, wäh 
rend es nur werthlose Papiere enthielt. 
Santolini leugnete aber, der Urheber 
der Explosion zu sein. Die Unter 
suchung ergab bisher, daß die Explosion 
zum Zwecke der Ausführung eines Be 
truges veranstaltet war. 
Spanien. 
In der Militärwaisenanstalt zu Aranjuez 
sind plötzlich 133 Knaben und 8 Auf 
wärter unter ruhrähnlichen Erscheinungen 
schwer erkrankt, wie es heißt, nach 
dem Genuß von vergifteten Speisen. Ein 
Knabe ist bereits gestorben und mehrere 
andere liegen im Todeskampfe. Dagegen 
ist die Mädchenabtheilung nicht davon be 
rührt. 
Frankreich. 
Auf dem Versuchsfelde von BourgeS 
explodirte eine Kanone im Werthe von 
80 000 Francs. Das Geschütz war mit 
Melinitpulver geladen; ein Sandkorn soll 
angeblich die Explosion herbeigeführt haben.. 
Türkei. 
Koiistantinopel, 15. Oct. Die britische 
Regierung ist fest entschlossen, die von 
Großbritannien, Frankreich und Rußland 
vorgeschlagenen armenischen Reformen zur 
McàtsKiM'5 Achter. 
11) Roman von B. Riedel-Ahrens. 
Tante Jutta war gerade beschäftigt, den 
Tauben und Hühnern von Haraldsholm 
das Nachmittagsfutter aus der groben blauen 
Schürze zu streuen, als der Ravensburger 
Wagen vor den: Hanse hielt; noch ehe sie 
mit ihrer behäbigen Gestalt die Pforte er 
reichen konnte, war schon der Diener vom 
Bock gesprungen und öffnete den Schlag. 
In Pelz gehüllt, stieg die Baronin gewandt 
heraus, sogleich den Btuff an die Lippen 
bringend, weil die scharfe Luft ihr Schmer 
zen in der Brust verursachte. 
„Herr Pastor und das junge Fräulein 
zu Hause?" fragte sie verbindlichst, und als 
Tante Jutta, erfreut über den vornehmen 
Besuch, ehrfurchtsvoll bejahte: „Äch, das ist 
ja reizend! Habe mich ordentlich nach der 
jungen Dame gesehnt — ein allerliebstes 
Mädchen." 
Nicolaus Erichsen, der an der letzten 
Durchsicht seines neuen Werkes „Christen 
thum und Buddhismus" gearbeitet hatte, 
erhob sich bei ^em Eintritt der fremden 
Dame kerzengerade und mit jener Gehalten- 
heit, die Würde und Unnahbarkeit zugleich 
andenieie; aber Julie v. Ravens, dem 
Weltkind — das jeder Situation gewachsen 
— imponierte der alte Geistliche äußerst 
wenig. 
„Guten Tag, Herr Pastors Verzeihung, 
daß ich so ohne weiteres in ihr Heiligthum 
dringe, aber es war nicht länger auszu 
halten, ich mußte hinaus, mich an dem 
Anblick lieber Bekannter zu erquicken! Ihre 
Fräulein Tochter hat vielleicht schon von 
mir gesprochen? Baronin von Ravens — 
aber wo ist denn unser junges Fräulein? 
Ich bin nämlich gekommen, sie Ihnen auf 
ein paar Stündchen zu entführen — hoffent 
lich .. . ." 
„Bitte, setzen Sie sich, Frau Baronin v. 
Ravens," unterbrach sie Nicolaus Erich 
sen mit derselben gemessenen Würde, indem 
zugleich ein Flammenblick aus seine» stahl 
scharfen Augen die bewegliche Frau traf; 
„ich fürchte, meine Tochter Rahel wird 
nicht in der Lage sein, Ihrem Wunsch ent 
sprechen zu können." 
Julie, welche vor diesem hoheitsvollen 
Antlitz ihre dreiste Zuversicht doch etwas 
zusammenschrumpfen fühlte, stand eben im 
Begriff, zu antworten, als Tante Jutta, 
welche gegangen war, die Mädchen von 
dem Besuch zu benachrichtigen, in Beglei 
tung derselben hereinkam. Leonore trat 
zuerst in das vom Nachmittagssoimenlicht 
erhellte Zimmer. Als Julie diese blendende 
Erscheinung mit dem angeborenen Anstande 
sah, wich sic erstaunt einen Schritt zurück, 
der Anblick kam zu unerwartet, und eine 
bittere Empfindung, halb Neid, halb un 
bestimmtes Bewußtsein, daß es hier mit 
ihrem ganzen künstlichen Aufwand, die vor 
nehme Dame zu spielen, nichts als ein 
kläglicher Behelf sei, schlich sich in ihr Herz. 
„Meine Tochter Leonore — Frau Ba 
ronin v. Ravens," — stellte Pastor Erich 
sen die Damen förmlich vor; „Rahel hatte 
ia den Vorzug, Sw schon neulich bei Ge 
legenheit des Wagennnfalls zu begrüßen." 
Tante Jutta, die anspruchslose Seele, 
wurde natürlich dabei vergessen, aber sie 
bemerkte das kaum. 
„Ganz recht, Herr Pastor, wir sind be 
reits sehr gut miteinander bekannt, nicht 
ivahr, liebes Fräulein?" bemerkte Julie, die 
sich in dieser steifen Gesellschaft an Rahel 
halten zu müssen glaubte. „Also das ist Ihre 
Schwester Leonore — reizend! Nun, was 
sagen die jungen Damen zu meinem Vor 
schlage? Ich bin nämlich da, Siezn bitten, 
mir doch heute Abend die Zeit ein bischen 
vertreiben zu helfen, ich sterbe nämlich vor 
Langeweile, wenn man sich meiner nicht ein 
wenig erbarmt!" 
Es folgte eine beredte Pause; die Augen 
der Mädchen ruhten voll Spannung auf den 
Zügen des Vaters, die jedoch nichts Tröst 
liches verkündeten. 
„Wenn Sie der Zerstreuung bedürfen, 
Frau Baronin, so ist Ihr Besuch uns zu 
jeder Zeit willkommen, obgleich unser be 
scheidenes Haus der verwöhnten Weltdame 
nur wenig zu bieten haben wird," bemerkte 
er in eisigem Tone. „Meine Töchter aber 
sino an solche Besuche bei den entfernt 
wohnenden Familien der Umgebung nicht 
gewöhnt und werden es vorziehen, zu Hause 
zu bleiben." 
Rahel zitterte; sie sah sich plötzlich . in 
einen Konflikt mit der zärtlichen Liebe für 
den Vater versetzt, doch fand sie schließlich, 
daß die Schwester mehr verlieren, als er 
gewinnen »vürde, und beschloß, fest zu ihr 
zu halten. 
Und dann geschah das Unerhörte, noch 
nie Dagewesene. 
Leonores Herz klopfte zum Zerspringen. 
Aber das Bewußtsein, daß von dieser wichtigen 
Minute jedenfalls die Entscheidung über ihre 
ganze Zukunft abhing, verlieh ihr die Kraft, 
sich zum ersten Mal mit lächelndem Munde 
offen gegen den Willen des Vaters aufzulehnen. 
„Du hast recht, lieber Vater," begann 
sie, und,ihre Stimme bebte, „wir sind nicht 
an Besuche in unserer Nachbarschaft gewöhnt, 
doch was mich betrifft, so habe ich den 
Mangel oft recht schmerzlich empfunden, und 
ich werde deshalb mit Freuden bereit sein, 
die gütige Einladung der Frau Baronin an 
zunehmen." 
„Ja, Vater, setzte Rahel mit Todesver 
achtung ein, „Leonore bedarf wirklich einer 
kleinen Zerstreuung, und cs würde so un 
dankbar von ihr sein, die Gelegenheit, welche 
Frau Baronin liebensivürdig bietet, nicht 
anzunehmen." 
„Soo — Leonore bedarf der Zerstreuung, 
davon wußte ich allerdings nichts," erwiderte 
Nicolaus Erichsen scharf. „Es scheint ja, 
als wolle jene Modekrankheit — die soge 
nannte Nervosität — ihren Einzug auch in 
unsere bis dahin verschonte Gegend halten! 
Ich würde aber doch vermeiden, Leonore, 
das fragwürdige Heilmittel gesellschaftlicher 
Zerstreuung gegen Dein Leiden in Anspruch 
zu nehmen." 
Leonore wußte, daß der Vater in Gegen- 
wart der Baronin seine väterliche Gewalt 
nicht auf eine solche Spitze treiben würde, 
ihr den Besuch geradewegs zu verbieten; er 
war stets bemüht gewesen, seine Kinder wohl 
mit energischer Strenge, doch auch mit Liebe 
zu lenken und jenen Gehorsam einzuflößen, 
der Hochachtung und kindliche Zärtlichkeit zu 
gleich erweckt. Leonore mar jetzt alt genug, 
ans eigenen Füßen zu stehen — wurde ihm 
also der Gehorsam gewissermaßen gekündigt, 
so gestand er sich das Vergebliche de« 
Unternehmens, ihn gewaltsam zu erzwingen, 
ein. Er konnte nur noch über die Abge 
fallene trauern und Versuche unternehmen, 
sie auf die rechte Bahn zurückzuführen. — 
Nach diesem Rückzug hatten die vier 
Frauen dem einen Manne gegenüber leichtes 
Spiel; Rahel, froh über Leonores Sieg, 
bestand fest darauf, dableiben zu wollen, sie 
empfand deutlich, wie schmerzlich der Vater 
berührt »vorden war; sie wollte den Abend 
über mit ihm lesen und lernen, sich ihm, 
wie sie es so oft und gern that, ganz 
widmen, um ihn leichter über den verhängniß- 
vollen Schritt der Schwester hinwegzubringen. 
Als Leonore nach ihrem Zimmer ging, die 
nothwendigen kleinen Vorbereitungen zu 
treffen, folgte ihr Rahel, um ihr zu helfen; 
hier angelangt, schloß sie die Jüngere in die 
Arme und küßte sie stürmisch. 
„Ich darf hinaus, endlich ist der große 
Augenblick gekommen! Mir ist's, Rahel, als 
hätte man die Fesseln an den Schwingen 
meiner Seele zerschnitten und ich dürste nun 
hinausfliegen, weit über das Meer durch die 
rosigen Wolken in ein neues, wundervolles 
Land! Nur daß Du zurückstehen mußt, trübt 
mir die Freude." 
„Laß nur, Leonore, es ist zehnmal besser 
so; Du giebst recht Acht auf Alles und er 
zählst es mir dann morgen." 
Nun wurden die Kommodenschnbladen ge 
öffnet, alle Kasten auf ihren Inhalt unter 
sucht, um Leonore würdig für das wichtige 
Ereigniß zu schmücken; da erwiesen sich dann 
freilich ihre Habseligkeiten als recht unzu 
reichend, und so kamen die Schwestern 
schließlich überein, daß sie zu dem eng an 
schließenden dunkelrothen Tuchkleid nur die 
kleine Diamantbroche tragen sollte, die Rahel 
gehörte und als ein Andenken an die Mutter 
werth gehalten wurde. 
(Fortsetzung folgt.) 
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