aller seine Fahne. Nack Dupuy sprach
Poincarä.
Der Pariser „Eclair" erfährt, der
Zar habe den Baron Mohrenheim
beauftragt, die französische Regierung
zur Besetzung Tananarivos zu beglück
wünschen.
Inland.
— Die Fürsten L o b a n o w und zu
Hohenlohe haben sich, wie bereits
angekündigt wurde, gestern nach Hubertus-
stock zum Kaiser begeben. Als der Reichs
kanzler kurz vor 8'/* Uhr die Fahrt vom
Stettiner Bahnhof aus antrat, fiel sein
frisches Aussehen uud die Lebhaftigkeit
seiner Bewegungen allgemein auf. Fürst
Lobanow wurde von dem russischen Bot
schafter Grafen v. d. Osten-Sacken und
dem Botschaftsrath von Knorring begleitet.
Abends 6 Uhr 4 Minuten sollten beide
wieder hier eintreffen. Der Zug hatte
aber eine viertelstündige Verspätung. Als
er um 6 Uhr 19 Minuten in die Bahn
hofshalle einlief, sah man die beiden
Fürsten im eifrigsten Gespräch in einem
Wagenabtheil sitzen. Fürst Lobanow, der
zuerst ausstieg, erwartete den Reichskanzler
auf dem Bahnsteige und begleitete ihn
sodann zu der bereitstehenden Equipage,
wo sich beide herzlich die Hände schüttelten.
Abend 8 Uhr fand im Reichskanzlerpalais
ein Mahl zu 16 Gedecken statt, an dem
außer dem Fürsten Lobanow Graf von der
Osten-Sacken, sowie fast sämmtliche Mit
glieder der russischen Botschaft theilnahmen,
mit Ausnahme des Grafen Pahlen, der
verreist ist.
— Zu der Ehrenerklärung des Staats
ministeriums für den Minister von
Boetticher bemerken die Hamburger
Nachrichten, deren Beziehungen zum Fürsten
Bismarck bekannt sind, in einem längeren
Artikel, es wäre richtiger gewesen, wenn
Herr von Boetticher, wie dies in früheren
Fällen Fürst Bismarck gethan, gegen die
beleidigenden Aeußerungen Klage erhoben
hätte. „In der Sache selbst" — so fährt
das Blatt fort — „können wir eigentlich
nichts finden, lvas den gewaltigen Apparat
einer amtlichen Ehrenerklärung von neun
Ministern zu Gunsten eines ihrer Collegen
rechtfertigen könnte, und wir verstehen
nicht, wie man dem Minister von Boetticher
gegenüber von „ungeheuerlichen An-
schuldigungen" sprechen kann, wie dies in
der Presse vielfach geschieht. Es war kein
Bedürfniß, dem Minister von Boetticher
ein Leumundszeugniß von dieser Autorität
auszustellen. Wir fürchten, daß die Ver
wendung solch schweren Geschützes, wie es
in der ministeriellen Erklärung aufgefahren
wird, wenn sie in der Zukunft bei ähn
lichen Anlässen an Stelle der gerichtlichen
Klage zur Regel werden sollte, sehr bald
ihre Wirkung einbüßen wird. Wir fürchten
auch, daß bieļer ungewöhnliche Schritt
und die Abneigung gegen offenes gericht
liches Verfahren die Aufgabe der Feinde
des Herrn von Boetticher und der jetzigen
Regierung eher erleichtert und die Zahl
der Zweifler vielleicht vermehrt hat. . . .
Wir wissen also nicht, warum man auf
ministerieller Seite die gerichtliche Ver-
Handlung gescheut hat, welche durch Ver
nehmung der Ministerialbeamten, des Chefs
der Reichsbank und der betheiligten Bank«
Häuser ein unanfechtbares Ergebniß zu
Tage gefördert haben würde, das für
Herrn von Boetticher nach unserer
Schätzung der Verhältnisse klarer und
günstiger ausgefallen sein würde, als alle
die Vermuthungen und Folgerungen, welche
sich an die vorsichtig redigirte Erklärung
im Reichsanzeiger anknüpfen und schließlich
meiner Gesundheit entwarf, daß mich ein?
gelinde Gänsehaut überlief, ergab ich mich
denn; Urlaub wurde natürlich ertheilt, und
Dienstag wirst Du das Vergnügen haben,
mich in Deiner Bude zu empfangen. Nun,
so ganz Unrecht hat ja der alte Lehnstorff
mcht — ich bin blasirt, schauderhaft blasirt;
und ich hätte vielleicht auch noch nicht in
die Abreise gewilligt, wenn mich nicht zur
Zeit etwas wie ein moralischer Katzenjammer
ergriffen hätte, ein Ekel vor Allem, was da
kreuchl und fleucht, den voraussichtlich die
nicht sehr zarten Nordseebrisen bald verweht
haben werden. Pfui Teufel, das ist ein
gottesjämmerlichcs Dasein! Hoffentlich lebt
Ihr nicht wie die Einsiedler und ist Aussicht
vorhanden, einige Bekanntschaften anzu
knüpfen — oder ist die gesegnete Kultur von
Curopens übertünchter Höflichkeit noch nicht
bis in die nordische Haide vorgedrungen?
Grüße Julie; alle Wetter, in der rosigsten
Laune mag sich Frau Schwägerin wohl ge
rade nicht befinden in dem alten Neste, wo
jedenfalls die Seelen der blutdürstigen Dänen
könige ihr wenig anheimelndes Wesen treiben!
Nun, ein wenig Abwechslung werde ich
schon in die ehrwürdigen Mauern der einsti
gen Zwingburg zu bringen wissen.j
Mit herzlichen Grüßen Dein Bruder '
Engen."
„Die Sache ist ja noch ziemlich gut abge
laufen," bemerkte Albrecht gelassen, indem er
den Brief zusammenfaltete.
Julie hatte sich unterdessen erhoben und
war vor den Spiegel getreten, wo sie laut
gähnend stand und ihre schwarzen Stirnlöck
chen ordnete.
den weiteren Forschungen und Angriffen
in der Presse nur Vorspann leisten werden.
— Die Anklage wegen Majestäisbe-
leidigung gegen den Abgeordneten Lieb
knecht soll der „Nat.-Ztg." zufolge sich
auf einen Satz in einer in Breslau ge
haltenen Rede beziehen, der in den meisten
Berichten getilgt oder abgeschwächt, aber
in einem hannoverschen sozialdemokratischen
Blatte wiedergegeben worden ist. Auch
gegen den Redacteur des letzteren ist ein
geschritten worden.
— Zu dem „Fall Kotze" kommt die
Meldung, daß das Landgericht die Be
schwerde des Herrn von Kotze gegen die
Zurückweisung seiner Beleidigungsklage
wider Herrn von Schrader durch das
Amtsgericht ebenfalls zurückgewiesen habe,
weil die gesetzliche Frist nicht innegehalten
worden sei. Damit dürfte eine Aufklärung
des dunklen Falls für immer unmöglich
gemacht sein.
— Der Bund der Landwirthe wird
seine Thätigkeit im Winter mit erneuter
Energie aufnehmen. Die Agrarcommission
des Bundes soll Ende October oder Anfang
November zusammentreten, um den Antrag
Kanitz betr. die Verstaatlichung der Getreide
einfuhr wiederum zu berathen. Daneben
wird die Commission zur Berathung der
Versicherungsfragen tagen, um in dieser
Angelegenheit einen endgültigen Beschluß
herbeizuführen.
Berlin, 14. Oct. Zur Affaire des
Bauinspectors Schran vom Aus
wärtigen Amte theilt die „Volksztg." noch
mit, daß Herr Schran schon vor vierzehn
Tagen verschwunden sei; auch die materielle
Lage des Bauinspektors Schran sei längst
bekannt gewesen. „Herr Schran war derart
in Verlegenheit, daß er sich vor seinem
Verschwinden nicht einmal gescheut hat,
einen Subalternbeamten des Auswärtigen
Amtes um sein ganzes Gehalt zu
bringen, in dem er es unter Vorgeben
entlieh, daß er sich im Augenblick in
Geldverlegenheit befinde."
— Eine eigenthümliche „Fein
fühligkeit" hat die illustrirte Zeitschrift
„Ueber Land und Meer" geübt. Das erste
Heft des neuen Jahrganges dieser Wochen-
schrift brachte eine Tafel von Bildern
deuscher Prinzessinnen; die einzelnen
Bildnisse sind mit Ziffern versehen, und
diese Ziffern bezeichnen am Fuße des
Blattes den Namen der dargestellten Person.
So ist es bei den 12 ersten Bildern; das
letzte Bild jedoch, das von Rechtswegen
die furchtbare Ziffer 13 tragen sollte, ist
ebenso wie der Name der betreffenden
Prinzessin, ohne Numerirung geblieben.
Im 2. Heft von „Ueber Land und Meer"
wiederholt sich derselbe Vorgang bei den
deutschen Prinzen: am Fuß steht zwar
bei Nummer 13 der Prinz Heinrich XXXII.
von Reuß j. L. angegeben, sein Bild selbst
aber ist unbezeichnet geblieben. Die 13.
Prinzessin des ersten Tableaus ist Marie
von Mecklenburg Strelitz. Da muß die
Redaktion die Angehörigen der Fürstenge
schlechter doch für sehr abergläubisch halten!
— Von der Anrede als „Friedrich"
und „Johann" wollen gewisse Kreise der
„Friedrich" und „Johann" nichts
mehr wissen. In der Generalversammlung
des internationalen Vereins der Gasthofs
besitzer, die Anfang Oktober in Meran ab-
gehalten wurde, entwickelte sich eine inter
essante Debatte über eine Eingabe des
Genfer Verbandes der Hotelangestellten,
die Anredeform der Gehilfen betreffend,
welche die bisher übliche Form des An
rufes mit ihrem Vornamen als eine Ent
würdigung ihres Standes be-
zeichneten. Sie verlangen, hinführo nicht
mehr „Fritz" oder Karl oder August u.s.w.,
„Du scheinst ja nicht sehr erbaut zu sein
über Eugens Ankunft," äußerte sie nachlässig.
„Der Besuch meines Bruders ist mir
immer willkommen, zumal in einem Falle,
wo er der Erholung bedarf," entgegnetc
Albrecht ausweichend.
„Nun, ich freue mich sehr darauf und
werde jetzt gleich zu Erichsens fahren, die
jungen Mädchen einzuladen, damit wir Eugen
wenigstens eine interessante Bekanntschaft
vorführen können."
Sie ging und Albrecht blieb allein , er
zündete sich eine Cigarrette an und begann
unruhevoll im Zimmer auf und ab zu gehen.
Er sympathisirte noch weniger mit seinem
Bruder, als Julie vermuthete. Die ober
flächliche, oft an das Herzlose streifende
Natur Eugens, seine frivole Denkungsart
den Frauen gegenüber hatten ihn von jeher
abgestoßen; nun wollte Julie ihn mit Rahel
Erichsen zusammenbringen — ein unerträg
licher Gedanke. Zweifellos würde Eugen,
in Ermangelung besserer Beschäftigung, alles
daran setzen, das Herz dieses reinen Mäd
chens zu gewinnen, um es später, wie so
manches andere, achtlos bei Seite zu werfen.
Und sie? Ach, nur zu oft war ihm die
Erfahrung geworden, daß gerade die edelsten
und unschuldvollsten weiblichen Wesen —
dem dämonischen Zauber des blasirtesten
Lebemannes zum^Opfer fallen. — Dieser
Gedanke trieb ihm das Blut heiß in die
Schläfen — die Wände schienen ihm plötzlich
zu drückend; er ließ sich den „Frithjof" satteln
und ritt in die Haide hinaus. —
(Fortsetzung folgt.)
sondern bei ihrem Familiennamen gerufen
zu werden, auch von den Gästen. Die
Versammlung beschloß, diesem Verlangen
der Gehilfen toohlwollend entgegen zu
kommen, um einer etwaigen „sozialen"
Bewegung auszuweichen, es dem Takte
der einzelnen Hoteliers überlassend, ihre
Angestellten in der ihnen (den Hoteliers)
angemessen scheinenden Form anzureden.
— In einigen Blättern befinden sich
Anzeigen eines Pastors a. D. Kypke
in Schreiberhau (Riesengebirge), nach welchen
derselbe seinen Mitmenschen die an Magen
beschwerden, Verdauungsschwäche, Appetit
mangel :c. leiden, unentgeltlich und herzlich
gern mittheilen will, wie sie davon befreit
werden, nachdem er selbst daran gelitten
und den gleichen Eefolg hatte. Wie die
„Deutsche Destillateur-Zeitung" in ihrer
Nr 76 mittheilt, läuft diese biedere Anzeige
auf die Empfehlung eines „Ostindischen
Magenkräuterliqueurs"hinaus,der denPastor
geheilt habe, nachdem er sein Amt, welches
er „30 Jahre zur Ehre Gottes" verwaltet,
aus Gesundheitsrücksichten aufgeben mußte.
Eine absonderliche Reklame, die der Herr
Pastor macht. Ein alter Arzt schrieb im
Jahre 1507 folgendes Recept, das wohl
ungleich besser sein dürste: „Mäßigkeit im
Essen und Trinken ist die beste Arzenei.
Dadurch wird die Pest vertrieben und ein
langes Leben möglich."
— Folgende, recht „zeitgemäße" Anzeige
findet man in einem hiesigen Blatte: „Ein
Spazierstock ist gestern „in Gedanken" stehen
gelassen worden. Besondere Kennzeichen:
Den Griff bildet ein geschnitzter Negerkopf
in halber Naturgröße. Der Stock hat die
Stärke eines dreijährigen Baumstammes"
.... Was für ein Narr muß zu diesem
Gigerl-Knüppel gehören!
In Alt-Strunz wurde jüngst die lebens
lustige allgemein beliebte Tochter eines
dortigen Landmannes begraben, bei deren
Tode man zunächst annahm, daß sie Selbst
mord begangen, um sich den Folgen eines
Liebesverhältnisses mit dem Zimmermann
Hermann Trenner zu entziehen. Kaum
hatte sich jedoch das Grab über der Todten
geschlossen, als das Gerücht ging, daß
Trenner seine Geliebte ermordet und sie
in den Teich, in welchem sie todt aufge
funden war, geworfen habe. Da genügend
Verdachtsmomente vorhanden, wurde T.
verhaftet.
In Lorenzdorf, Kreis Bunzlau, ist eine
über 200 Jahre alte Bibel von enormer
Größe und Schwere aufgefunden worden.
Sie enthält viele Kupfer und ist mit meh
reren Einleitungen, einer Lebensbeschreibung
Luther's und der Confessio Augustana
versehen.
Frankfurt a. O., 13. Oct. Die Zahl der
Typhuskranken beim Füsilier-Bataillon des
Grenadier-Regiments Nr. 12 ist nach einer
amtlichen Mittheilung auf 51 gestiegen,
doch nimmt die Krankheit einen günstigen
Verlauf und sind auch alle Vorkehrungen
getroffen, um einer Weiterverbreitung der
selben vorzubeugen.
Mainz, 14. Oct. Eine stadtbekannte
Persönlichkeit, der Kaufmann Henning er,
seit langen Jahren in der Kohlenhandlung
Reitz thätig, hat sich gestern Abend auf
dem Grabe seines Vaters erschossen.
Nach hinterlassenen Briefen hat er sich
eines unheilbaren Ohrenleidens wegen den
Tod gegeben.
Bonn, 13. Oct. In das hiesige Ge
richtsgefängniß ivurde ein Bewohner aus
der Eitorfer Gegend eingebracht, welcher
falsche Fünfzigmarkscheine ange
fertigt und in den Verkehr gebracht hat.
In Freising fühlte sich der Vorstand des
dortigen Bezirksamts dadurch gestört,
daß in einer nebenanliegenden Wirthschaft
Klavier gespielt und gesungen wurde.
Er ließ das dem Wirthe polizeilich
untersagen. Einige Tage darauf wurde
in der Wirthschaft wieder Klavier gespielt.
Der Wirth erhielt eine Geldstrafe von 10
Mark im Mandalswege. Das Amtsgericht
Freising sprach den remonstrirenden Wirth
jedoch frei, ebenso das Landgericht München II,
an das der Amtsanwalt rekurrirt hatte.
Nach der „Münchener Freien Ztg." besagt
ver Entscheid des Landgerichts München II,
daß Klavierspiel bei offenem Fenster auch
während des Tages als grober Unfug an-
zusehen sei, wenn dadurch die Nachbarschaft
belästigt sei. Dabei sei es nicht nothwendig,
daß auf dem Instrumente Miß töne irgend
welcher Art hervorgebracht werden, sondern
schon das vollkommen ordnungsmäßige
Spiel bei offenem Fenster kann, wenn es
andere in der Ausübung ihres Berufes
stört, grober Unfug sein, und nur der
Umstand, daß der Wirth nicht der Lärm
erreger war, rechtfertige ein freisprechendes
Erkenntniß.
Erfurt, 11. Octbr. Die hiesige Staats-
amoaltschaft hat dieser Tage gleich auf
einmal 7 Männer wegen Hoch- und
Landesverraths in Arnstadt ver
haften lassen. Die Leute hatten ein im
Verlag von Reißhaus & Co. Hierselbst er
schienenes Flugblatt „Zum Schlachten-
jubilüum", das die Sedanfeier behandelte,
in Arnstadt verbreitet. Plötzlich wurden sie
auf die Polizei sistirt und nach kurzer
Vernehmung verhaftet und zwar unter
Beschuldigung des Hoch- und Landesverraths.
Die hiesige sozialdemokratische Parteileitung
ließ sofort Beschwerde einlegen, worauf die
Entlassung der Verhafteten erfolgte, nachdem
das Reichsgericht die Erhebung der Hoch-
verrathsanklage abgelehnt hatte.
Eine W a l p u r g i s f e i e r auf dem
Brocken wird am 1. Mai 1896 veran-
staltet werden. Die Anregung hierzu geht
von dem bekannten Harzforscher Rudolph
Stolle in Harzburg aus. Bei der Teufels
kanzel, wo ein Riesenseuer angezündet wird,
soll der „Satan" eine Hexenpredigt halten,
während Hexen und kleine Teufel herum
tanzen und allerhand Mummenschanz auf
führen. Wie ist's möglich!
Hannover, 11. Oct. Vor zehn Jahren
wurde der Studiosus St. aus Sarstedt
vom hiesigen Schwurgericht wegen Er-
mordung seines Stiefvaters zum
Tode verurtheilt. Der junge Mann
hatte zum Besuche bei seiner in zweiter
Ehe wieder verheiratheten Mutter geweilt
und war wiederholt Zeuge gewesen, wie
sein Stiefvater, ein brutaler Mensch, die
von ihm geliebte Mutter mißhandelte.
Da reifte der Entschluß in der Seele des
jungen Mannes, den Stiefvater zu be
seitigen. Bei günstiger Gelegenheit streckte
St. den Peiniger der Mutter durch einen
Gewehrschuß nieder und beendete die
Leiden des Verwundeten durch einen
Stich in den Hals. Das Schwurgericht
verurtheilte den jungen Mann zum Tode,
auf dem Gnadenwege wurde das Todes
urtheil in lebenslängliche Freiheitsstrafe
umgewandelt, welche St. in das hiesige
Gerichtsgefängniß gebracht hat. Dort ge
wann er sich die besondere Zuneigung
sämmtlicher Beamten, welche den jungen
Mann jetzt ungern vermissen, denn heute
ist die Entscheidung des Kaisers eingetroffen,
welche den einst zum Tode Berurtheilten
der Freiheit und der Mutter zurückgiebt.
Hamburg, 14. Oct. Gestern wurde nach
einem Vortrage des Abgeordneten Dr.
Diedrich Hahn der „Bund der Landwirthe
für das Hamburger Landgebiet" im Anschluß
an den Bezirk des Kreises Hadeln begründet.
Hamburg, 14. Oct. Die Zutrift zum
heutigen Viehmarkt betrug 1781 Stück.
Der Handel war besser und wurde der
Markt geräumt. Beste Waare bedang
62—66 Mk., geringere 54—58 Mk. Der
Hammelmarkt war flauer. Von den am
Markt befindlichen 2398 Stück verblieb
Ueberstand.
Provinzielles.
Das alte Verwaltungsgebäude der König
lichen Eisenbahn-Direktion in Altona ist
jetzt geräumt worden und ist das gesammte
Personal bereits in das neue Heim über
siedelt.
Ein in Altona wohnender Tapezier
lernte vor einiger Zeit eine Wittwe kennen,
die von auswärts nach Altona gezogen
war. Schon nach einigen Tagen verlobte
er sich mit der Wittwe und miethete eine
Wohnung in der Blumenstraße. Er ver
anlaßte die Vertrauensselige, ihr gesammtes
Mobiliar von ihren Eltern nach Altona
schicken zu lassen; es wurde in der neuen
Wohnung untergebracht. In kürzester
Frist sollte die Hochzeit sein. Dann aber
wartete die Braut mehrere Tage vergeblich
auf den Bräutigam. Endlich begab sie sich
in das Logis, doch erwies sich die Adresse
als falsch. Böser Ahnungen voll suchte
sie jetzt die neue Wohnung auf, wohin
das Mobiliar gebracht worden war. Die
ganze Wohnung war leer; sämmtliche
Sachen, die einen Werth von 1000 Mk.
repräsentiren, waren verschwunden. Die
Betrogene brachte die Sache zur Anzeige,
und auf Grund der Beschreibung, die sie
von dem Betrüger gab, gelang es der
Polizei in kurzer Zeit, den Schwindler zu
verhaften. Dieser ist wegen Betrugs und
Unterschlagung wiederholt bestraft, ist ver>
heirathet und Vater mehrerer Kinder. Die
so arg betrogene Wittwe ist trostlos über
den Verlust ihrer Sachen und ihres
Bräutigams.
Einem Beschluß der Elmöhorner Orts
krankenkasse in betreff der Veröffentlichung
der Generalversammlungen durch die
socialdemokratische „Schlesw.-Holst. Volks
zeitung" hat die Regierung die Genehmigung
versagt.
Holsteinische Elbmarsch, 14. Oct. Auf
dem Gebiete des Viehhandels wird
es in der letzten Zeit auch in dieser Ge
gend sowie in den benachbarten Geest
distrikten nach und nach lebhafter. Ziem
lich bedeutend ist die Nachfrage in Mager
vieh und nach Milchkühen, welche das
Angebot nicht unerheblich übersteigt. Dies
hat seinen Grund einerseits darin, daß
bei nianchen Landleuten die Viehstände in
folge der starken Verkäufe, zu denen sie
wegen des im Jahre 1893 herrschenden
Futtermangels damals genöthigt waren,
nach der Ergänzung bedürfen, und ander
seits darin, daß diesen Herbst überall
reichliche Futtervorräthe vorhanden sind,
und daher der Landmann, wenn er nicht
den geforderten Preis erhält, es vorzieht,
das Vieh nach beendetem Weidegang vor
der Hand auf den Stall zu nehmen. Die
augenblicklichen Preise sind als recht gute
zu bezeichnen; es wird gezahlt für Milch
kühe 300—450 Mk., für dritthalbjährige
Magerochsen und trächtige Outen 270 bis
360 Mk., für anderthalbjährige Ochsen
und Fehrkühe 180—240 Mk., und für
einjährige Thiere 100 bis 150 Mk. Auch
die Fettviehpreise sind gut, 100 Pst.
Schlachtgewicht bedingen 60—66 Mark,
für Lebendgewicht werden 30 bis 33 Mk.
pro Centner gezahlt.
Frühere Schüler des verstorbenen
Seminardirectors Lange beabsichtigen diesem
in Segederg ein Denkmal zu setzen.
‘Ì Kiel, 14. Oct. Die Frage betreffs
Beschickung der im Sommer 1896, ver
bunden mit der Gewerbe-Ausstellung für
Schleswig - Holstein abzuhaltenden inter-
nationalen Schifffahrt- und Fischerei-
Ausstellung ist in der Londoner Handels
kammer neuerdings zur Erörterung gelangt.
Nachdem der Präsident der in allen Fragen
des Handels und Verkehrs für ganz England
maßgebenden Körperschaft, Mr. Rollit, sich
schon früher sehr sympathisch für das
schleswig < holsteinische Unternehmen aus
gesprochen hat, ist nunmehr der Beschluß
gefaßt worden, bei 100 bis 150 der an-
gesehensten unter den in Betracht kommenden
Firmen eine Umfrage zu halten, ob und
in welchem Umfange ihnen eine Beschickung
der Ausstellung wünschenswerth erscheint.
In der letzten Versammlung der Kommission
der internationalen Fischerei - Ausstellung
bot der Schöpfer und Leiter der deutschen
Plankton-Sache, Geheimrath Hensen eine
vorläufige Uebersicht über die auf dem
Gebiete der Fischerei auszustellenden Gegen
stände. Die vor der Hand unter 6 Rubriken
gruppirte Ausstellung wird demnach umfassen:
Netze, Fanggeräthschaften und Modelle von
solchen für die Fischerei in Salz- und
Süßwasser, wissenschaftliche und Zucht-
apparate, Aquarien verschiedener Art, eine
Kosthalle und Auslage frischer Waare auf
Eis, einen kompleten Fischerei-Betrieb,
Fischerei-Boote, Ausrüstungen usw. Kooptirt
wurde für die Commission der Fischerei-
Ausstellung der Fischmeister Elsner in
Nortorf.
Kiel, 14. Oct. Wie die „K. Z." er-
fährt, ist das frühere Mitglied des hiesigen
königlichen Konsistoriums, Ober-Konsistorial-
rath Dr. Siockmann beim königlichen
Ober-Konsistoriuin in Hannover zum Ober-
Regierungsrath und Direktor des könig
lichen Konsistoriums in Wiesbaden er
nannt worden. Die durch die Beförderung
des Genannten beim Ober-Konsistorium in
Hannover frei gewordene Stelle ist dem
Mitgliede des hiesigen königlichen Konsi-
storiums, Konststorialrath Müll er, zunächst
kommissarisch übertragen worden.
Kiel, 14. Oct. Der russische Dampfig
„Zaritza" und ein Hamburger Leuchter
schiff kollidirten auf dem Nord-Ostsee'
Canal bei Brunsbüttel. Beide SchŞ
erlitten Haverie
Auf der Gernianiawerft bei Kiel sind
größere Arbeiterentlassungen erfolgt.
Das zweite Provinzialfest des Verbandes
der Kampfgenossenvon 1870 71 in Schleswig-
Holstein, das in Kiel gefeiert wurde, hat
auch finanziell ein befriedigendes Ergebniß
gehabt. Es wurde ein Ueberschuß von
1600 Mk. erzielt, welcher für Unterstützung?-
zwecke Verwendung findet.
— Eckernförde, 14. Oct. Am 20. d. M.
findet hieselbst die Wahl zweier Stadt
verordneten statt. Es scheiden die beiden
Herren Wiedemann und Hinrichsen aus.
Von den beiden Parteien sind als Kandidaten
aufgestellt Kaufmann Wiedemann und Schuh
bezw. Rentier Hinrichsen und Mehlhänvler
Rau. Ueber die Aufstellung gleicher
Kandidaten konnte keine Einigung erzielt
werden.
Eckerr.forde, 14. Oct. Bor dem König
lichen Landgericht zu Altona stand heute
die Strass ache gegen die hiesigen Stadt
verordneten Neve und Strenge
wegen Beleidigung des Bürgermeisters
Felgenhauer, begangen durch die Presse,
zur Verhandlung. Zur Orientirung der
Sachlage diene Folgendes: Von dem
Bürgermeister Felgenhauer war s. Z. amt
lich festgestellt und in der „E. Ztg." ver
öffentlicht worden, daß die beiden vor
genannten Stadtverordneten für die Er
höhung des Wahlzensus gestimmt hätten,
wogegen von diesen entschieden Verwahrung
eingelegt wurde. Nebenbei wollen wir
bemerken, daß eine nameniliche Stimm-
abgäbe nicht zu Protokoll genommen war,
sodaß der Bürgermeister auf Grund seiner
Wahrnehmung bezw. Meinung und seines
Gedächtnisses, unterstützt von einem Theil
der städtischen Kollegien, diese Konstatirung
vornahm. Auf welcher Seite der Irrthum
liegt, läßt sich schwer feststellen; ob der
Bürgermeister sich in seiner Wahrnehmung
geirrt hat, oder ob die beiden Stadt
verordneten eine falsche Auffassung von
der Abstimniuugsfrage gefaßt haben, ist
nicht zu beurtheilen, da auch die Form
der Frage weder protokollirt ist noch von
dem Bürgermeister erinnert wird. Die
Folge dieser Differenz ivar eine Klage
des Königlichen Staatsanwalts in Kiel
gegen die beiden Stadtverordneten wegen
Beleidigung des Bürgermeisters, weil die
selben gegen die amtliche Konstatirung
des letzteren Protest in der „E. Ztg." er
hoben hatten. Das Kieler Landgericht
erkannte in diesem Vorgehen der Be
klagten eine Beleidigung und verurtherlte
dieselben in eine Geldstrafe von je 200
Mk. uud in die Kosten des Verfahrens.
Dieses Urtheil wurde jedoch auf eingelegte