Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

aller seine Fahne. Nack Dupuy sprach 
Poincarä. 
Der Pariser „Eclair" erfährt, der 
Zar habe den Baron Mohrenheim 
beauftragt, die französische Regierung 
zur Besetzung Tananarivos zu beglück 
wünschen. 
Inland. 
— Die Fürsten L o b a n o w und zu 
Hohenlohe haben sich, wie bereits 
angekündigt wurde, gestern nach Hubertus- 
stock zum Kaiser begeben. Als der Reichs 
kanzler kurz vor 8'/* Uhr die Fahrt vom 
Stettiner Bahnhof aus antrat, fiel sein 
frisches Aussehen uud die Lebhaftigkeit 
seiner Bewegungen allgemein auf. Fürst 
Lobanow wurde von dem russischen Bot 
schafter Grafen v. d. Osten-Sacken und 
dem Botschaftsrath von Knorring begleitet. 
Abends 6 Uhr 4 Minuten sollten beide 
wieder hier eintreffen. Der Zug hatte 
aber eine viertelstündige Verspätung. Als 
er um 6 Uhr 19 Minuten in die Bahn 
hofshalle einlief, sah man die beiden 
Fürsten im eifrigsten Gespräch in einem 
Wagenabtheil sitzen. Fürst Lobanow, der 
zuerst ausstieg, erwartete den Reichskanzler 
auf dem Bahnsteige und begleitete ihn 
sodann zu der bereitstehenden Equipage, 
wo sich beide herzlich die Hände schüttelten. 
Abend 8 Uhr fand im Reichskanzlerpalais 
ein Mahl zu 16 Gedecken statt, an dem 
außer dem Fürsten Lobanow Graf von der 
Osten-Sacken, sowie fast sämmtliche Mit 
glieder der russischen Botschaft theilnahmen, 
mit Ausnahme des Grafen Pahlen, der 
verreist ist. 
— Zu der Ehrenerklärung des Staats 
ministeriums für den Minister von 
Boetticher bemerken die Hamburger 
Nachrichten, deren Beziehungen zum Fürsten 
Bismarck bekannt sind, in einem längeren 
Artikel, es wäre richtiger gewesen, wenn 
Herr von Boetticher, wie dies in früheren 
Fällen Fürst Bismarck gethan, gegen die 
beleidigenden Aeußerungen Klage erhoben 
hätte. „In der Sache selbst" — so fährt 
das Blatt fort — „können wir eigentlich 
nichts finden, lvas den gewaltigen Apparat 
einer amtlichen Ehrenerklärung von neun 
Ministern zu Gunsten eines ihrer Collegen 
rechtfertigen könnte, und wir verstehen 
nicht, wie man dem Minister von Boetticher 
gegenüber von „ungeheuerlichen An- 
schuldigungen" sprechen kann, wie dies in 
der Presse vielfach geschieht. Es war kein 
Bedürfniß, dem Minister von Boetticher 
ein Leumundszeugniß von dieser Autorität 
auszustellen. Wir fürchten, daß die Ver 
wendung solch schweren Geschützes, wie es 
in der ministeriellen Erklärung aufgefahren 
wird, wenn sie in der Zukunft bei ähn 
lichen Anlässen an Stelle der gerichtlichen 
Klage zur Regel werden sollte, sehr bald 
ihre Wirkung einbüßen wird. Wir fürchten 
auch, daß bieļer ungewöhnliche Schritt 
und die Abneigung gegen offenes gericht 
liches Verfahren die Aufgabe der Feinde 
des Herrn von Boetticher und der jetzigen 
Regierung eher erleichtert und die Zahl 
der Zweifler vielleicht vermehrt hat. . . . 
Wir wissen also nicht, warum man auf 
ministerieller Seite die gerichtliche Ver- 
Handlung gescheut hat, welche durch Ver 
nehmung der Ministerialbeamten, des Chefs 
der Reichsbank und der betheiligten Bank« 
Häuser ein unanfechtbares Ergebniß zu 
Tage gefördert haben würde, das für 
Herrn von Boetticher nach unserer 
Schätzung der Verhältnisse klarer und 
günstiger ausgefallen sein würde, als alle 
die Vermuthungen und Folgerungen, welche 
sich an die vorsichtig redigirte Erklärung 
im Reichsanzeiger anknüpfen und schließlich 
meiner Gesundheit entwarf, daß mich ein? 
gelinde Gänsehaut überlief, ergab ich mich 
denn; Urlaub wurde natürlich ertheilt, und 
Dienstag wirst Du das Vergnügen haben, 
mich in Deiner Bude zu empfangen. Nun, 
so ganz Unrecht hat ja der alte Lehnstorff 
mcht — ich bin blasirt, schauderhaft blasirt; 
und ich hätte vielleicht auch noch nicht in 
die Abreise gewilligt, wenn mich nicht zur 
Zeit etwas wie ein moralischer Katzenjammer 
ergriffen hätte, ein Ekel vor Allem, was da 
kreuchl und fleucht, den voraussichtlich die 
nicht sehr zarten Nordseebrisen bald verweht 
haben werden. Pfui Teufel, das ist ein 
gottesjämmerlichcs Dasein! Hoffentlich lebt 
Ihr nicht wie die Einsiedler und ist Aussicht 
vorhanden, einige Bekanntschaften anzu 
knüpfen — oder ist die gesegnete Kultur von 
Curopens übertünchter Höflichkeit noch nicht 
bis in die nordische Haide vorgedrungen? 
Grüße Julie; alle Wetter, in der rosigsten 
Laune mag sich Frau Schwägerin wohl ge 
rade nicht befinden in dem alten Neste, wo 
jedenfalls die Seelen der blutdürstigen Dänen 
könige ihr wenig anheimelndes Wesen treiben! 
Nun, ein wenig Abwechslung werde ich 
schon in die ehrwürdigen Mauern der einsti 
gen Zwingburg zu bringen wissen.j 
Mit herzlichen Grüßen Dein Bruder ' 
Engen." 
„Die Sache ist ja noch ziemlich gut abge 
laufen," bemerkte Albrecht gelassen, indem er 
den Brief zusammenfaltete. 
Julie hatte sich unterdessen erhoben und 
war vor den Spiegel getreten, wo sie laut 
gähnend stand und ihre schwarzen Stirnlöck 
chen ordnete. 
den weiteren Forschungen und Angriffen 
in der Presse nur Vorspann leisten werden. 
— Die Anklage wegen Majestäisbe- 
leidigung gegen den Abgeordneten Lieb 
knecht soll der „Nat.-Ztg." zufolge sich 
auf einen Satz in einer in Breslau ge 
haltenen Rede beziehen, der in den meisten 
Berichten getilgt oder abgeschwächt, aber 
in einem hannoverschen sozialdemokratischen 
Blatte wiedergegeben worden ist. Auch 
gegen den Redacteur des letzteren ist ein 
geschritten worden. 
— Zu dem „Fall Kotze" kommt die 
Meldung, daß das Landgericht die Be 
schwerde des Herrn von Kotze gegen die 
Zurückweisung seiner Beleidigungsklage 
wider Herrn von Schrader durch das 
Amtsgericht ebenfalls zurückgewiesen habe, 
weil die gesetzliche Frist nicht innegehalten 
worden sei. Damit dürfte eine Aufklärung 
des dunklen Falls für immer unmöglich 
gemacht sein. 
— Der Bund der Landwirthe wird 
seine Thätigkeit im Winter mit erneuter 
Energie aufnehmen. Die Agrarcommission 
des Bundes soll Ende October oder Anfang 
November zusammentreten, um den Antrag 
Kanitz betr. die Verstaatlichung der Getreide 
einfuhr wiederum zu berathen. Daneben 
wird die Commission zur Berathung der 
Versicherungsfragen tagen, um in dieser 
Angelegenheit einen endgültigen Beschluß 
herbeizuführen. 
Berlin, 14. Oct. Zur Affaire des 
Bauinspectors Schran vom Aus 
wärtigen Amte theilt die „Volksztg." noch 
mit, daß Herr Schran schon vor vierzehn 
Tagen verschwunden sei; auch die materielle 
Lage des Bauinspektors Schran sei längst 
bekannt gewesen. „Herr Schran war derart 
in Verlegenheit, daß er sich vor seinem 
Verschwinden nicht einmal gescheut hat, 
einen Subalternbeamten des Auswärtigen 
Amtes um sein ganzes Gehalt zu 
bringen, in dem er es unter Vorgeben 
entlieh, daß er sich im Augenblick in 
Geldverlegenheit befinde." 
— Eine eigenthümliche „Fein 
fühligkeit" hat die illustrirte Zeitschrift 
„Ueber Land und Meer" geübt. Das erste 
Heft des neuen Jahrganges dieser Wochen- 
schrift brachte eine Tafel von Bildern 
deuscher Prinzessinnen; die einzelnen 
Bildnisse sind mit Ziffern versehen, und 
diese Ziffern bezeichnen am Fuße des 
Blattes den Namen der dargestellten Person. 
So ist es bei den 12 ersten Bildern; das 
letzte Bild jedoch, das von Rechtswegen 
die furchtbare Ziffer 13 tragen sollte, ist 
ebenso wie der Name der betreffenden 
Prinzessin, ohne Numerirung geblieben. 
Im 2. Heft von „Ueber Land und Meer" 
wiederholt sich derselbe Vorgang bei den 
deutschen Prinzen: am Fuß steht zwar 
bei Nummer 13 der Prinz Heinrich XXXII. 
von Reuß j. L. angegeben, sein Bild selbst 
aber ist unbezeichnet geblieben. Die 13. 
Prinzessin des ersten Tableaus ist Marie 
von Mecklenburg Strelitz. Da muß die 
Redaktion die Angehörigen der Fürstenge 
schlechter doch für sehr abergläubisch halten! 
— Von der Anrede als „Friedrich" 
und „Johann" wollen gewisse Kreise der 
„Friedrich" und „Johann" nichts 
mehr wissen. In der Generalversammlung 
des internationalen Vereins der Gasthofs 
besitzer, die Anfang Oktober in Meran ab- 
gehalten wurde, entwickelte sich eine inter 
essante Debatte über eine Eingabe des 
Genfer Verbandes der Hotelangestellten, 
die Anredeform der Gehilfen betreffend, 
welche die bisher übliche Form des An 
rufes mit ihrem Vornamen als eine Ent 
würdigung ihres Standes be- 
zeichneten. Sie verlangen, hinführo nicht 
mehr „Fritz" oder Karl oder August u.s.w., 
„Du scheinst ja nicht sehr erbaut zu sein 
über Eugens Ankunft," äußerte sie nachlässig. 
„Der Besuch meines Bruders ist mir 
immer willkommen, zumal in einem Falle, 
wo er der Erholung bedarf," entgegnetc 
Albrecht ausweichend. 
„Nun, ich freue mich sehr darauf und 
werde jetzt gleich zu Erichsens fahren, die 
jungen Mädchen einzuladen, damit wir Eugen 
wenigstens eine interessante Bekanntschaft 
vorführen können." 
Sie ging und Albrecht blieb allein , er 
zündete sich eine Cigarrette an und begann 
unruhevoll im Zimmer auf und ab zu gehen. 
Er sympathisirte noch weniger mit seinem 
Bruder, als Julie vermuthete. Die ober 
flächliche, oft an das Herzlose streifende 
Natur Eugens, seine frivole Denkungsart 
den Frauen gegenüber hatten ihn von jeher 
abgestoßen; nun wollte Julie ihn mit Rahel 
Erichsen zusammenbringen — ein unerträg 
licher Gedanke. Zweifellos würde Eugen, 
in Ermangelung besserer Beschäftigung, alles 
daran setzen, das Herz dieses reinen Mäd 
chens zu gewinnen, um es später, wie so 
manches andere, achtlos bei Seite zu werfen. 
Und sie? Ach, nur zu oft war ihm die 
Erfahrung geworden, daß gerade die edelsten 
und unschuldvollsten weiblichen Wesen — 
dem dämonischen Zauber des blasirtesten 
Lebemannes zum^Opfer fallen. — Dieser 
Gedanke trieb ihm das Blut heiß in die 
Schläfen — die Wände schienen ihm plötzlich 
zu drückend; er ließ sich den „Frithjof" satteln 
und ritt in die Haide hinaus. — 
(Fortsetzung folgt.) 
sondern bei ihrem Familiennamen gerufen 
zu werden, auch von den Gästen. Die 
Versammlung beschloß, diesem Verlangen 
der Gehilfen toohlwollend entgegen zu 
kommen, um einer etwaigen „sozialen" 
Bewegung auszuweichen, es dem Takte 
der einzelnen Hoteliers überlassend, ihre 
Angestellten in der ihnen (den Hoteliers) 
angemessen scheinenden Form anzureden. 
— In einigen Blättern befinden sich 
Anzeigen eines Pastors a. D. Kypke 
in Schreiberhau (Riesengebirge), nach welchen 
derselbe seinen Mitmenschen die an Magen 
beschwerden, Verdauungsschwäche, Appetit 
mangel :c. leiden, unentgeltlich und herzlich 
gern mittheilen will, wie sie davon befreit 
werden, nachdem er selbst daran gelitten 
und den gleichen Eefolg hatte. Wie die 
„Deutsche Destillateur-Zeitung" in ihrer 
Nr 76 mittheilt, läuft diese biedere Anzeige 
auf die Empfehlung eines „Ostindischen 
Magenkräuterliqueurs"hinaus,der denPastor 
geheilt habe, nachdem er sein Amt, welches 
er „30 Jahre zur Ehre Gottes" verwaltet, 
aus Gesundheitsrücksichten aufgeben mußte. 
Eine absonderliche Reklame, die der Herr 
Pastor macht. Ein alter Arzt schrieb im 
Jahre 1507 folgendes Recept, das wohl 
ungleich besser sein dürste: „Mäßigkeit im 
Essen und Trinken ist die beste Arzenei. 
Dadurch wird die Pest vertrieben und ein 
langes Leben möglich." 
— Folgende, recht „zeitgemäße" Anzeige 
findet man in einem hiesigen Blatte: „Ein 
Spazierstock ist gestern „in Gedanken" stehen 
gelassen worden. Besondere Kennzeichen: 
Den Griff bildet ein geschnitzter Negerkopf 
in halber Naturgröße. Der Stock hat die 
Stärke eines dreijährigen Baumstammes" 
.... Was für ein Narr muß zu diesem 
Gigerl-Knüppel gehören! 
In Alt-Strunz wurde jüngst die lebens 
lustige allgemein beliebte Tochter eines 
dortigen Landmannes begraben, bei deren 
Tode man zunächst annahm, daß sie Selbst 
mord begangen, um sich den Folgen eines 
Liebesverhältnisses mit dem Zimmermann 
Hermann Trenner zu entziehen. Kaum 
hatte sich jedoch das Grab über der Todten 
geschlossen, als das Gerücht ging, daß 
Trenner seine Geliebte ermordet und sie 
in den Teich, in welchem sie todt aufge 
funden war, geworfen habe. Da genügend 
Verdachtsmomente vorhanden, wurde T. 
verhaftet. 
In Lorenzdorf, Kreis Bunzlau, ist eine 
über 200 Jahre alte Bibel von enormer 
Größe und Schwere aufgefunden worden. 
Sie enthält viele Kupfer und ist mit meh 
reren Einleitungen, einer Lebensbeschreibung 
Luther's und der Confessio Augustana 
versehen. 
Frankfurt a. O., 13. Oct. Die Zahl der 
Typhuskranken beim Füsilier-Bataillon des 
Grenadier-Regiments Nr. 12 ist nach einer 
amtlichen Mittheilung auf 51 gestiegen, 
doch nimmt die Krankheit einen günstigen 
Verlauf und sind auch alle Vorkehrungen 
getroffen, um einer Weiterverbreitung der 
selben vorzubeugen. 
Mainz, 14. Oct. Eine stadtbekannte 
Persönlichkeit, der Kaufmann Henning er, 
seit langen Jahren in der Kohlenhandlung 
Reitz thätig, hat sich gestern Abend auf 
dem Grabe seines Vaters erschossen. 
Nach hinterlassenen Briefen hat er sich 
eines unheilbaren Ohrenleidens wegen den 
Tod gegeben. 
Bonn, 13. Oct. In das hiesige Ge 
richtsgefängniß ivurde ein Bewohner aus 
der Eitorfer Gegend eingebracht, welcher 
falsche Fünfzigmarkscheine ange 
fertigt und in den Verkehr gebracht hat. 
In Freising fühlte sich der Vorstand des 
dortigen Bezirksamts dadurch gestört, 
daß in einer nebenanliegenden Wirthschaft 
Klavier gespielt und gesungen wurde. 
Er ließ das dem Wirthe polizeilich 
untersagen. Einige Tage darauf wurde 
in der Wirthschaft wieder Klavier gespielt. 
Der Wirth erhielt eine Geldstrafe von 10 
Mark im Mandalswege. Das Amtsgericht 
Freising sprach den remonstrirenden Wirth 
jedoch frei, ebenso das Landgericht München II, 
an das der Amtsanwalt rekurrirt hatte. 
Nach der „Münchener Freien Ztg." besagt 
ver Entscheid des Landgerichts München II, 
daß Klavierspiel bei offenem Fenster auch 
während des Tages als grober Unfug an- 
zusehen sei, wenn dadurch die Nachbarschaft 
belästigt sei. Dabei sei es nicht nothwendig, 
daß auf dem Instrumente Miß töne irgend 
welcher Art hervorgebracht werden, sondern 
schon das vollkommen ordnungsmäßige 
Spiel bei offenem Fenster kann, wenn es 
andere in der Ausübung ihres Berufes 
stört, grober Unfug sein, und nur der 
Umstand, daß der Wirth nicht der Lärm 
erreger war, rechtfertige ein freisprechendes 
Erkenntniß. 
Erfurt, 11. Octbr. Die hiesige Staats- 
amoaltschaft hat dieser Tage gleich auf 
einmal 7 Männer wegen Hoch- und 
Landesverraths in Arnstadt ver 
haften lassen. Die Leute hatten ein im 
Verlag von Reißhaus & Co. Hierselbst er 
schienenes Flugblatt „Zum Schlachten- 
jubilüum", das die Sedanfeier behandelte, 
in Arnstadt verbreitet. Plötzlich wurden sie 
auf die Polizei sistirt und nach kurzer 
Vernehmung verhaftet und zwar unter 
Beschuldigung des Hoch- und Landesverraths. 
Die hiesige sozialdemokratische Parteileitung 
ließ sofort Beschwerde einlegen, worauf die 
Entlassung der Verhafteten erfolgte, nachdem 
das Reichsgericht die Erhebung der Hoch- 
verrathsanklage abgelehnt hatte. 
Eine W a l p u r g i s f e i e r auf dem 
Brocken wird am 1. Mai 1896 veran- 
staltet werden. Die Anregung hierzu geht 
von dem bekannten Harzforscher Rudolph 
Stolle in Harzburg aus. Bei der Teufels 
kanzel, wo ein Riesenseuer angezündet wird, 
soll der „Satan" eine Hexenpredigt halten, 
während Hexen und kleine Teufel herum 
tanzen und allerhand Mummenschanz auf 
führen. Wie ist's möglich! 
Hannover, 11. Oct. Vor zehn Jahren 
wurde der Studiosus St. aus Sarstedt 
vom hiesigen Schwurgericht wegen Er- 
mordung seines Stiefvaters zum 
Tode verurtheilt. Der junge Mann 
hatte zum Besuche bei seiner in zweiter 
Ehe wieder verheiratheten Mutter geweilt 
und war wiederholt Zeuge gewesen, wie 
sein Stiefvater, ein brutaler Mensch, die 
von ihm geliebte Mutter mißhandelte. 
Da reifte der Entschluß in der Seele des 
jungen Mannes, den Stiefvater zu be 
seitigen. Bei günstiger Gelegenheit streckte 
St. den Peiniger der Mutter durch einen 
Gewehrschuß nieder und beendete die 
Leiden des Verwundeten durch einen 
Stich in den Hals. Das Schwurgericht 
verurtheilte den jungen Mann zum Tode, 
auf dem Gnadenwege wurde das Todes 
urtheil in lebenslängliche Freiheitsstrafe 
umgewandelt, welche St. in das hiesige 
Gerichtsgefängniß gebracht hat. Dort ge 
wann er sich die besondere Zuneigung 
sämmtlicher Beamten, welche den jungen 
Mann jetzt ungern vermissen, denn heute 
ist die Entscheidung des Kaisers eingetroffen, 
welche den einst zum Tode Berurtheilten 
der Freiheit und der Mutter zurückgiebt. 
Hamburg, 14. Oct. Gestern wurde nach 
einem Vortrage des Abgeordneten Dr. 
Diedrich Hahn der „Bund der Landwirthe 
für das Hamburger Landgebiet" im Anschluß 
an den Bezirk des Kreises Hadeln begründet. 
Hamburg, 14. Oct. Die Zutrift zum 
heutigen Viehmarkt betrug 1781 Stück. 
Der Handel war besser und wurde der 
Markt geräumt. Beste Waare bedang 
62—66 Mk., geringere 54—58 Mk. Der 
Hammelmarkt war flauer. Von den am 
Markt befindlichen 2398 Stück verblieb 
Ueberstand. 
Provinzielles. 
Das alte Verwaltungsgebäude der König 
lichen Eisenbahn-Direktion in Altona ist 
jetzt geräumt worden und ist das gesammte 
Personal bereits in das neue Heim über 
siedelt. 
Ein in Altona wohnender Tapezier 
lernte vor einiger Zeit eine Wittwe kennen, 
die von auswärts nach Altona gezogen 
war. Schon nach einigen Tagen verlobte 
er sich mit der Wittwe und miethete eine 
Wohnung in der Blumenstraße. Er ver 
anlaßte die Vertrauensselige, ihr gesammtes 
Mobiliar von ihren Eltern nach Altona 
schicken zu lassen; es wurde in der neuen 
Wohnung untergebracht. In kürzester 
Frist sollte die Hochzeit sein. Dann aber 
wartete die Braut mehrere Tage vergeblich 
auf den Bräutigam. Endlich begab sie sich 
in das Logis, doch erwies sich die Adresse 
als falsch. Böser Ahnungen voll suchte 
sie jetzt die neue Wohnung auf, wohin 
das Mobiliar gebracht worden war. Die 
ganze Wohnung war leer; sämmtliche 
Sachen, die einen Werth von 1000 Mk. 
repräsentiren, waren verschwunden. Die 
Betrogene brachte die Sache zur Anzeige, 
und auf Grund der Beschreibung, die sie 
von dem Betrüger gab, gelang es der 
Polizei in kurzer Zeit, den Schwindler zu 
verhaften. Dieser ist wegen Betrugs und 
Unterschlagung wiederholt bestraft, ist ver> 
heirathet und Vater mehrerer Kinder. Die 
so arg betrogene Wittwe ist trostlos über 
den Verlust ihrer Sachen und ihres 
Bräutigams. 
Einem Beschluß der Elmöhorner Orts 
krankenkasse in betreff der Veröffentlichung 
der Generalversammlungen durch die 
socialdemokratische „Schlesw.-Holst. Volks 
zeitung" hat die Regierung die Genehmigung 
versagt. 
Holsteinische Elbmarsch, 14. Oct. Auf 
dem Gebiete des Viehhandels wird 
es in der letzten Zeit auch in dieser Ge 
gend sowie in den benachbarten Geest 
distrikten nach und nach lebhafter. Ziem 
lich bedeutend ist die Nachfrage in Mager 
vieh und nach Milchkühen, welche das 
Angebot nicht unerheblich übersteigt. Dies 
hat seinen Grund einerseits darin, daß 
bei nianchen Landleuten die Viehstände in 
folge der starken Verkäufe, zu denen sie 
wegen des im Jahre 1893 herrschenden 
Futtermangels damals genöthigt waren, 
nach der Ergänzung bedürfen, und ander 
seits darin, daß diesen Herbst überall 
reichliche Futtervorräthe vorhanden sind, 
und daher der Landmann, wenn er nicht 
den geforderten Preis erhält, es vorzieht, 
das Vieh nach beendetem Weidegang vor 
der Hand auf den Stall zu nehmen. Die 
augenblicklichen Preise sind als recht gute 
zu bezeichnen; es wird gezahlt für Milch 
kühe 300—450 Mk., für dritthalbjährige 
Magerochsen und trächtige Outen 270 bis 
360 Mk., für anderthalbjährige Ochsen 
und Fehrkühe 180—240 Mk., und für 
einjährige Thiere 100 bis 150 Mk. Auch 
die Fettviehpreise sind gut, 100 Pst. 
Schlachtgewicht bedingen 60—66 Mark, 
für Lebendgewicht werden 30 bis 33 Mk. 
pro Centner gezahlt. 
Frühere Schüler des verstorbenen 
Seminardirectors Lange beabsichtigen diesem 
in Segederg ein Denkmal zu setzen. 
‘Ì Kiel, 14. Oct. Die Frage betreffs 
Beschickung der im Sommer 1896, ver 
bunden mit der Gewerbe-Ausstellung für 
Schleswig - Holstein abzuhaltenden inter- 
nationalen Schifffahrt- und Fischerei- 
Ausstellung ist in der Londoner Handels 
kammer neuerdings zur Erörterung gelangt. 
Nachdem der Präsident der in allen Fragen 
des Handels und Verkehrs für ganz England 
maßgebenden Körperschaft, Mr. Rollit, sich 
schon früher sehr sympathisch für das 
schleswig < holsteinische Unternehmen aus 
gesprochen hat, ist nunmehr der Beschluß 
gefaßt worden, bei 100 bis 150 der an- 
gesehensten unter den in Betracht kommenden 
Firmen eine Umfrage zu halten, ob und 
in welchem Umfange ihnen eine Beschickung 
der Ausstellung wünschenswerth erscheint. 
In der letzten Versammlung der Kommission 
der internationalen Fischerei - Ausstellung 
bot der Schöpfer und Leiter der deutschen 
Plankton-Sache, Geheimrath Hensen eine 
vorläufige Uebersicht über die auf dem 
Gebiete der Fischerei auszustellenden Gegen 
stände. Die vor der Hand unter 6 Rubriken 
gruppirte Ausstellung wird demnach umfassen: 
Netze, Fanggeräthschaften und Modelle von 
solchen für die Fischerei in Salz- und 
Süßwasser, wissenschaftliche und Zucht- 
apparate, Aquarien verschiedener Art, eine 
Kosthalle und Auslage frischer Waare auf 
Eis, einen kompleten Fischerei-Betrieb, 
Fischerei-Boote, Ausrüstungen usw. Kooptirt 
wurde für die Commission der Fischerei- 
Ausstellung der Fischmeister Elsner in 
Nortorf. 
Kiel, 14. Oct. Wie die „K. Z." er- 
fährt, ist das frühere Mitglied des hiesigen 
königlichen Konsistoriums, Ober-Konsistorial- 
rath Dr. Siockmann beim königlichen 
Ober-Konsistoriuin in Hannover zum Ober- 
Regierungsrath und Direktor des könig 
lichen Konsistoriums in Wiesbaden er 
nannt worden. Die durch die Beförderung 
des Genannten beim Ober-Konsistorium in 
Hannover frei gewordene Stelle ist dem 
Mitgliede des hiesigen königlichen Konsi- 
storiums, Konststorialrath Müll er, zunächst 
kommissarisch übertragen worden. 
Kiel, 14. Oct. Der russische Dampfig 
„Zaritza" und ein Hamburger Leuchter 
schiff kollidirten auf dem Nord-Ostsee' 
Canal bei Brunsbüttel. Beide SchŞ 
erlitten Haverie 
Auf der Gernianiawerft bei Kiel sind 
größere Arbeiterentlassungen erfolgt. 
Das zweite Provinzialfest des Verbandes 
der Kampfgenossenvon 1870 71 in Schleswig- 
Holstein, das in Kiel gefeiert wurde, hat 
auch finanziell ein befriedigendes Ergebniß 
gehabt. Es wurde ein Ueberschuß von 
1600 Mk. erzielt, welcher für Unterstützung?- 
zwecke Verwendung findet. 
— Eckernförde, 14. Oct. Am 20. d. M. 
findet hieselbst die Wahl zweier Stadt 
verordneten statt. Es scheiden die beiden 
Herren Wiedemann und Hinrichsen aus. 
Von den beiden Parteien sind als Kandidaten 
aufgestellt Kaufmann Wiedemann und Schuh 
bezw. Rentier Hinrichsen und Mehlhänvler 
Rau. Ueber die Aufstellung gleicher 
Kandidaten konnte keine Einigung erzielt 
werden. 
Eckerr.forde, 14. Oct. Bor dem König 
lichen Landgericht zu Altona stand heute 
die Strass ache gegen die hiesigen Stadt 
verordneten Neve und Strenge 
wegen Beleidigung des Bürgermeisters 
Felgenhauer, begangen durch die Presse, 
zur Verhandlung. Zur Orientirung der 
Sachlage diene Folgendes: Von dem 
Bürgermeister Felgenhauer war s. Z. amt 
lich festgestellt und in der „E. Ztg." ver 
öffentlicht worden, daß die beiden vor 
genannten Stadtverordneten für die Er 
höhung des Wahlzensus gestimmt hätten, 
wogegen von diesen entschieden Verwahrung 
eingelegt wurde. Nebenbei wollen wir 
bemerken, daß eine nameniliche Stimm- 
abgäbe nicht zu Protokoll genommen war, 
sodaß der Bürgermeister auf Grund seiner 
Wahrnehmung bezw. Meinung und seines 
Gedächtnisses, unterstützt von einem Theil 
der städtischen Kollegien, diese Konstatirung 
vornahm. Auf welcher Seite der Irrthum 
liegt, läßt sich schwer feststellen; ob der 
Bürgermeister sich in seiner Wahrnehmung 
geirrt hat, oder ob die beiden Stadt 
verordneten eine falsche Auffassung von 
der Abstimniuugsfrage gefaßt haben, ist 
nicht zu beurtheilen, da auch die Form 
der Frage weder protokollirt ist noch von 
dem Bürgermeister erinnert wird. Die 
Folge dieser Differenz ivar eine Klage 
des Königlichen Staatsanwalts in Kiel 
gegen die beiden Stadtverordneten wegen 
Beleidigung des Bürgermeisters, weil die 
selben gegen die amtliche Konstatirung 
des letzteren Protest in der „E. Ztg." er 
hoben hatten. Das Kieler Landgericht 
erkannte in diesem Vorgehen der Be 
klagten eine Beleidigung und verurtherlte 
dieselben in eine Geldstrafe von je 200 
Mk. uud in die Kosten des Verfahrens. 
Dieses Urtheil wurde jedoch auf eingelegte
	        
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