Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

richtung hielt der Strafhaus-Seelsorger 
eine Rede, in der er die That des Delin 
quenten als die Frucht anarchistischer Um 
triebe bezeichnete. 
Aus Laibach geht den Morgenblättern 
die Meldung zu: Das gestrige Erdbeben 
hatte ein größeres Ausdehnungsgebiet. 
Es laufen Meldungen ein aus Bischoflack, 
Sanntahl und Frart in Steiermark; die 
Hausmauern zeigen Risse. 
Frankreich 
Paris, 12. Oct. Russische Weine er 
obern sich immer neuen Absatz. Französische 
Weinbauern wollen in Turkestan große 
Weingärten schaffen und die Trauben 
zu Bordeaux- und Burgunderweinen ver 
arbeiten. 
Paris, 11. Oct. „Gaulois" deutet an, 
daß die Verlobung eines Sohnes Carnot's 
mit Fräulein Faure, der Tochter des 
Präsidenten, bevorstehend sei. 
Spanien. 
Barcelona, 11. Oct. Die Studenten 
drangen in die Universität, zertrümmerten 
die Fensterscheiben, verhinderten die Ab 
Haltung der Vorlesungen und forderten 
die Verabschiedung der Rectoren. 
Inland. 
Berlin, 11. Oct. Das „Volk" giebt zu, 
daß Lmdau's „Gräfin Lea" am 6. Decem 
ber 1880 zuletzt aufgeführt worden ist, und 
setzt hinzu: „Die Verhandlungen über den 
Fall Bleichröder begannen im September und 
zogen sich bis Ende December. Die Ant 
wort des Kaisers an Stöcker war da- 
tirt vom 29. December 1880. Schon 23 
Tage vorher war also die letzte Vorstellung 
gewesen." Hier wird zum ersten Male er 
wähnt, daß der Kaiser auf Stöcker's Brief 
geantwortet hat. — Der „Volkszeitung" und 
dem „Tageblatt", die von vom „Stöckcrblatt" 
befürchteten Consequenzen der Aberkennung 
des Hofprediqertitels gesprochen hatten, .er 
widert das „Volk": „Bei der Aberkennung 
des Hofpredigertitels kann von Befürchtungen 
oder Angst nicht die Rede sein. Wer bei 
den mittelparteilichen Intriguen zu Schaden 
kommen wird, dürfte sich erst später feststellen 
lassen. Immerhin sind wir aber neugierig, 
zu erfahren, ob wir in die Lage kommen, fest 
zustellen, daß die Möglichkeit, auf die man 
in eingeweihten Kreisen rechnet, Thatsache ge 
worden ist". Am Schluffe bemerkt das „Volk": 
„Ob unsere Richtigstellungen wohl auch den 
Zeitungsausschnitten zugefügt werden, die man 
an gewisser Stelle zur Information der höch 
sten Kreise zusammenstellt?" 
— Mit großem Eifer werden die 
offiziösen Bemühungen fortgesetzt, alle 
Mittheilungen über die Ausarbeitung 
eines neuen Vereinsgesetzes für 
Preußen zu dementiren. Richtig ist an 
diesen verschiedenartigen officiösen Dementis 
sicherlich das Eine, daß in der letzten 
Sitzung des preußischen Staatsministeriums 
ein Beschluß über die Frage nicht gefaßt 
worden ist. Dagegen bleibt es abzuwarten, 
ob sich eine weitergehenden Mittheilung be- 
stätigen wird, wonach eine derartige Vor 
lage überhaupt als ausgeschlossen 
zu betrachten sei. Der angebliche Verzicht 
der Regierung auf eine Verschärfung der 
geltenden Bestimmungen wird in der er- 
wähnten Notiz damit motivirt, daß auf 
dem Gebiete des Vereins- und Versamm- 
lungswesens mit derjenigen Abänderung 
des gemeinen Rechts, die im Allgemeinen 
ungefährlich wäre so gut wie nichts zu 
erreichen sei, wirksam würde nnr das vor 
herige Verbot von Versammlungen sein, und 
eine Vollmacht dazu, die gegen alle 
Parteien benutzt werden könnte, würde der 
Verwaltung wohl von keiner bewilligt werden. 
— Während Finanzminister Miguel 
mit der ihm eigenen Geschicklichkeit die 
Welt über seine Stellung zur Kon 
vertirungssrage im Unklaren läßt, 
hat sich kürzlich Fürst Hohenlohe mit 
wünschenswerther Deutlichkeit gegen eine 
Ermäßigung des Zinsfußes ausgesprochen 
Die „Köln. Ztg." berichtet darüber: 
Ein Freund unseres Blattes, der dieser Tage 
eine längere Unterredung mit dem Fürsten- 
Reichskanzler hatte, schreibt uns, daß er im 
Laufe dieser Unterredung auch an den Kanzler 
die Frage gerichtet habe, ob es wahr sei, daß 
regierungsseitig eine Ermäßigung des Zinsfußes 
für die vierprozentigen oder gar dreieinhalb 
prozentigen Reichs- und Staatskonsols geplant 
sei. Fürst Hohenlohe verhehlte seine Bedenken 
gegen die Umwandlung nicht. Er sagte, die 
Frage könne unmöglich vom rein finanziellen 
Gesichtspunkte angesehen werden, es sei auch die 
wirthschaftliche und finanzpolitische 
Lage und nicht minder die sozialpolitische 
Wirkung einer solchen Maßregel in Betracht 
zu ziehen; wie lange die augenblickliche Geldfülle 
andauern werde, sei nicht zu übersehen, an der 
Börse fänden augenblicklich Preistreibereien statt, 
deren Förderung der Staat und das Reich jeden 
falls unbedingt vermeiden müßten. Auch habe 
der Staat ein lebhaftes Interesse daran, daß 
zumal das kleinere Publikum seine Kapitalan 
lagen nicht in ausländischen Werthen, sondern in 
sicheren heimischen Staatswerthen mache. Jede 
Zinsherabsetzung solcher Werthe schädige zum 
Mindesten für einige Zeit diese vornehmste Sicher 
stellung kleiner Ersparnisie. Vor allem aber sei 
der große sozialpolitische Gesichtspunkt 
für die Entschließungen der kaiserlichen Regierung 
maßgebend. Eine Herabsetzung des Zinsfußes 
für die schon ausgegebeven Iprozentigen Konsols 
treffe vielfach weitgehend und hart den kleinen 
Alaun, der auf Grund dieses Zinsertrages seiner 
Ersparnisse hoffe, einen ruhigen Lebensabend zu 
genießen und durch die Zinsherabsetzung in einer 
für ihn nicht wieder gutzumachenden Weise in seinen 
einfachsten Lebensbedürfnissen beeinträchtigt werde. 
Wenn man im Reichstage es schon für ausge 
schlossen erkläre, mit Rücksicht auf den kleinen 
Mann das Glas Bier oder die Pfeife Tabak mit 
einer wenn auch minimalen Steuererhöhung zu 
bedenken, so muffe eine Zinsherabsetzuna an den 
mit schwerer Arbeit erzielten Ersparnissen erst 
recht unannehmbar sein. Zahlreiche Spar- 
caffen hätten einen großen Theil ihrer Kapitalien 
in vierprozentigen Anleihen angelegt; eine Herab- 
etzung des Zinsfußes dieser Anleihen müsse als 
bald auch die Sparkaffenverwaltungen zwingen, 
den Zinsfuß für die von ihnen verwalteten Er- 
sparniffe der kleinen Leute herabzusetzen. Der 
Staat habe weit eher ein Interesse daran, gerade 
diese kleinen Kunden der Sparkassen durch einen 
leidlich hohen Zinsfuß zum regen Sparen anzu 
feuern und damit die Kapitalbildung zu erleichtern. 
Nicht minder würde durch eine Zinsherabsetzung 
die gemeinnützige Thätigkeit der Stiftungen zum 
Schaden vorzüglich von Wittwen und Waisen 
gelähmt. Diese sozialpolitischen Nachtheile ließen 
ich durch die ausschließlich finanziellen Vortheile 
der Zinsherabsetzung nicht ausgleichen. Der Fürst 
erklärte, er könne ein angebliches Recht des 
Steuerzahlers sauf eine solche Zinszahlung so 
lange nicht anerkennen, als nicht durchaus fest 
stehe, daß der Zinsfuß dauernd gesunken sei. 
Hiervon seien wir indeß noch weit entfernt. 
Jeder, der es mit dem wahren Bedürf 
nisse des Volkes ernst meint, muß diesen 
Aussprüchen zustimmen. Aber die Sucht 
nach unzeitiger Sparsamkeit auf Kosten 
allgemeiner Interessen ist deshalb doch noch 
in vielen Kreisen sehr lebendig. 
— Gegenüber der famosen Aeuße 
rung des Grafen Mirbach, wonach 
er im Juni mit einem Mitgliede des 
Aufsichtsrathes der „Kreuzztg." eine Unter 
redung gehabt und damals noch nichts 
Frhrn. von Hammer st ein Com 
promittirendes erfahren habe, 
versichert die „Köln. Ztg.", daß die Herren 
von der Kreuzzeitungs-Commission nicht 
nur im Juni, sondern schon mehrere 
Monate früher sowohl mit dem 
Papierschwindel wie mit der Beseitigung 
des Pensionsfonds und einer Unterschlag 
gung bekannt gewesen seien. Es wäre 
von besonderem Interesse, den Namen 
jenes Herrn zu erfahren, der dem Grafen 
Mirbach die sonderbaren, mit der 
ahrheit in Widerspruch stehen 
den Mittheilungen gemacht hat. 
— Stöckers Bemäntelungen 
seines Jntriguenspiels genügen 
der parteioffiziösen „Kons. Korresp." Sie 
acceptirt die gewundene Erklärung Stöckers 
und hält die Sache damit für abgethan. 
— Andere Leute sind anderer Meinung. 
Auch die „Nordd. Allg. Ztg." hält die 
Sache nicht für abgethan, denn sie 
bemerkt in einer Polemik mit der „Kreuz 
Ztg.", daß es normal sei, nur eine solche 
Korrespondenz zu führen, durch deren 
Veröffentlichung man weder in einem ganz 
anderen Lichte, als sonst nach seinen 
Worten, erscheint, noch schwer kompromittirt 
oder gar zu Grunde gerichtet wird. 
Berlin, 12. Oct. Die Anarchisten 
berufen für Sonntag eine Bolksversamm 
lung ein, in der sie den sozialdemokrati- 
schen Parteitag zum Zielpunkt ihrer An 
griffe machen werden. 
Berlin, 10. Oct. Nr. 29 des bekannten 
deutsch-nationalen Witzblattes „Deutscher 
Michel" ist soeben wegen des darin ent 
haltenen Aufsatzes „Ein Monarchendiner 
bei Cohn u. Rosenberg" beschlagnahmt 
worden. Der Artikel verspottet die Sucht 
gewisser Spekulanten, sich in Kreise einzu 
drängen, mit denen sie nach Geburt und 
Lebensauffassung nichts zu thun haben. 
Gedichte auf Abzahlung sind das 
Neueste auf dem Gebiete der Abzahlungs 
praxis. An einem Hause in Berlin steht 
auf einem Pappschild folgende Ankündigung 
zu lesen: „Um auch den unbemittelten 
Leuten zu dienen, fertige ich gern aller 
hand Gedichte und Tafellieder, einfach 
und schwungvoll, je nach Wunsch. Die 
selben werden auch von mir selbst in ent 
sprechender Toilette vorgetragen, wenn es 
verlangt wird. Das Honorar sür meine 
Gedichte kann in Raten gezahlt werden 
wenn eine genügende Anzahlung geleistet 
worden ist. 
Eine gewisse Heiterkeit verursachte 
am Mittwoch in der Stadtverordneten- 
Bersammlung zu Charlottenburg folgender 
vom sozialdemokratischen Stadtverordneten 
Beyer eingebrachter Antrag; „Die Stadt 
verordneten-Versammlung möge beschließen 
den Magistrat zu ersuchen, daß derselbe 
veranlaßt, vom 1. Januar 1896 ab die 
Polizeistunde für Gast- und Schank 
wirthe ohne Unterschied auf 12 
Uhr Nachts festzusetzen." — Die 
„Charl. Ztg." bemerkt dazu: „Dieser An 
trag ist allgemein mißverstanden worden 
Er bezweckt nicht, den Schluß der Lokale 
auf 12 Uhr allgemein festzusetzen, sondern 
umgekehrt, die Polizeistunde, die jetzt für 
manche Wirthschaften schon um 10 Uhr 
eintritt, durchgängig bis mindestens 12 
Uhr und darüber hinaus zu verlängern 
Merkwürdig an diesem Antrage unserer 
sozialdemokratischen Stadtverordneten, die 
beide Parteibndiker sind, ist nur, daß sie 
damit die sonst in die Bourgeoisie betriebene, 
so sehr verabscheute Nachtarbeit sür das 
Kellnerpersonal allgemein einführen 
wollen." 
Die erste Studentin, die den 
Anspruch erhebt, an der Berliner Univer 
sität rite immatrikuliert zu werden, ist die 
Tochter des Pastors Ziegler in 
Lieguitz, die Enkelin des frühern Gymna 
sialdirekrors Dr. Kämpf in Landsberg 
W. Fräulein Ziegler hat unlängst in 
Sigii'.aringen das Abiturientenexamen ge- 
macht. 
Ein Einbruch — der zweite in diesem 
Jahr — ist in der Nacht zum Sonntag 
in Glogau in der Kirche zum guten 
Schifflein verübt worden. Nachdem die 
Diebe sich Zugang zur Sakristei verschafft 
hatten, stemmten und brannten sie das 
Schloß aus der Gewölbethür heraus und 
nahmen die Abendmahlsgeräthe, wie silberne 
Kelche, Taufkannen, Leuchter u. s. w. mit. 
Von der Fehde um die Polizeistunde in 
Münster i. W. wird zu unseren bisherigen 
Mittheilungen weiter gemeldet, daß bei 
den Ausschreitungen in der Dienstagnacht 
ein Schlachtergeselle derartig gemißhandelt 
wurde, daß man ihn sofort in das 
Krankenhaus schaffen mußte. Ferner 
wurde ein Einwohner, der sich den Trubel 
ansehen wollte, an seiner Thür durch den 
Oberarm gestochen. 
Bocholt, 11. Oct. Außer den kürzlich 
gemeldeten elf Todten und neun schwer 
Verwundeten sind bis jetzt weiter Personen 
nicht zu Tage gefördert worden. 20 bis 
25 Arbeiter liegen noch unter den 
Trümmern. Die Aufräumungsarbeiten 
gehen nur langsam von statten, da mehrere 
izundet Centner Betonmaffe und zahlreiche 
eiserne Träger, Balken und Schienen die 
Kellergewölbe durchschlagen haben. Der 
Staatsanwalt aus Münster ist hier an 
wesend, Jngenieur-Officiere leiten die Auf 
räumung, welche, wie mitgetheilt, durch 
Truppen der Weseler Garnison besorgt 
wird. Die Ursache des großen Unglücks 
oll im Sinken der Hauptträger zu suchen 
rin, welche man noch gestern durch 
Maschinen zu heben gedachte. Der 
Leiter des Baues ist ein englischer 
Architekt. 
Dem furchtbaren Unglück dürften somit 
38 Personen zum Opfer ge 
ll l l e n sein, ohne diejenigen, welche 
ihren schweren Verwundungen noch er 
liegen werden, denn an der Wiederge- 
nesnng Mancher derselben wird ärztlicher- 
eits gezweifelt. 
Besondere Theilnahme erregt der Tod 
des jugendlichen Directors Sommers. Er 
'land im 27. Lebensjahre und war dazu 
berufen, seiner Mutter und elf Geschwistern 
eine Stütze zu sein. An der Unglücks 
statte spielten sich ergreifende Scenen ab, 
Mütter mit ihren Kindern jammern um den 
Ernährer, die in ihrem Berufe einen frühen 
Tod gefunden haben. Fassungslos hingen 
ihre Blicke an dem Maffengrabe, welches 
sich über den Körpern ihrer Lieben ausge- 
thürmt hatte. Die meisten Leichen waren 
bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt. 
Eine Majestätsbeleidigung eigener 
Art kam kürzlich vor der Strafkammer in 
Elberfeld zur Verhandlung. Der Acker- 
knecht Wilhelm Jacobs, ein geborener 
Holländer, sah gelegentlich einer Kaisers- 
geburtstagsfeier in Wülfrath in einem 
Garten eine Kaiserbüste stehen, rannte be 
trunken darauf los und schlug sie vor 
ihren Postament herunter, so daß sie zer 
brach. Zwei Bekannte von ihm be 
kundeten, sie hätten ihm gesagt, daß es 
eine Kaiserbüste war. Der Holländer ver 
sicherte dem gegenüber, er habe, weil er 
damals noch nicht lange in Deutschland 
gewesen, die deutsche Sprache nicht gut 
verstehen können, habe auch den Kaiser 
damals noch nicht gekannt. Das Gericht 
hielt einen Einwand für eine Ausrede 
und verurtheilte ihn zu 2 Monaten Ge 
fängniß. 
Karlsruhe, 11. Oct. Wahlmännerwahlen 
zum Badischen Landtag. In Konstanz- 
Stadt siegten die Freisinnigen. In Kehl 
einstimmig naiionalliberal gewählt, in 
Baden-Stadt einstimmig liberal. Bruchsal: 
31 Liberale, 28 Centrum. Forchheim- 
Stadt: 1308 liberale und 764 sozialdemo 
kratische Stimmen abgegeben. In Mann 
heim siegten die Sozialdemokraten, in 
Eberbach, Heidelberg, Lahr-Stadt und 
Gernsbach die Liberalen. 
— Auf der 8. General-Versammlung 
des Evang. Bundes zur Wahrung der 
deutsch-protestantischen Interessen in Zwickau 
beschloß die Generalversammlung u. A. 
folgende Resolution muthmaßlich in Anlaß 
eines päpstlichen Rundschreibens, welches 
zur Stärkung des Glaubens merkwürdiger 
Weise den Marienkultus empfiehlt und 
in welcher behauptet wird, daß Niemand 
anders mit der Erkenntniß Gottes erfüllt 
werden könne, als durch die Mutter Maria: 
„Papst Leo XIII. hat unter dem 5. Sep 
tember d. I. ein Rundschreiben über das 
„Rosenkranzgebet" „zur Gottesmutter" 
ausgehen lassen. Dieses Gebet soll für 
die Ausbreitung des Reiches Christi, vor 
allem für die „Wiedervereinigung der von 
der Kirche getrennten Völkerschaften", be 
sonders geeignet sein, wenn die Gläubigen 
einen ganzen Monat hindurch mit dem 
Papste die jungfräuliche Mutter zu diesem 
Zwecke damit „in frommer Weise bestür 
men". Nach der Schrist (1 Tim. 2, 5) 
gibt es nur „Einen Gott und Einen 
Mittler zwischen Gott und den Menschen 
nämlich den Menschen Christus Jesus, der 
sich selbst gegeben hat für alle zur Erlö 
sung". Der römische Papst spricht in 
seinem Aufrufe Behauptungen aus, welche 
die Heilandsehre Jesu Christi, des 
Sohnes Gottes, beeinträchtigen und d i e- 
selbe auf die Jungfrau Maria 
ü vertragen. Das ganze Schrislstück 
ist solcher Wendungen voll. Am erschreckend- 
'ten ist die Irrlehre in den Worten zum 
Ausdruck gekommen: Dort oben (in der 
himmlischen Glorie) wurde sie (die Jung 
frau Maria) nach göttlichem Rathschlusie 
die stets wachsame Schützerin und Mutter 
der Kirche; und wie sich durch ihre Ver 
mittelung das Geheimniß der Erlösung 
vollzogen hatte, so ist ihr auch unermeß 
liche Macht gegeben, daß auch die Gnaden 
der Erlösung alle Zeit durch ihre Ver 
mittelung ausgetheilt werden. Der römische 
Papst will als das sichtbare Haupt der 
Christenheit angesehen werden. In dieser 
Eigenschaft ruft er „die von der Kirche 
getrennten Völkerschaften" unter_ seinen 
Gehorsam und damit, wie er meint, zu 
Christo zurück. Namens der Kirche 
Jesu Christi und namens ihres 
unsichtbaren Hauptes selbst 
legen wir gegen die das Christenthum 
in seinem innersten Wesen verletzenden 
kräftigen Irrthümer (2 Theff. 2, 11) der 
neuesten päpstlichen Encyclica feierlich Ver 
wahrung ein." 
Der in Plauen erscheinende „Voigt- 
ländische Anzeiger" veröffentlicht folgende 
verlockende Ankündigung hohen Kunst 
genusses: Theater im Schillergarten. 
Sonntag, den 6. October 1895: Die 
Fischerin von Island oder: des Meeres 
und der Liebe Wellen, Schauspiel in 8 
Akten von Pansa. 1. Akt: Der Brand 
des Königsschiffes oder: Das Unheil sich 
gerettet aus der Wogen Graus. 2. Akt: 
Aus falschem Stolz vie fürchterliche Lüge 
oder: Vom Fischerstrande auf den Königs 
thron. 3. Akt: Siehst Du den Nebelzug 
ans Mittag streifen? Das ist der Weg 
zu Deiner Mutter Herz. 4. Akt: 
Das Wiedersehen am Königsthone oder: 
Des Gatten Racheschwur. 5. Akt: Des 
Unrechts Strafe oder: Der Verrath an 
eignem Mann und Kind. 6. Akt: Die 
Hochzeitsglocken der Königstochter oder: 
Der Kindesmörder. 7. Akt: Die Lüge 
am Altar oder: Ein furchtbarer Trau 
zeuge. 8. Akt: Die Sühne oder: Die 
Versöhnung am Grabesrand. — Wenn 
man erwägt, daß dieser Kunstgenuß für 
60 und 40 Pfennige zu haben ist, wird 
man nur mit einem Gefühl unsäglichen 
Neides an Plauen denken können. 
Harpstedt, 9. Oct. Das Dienstmädchen 
des Apothekers Ahn Hierselbst, ein hübsches 
junges Mädchen von 21 Jahren, aus 
Weener ins Ostftiesland gebürtig, hat sich 
zu Tode getanzt. Es wurde gestern 
Abend auf einem Balle im Meyer'schen 
Saale in den Armen ihres Tänzers ohn 
mächtig und mußte nach Hause gebracht 
werden, wo die Bedauernswerthe noch in 
der Nacht ihr junges Leben aushauchte. 
Als Todesursache wird angenommen, daß 
in Folge übermäßig engen Schnürens ein 
Herzschlag eingetreten sei. 
Vrovinzieük i. 
Altona, 12. Oct. Der Sattlergeselle 
Miecz owski, welcher in Uetersen zwö tf 
facherBrandstiftung überführt wurde, 
obgleich er in einem Falle wußte, daß 
sich in einem Hause eine Schwerkranke 
befand und obgleich er wußte, daß auch 
viele kleine Leute betroffen würden, ist 
vom Schwurgericht gestern zu 10 Jahren 
Zuchthaus verurtheilt worden. Er sagte 
aus, daß er plötzlich den Gedanken am 
Brandstiftung bekommen habe und dann 
der innere Trieb zu dem Verbrechen so 
groß geworden sei, daß er gewissermaßen 
gewaltsam die That habe begehen müssen. 
Wenn er die That vollbracht (meist indem 
er das Stroh auf den Dächern lockerte 
und ein brennendes Streichholz daran 
hielt) eilte er schnell nach Hause, um dann 
bei Feuerlärm als der Erste auf der 
Brandstätte zu erscheinen. Wenn in den 
Wirthschaften hinterher die Rede auf die 
Brände kam, geberdete er sich als den 
Entrüstetesten und schimpfte am stärksten 
aus den Brandstifter. Nebenbei war . er 
arbeitsscheu und zum Trünke geneigt. 
Seine Familie ließ er darben. 
Einen sehr schlechten Scherz hat sich ein 
Seemann, dessen Eltern in Kiel wohnhaft 
sind, erlaubt. Derselbe befand sich ant 
der Bark „Barmbek" auf der Reise von 
Hamburg nach Jquique und hat unterwegs 
eine mit einem Zettel versehene verkorkte 
Flasche über Bord geworfen. Auf dem 
Zettel theilte der Junge seinen Eltern den 
bevorstehenden Untergang der Bark mit 
und sagte seinen Verwandten Lebewohl. 
Der Zettel ist den Eltern auch richtig in 
die Hände gelangt und seit mehreren 
Wochen betrauerten diese nun ihren ver 
schollenen Sohn. Es hat sich jedoch nun 
mehr herausgestellt, daß die Bark „Barm- 
bet" nach einer guten Reise wohlbehalten 
am 8. September in Jquique angekommen 
und daß an Bord Alles wohl ist. 
In dem „Berl. Lokalanzeiger" Nr. 459 
findet sich folgende anmuthige Anzeige: 
Heirath. Junge Damen (respektabler El 
tern), welche über 15,000 Mark und 
höher verfügen und heirathen wollen, 
finden diskrete Aufnahme im Pensionat in 
Kiel, wo viele Offiziere, Beamte (Marine) 
verkehren. Monaitiche Pension 130 Mt. 
Ansragen (folgt Chiffre). So ungcnirt 
hat sich die Kuppelei selten gemacht. 
In Meldsrf wird z. Z. die Kinderwelt 
von Brechdurchfall heimgesucht, welche 
einen epidemischen Charakter anzunehmen 
cheint und bereits recht zahlreiche Opfer 
gefordert hat. Im vorigen Monat sind 
in der Gemeinde 17 Personen verstorben; 
unter denselben befanden sich 10 Kinder 
im zartesten Alter, welche meistens der 
genannten Krankheit erlegen waren. 
Bei dem Gewitter am 4. d. M. sind 
auch die Wohn- und Wirthschaftsgebäude 
des Landmannes H. Hartig in Bergen- 
Husen infolge Blitzschlags eingeäschert. 
Sämmtliche Erntevorräthe wurden ein 
Raub der Flammen; auch ist ein Schwein 
umgekommen. Dagegen ist vieles Mobiliar 
gerettet. 
□ Rendsburg, 12. October. Die gestrige 
Setzung der städtischen Kollegren wurde unter 
dem Vorsitze des Herrn Senators Iunglöw 
abgehalten. Der Herr Bürgermeister ist bekannt 
lich beurlaubt und der Herr Beigeordnete von 
Cappeln war verreist. Zur Verhandlung 
gelangten folgende Gegenstände: 
1. Vorgelegt wurde das Protokoll über die am 
30. September staitgefundene Revision der Stadt 
kasse, gegen welches Einwendungen nicht erhoben 
wurden. 
2. Ueber die Fest, etzung des Gehaltes für den 
Schuldiener an den Altstädter Bürgerschulen hat 
der Magistrat in seiner letzten Sitzung Beschluß 
gefaßt und bestimmt, daß das Gehalt neben freier 
Wohnung 700 Mk. jährlich betragen soll. Die 
Kollegien haben gegen diese Festsetzung nichts 
einzuwenden. 
3. Bezüglich der Erbauung eines Häuschen 
für Tobsüchtige beim städtischen Krankenhause 
berichtet Herr Senator R o h w e r, daß die zur 
Zeit bestehenden Räume nicht mehr benutzt werden 
könnten, sie seien feucht und vom Schwamm be 
fallen. Krankenhaus- und Bciukommifsion seien 
einig darüber, daß es am besten sei, für den ge- 
nannten Zweck ein besonderes Häuschen aufzu 
führen. Die erforderlichen Kosten würden etwa 
3000 Mk. betragen. Herr Pfahler meint, daß 
die Ausgabe für diesen Zweck ja eine recht be 
deutende genannt werden müsse und regt a«, ob 
es sich nicht empfehle, das betreffende Häuschen 
aus Wellblech herstellen zu taffen. Eine Vor 
frage bei einer betreffenden Fabrik kaffe sich rasch 
erledigen. Herr Dr. Vv l b eh r hält die schleunige 
Beseitigung des vorhandenen Nothstandes sür 
dringend geboten. Die Angelegenheit sei lange 
genug ventilirt und habe Monate lang im 
Schooße des Magistrats gelegen, ohne daß die 
selbe weiter gekommen sei. Ob ein Haus aus 
Wellblech die genügende Sicherheit biete, müsse 
er bezweifeln. Er bitte um Annahme der Kom 
missionsanträge. Nachdem Herr Sensor Ro hwer 
nochmals auf die Anhaltbarkeit der bestehenden 
Zustände hingewiesen, .werden die Kommissions 
anträge einstimmig angenommen. 
4. Ueber die schon wiederholt zur Verhandlung 
vorgelegene Ausbaggerung der Eider bei der 
Gasanstalt, berichtet Herr Senator Rohwer, 
daß für diesen Zweck noch 5-31 Mk. zur Ver 
fügung ständen. Da indeß eine Erdmasse von 
13 0)0 cbm zu bewegen seien, welche zur Aus 
füllung des Bassins bei der Post verwandt wer 
den sollten, reiche der Betrag nicht aus und es 
bedürfe der Bewilligung besonderer Mittel sür, 
den Zweck. Der Her Bürgermeister habe be 
reits ein Abkommen getroffen mit dem Unter 
nehmer Behring zwecks Ausführung der Arbeit 
und empfehle es sich, diese schleunigst in Angriff 
nehmen zu lassen. Die Kollegien beschließen 
demgemäß. . 
5. An den Verhandlungen betreffend die Ge 
nehmigung des Regulativs über die Strom- 
abgabe ans dem städtischen Electricitätsmerk 
nahm auch Herr Director Pichler Theil. Nach 
den Beschlüssen der letzten Stadtcolleglensttzung 
sollten die Vorschläge über die Pauschalsumme 
und die Ausbringung der Kosten sür die Hans- 
anschlüsse nochmals in der Gascommission vor. 
berathen werden und hat dieselbe sür heute 
folgende Vorschläge zu machen: 
1. Die Pauschclsätze (dieselben gelangen zur 
Anwenduvg, wenn der Konsument keinen 
Strommesser erhält) von 
4,50 Mk. für die 5 kerzigc Glühlampe, 
7,80 „ ,. „ 10 ., 
10,75 „ „ ,, 16 „ t> 
15,60 „ „ „ 25 „ 
18.50 „ „ .. 32 „ « 
bleiben "bestehen," wenn der Mindestkonsum 
50 Mk. jährlich beitragt und auf 5 Jahre 
qarantirt wird. Die Hausanschluffe werden 
auf Kosten der Stadt ausgeführt, wenn die 
Anmeldung zum Anschlüsse bis zum 
1. November d. I. beschafft ist. 
2. Die Vortheile kommen in Wegfall, wenn 
die Anmeldung später erfolgt, resp. der 
Mindestkonsum nicht 50 Mk. beträgt und auf 
5 Jahre garantirt wird. In diesem Falle 
werden die Hausanschlüsse von der Stadt 
ausgeführt, aber auf Kosten der Konsumenten. 
Herr Speck bringt bei dieser Gelegenheit in 
Anregung, ob es sich nicht empfehle, für die 
ersten 4 Wochen nach der Eröffnung des Werkes 
das Licht unentgeltlich abzugeben, da in dieser 
Zeit nur noch eine Maschine aufgestellt sei und 
leicht kleine Störungen eintreten könnten. Dann 
könne sich nieniand beklagen, wenn auch einmal 
das Licht ausbleibe. Die Kollegien beschließen 
demgemäß. Auch dieVorschläge derGaskommffsion 
werden mit der Maßgabe genehmigt, daß die 
Hausanschlüsse auf Rechnung der Stadt ausge- 
führt werden, tü£Utt bic ÄnnieļbunIôn jiuit Än- 
schluffe bis zum 1. Januar 1896 erfolgt sind. 
6 Betreffend die Vereinbarung mit dem Herrn 
Landwirth Goeze wegen Herstellung eines 
Brunnens, bemerkt der Herr Vorsitzende, daß 
diese Angelegenheit eigenthümliche Phasen durch 
gemacht habe. Es seien bereits früher Ab 
machungen getroffen, dann sei es zum Prozeß 
gekommen und neuerdings habe auch der 
Oberpräsident in dieselben eingegriffen. Der 
Regierung sei nun vom Magistrate mitgethan 
worden, daß die Angelegenheit in aller Kurze 
ihre Erledigung finden werde. Mit Herrn Goeze 
sei das Abkommen getroffen, dessen Brunn n zu 
vertiefen. Das be-reffende Abkommen von 
k î*fiïÄŗ«-S- 
Verein von 1848 auf W«terbewlll,gung des Zu 
schusses von 700 Mk. lahrüch zur Unterhaltung 
der gewerblichen Fortb,ldungsjchule fur die drei 
jährige Etatsperiode vvm 1. Apnl 1896 bis 
dahin wird Folg« gegebm. 
8. Da der Wafferkonsum am letzten halben 
Jahre wieder um 55.0 cbm gestiegen ist und 
IN Folgendes Anschlußes der Carlshütte ein 
weiteres Steigen des Konsums zu erwarten steht, 
wird Titel Vil B III 2 (Kohlen für das städ 
tische Wasserwerk) um 90) Mk. erhöht. Nach 
Erledigung mehrerer Pachtverträge wirv hierauf 
nach Verlesung des Protokolls die Sitzung ge 
schloffen.
	        
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