richtung hielt der Strafhaus-Seelsorger
eine Rede, in der er die That des Delin
quenten als die Frucht anarchistischer Um
triebe bezeichnete.
Aus Laibach geht den Morgenblättern
die Meldung zu: Das gestrige Erdbeben
hatte ein größeres Ausdehnungsgebiet.
Es laufen Meldungen ein aus Bischoflack,
Sanntahl und Frart in Steiermark; die
Hausmauern zeigen Risse.
Frankreich
Paris, 12. Oct. Russische Weine er
obern sich immer neuen Absatz. Französische
Weinbauern wollen in Turkestan große
Weingärten schaffen und die Trauben
zu Bordeaux- und Burgunderweinen ver
arbeiten.
Paris, 11. Oct. „Gaulois" deutet an,
daß die Verlobung eines Sohnes Carnot's
mit Fräulein Faure, der Tochter des
Präsidenten, bevorstehend sei.
Spanien.
Barcelona, 11. Oct. Die Studenten
drangen in die Universität, zertrümmerten
die Fensterscheiben, verhinderten die Ab
Haltung der Vorlesungen und forderten
die Verabschiedung der Rectoren.
Inland.
Berlin, 11. Oct. Das „Volk" giebt zu,
daß Lmdau's „Gräfin Lea" am 6. Decem
ber 1880 zuletzt aufgeführt worden ist, und
setzt hinzu: „Die Verhandlungen über den
Fall Bleichröder begannen im September und
zogen sich bis Ende December. Die Ant
wort des Kaisers an Stöcker war da-
tirt vom 29. December 1880. Schon 23
Tage vorher war also die letzte Vorstellung
gewesen." Hier wird zum ersten Male er
wähnt, daß der Kaiser auf Stöcker's Brief
geantwortet hat. — Der „Volkszeitung" und
dem „Tageblatt", die von vom „Stöckcrblatt"
befürchteten Consequenzen der Aberkennung
des Hofprediqertitels gesprochen hatten, .er
widert das „Volk": „Bei der Aberkennung
des Hofpredigertitels kann von Befürchtungen
oder Angst nicht die Rede sein. Wer bei
den mittelparteilichen Intriguen zu Schaden
kommen wird, dürfte sich erst später feststellen
lassen. Immerhin sind wir aber neugierig,
zu erfahren, ob wir in die Lage kommen, fest
zustellen, daß die Möglichkeit, auf die man
in eingeweihten Kreisen rechnet, Thatsache ge
worden ist". Am Schluffe bemerkt das „Volk":
„Ob unsere Richtigstellungen wohl auch den
Zeitungsausschnitten zugefügt werden, die man
an gewisser Stelle zur Information der höch
sten Kreise zusammenstellt?"
— Mit großem Eifer werden die
offiziösen Bemühungen fortgesetzt, alle
Mittheilungen über die Ausarbeitung
eines neuen Vereinsgesetzes für
Preußen zu dementiren. Richtig ist an
diesen verschiedenartigen officiösen Dementis
sicherlich das Eine, daß in der letzten
Sitzung des preußischen Staatsministeriums
ein Beschluß über die Frage nicht gefaßt
worden ist. Dagegen bleibt es abzuwarten,
ob sich eine weitergehenden Mittheilung be-
stätigen wird, wonach eine derartige Vor
lage überhaupt als ausgeschlossen
zu betrachten sei. Der angebliche Verzicht
der Regierung auf eine Verschärfung der
geltenden Bestimmungen wird in der er-
wähnten Notiz damit motivirt, daß auf
dem Gebiete des Vereins- und Versamm-
lungswesens mit derjenigen Abänderung
des gemeinen Rechts, die im Allgemeinen
ungefährlich wäre so gut wie nichts zu
erreichen sei, wirksam würde nnr das vor
herige Verbot von Versammlungen sein, und
eine Vollmacht dazu, die gegen alle
Parteien benutzt werden könnte, würde der
Verwaltung wohl von keiner bewilligt werden.
— Während Finanzminister Miguel
mit der ihm eigenen Geschicklichkeit die
Welt über seine Stellung zur Kon
vertirungssrage im Unklaren läßt,
hat sich kürzlich Fürst Hohenlohe mit
wünschenswerther Deutlichkeit gegen eine
Ermäßigung des Zinsfußes ausgesprochen
Die „Köln. Ztg." berichtet darüber:
Ein Freund unseres Blattes, der dieser Tage
eine längere Unterredung mit dem Fürsten-
Reichskanzler hatte, schreibt uns, daß er im
Laufe dieser Unterredung auch an den Kanzler
die Frage gerichtet habe, ob es wahr sei, daß
regierungsseitig eine Ermäßigung des Zinsfußes
für die vierprozentigen oder gar dreieinhalb
prozentigen Reichs- und Staatskonsols geplant
sei. Fürst Hohenlohe verhehlte seine Bedenken
gegen die Umwandlung nicht. Er sagte, die
Frage könne unmöglich vom rein finanziellen
Gesichtspunkte angesehen werden, es sei auch die
wirthschaftliche und finanzpolitische
Lage und nicht minder die sozialpolitische
Wirkung einer solchen Maßregel in Betracht
zu ziehen; wie lange die augenblickliche Geldfülle
andauern werde, sei nicht zu übersehen, an der
Börse fänden augenblicklich Preistreibereien statt,
deren Förderung der Staat und das Reich jeden
falls unbedingt vermeiden müßten. Auch habe
der Staat ein lebhaftes Interesse daran, daß
zumal das kleinere Publikum seine Kapitalan
lagen nicht in ausländischen Werthen, sondern in
sicheren heimischen Staatswerthen mache. Jede
Zinsherabsetzung solcher Werthe schädige zum
Mindesten für einige Zeit diese vornehmste Sicher
stellung kleiner Ersparnisie. Vor allem aber sei
der große sozialpolitische Gesichtspunkt
für die Entschließungen der kaiserlichen Regierung
maßgebend. Eine Herabsetzung des Zinsfußes
für die schon ausgegebeven Iprozentigen Konsols
treffe vielfach weitgehend und hart den kleinen
Alaun, der auf Grund dieses Zinsertrages seiner
Ersparnisse hoffe, einen ruhigen Lebensabend zu
genießen und durch die Zinsherabsetzung in einer
für ihn nicht wieder gutzumachenden Weise in seinen
einfachsten Lebensbedürfnissen beeinträchtigt werde.
Wenn man im Reichstage es schon für ausge
schlossen erkläre, mit Rücksicht auf den kleinen
Mann das Glas Bier oder die Pfeife Tabak mit
einer wenn auch minimalen Steuererhöhung zu
bedenken, so muffe eine Zinsherabsetzuna an den
mit schwerer Arbeit erzielten Ersparnissen erst
recht unannehmbar sein. Zahlreiche Spar-
caffen hätten einen großen Theil ihrer Kapitalien
in vierprozentigen Anleihen angelegt; eine Herab-
etzung des Zinsfußes dieser Anleihen müsse als
bald auch die Sparkaffenverwaltungen zwingen,
den Zinsfuß für die von ihnen verwalteten Er-
sparniffe der kleinen Leute herabzusetzen. Der
Staat habe weit eher ein Interesse daran, gerade
diese kleinen Kunden der Sparkassen durch einen
leidlich hohen Zinsfuß zum regen Sparen anzu
feuern und damit die Kapitalbildung zu erleichtern.
Nicht minder würde durch eine Zinsherabsetzung
die gemeinnützige Thätigkeit der Stiftungen zum
Schaden vorzüglich von Wittwen und Waisen
gelähmt. Diese sozialpolitischen Nachtheile ließen
ich durch die ausschließlich finanziellen Vortheile
der Zinsherabsetzung nicht ausgleichen. Der Fürst
erklärte, er könne ein angebliches Recht des
Steuerzahlers sauf eine solche Zinszahlung so
lange nicht anerkennen, als nicht durchaus fest
stehe, daß der Zinsfuß dauernd gesunken sei.
Hiervon seien wir indeß noch weit entfernt.
Jeder, der es mit dem wahren Bedürf
nisse des Volkes ernst meint, muß diesen
Aussprüchen zustimmen. Aber die Sucht
nach unzeitiger Sparsamkeit auf Kosten
allgemeiner Interessen ist deshalb doch noch
in vielen Kreisen sehr lebendig.
— Gegenüber der famosen Aeuße
rung des Grafen Mirbach, wonach
er im Juni mit einem Mitgliede des
Aufsichtsrathes der „Kreuzztg." eine Unter
redung gehabt und damals noch nichts
Frhrn. von Hammer st ein Com
promittirendes erfahren habe,
versichert die „Köln. Ztg.", daß die Herren
von der Kreuzzeitungs-Commission nicht
nur im Juni, sondern schon mehrere
Monate früher sowohl mit dem
Papierschwindel wie mit der Beseitigung
des Pensionsfonds und einer Unterschlag
gung bekannt gewesen seien. Es wäre
von besonderem Interesse, den Namen
jenes Herrn zu erfahren, der dem Grafen
Mirbach die sonderbaren, mit der
ahrheit in Widerspruch stehen
den Mittheilungen gemacht hat.
— Stöckers Bemäntelungen
seines Jntriguenspiels genügen
der parteioffiziösen „Kons. Korresp." Sie
acceptirt die gewundene Erklärung Stöckers
und hält die Sache damit für abgethan.
— Andere Leute sind anderer Meinung.
Auch die „Nordd. Allg. Ztg." hält die
Sache nicht für abgethan, denn sie
bemerkt in einer Polemik mit der „Kreuz
Ztg.", daß es normal sei, nur eine solche
Korrespondenz zu führen, durch deren
Veröffentlichung man weder in einem ganz
anderen Lichte, als sonst nach seinen
Worten, erscheint, noch schwer kompromittirt
oder gar zu Grunde gerichtet wird.
Berlin, 12. Oct. Die Anarchisten
berufen für Sonntag eine Bolksversamm
lung ein, in der sie den sozialdemokrati-
schen Parteitag zum Zielpunkt ihrer An
griffe machen werden.
Berlin, 10. Oct. Nr. 29 des bekannten
deutsch-nationalen Witzblattes „Deutscher
Michel" ist soeben wegen des darin ent
haltenen Aufsatzes „Ein Monarchendiner
bei Cohn u. Rosenberg" beschlagnahmt
worden. Der Artikel verspottet die Sucht
gewisser Spekulanten, sich in Kreise einzu
drängen, mit denen sie nach Geburt und
Lebensauffassung nichts zu thun haben.
Gedichte auf Abzahlung sind das
Neueste auf dem Gebiete der Abzahlungs
praxis. An einem Hause in Berlin steht
auf einem Pappschild folgende Ankündigung
zu lesen: „Um auch den unbemittelten
Leuten zu dienen, fertige ich gern aller
hand Gedichte und Tafellieder, einfach
und schwungvoll, je nach Wunsch. Die
selben werden auch von mir selbst in ent
sprechender Toilette vorgetragen, wenn es
verlangt wird. Das Honorar sür meine
Gedichte kann in Raten gezahlt werden
wenn eine genügende Anzahlung geleistet
worden ist.
Eine gewisse Heiterkeit verursachte
am Mittwoch in der Stadtverordneten-
Bersammlung zu Charlottenburg folgender
vom sozialdemokratischen Stadtverordneten
Beyer eingebrachter Antrag; „Die Stadt
verordneten-Versammlung möge beschließen
den Magistrat zu ersuchen, daß derselbe
veranlaßt, vom 1. Januar 1896 ab die
Polizeistunde für Gast- und Schank
wirthe ohne Unterschied auf 12
Uhr Nachts festzusetzen." — Die
„Charl. Ztg." bemerkt dazu: „Dieser An
trag ist allgemein mißverstanden worden
Er bezweckt nicht, den Schluß der Lokale
auf 12 Uhr allgemein festzusetzen, sondern
umgekehrt, die Polizeistunde, die jetzt für
manche Wirthschaften schon um 10 Uhr
eintritt, durchgängig bis mindestens 12
Uhr und darüber hinaus zu verlängern
Merkwürdig an diesem Antrage unserer
sozialdemokratischen Stadtverordneten, die
beide Parteibndiker sind, ist nur, daß sie
damit die sonst in die Bourgeoisie betriebene,
so sehr verabscheute Nachtarbeit sür das
Kellnerpersonal allgemein einführen
wollen."
Die erste Studentin, die den
Anspruch erhebt, an der Berliner Univer
sität rite immatrikuliert zu werden, ist die
Tochter des Pastors Ziegler in
Lieguitz, die Enkelin des frühern Gymna
sialdirekrors Dr. Kämpf in Landsberg
W. Fräulein Ziegler hat unlängst in
Sigii'.aringen das Abiturientenexamen ge-
macht.
Ein Einbruch — der zweite in diesem
Jahr — ist in der Nacht zum Sonntag
in Glogau in der Kirche zum guten
Schifflein verübt worden. Nachdem die
Diebe sich Zugang zur Sakristei verschafft
hatten, stemmten und brannten sie das
Schloß aus der Gewölbethür heraus und
nahmen die Abendmahlsgeräthe, wie silberne
Kelche, Taufkannen, Leuchter u. s. w. mit.
Von der Fehde um die Polizeistunde in
Münster i. W. wird zu unseren bisherigen
Mittheilungen weiter gemeldet, daß bei
den Ausschreitungen in der Dienstagnacht
ein Schlachtergeselle derartig gemißhandelt
wurde, daß man ihn sofort in das
Krankenhaus schaffen mußte. Ferner
wurde ein Einwohner, der sich den Trubel
ansehen wollte, an seiner Thür durch den
Oberarm gestochen.
Bocholt, 11. Oct. Außer den kürzlich
gemeldeten elf Todten und neun schwer
Verwundeten sind bis jetzt weiter Personen
nicht zu Tage gefördert worden. 20 bis
25 Arbeiter liegen noch unter den
Trümmern. Die Aufräumungsarbeiten
gehen nur langsam von statten, da mehrere
izundet Centner Betonmaffe und zahlreiche
eiserne Träger, Balken und Schienen die
Kellergewölbe durchschlagen haben. Der
Staatsanwalt aus Münster ist hier an
wesend, Jngenieur-Officiere leiten die Auf
räumung, welche, wie mitgetheilt, durch
Truppen der Weseler Garnison besorgt
wird. Die Ursache des großen Unglücks
oll im Sinken der Hauptträger zu suchen
rin, welche man noch gestern durch
Maschinen zu heben gedachte. Der
Leiter des Baues ist ein englischer
Architekt.
Dem furchtbaren Unglück dürften somit
38 Personen zum Opfer ge
ll l l e n sein, ohne diejenigen, welche
ihren schweren Verwundungen noch er
liegen werden, denn an der Wiederge-
nesnng Mancher derselben wird ärztlicher-
eits gezweifelt.
Besondere Theilnahme erregt der Tod
des jugendlichen Directors Sommers. Er
'land im 27. Lebensjahre und war dazu
berufen, seiner Mutter und elf Geschwistern
eine Stütze zu sein. An der Unglücks
statte spielten sich ergreifende Scenen ab,
Mütter mit ihren Kindern jammern um den
Ernährer, die in ihrem Berufe einen frühen
Tod gefunden haben. Fassungslos hingen
ihre Blicke an dem Maffengrabe, welches
sich über den Körpern ihrer Lieben ausge-
thürmt hatte. Die meisten Leichen waren
bis zur Unkenntlichkeit verstümmelt.
Eine Majestätsbeleidigung eigener
Art kam kürzlich vor der Strafkammer in
Elberfeld zur Verhandlung. Der Acker-
knecht Wilhelm Jacobs, ein geborener
Holländer, sah gelegentlich einer Kaisers-
geburtstagsfeier in Wülfrath in einem
Garten eine Kaiserbüste stehen, rannte be
trunken darauf los und schlug sie vor
ihren Postament herunter, so daß sie zer
brach. Zwei Bekannte von ihm be
kundeten, sie hätten ihm gesagt, daß es
eine Kaiserbüste war. Der Holländer ver
sicherte dem gegenüber, er habe, weil er
damals noch nicht lange in Deutschland
gewesen, die deutsche Sprache nicht gut
verstehen können, habe auch den Kaiser
damals noch nicht gekannt. Das Gericht
hielt einen Einwand für eine Ausrede
und verurtheilte ihn zu 2 Monaten Ge
fängniß.
Karlsruhe, 11. Oct. Wahlmännerwahlen
zum Badischen Landtag. In Konstanz-
Stadt siegten die Freisinnigen. In Kehl
einstimmig naiionalliberal gewählt, in
Baden-Stadt einstimmig liberal. Bruchsal:
31 Liberale, 28 Centrum. Forchheim-
Stadt: 1308 liberale und 764 sozialdemo
kratische Stimmen abgegeben. In Mann
heim siegten die Sozialdemokraten, in
Eberbach, Heidelberg, Lahr-Stadt und
Gernsbach die Liberalen.
— Auf der 8. General-Versammlung
des Evang. Bundes zur Wahrung der
deutsch-protestantischen Interessen in Zwickau
beschloß die Generalversammlung u. A.
folgende Resolution muthmaßlich in Anlaß
eines päpstlichen Rundschreibens, welches
zur Stärkung des Glaubens merkwürdiger
Weise den Marienkultus empfiehlt und
in welcher behauptet wird, daß Niemand
anders mit der Erkenntniß Gottes erfüllt
werden könne, als durch die Mutter Maria:
„Papst Leo XIII. hat unter dem 5. Sep
tember d. I. ein Rundschreiben über das
„Rosenkranzgebet" „zur Gottesmutter"
ausgehen lassen. Dieses Gebet soll für
die Ausbreitung des Reiches Christi, vor
allem für die „Wiedervereinigung der von
der Kirche getrennten Völkerschaften", be
sonders geeignet sein, wenn die Gläubigen
einen ganzen Monat hindurch mit dem
Papste die jungfräuliche Mutter zu diesem
Zwecke damit „in frommer Weise bestür
men". Nach der Schrist (1 Tim. 2, 5)
gibt es nur „Einen Gott und Einen
Mittler zwischen Gott und den Menschen
nämlich den Menschen Christus Jesus, der
sich selbst gegeben hat für alle zur Erlö
sung". Der römische Papst spricht in
seinem Aufrufe Behauptungen aus, welche
die Heilandsehre Jesu Christi, des
Sohnes Gottes, beeinträchtigen und d i e-
selbe auf die Jungfrau Maria
ü vertragen. Das ganze Schrislstück
ist solcher Wendungen voll. Am erschreckend-
'ten ist die Irrlehre in den Worten zum
Ausdruck gekommen: Dort oben (in der
himmlischen Glorie) wurde sie (die Jung
frau Maria) nach göttlichem Rathschlusie
die stets wachsame Schützerin und Mutter
der Kirche; und wie sich durch ihre Ver
mittelung das Geheimniß der Erlösung
vollzogen hatte, so ist ihr auch unermeß
liche Macht gegeben, daß auch die Gnaden
der Erlösung alle Zeit durch ihre Ver
mittelung ausgetheilt werden. Der römische
Papst will als das sichtbare Haupt der
Christenheit angesehen werden. In dieser
Eigenschaft ruft er „die von der Kirche
getrennten Völkerschaften" unter_ seinen
Gehorsam und damit, wie er meint, zu
Christo zurück. Namens der Kirche
Jesu Christi und namens ihres
unsichtbaren Hauptes selbst
legen wir gegen die das Christenthum
in seinem innersten Wesen verletzenden
kräftigen Irrthümer (2 Theff. 2, 11) der
neuesten päpstlichen Encyclica feierlich Ver
wahrung ein."
Der in Plauen erscheinende „Voigt-
ländische Anzeiger" veröffentlicht folgende
verlockende Ankündigung hohen Kunst
genusses: Theater im Schillergarten.
Sonntag, den 6. October 1895: Die
Fischerin von Island oder: des Meeres
und der Liebe Wellen, Schauspiel in 8
Akten von Pansa. 1. Akt: Der Brand
des Königsschiffes oder: Das Unheil sich
gerettet aus der Wogen Graus. 2. Akt:
Aus falschem Stolz vie fürchterliche Lüge
oder: Vom Fischerstrande auf den Königs
thron. 3. Akt: Siehst Du den Nebelzug
ans Mittag streifen? Das ist der Weg
zu Deiner Mutter Herz. 4. Akt:
Das Wiedersehen am Königsthone oder:
Des Gatten Racheschwur. 5. Akt: Des
Unrechts Strafe oder: Der Verrath an
eignem Mann und Kind. 6. Akt: Die
Hochzeitsglocken der Königstochter oder:
Der Kindesmörder. 7. Akt: Die Lüge
am Altar oder: Ein furchtbarer Trau
zeuge. 8. Akt: Die Sühne oder: Die
Versöhnung am Grabesrand. — Wenn
man erwägt, daß dieser Kunstgenuß für
60 und 40 Pfennige zu haben ist, wird
man nur mit einem Gefühl unsäglichen
Neides an Plauen denken können.
Harpstedt, 9. Oct. Das Dienstmädchen
des Apothekers Ahn Hierselbst, ein hübsches
junges Mädchen von 21 Jahren, aus
Weener ins Ostftiesland gebürtig, hat sich
zu Tode getanzt. Es wurde gestern
Abend auf einem Balle im Meyer'schen
Saale in den Armen ihres Tänzers ohn
mächtig und mußte nach Hause gebracht
werden, wo die Bedauernswerthe noch in
der Nacht ihr junges Leben aushauchte.
Als Todesursache wird angenommen, daß
in Folge übermäßig engen Schnürens ein
Herzschlag eingetreten sei.
Vrovinzieük i.
Altona, 12. Oct. Der Sattlergeselle
Miecz owski, welcher in Uetersen zwö tf
facherBrandstiftung überführt wurde,
obgleich er in einem Falle wußte, daß
sich in einem Hause eine Schwerkranke
befand und obgleich er wußte, daß auch
viele kleine Leute betroffen würden, ist
vom Schwurgericht gestern zu 10 Jahren
Zuchthaus verurtheilt worden. Er sagte
aus, daß er plötzlich den Gedanken am
Brandstiftung bekommen habe und dann
der innere Trieb zu dem Verbrechen so
groß geworden sei, daß er gewissermaßen
gewaltsam die That habe begehen müssen.
Wenn er die That vollbracht (meist indem
er das Stroh auf den Dächern lockerte
und ein brennendes Streichholz daran
hielt) eilte er schnell nach Hause, um dann
bei Feuerlärm als der Erste auf der
Brandstätte zu erscheinen. Wenn in den
Wirthschaften hinterher die Rede auf die
Brände kam, geberdete er sich als den
Entrüstetesten und schimpfte am stärksten
aus den Brandstifter. Nebenbei war . er
arbeitsscheu und zum Trünke geneigt.
Seine Familie ließ er darben.
Einen sehr schlechten Scherz hat sich ein
Seemann, dessen Eltern in Kiel wohnhaft
sind, erlaubt. Derselbe befand sich ant
der Bark „Barmbek" auf der Reise von
Hamburg nach Jquique und hat unterwegs
eine mit einem Zettel versehene verkorkte
Flasche über Bord geworfen. Auf dem
Zettel theilte der Junge seinen Eltern den
bevorstehenden Untergang der Bark mit
und sagte seinen Verwandten Lebewohl.
Der Zettel ist den Eltern auch richtig in
die Hände gelangt und seit mehreren
Wochen betrauerten diese nun ihren ver
schollenen Sohn. Es hat sich jedoch nun
mehr herausgestellt, daß die Bark „Barm-
bet" nach einer guten Reise wohlbehalten
am 8. September in Jquique angekommen
und daß an Bord Alles wohl ist.
In dem „Berl. Lokalanzeiger" Nr. 459
findet sich folgende anmuthige Anzeige:
Heirath. Junge Damen (respektabler El
tern), welche über 15,000 Mark und
höher verfügen und heirathen wollen,
finden diskrete Aufnahme im Pensionat in
Kiel, wo viele Offiziere, Beamte (Marine)
verkehren. Monaitiche Pension 130 Mt.
Ansragen (folgt Chiffre). So ungcnirt
hat sich die Kuppelei selten gemacht.
In Meldsrf wird z. Z. die Kinderwelt
von Brechdurchfall heimgesucht, welche
einen epidemischen Charakter anzunehmen
cheint und bereits recht zahlreiche Opfer
gefordert hat. Im vorigen Monat sind
in der Gemeinde 17 Personen verstorben;
unter denselben befanden sich 10 Kinder
im zartesten Alter, welche meistens der
genannten Krankheit erlegen waren.
Bei dem Gewitter am 4. d. M. sind
auch die Wohn- und Wirthschaftsgebäude
des Landmannes H. Hartig in Bergen-
Husen infolge Blitzschlags eingeäschert.
Sämmtliche Erntevorräthe wurden ein
Raub der Flammen; auch ist ein Schwein
umgekommen. Dagegen ist vieles Mobiliar
gerettet.
□ Rendsburg, 12. October. Die gestrige
Setzung der städtischen Kollegren wurde unter
dem Vorsitze des Herrn Senators Iunglöw
abgehalten. Der Herr Bürgermeister ist bekannt
lich beurlaubt und der Herr Beigeordnete von
Cappeln war verreist. Zur Verhandlung
gelangten folgende Gegenstände:
1. Vorgelegt wurde das Protokoll über die am
30. September staitgefundene Revision der Stadt
kasse, gegen welches Einwendungen nicht erhoben
wurden.
2. Ueber die Fest, etzung des Gehaltes für den
Schuldiener an den Altstädter Bürgerschulen hat
der Magistrat in seiner letzten Sitzung Beschluß
gefaßt und bestimmt, daß das Gehalt neben freier
Wohnung 700 Mk. jährlich betragen soll. Die
Kollegien haben gegen diese Festsetzung nichts
einzuwenden.
3. Bezüglich der Erbauung eines Häuschen
für Tobsüchtige beim städtischen Krankenhause
berichtet Herr Senator R o h w e r, daß die zur
Zeit bestehenden Räume nicht mehr benutzt werden
könnten, sie seien feucht und vom Schwamm be
fallen. Krankenhaus- und Bciukommifsion seien
einig darüber, daß es am besten sei, für den ge-
nannten Zweck ein besonderes Häuschen aufzu
führen. Die erforderlichen Kosten würden etwa
3000 Mk. betragen. Herr Pfahler meint, daß
die Ausgabe für diesen Zweck ja eine recht be
deutende genannt werden müsse und regt a«, ob
es sich nicht empfehle, das betreffende Häuschen
aus Wellblech herstellen zu taffen. Eine Vor
frage bei einer betreffenden Fabrik kaffe sich rasch
erledigen. Herr Dr. Vv l b eh r hält die schleunige
Beseitigung des vorhandenen Nothstandes sür
dringend geboten. Die Angelegenheit sei lange
genug ventilirt und habe Monate lang im
Schooße des Magistrats gelegen, ohne daß die
selbe weiter gekommen sei. Ob ein Haus aus
Wellblech die genügende Sicherheit biete, müsse
er bezweifeln. Er bitte um Annahme der Kom
missionsanträge. Nachdem Herr Sensor Ro hwer
nochmals auf die Anhaltbarkeit der bestehenden
Zustände hingewiesen, .werden die Kommissions
anträge einstimmig angenommen.
4. Ueber die schon wiederholt zur Verhandlung
vorgelegene Ausbaggerung der Eider bei der
Gasanstalt, berichtet Herr Senator Rohwer,
daß für diesen Zweck noch 5-31 Mk. zur Ver
fügung ständen. Da indeß eine Erdmasse von
13 0)0 cbm zu bewegen seien, welche zur Aus
füllung des Bassins bei der Post verwandt wer
den sollten, reiche der Betrag nicht aus und es
bedürfe der Bewilligung besonderer Mittel sür,
den Zweck. Der Her Bürgermeister habe be
reits ein Abkommen getroffen mit dem Unter
nehmer Behring zwecks Ausführung der Arbeit
und empfehle es sich, diese schleunigst in Angriff
nehmen zu lassen. Die Kollegien beschließen
demgemäß. .
5. An den Verhandlungen betreffend die Ge
nehmigung des Regulativs über die Strom-
abgabe ans dem städtischen Electricitätsmerk
nahm auch Herr Director Pichler Theil. Nach
den Beschlüssen der letzten Stadtcolleglensttzung
sollten die Vorschläge über die Pauschalsumme
und die Ausbringung der Kosten sür die Hans-
anschlüsse nochmals in der Gascommission vor.
berathen werden und hat dieselbe sür heute
folgende Vorschläge zu machen:
1. Die Pauschclsätze (dieselben gelangen zur
Anwenduvg, wenn der Konsument keinen
Strommesser erhält) von
4,50 Mk. für die 5 kerzigc Glühlampe,
7,80 „ ,. „ 10 .,
10,75 „ „ ,, 16 „ t>
15,60 „ „ „ 25 „
18.50 „ „ .. 32 „ «
bleiben "bestehen," wenn der Mindestkonsum
50 Mk. jährlich beitragt und auf 5 Jahre
qarantirt wird. Die Hausanschluffe werden
auf Kosten der Stadt ausgeführt, wenn die
Anmeldung zum Anschlüsse bis zum
1. November d. I. beschafft ist.
2. Die Vortheile kommen in Wegfall, wenn
die Anmeldung später erfolgt, resp. der
Mindestkonsum nicht 50 Mk. beträgt und auf
5 Jahre garantirt wird. In diesem Falle
werden die Hausanschlüsse von der Stadt
ausgeführt, aber auf Kosten der Konsumenten.
Herr Speck bringt bei dieser Gelegenheit in
Anregung, ob es sich nicht empfehle, für die
ersten 4 Wochen nach der Eröffnung des Werkes
das Licht unentgeltlich abzugeben, da in dieser
Zeit nur noch eine Maschine aufgestellt sei und
leicht kleine Störungen eintreten könnten. Dann
könne sich nieniand beklagen, wenn auch einmal
das Licht ausbleibe. Die Kollegien beschließen
demgemäß. Auch dieVorschläge derGaskommffsion
werden mit der Maßgabe genehmigt, daß die
Hausanschlüsse auf Rechnung der Stadt ausge-
führt werden, tü£Utt bic ÄnnieļbunIôn jiuit Än-
schluffe bis zum 1. Januar 1896 erfolgt sind.
6 Betreffend die Vereinbarung mit dem Herrn
Landwirth Goeze wegen Herstellung eines
Brunnens, bemerkt der Herr Vorsitzende, daß
diese Angelegenheit eigenthümliche Phasen durch
gemacht habe. Es seien bereits früher Ab
machungen getroffen, dann sei es zum Prozeß
gekommen und neuerdings habe auch der
Oberpräsident in dieselben eingegriffen. Der
Regierung sei nun vom Magistrate mitgethan
worden, daß die Angelegenheit in aller Kurze
ihre Erledigung finden werde. Mit Herrn Goeze
sei das Abkommen getroffen, dessen Brunn n zu
vertiefen. Das be-reffende Abkommen von
k î*fiïÄŗ«-S-
Verein von 1848 auf W«terbewlll,gung des Zu
schusses von 700 Mk. lahrüch zur Unterhaltung
der gewerblichen Fortb,ldungsjchule fur die drei
jährige Etatsperiode vvm 1. Apnl 1896 bis
dahin wird Folg« gegebm.
8. Da der Wafferkonsum am letzten halben
Jahre wieder um 55.0 cbm gestiegen ist und
IN Folgendes Anschlußes der Carlshütte ein
weiteres Steigen des Konsums zu erwarten steht,
wird Titel Vil B III 2 (Kohlen für das städ
tische Wasserwerk) um 90) Mk. erhöht. Nach
Erledigung mehrerer Pachtverträge wirv hierauf
nach Verlesung des Protokolls die Sitzung ge
schloffen.