schwunden sei, bat sick als Unwahrheit
herausgestellt. Die „Nalionalztg." hat in
den Theater-Anzeigen der zweiten Hälfte
des Jahres 1880 nachgeschlagen und fest
gestellt, daß „Gräfin Lea" im Schauspiel
hause noch aufgeführt wurde: am 18. Sep
tember, 26. September, 13. November und
6. Dezember. — Auch das ist ein Beitrag
zur Charakteristik des wahrheitsliebenden
Hofpredigers a. D. — Uebrigens ist
„Gräfin Lea" ein tendenziös antichrist
liches Bühnenstück und deshalb eben so
verwerflich, als etwa ein Schauspiel,
welches die Judenhetze idealisiren möchte.
— Graf von Mirbach-Sorquitten
veröffentlicht nunmehr endlich eine lang-
athmige Erklärung über die Stellung der
conservativen Partei zur Affaire Ham mi
st ein und zu dem vielbesprochenen Brief
Stöckers. Natürlich war Frhr. von
Hammerslein demnach jetzt gar kein Führer
der conservativen Partei, bewahre, im
Gegentheil! — Auch Herr Stöcker wird
in dem Schreiben mehr oder weniger kalt
gestellt. Wir kennen diese Art von Ab-
schüttelung widerwärtiger Parteipersonen,
wir sind auch nicht pharisäisch genug,
behaupten zu wollen, daß cs nicht überall
und in jeder Partei Lumpen à la Hammer-
stein geben könnte, aber wir halten es für
unwürdig, wie es Herr v. Mirbach ver-
sucht, die Partei weiß zu waschen und als
zweifelsohne hinzustellen, wo Jedermann
weiß, daß Hammerstein ein entschiedener
Führer und Genosse der Hochconservativen
gewesen ist.
Berlin, 10. Oct. Fast mit Einstimmig
keit hatten die Sozialdemokraten in 5
Berliner Wahlkreisen sowie diejenigen
des Wahlkreises Teltow-Beeskow-Storkow
den Antrag angenommen, der Parteitag
möge beschließen, Parteibeamte, deren Ge
halt 3000 Mk. übersteigt, erhalten keine
Diäten als Reichstagsabgeordnete. Und
was ist in Breslau geschehen? von oben
herab sind die Berliner behandelt worden.
Man hat sich über ihre Anträge lustig
gemacht, und der Abgeordnete des II. Ber
liner Wahlkreises, Schriftsetzer Fischer, der
die Stellung eines zweiten Parteisekretärs
niedergelegt und dafür die um 2000 Mk
höher dotirte eines Leiters der Parteibuch
druckerei übernommen hat, so daß er jetzt
ein Fixum von 5000 Mk. erhält, prahlte
damit, daß er eventuell seine Stellung
niederlegen würde. Bebel hat bekanntlich
in seinen Schriften sich dahin ausgesprochen
daß im sozialistischen Staat die Geistes-
und Handarbeiter den gleichen Lohn er
halten sollen. Zwar der sozialistische Zu
kunftsstaat liegt noch in weitem Felde;
aber das will den Berliner Genossen ganz
und gar nicht in den Sinn, daß je stärker
sich die Partei entwickelt hat, desto höher
die Bezahlungen der Parteibeamten ge
worden sind. Ueber die Thatsache wird
sich Herr Bebel und seine Genossen nicht
hinweg täuschen, das der Riß zwischen
den Hungerigen und den Satten in der
Partei sich zusehends erweitert und es
doch eines Tages zu einer Scheidung der
Geiste- kommen wird und muß.
— Bezüglich der Frage, ob Schritte
möglicherweise gegen die agitatorischen Be
strebungen der Sozialdemokratie ge
than werden könnten, bestehen der „Post"
zufolge innerhalb des Staatsministeriums
keinerlei Meinungsverschiedenheiten. Es
sind daher die Gerüchte, daß Herr von
Koller andere Ansichten vertrete als Fürst
zu Hohenlohe in das Reich der Fabel zu
verweisen. Das Blatt bestätigt, es werde
weder beabsichtigt, dem Reichstage ein
neues Umsturz- oder Sozialistengesetz vor
zulegen, noch sei beschlossen worden, ein
neues Vereinsgesetz für Preußen auszu
arbeiten. Auch dürsten für die nächste
Zeit schwerlich irgendwelche bindende Be
schlüsse zu erwarten sein.
— Es wird vielfach auf die Land
Wirthe gescholten, daß sie zur Ver
theidigung ihrer Interessen sich verbinden,
mit welchem Recht ist uns nicht ersichtlich,
da auch andere Berufsarten schon längst
das Gleiche erstrebten. Auch die Arbeiter
besitzen bereits lange das Coalitionsrecht
Aber auch andere Gruppen traten neuer
dings in den Vordergrund mit Ansprüchen
an den Staat zu Üngunsten der Allge
meinheit. U.A. ist es die Kieler Handels-
kam wer, welche einen dahinzielenden Be
schluß gefaßt hat. Durch eine Verfügung
des Oberpräsidenten war die Kammer der
„Fkf. Ztg." zufolge angewiesen, sich über
einen Erlaß des Handelsministers über
den Schutz der deutschen Küstenschifffahrt
gegen die fremden Flaggen gutachtlich zu
äußern. Die hiesigen Schiffsrheder haben
es übel vermerkt, daß die Betheiligung
der dänischen Flagge an der deutschen
Küstenschifffahrt 1893 das Zehnfache der
Betheiligung der deutschen Flagge am
dänischen Küstenverkehr betrug, und sie
tragen zum Theil Gelüste, diesen dänischen
Schiffsverkehr an sich zu reißen. Die
Kammer sagt daher in ihrem Gutachten:
, Um eine zunehmende ausländische Kon
kurrenz zu verhindern,werdenBegünstigungen
der deutschen Flagge befürwortet, wenn
solche möglich sind." Die allgemeinen
Interessen werden auch dabei außer Acht
gelassen, und die Frachten vertheuert. Tie
Jnteressenpolitik ist die Gleiche. Die
Hamburger und Flensburger Kammer
haben bekanntlich derartige Begünstigungen
der deutschen Flagge nicht befürwortet.
Da man die Jnteressenpolitik nicht mit
schönen Worten aus der Welt schaffen
kann, nachdem sie einmal vorhanden, so
muß man auch sagen: was dem einen
Recht, das ist dem andern billig. Wir
gönnen es der deutschen Schifffahrt
von Herzen, wenn sie existenzfähiger wird
das gleiche gönnen wir aber auch der
deutschen Land Wirth sch aft.
— Der „rheinische Bauernverein ,
an dessen Spitze der bekannte Abgeordnete
der Centrumspartei, Frhr. v. Los, steht,
hat bei dem Landwirthschaftsminister gegen
die neuen Vieh st affelta rife prote
stirt, weil die dadurch ermöglichte Er
leichterung des Absatzes des Viehs im
Osten von Deutschland dem Vieh im
esten Deutschlands Konkurrenz
mache. Nun weiß aber jedermann, daß
die Landwirthschaft im Westen allein auch
nicht entfernt im Stande ist, die dicht ge
drängte Bevölkerung in den Jndustriebe-
zirken mit Fleisch zu versorgen. Man er
sieht aus diesem Vorgehen, zu welchen
Folgerungen der krasse Eigennutz führt
Es handelt sich bei dieser Frage gar nicht
um die Landwirthschaft an sich, sondern
jeder will mit Staatshilf
seine Konkurrenten verdrän
gen, um möglichst hohe Verkaufspreise
zu erzielen. Das ist
as eine
erfordert. Am
findet, wie bekannt,
zählung statt,
für Preußen
doch nicht möglich
Volkszählung
2. December d. I
wieder eine Volks
Zu derselben werden allein
etwa 55 Millionen Formu
lare gebraucht. Das Papier hat ein Ge
sammtgewicht von 229 000 Kilogramm und
einen Werth von ca. 60000 Mk. Dazu
treten noch die Kosten für Satz und Druck,
Verpackung, Versendung rc.
Berlin, 10. Oct. Zu einer Zimmerver
mietherin kam ein Herr, der ein möblirtes
Zimmer miethete. ^Er nannte sich Dr.
Welsch und gab an direct aus Leipzig zu
kommen um hier nun als A r z t in der
Charitee zu fungiren. Um seine Wirthin
zu überzeugen, daß er wirklich Arzt sei
verschrieb er am folgenden Tage dem er
krankten Dienstmädchen Arznei und ließ
auch auf seinem Tische den Anfang eines
medicinischen Aufsatzes liegen. Bei seinem
Weggange ersuchte er seine Wirthin, eine
für ihn eingehende Rechnung zu bezahlen
welchem Ersuchen die Frau auch nachkam
Der angebliche Doctor hatte aber die
Rechnung selbst ausgeschrieben, den Betrag
durch einen Dienstmann einkassiren lassen
und, diese auf der Straße erwartend, das
Geld von dem Dienstmann entgegenge-
nommen. Und Geld und Doctor sah man
niemals wieder. Der Schwindler ist etwa
30 Jahre alt.
Aus Mittelsieine in der Grafschaft Glatz
berichtete Ende September die „Glatzer
Ztg." folgendes: „Am 1. October dieses
Jahres tritt im hiesigen Dorfe ein Er
eigniß ein, das für dasselbe von weit
gehendster Bedeutung ist. Die hiesige
Portland-Cementfabrik Kammel, Fabig LCo
stellt ihren Betrieb ein, und zwar infolge
eines Vertrages, den die Besitzer, die
Herren Kammel u. Fabig in Waldenburg
mit dem Verein Schlesischer Portland
Cementfabriken in Oppeln geschlossen. Der
selbe geht dahin, daß in dem hiesigen
Fabriketablissement gegen eine jährliche
Entschädigungssumme 15 Jahre lang
kein Cement gemacht werden
darf. Die Besitzer der hiesigen Fabrik,
welche dieselbe im Jahre 1888 käuflich er
worben haben, haben das Werk sozusagen
von Grund auf neuerbaut und dement
sprechend eine große Summe Geldes hin
eingesteckt. Weil nun aber die Fabrik sich
zu rentiren anfing und leistungsfähig
wurde und insbesondere weil der Cement
allgemein gepriesen und nanientlich zu
Wasserbauten dem Oppeler Fabrikat vor
gezogen wurde, wurde sie den Oppelner
Fabriken lästig, was sich schon seit Jahres
srist in der verschiedensten Weise äußerte.
Um die Concurrenz los zu sein, bot der
Oppelner Cementverein der hiesigen Fabrik
den oben erwähnten Vertrag an, der
natürlich angenommen wurde, denn dadurch
wurden die Besitzer derselben jeder Mühe
und Arbeit überhoben. Daß dieselben den
Vertrag nicht angenommen haben würden,
wenn durch die Entschädigungssumme nicht
Kapital und Zinsen des in der Fabrik be-
rndlichen Geldes gedeckt wären, liegt klar
auf der Hand, denn aus der Fabrik, die
Eigenthum der Herren Kammel u. Fabig
bleibt, läßt sich nichts andres machen, und
nach 15 Jahren sind die Werke ein Schutt
haufen." Die „Glatzer Zeitung" bedauert
weiter, daß ungefähr 80 Arbeiter ihrer
lohnenden Arbeit verlustig gegangen sind.
„Ueber die Hälfte derselben sind verheirathet
und die Zahl der Familienväter, darunter
mit 8 Kindern, ist nicht klein. Die Ar
beiter, welche zum großen Theile seßhaft
waren, sehen sich daher veranlaßt, jede
sich darbietende Arbeit anzunehmen, ohne
Ansehung der Dauer und der Höhe des
Lohnes. Es sehen infolgedessen viele
Familien einem traurigen Winter entgegen
Ter Kaiser hat schon zweimal größere
Geldspenden geschenkt, damit u. A. Weber
kinder davon abgehalten werden, die
Weberei zu erlernen. An hiesigem Orte
hatten wegen des Aufschwungs der
Cementfabrik viele Weber ihre Stühle bei
feite gethan und waren Fabrikarbeiter ge
worden, wodurch sie ungefähr den doppelter
Wochenlohn eines Webers verdienten, jetzt
ind sie wieder gezwungen, ihren Webstuhl
hervorzusuchen, um sich und ihre Familien
wenigstens vor dem Hunger zu schützen."
— Wenn die obige Schilderung der Vor
gänge zutrifft, so müssen wir gestehen,
daß wir in der Art und Weise, in der
dort eine unbequeme Concurrenz beseitigt
worden ist, einen Auswuchs sehen, der,
wenn er Schule macht, gesetzlich abge
schnitten werden muß.
Darmstadt, 7. October. Vierzehn Tag-
lang ist der Maurer Georg Müller von
Dietzenbach mit einer 4 Ctm. tief einge
drungenen Messerklinge im Schädel
herumgelaufen, ohne ärztliche Hilfe in An-
pruch zu nehmen. Als dies endlich ge-
chah, konnte die Klinge nur mit Gewalt
durch die Aerzte entfernt werden. Eine
Hirnhautentzündung als Folge des Stiches
ührte den Tod des Verletzten herbei.
Deßhalb hatte sich heute Ami Hueguenin
aus La Brewille bei Lausanne, der ihm
Ende Juli mit einem Federmesser die Ver
letzung beigebracht hatte, wegen Körper
verletzung mit tödtlichem Erfolg zu verant
worten. Er wurde zu 4 Jahren Gefäng
niß vernrtheilt.
Eine furchtbare Katastrophe
meldete uns gestern der Telegraph. In
der Fabrikstadt Bocholt bei Wesel ist die
große Spinnerei von Beckmann eingestürzt,
unter ihren Trümmern den Fabrikdirektor
und eine Anzahl Arbeiter, darunter viele
Familienväter, begrabend. Die zusammen
gestürzte Spinnerei ist ein fast vollendeter
Neubau. Der Bauführer bemerkte, daß
der Hauptträger sinke, und nöthigte die
Arbeiter zum Verlassen des Gebäudes.
In diesem Augenblicke brach unter furcht
barem Getöse der Bau zusammen, viele
Menschen unter sich verschüttend. Die
zur Hilfe eilenden Mannschaften der beiden
in Wesel garnisonirenden Regimenter
gingen mit Ausdauer und Opfermuth an
das gefährliche Rettungswerk und bargen
bis jetzt 11 Todte und mehrere
Verwundete. Die Anzahl der Ver-
chütteten ist zur Stunde noch nicht bekannt,
jedoch werden Viele vermißt, welche den
Tod gefunden haben dürften. Es wird
noch eine Pionier-Abtheilung aus Deutz
erwartet. Schrecklich ist der Anblick der
Unglücksstätte, auf der auch viele Familien
väter verunglückt sind. Der Fabrikdirektor
Sommers wurde nach vierstündiger Arbeit
unter den Trümmern als Leiche hervor
gezogen.
Gegen eine wohl einzig dastehende
Nahrurigsmittelverfälschung erläßt der
Landrath Geheimer Regierungrath von
N i e s e w a n d in Mühlheim a. Rh.,
folgende Warnung:
„Nach einer niir zugegangenen zuver
lässigen Mittheilung soll gegemvärtig
eehundsfleisch als Schweine schinken aus
Holland nach Deutschland eingeführt
werden. Diese Schinken bestehen aus den
Vorderschenkeln der Seehunde."
Wie uns von fachmännischer Seite hierzu
noch mitgetheilt wird, ist der Unterschied
dieser Seehundschinken von den Schweine-
schinken für den Laien nicht gut erkennbar.
Andererseits können wir jedoch unsere
Verwunderung darüber nicht unterdrücken,
daß der Seehundsfang ein solch ergiebiger
rin soll, um mit unseren heimischen
Borstenthieren erfolgreich in eine Schinken
Concurrenz zu treten.
München, 8. Oct. Nach dem bayerischen
Heimathrecht kann die angeborene oder
erworbene Heim a th Niemanden genommen
werden. Lebt Jemand 5 Jahre selbst-
tändig an einem Orte, der nicht seine
Heimath ist, so kann er die Verleihung
des Heimathrechtes gegen Bezahlung an
diesem Orte verlangen. Die Klerikalen
beantragen nun im Landtag, daß auch die
Heimathgemeinde soll verlangen können,
daß dem Betreffenden die Heimath an
seinem Aufenthaltsort verliehen wird; da
mit würde er seine vorherige Heimath ver
lieren. Gegen seinen Willen soll das ge
macht werden können. Der Zweck ist, den
Landgemeinden die spätere Armenlast für
Weggegangene zu ersparen. Einmal ist
dieser Veriuch schon gescheitert. Hoffentlich
'cheitert er auch diesmal wieder. Wenn
man etwas thun will, soll man eher die
Armenlasten auf andere Grundlagen stellen
Ascherslebcn, 10. Oct. Großes Auf
sehen erregt es, daß dem Premier
Lieutenant F r a n? o i s vom Auswärtigen
Amte untersagt worden ist, im
Kolonialverein zu Halle einen Vortrag
über die wirthschaftliche Aussichten in Süd
westafrika zu halten.
Vcn der Breckenspitze wird geschrieben:
Seit gestern Abend hat der Südwestwind
einen sturmartigen Charakter angenommen,
wobei sich die Brockentüppe vollständig in
Nebel gehüllt hat. Gleichzeitig begann
anhaltender Regen zu fallen, der heute in
Schnee übergegangen ist. Dabei ist die
Temperatur bis auf den Eispunkt ge
fallen, so daß der Schnee stellenweise liegen
bleibt. ^
Schwerin, 8. Oct. Vor einigen -vagen
statt, welches ihr Leben und ihre völlige
Wiederherstellung der Opferwilligkeit ihrer
Mitmenschen verdankt. Das Mädchen ver
brannte sich beim Feueranmachen mit Pe
troleum das Gesicht, Hand und Arme und
beide Beine bis an den Leib. Die Arme
wurde nach Schwerin in das Stadtkranken
haus gebracht, und es stellte sich heraus,
daß die Wunden so tief und ausgedehnt
waren, daß es furchtbare Narben werden
würden, welche die Gebrauchsfähigkeit der
Beine beschränken würden, wenn nicht
fremde Haut auf die Wunden gepflanzt
werden könnte. Es fanden sich neben ihrer
Schwester noch sechs Freundinnen, welche
gern die Schmerzen aushielten und von
ihrer Haut hergaben. Auch ihr Verlobter
und ein junger Freund war unter den
Opfertvilligen. Vermöge dieser werkthäti
gen Liebe kann das junge Mädchen alle
Gelenke wieder gut bewegen und daher
konnte auch die Hochzeit stattfinden. (?)
Hagcnow, 8. Oct. Unter der Ueber
schrift: „Ungetreuer Bahnhofsvorsteher"
meldet die „Lüb. Ztg.": Vor einigen
Tagen wurde auf dem Bahnhöfe
B o bzin, Haltestelle der neuen Eisenbahn
strecke Hagenow > Wittenburg, von der
Eisenbahndirection eine Revision der
dortigenStationskasse vorgenommen.
Sie soll ein Minus von etwa 3000 Mk.
ergeben haben. Diese veruntreut zu haben,
wird der dortige Haltestellevorsteher Lingsch
beschuldigt. L., der sich in Bobzin noch
am Tage der Revision Geld geliehen haben
soll, wurde sofort vom Dienste befreit und
der Staatsanwaltschaft angezeigt.
Der frühere preußische Gesandte, Gras
zu Rantzau, der Schwiegersohn des Fürsten
Bismarck, ist zum Amtsvorsteher in
Friedrichsruh ernannt, an Stelle des Ober
försters Lange. Welcher Amtsbezirk darf
sich eines so vornehmen Chefs rühmen!
Der Vorstand des Hamburger In
nnngsausschusses hat gegen die Or
ganisation des Handwerks einen
drastischen Protest erlassen. Es wird der
Befähigungsnachweis, die obligatorische
Innung, die Einsetzung von Handwerks
kammern (nicht Gewerbekammern) u. s. w
verlangt. Der Protest schließt mit dem
Satze: „Dies werden wir ohne Unterlaß,
auch wenn wir Aelteren nicht mehr den
Nutzen davon haben, fordern, so daß doch
unsere Nachkommen, will's Gott, in einem
geordneten wirthschaftlichen Staatsleben
ihr ehrbares Handwerk friedlich betreiben
können. Und darum wollen wir kämpfen
des späteren Friedens wegen mit dem
Grundsatz: „Wer nicht für uns ist, der ist
wider uns, und wer nichts für uns übrig
hat, den wollen auch wir nichts geben."
Wir wollen nicht nur die Revensart
.Wohlwollen" erbetteln, sondern unser
gutes Recht fordern und wollen Thaten
sehen." Den Gegnern wird in dem
längeren Protest u. A. S ch w eifwedeln
gegen die Regierungsorgane und unter
thänigste Ergebenheit vorgeworfen.
Hamburg, 8. Okt. Beim Abgang eines
nach England gehenden Dampfers stellte
sich gestern Abend im letzten Augenblick,
nach der Polizei-Revision, noch ein Pasta
gier in großer Hast ein, der sich Ahlers
nannte. Die Polizeibeamten ließen den
Dampfer jedoch anhalten und ermittelten
in dem angeblichen Ahlers einen Kaufmann
Rodenstädt aus Neustadt am Rhein, der
mit einer erheblichen Summe Geldes
flüchtig geworden war, und schließlich auch
seine Schuld eingcstand
Hamburg, 10. Oct. Die neuen Wagen
der Hamburg - Altonaer Pferdebahn, die
mit der Eröffnung des Betriebes durch
Elektrizität in Benutzung genommen werden
sollen, bilden nach jeder Richtung ein
Muster trefflicher und zweckentsprechender
Einrichtung und Ausführung. Schon
Aeußerlich fallen sie auf durch ihre Größe
und Eleganz. Die innere Einrichtung ist
außerordentlich geschmackvoll. Die innere
Ventilation ist so vorzüglich, daß die sonst
so schwierige Frage des Rauchcoupees bei
diesen Wagen als gelöst angesehen werden
dürfte. Außer dem Vorder- und Hinter
perron hat der neue Wagen im Inner"
zwei gleich große, sehr geräumige e -
theilungen. Je nach der FahrrlĢ 3
wird die eine oder die andere AvN 8
zum Rauchcoupee. Von höchster ck 8'
feit für den Verkehr ist noch die Emjuh-
rung einer Schutzvorkehrung, * ue
fahr des Ueberfahrenwerdens durch die
Wagen dieser Gesellschaft wesentlich ver
ringert, ja sie fast °usschl,eßt. Diese
Vorrichtung befindet sich am Vorderperron;
sie besteht aus zwei, Eisenbugeln be
festigten Netzen, dre etwa 15 C m vom
Fahrdamm entfernt sind. Eines der Netze
ist so konstuirt, daß der etwa vor dem
Wagen gehende und von diesem erreichte
Mensch hineinfällt und mit fortgefahren
wird. Falls es sich aber um einen auf dem
Fahrdamm liegenden Menschen handelt, so
hebt sich das erwähnte Netz und läßt ein
zweites mit jenem in mechanischer Ver
bindung stehendes Netz auf den Schienen
fallen, das dann den Gefährdeten auf
nimmt. Das zweite Netz ruht auf Rollen,
so daß es glatt fortschleift. Augenblick
lick sind 18 solcher Prachtwagen in
Arbeit.
sand in einer mecklenburgische» Ş»à die
Hochzeit eines jungen Mädchens
Ärovinzielles.
Als ein wenn auch wenig erfreuliches
Zeichen der Zeit dürften die Ergebnisse
nachfolgender Zwangsverkäufe von länd
lichen Besitzungen, die man in Schleswig-
Holstein sonst nur vom Hörensagen kannte,
die Aufmerksamkeit weiterer Kreise ver
dienen. Der Hof Rieckbusch bei Eutin
wurde kürzlich für 335 000 Mk. verkauft,
wobei 50 000 Mk. Protokollschulden nicht
gedeckt wurden. Für den mit 260 000 Mk.
Hypothekschulden belasteten Hof Bahrenhof
bei Segeberg wurde in diesen Tagen die
Summe von 151 000 Mk. geboten. Den
Hof Riese in Norderdithmarschen erstand
eine Sparkasse für den halben Werth mit
61 000 Mk. Solche Thatsachen reden
eine deutliche Sprache.
Das vorige Jahr war. für den Ertrag
der schleswig - holsteinischen Fettweiden
außerordentlich günstig. Die Preise des
eingekauften Magerviehs waren angemessen,
der Graswuchs und das Gedeihen des
Viehes war vorzüglich und schließlich war
zum Theil in Folge des in westlichen und
südwestlichen Deutschland herrschenden
Biehmangels die Frage nach Schlachtvieh
eine starke und demnach gingen die Preise
in die Höhe. In diesem Jahre liegen die
Verhältnisse nicht so günstig. Das
Magervieh hat. zu bedeutend höheren
Preisen eingekauft werden müssen, trotz des
reichlichen Graswuchses ist das Gedeihen
des Viehes nicht so gut gewesen als
voriges Jahr und schließlich ist die Nach
frage weniger stark. Daher gehen die
Preise etwas herunter und das Nettoresultat
ist für die Gräser höchstens nur mäßig.
Unter diesen Umständen begrüßte man hier
mit Freuden die Einführung des Swffel-
tarifs zum 1. October d. I. Im Jahre
1888 wurden allerdings die bis dahin
geltenden, aus der Zeit des Privat-Eisen-
bahnbetriebes stammenden höheren Tarife
beseitigt und der Normaltarif eingeführt,
nach welchem für die Beförderung von
Vieh und Wagenladungen für das Quadrat
meter Landfläche für den Kilometer 2 Pfg.
zu zahlen waren. Es bestanden aber für
die Eisenbahn-Direktionsbezirke Bromberg,
Breslau und Berlin billigere Ausnahm-
tarife deren für uns nachtheilige Wir
kung besonders im Viehverkehr nach
Berlin fühlbar wurde. Die Beförde
rung von Großvieh von hier nach
Berlin stellte sich nach dem Normaltarif
das Stück 4 bis 5 Mk. höher als nach
dem Ausnahmetarif. Man hat sich daher
auch stets bemüht, eine Gleichstellung mit
den genannten Direktionsbezirken zu er-
reichen, und es ist im Abgeordnetenhause
wiederholt dafür gewirkt worden. Die Be
strebungen sind aber bis jetzt erfolglos ge
blieben, weil die östlichen Provinzen zu
starken Widerstand leisteten. Jetzt endlich
wird die Gleichstellung eintreten und man
erwartet mit Recht, daß der Verkaufspreis
des Viehes sich um den Betrag steigern
wird, um den die Beförderung billiger
werden wird
Wegen M a j e st ä t s b e l e r d i g u n g
waren vor der Strafkammer in Altona
di-- Tischlergesellen Schütt, Strack und
Maß angeklagt. Die Verhandlung fand
unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt.
Nach der Anklage haben die Angeklagten
am 19. Juni anläßlich des Kaiserbesuchs
in Hamburg zu drei verschiedenen Malen
in ihrer Werkstatt in Ottensen Aeußerun
gen gethan, wodurch das Reichsoberhaupt
beleidigt sein soll. Die Angeklagten, welche
sich als Sozialdemokraten bekannten, . be
stritten nach dem „Vorwärts", vie inkrimi-
nirten Aeußerungen gethan zu haben, und
behaupteten, der Denunziant, ein -nschler-
qeselle, der bereits wegen Ilnterychlagung
und verleumderischer Beleidigung bestraft
war, habe sie aus Rache fälschlich denun-
rirt' weil sie mit ihm auf gespanntem
Fuße gestanden hätten. Dieser erklärte,
daß er von seinen Arbeitskollegen vielfach
gehänselt worden sei und daß er deßhalb
Anzeige gemacht habe. Eine Anzahl Ar
beitskollegen der Angeklagten, die an dem
fraglichen Tage in der Werkstelle zugegen
gewesen sind, erklärten, daß die inkrimi-
nirten Aeußerungen nicht gefallen seien.
Der Staatsanwalt hielt den einzigen Be
lastungszeugen für glaubwürdig und bean
tragte gegen Strack 1 Jahr und gegen
Schütt und Maß je 6 Monate Gefängniß.
Nach längerer Berathung verkündete der
Vorsitzende die Freisprechung der Ange
klagten. Dem Gericht sei es zweifellos,
daß nicht nur an dem fraglichen Tage,
sondern schon früher unliebsame Aeußerun-
gen über den Kaiser gefallen seien. Bei
den.schwankenden Aussagen des Belastungs
zeugen hätten dieselben indeß nicht festge
stellt werden können und so mußte die
Freisprechung erfolgen.
Für eine vakante Seelsorgerstelle der
evangelisch-lutherischen Hauptgemeinde zu
Altona sind seitens des Königl.Consistoriums
die Pastoren Wurmb-Pinneberg, Esmarch-
Süderstapel und Jans - Koldenbüttel prä-
sentirt. n , .
< Ncummlster, 10. Oct. Geilern Mit
tag fuhr die Hufnerfrau «locker aus Bram-
merhörn mit ihrem zehuiahrigen Sohne
beim Haart auf einem Ponywagen zur
Stadt hinaus. Dabei scheute der Pony,
der Wagen fuhr gegen einen Baum nnd
die beiden Insassen wurden ans das