Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

schwunden sei, bat sick als Unwahrheit 
herausgestellt. Die „Nalionalztg." hat in 
den Theater-Anzeigen der zweiten Hälfte 
des Jahres 1880 nachgeschlagen und fest 
gestellt, daß „Gräfin Lea" im Schauspiel 
hause noch aufgeführt wurde: am 18. Sep 
tember, 26. September, 13. November und 
6. Dezember. — Auch das ist ein Beitrag 
zur Charakteristik des wahrheitsliebenden 
Hofpredigers a. D. — Uebrigens ist 
„Gräfin Lea" ein tendenziös antichrist 
liches Bühnenstück und deshalb eben so 
verwerflich, als etwa ein Schauspiel, 
welches die Judenhetze idealisiren möchte. 
— Graf von Mirbach-Sorquitten 
veröffentlicht nunmehr endlich eine lang- 
athmige Erklärung über die Stellung der 
conservativen Partei zur Affaire Ham mi 
st ein und zu dem vielbesprochenen Brief 
Stöckers. Natürlich war Frhr. von 
Hammerslein demnach jetzt gar kein Führer 
der conservativen Partei, bewahre, im 
Gegentheil! — Auch Herr Stöcker wird 
in dem Schreiben mehr oder weniger kalt 
gestellt. Wir kennen diese Art von Ab- 
schüttelung widerwärtiger Parteipersonen, 
wir sind auch nicht pharisäisch genug, 
behaupten zu wollen, daß cs nicht überall 
und in jeder Partei Lumpen à la Hammer- 
stein geben könnte, aber wir halten es für 
unwürdig, wie es Herr v. Mirbach ver- 
sucht, die Partei weiß zu waschen und als 
zweifelsohne hinzustellen, wo Jedermann 
weiß, daß Hammerstein ein entschiedener 
Führer und Genosse der Hochconservativen 
gewesen ist. 
Berlin, 10. Oct. Fast mit Einstimmig 
keit hatten die Sozialdemokraten in 5 
Berliner Wahlkreisen sowie diejenigen 
des Wahlkreises Teltow-Beeskow-Storkow 
den Antrag angenommen, der Parteitag 
möge beschließen, Parteibeamte, deren Ge 
halt 3000 Mk. übersteigt, erhalten keine 
Diäten als Reichstagsabgeordnete. Und 
was ist in Breslau geschehen? von oben 
herab sind die Berliner behandelt worden. 
Man hat sich über ihre Anträge lustig 
gemacht, und der Abgeordnete des II. Ber 
liner Wahlkreises, Schriftsetzer Fischer, der 
die Stellung eines zweiten Parteisekretärs 
niedergelegt und dafür die um 2000 Mk 
höher dotirte eines Leiters der Parteibuch 
druckerei übernommen hat, so daß er jetzt 
ein Fixum von 5000 Mk. erhält, prahlte 
damit, daß er eventuell seine Stellung 
niederlegen würde. Bebel hat bekanntlich 
in seinen Schriften sich dahin ausgesprochen 
daß im sozialistischen Staat die Geistes- 
und Handarbeiter den gleichen Lohn er 
halten sollen. Zwar der sozialistische Zu 
kunftsstaat liegt noch in weitem Felde; 
aber das will den Berliner Genossen ganz 
und gar nicht in den Sinn, daß je stärker 
sich die Partei entwickelt hat, desto höher 
die Bezahlungen der Parteibeamten ge 
worden sind. Ueber die Thatsache wird 
sich Herr Bebel und seine Genossen nicht 
hinweg täuschen, das der Riß zwischen 
den Hungerigen und den Satten in der 
Partei sich zusehends erweitert und es 
doch eines Tages zu einer Scheidung der 
Geiste- kommen wird und muß. 
— Bezüglich der Frage, ob Schritte 
möglicherweise gegen die agitatorischen Be 
strebungen der Sozialdemokratie ge 
than werden könnten, bestehen der „Post" 
zufolge innerhalb des Staatsministeriums 
keinerlei Meinungsverschiedenheiten. Es 
sind daher die Gerüchte, daß Herr von 
Koller andere Ansichten vertrete als Fürst 
zu Hohenlohe in das Reich der Fabel zu 
verweisen. Das Blatt bestätigt, es werde 
weder beabsichtigt, dem Reichstage ein 
neues Umsturz- oder Sozialistengesetz vor 
zulegen, noch sei beschlossen worden, ein 
neues Vereinsgesetz für Preußen auszu 
arbeiten. Auch dürsten für die nächste 
Zeit schwerlich irgendwelche bindende Be 
schlüsse zu erwarten sein. 
— Es wird vielfach auf die Land 
Wirthe gescholten, daß sie zur Ver 
theidigung ihrer Interessen sich verbinden, 
mit welchem Recht ist uns nicht ersichtlich, 
da auch andere Berufsarten schon längst 
das Gleiche erstrebten. Auch die Arbeiter 
besitzen bereits lange das Coalitionsrecht 
Aber auch andere Gruppen traten neuer 
dings in den Vordergrund mit Ansprüchen 
an den Staat zu Üngunsten der Allge 
meinheit. U.A. ist es die Kieler Handels- 
kam wer, welche einen dahinzielenden Be 
schluß gefaßt hat. Durch eine Verfügung 
des Oberpräsidenten war die Kammer der 
„Fkf. Ztg." zufolge angewiesen, sich über 
einen Erlaß des Handelsministers über 
den Schutz der deutschen Küstenschifffahrt 
gegen die fremden Flaggen gutachtlich zu 
äußern. Die hiesigen Schiffsrheder haben 
es übel vermerkt, daß die Betheiligung 
der dänischen Flagge an der deutschen 
Küstenschifffahrt 1893 das Zehnfache der 
Betheiligung der deutschen Flagge am 
dänischen Küstenverkehr betrug, und sie 
tragen zum Theil Gelüste, diesen dänischen 
Schiffsverkehr an sich zu reißen. Die 
Kammer sagt daher in ihrem Gutachten: 
, Um eine zunehmende ausländische Kon 
kurrenz zu verhindern,werdenBegünstigungen 
der deutschen Flagge befürwortet, wenn 
solche möglich sind." Die allgemeinen 
Interessen werden auch dabei außer Acht 
gelassen, und die Frachten vertheuert. Tie 
Jnteressenpolitik ist die Gleiche. Die 
Hamburger und Flensburger Kammer 
haben bekanntlich derartige Begünstigungen 
der deutschen Flagge nicht befürwortet. 
Da man die Jnteressenpolitik nicht mit 
schönen Worten aus der Welt schaffen 
kann, nachdem sie einmal vorhanden, so 
muß man auch sagen: was dem einen 
Recht, das ist dem andern billig. Wir 
gönnen es der deutschen Schifffahrt 
von Herzen, wenn sie existenzfähiger wird 
das gleiche gönnen wir aber auch der 
deutschen Land Wirth sch aft. 
— Der „rheinische Bauernverein , 
an dessen Spitze der bekannte Abgeordnete 
der Centrumspartei, Frhr. v. Los, steht, 
hat bei dem Landwirthschaftsminister gegen 
die neuen Vieh st affelta rife prote 
stirt, weil die dadurch ermöglichte Er 
leichterung des Absatzes des Viehs im 
Osten von Deutschland dem Vieh im 
esten Deutschlands Konkurrenz 
mache. Nun weiß aber jedermann, daß 
die Landwirthschaft im Westen allein auch 
nicht entfernt im Stande ist, die dicht ge 
drängte Bevölkerung in den Jndustriebe- 
zirken mit Fleisch zu versorgen. Man er 
sieht aus diesem Vorgehen, zu welchen 
Folgerungen der krasse Eigennutz führt 
Es handelt sich bei dieser Frage gar nicht 
um die Landwirthschaft an sich, sondern 
jeder will mit Staatshilf 
seine Konkurrenten verdrän 
gen, um möglichst hohe Verkaufspreise 
zu erzielen. Das ist 
as eine 
erfordert. Am 
findet, wie bekannt, 
zählung statt, 
für Preußen 
doch nicht möglich 
Volkszählung 
2. December d. I 
wieder eine Volks 
Zu derselben werden allein 
etwa 55 Millionen Formu 
lare gebraucht. Das Papier hat ein Ge 
sammtgewicht von 229 000 Kilogramm und 
einen Werth von ca. 60000 Mk. Dazu 
treten noch die Kosten für Satz und Druck, 
Verpackung, Versendung rc. 
Berlin, 10. Oct. Zu einer Zimmerver 
mietherin kam ein Herr, der ein möblirtes 
Zimmer miethete. ^Er nannte sich Dr. 
Welsch und gab an direct aus Leipzig zu 
kommen um hier nun als A r z t in der 
Charitee zu fungiren. Um seine Wirthin 
zu überzeugen, daß er wirklich Arzt sei 
verschrieb er am folgenden Tage dem er 
krankten Dienstmädchen Arznei und ließ 
auch auf seinem Tische den Anfang eines 
medicinischen Aufsatzes liegen. Bei seinem 
Weggange ersuchte er seine Wirthin, eine 
für ihn eingehende Rechnung zu bezahlen 
welchem Ersuchen die Frau auch nachkam 
Der angebliche Doctor hatte aber die 
Rechnung selbst ausgeschrieben, den Betrag 
durch einen Dienstmann einkassiren lassen 
und, diese auf der Straße erwartend, das 
Geld von dem Dienstmann entgegenge- 
nommen. Und Geld und Doctor sah man 
niemals wieder. Der Schwindler ist etwa 
30 Jahre alt. 
Aus Mittelsieine in der Grafschaft Glatz 
berichtete Ende September die „Glatzer 
Ztg." folgendes: „Am 1. October dieses 
Jahres tritt im hiesigen Dorfe ein Er 
eigniß ein, das für dasselbe von weit 
gehendster Bedeutung ist. Die hiesige 
Portland-Cementfabrik Kammel, Fabig LCo 
stellt ihren Betrieb ein, und zwar infolge 
eines Vertrages, den die Besitzer, die 
Herren Kammel u. Fabig in Waldenburg 
mit dem Verein Schlesischer Portland 
Cementfabriken in Oppeln geschlossen. Der 
selbe geht dahin, daß in dem hiesigen 
Fabriketablissement gegen eine jährliche 
Entschädigungssumme 15 Jahre lang 
kein Cement gemacht werden 
darf. Die Besitzer der hiesigen Fabrik, 
welche dieselbe im Jahre 1888 käuflich er 
worben haben, haben das Werk sozusagen 
von Grund auf neuerbaut und dement 
sprechend eine große Summe Geldes hin 
eingesteckt. Weil nun aber die Fabrik sich 
zu rentiren anfing und leistungsfähig 
wurde und insbesondere weil der Cement 
allgemein gepriesen und nanientlich zu 
Wasserbauten dem Oppeler Fabrikat vor 
gezogen wurde, wurde sie den Oppelner 
Fabriken lästig, was sich schon seit Jahres 
srist in der verschiedensten Weise äußerte. 
Um die Concurrenz los zu sein, bot der 
Oppelner Cementverein der hiesigen Fabrik 
den oben erwähnten Vertrag an, der 
natürlich angenommen wurde, denn dadurch 
wurden die Besitzer derselben jeder Mühe 
und Arbeit überhoben. Daß dieselben den 
Vertrag nicht angenommen haben würden, 
wenn durch die Entschädigungssumme nicht 
Kapital und Zinsen des in der Fabrik be- 
rndlichen Geldes gedeckt wären, liegt klar 
auf der Hand, denn aus der Fabrik, die 
Eigenthum der Herren Kammel u. Fabig 
bleibt, läßt sich nichts andres machen, und 
nach 15 Jahren sind die Werke ein Schutt 
haufen." Die „Glatzer Zeitung" bedauert 
weiter, daß ungefähr 80 Arbeiter ihrer 
lohnenden Arbeit verlustig gegangen sind. 
„Ueber die Hälfte derselben sind verheirathet 
und die Zahl der Familienväter, darunter 
mit 8 Kindern, ist nicht klein. Die Ar 
beiter, welche zum großen Theile seßhaft 
waren, sehen sich daher veranlaßt, jede 
sich darbietende Arbeit anzunehmen, ohne 
Ansehung der Dauer und der Höhe des 
Lohnes. Es sehen infolgedessen viele 
Familien einem traurigen Winter entgegen 
Ter Kaiser hat schon zweimal größere 
Geldspenden geschenkt, damit u. A. Weber 
kinder davon abgehalten werden, die 
Weberei zu erlernen. An hiesigem Orte 
hatten wegen des Aufschwungs der 
Cementfabrik viele Weber ihre Stühle bei 
feite gethan und waren Fabrikarbeiter ge 
worden, wodurch sie ungefähr den doppelter 
Wochenlohn eines Webers verdienten, jetzt 
ind sie wieder gezwungen, ihren Webstuhl 
hervorzusuchen, um sich und ihre Familien 
wenigstens vor dem Hunger zu schützen." 
— Wenn die obige Schilderung der Vor 
gänge zutrifft, so müssen wir gestehen, 
daß wir in der Art und Weise, in der 
dort eine unbequeme Concurrenz beseitigt 
worden ist, einen Auswuchs sehen, der, 
wenn er Schule macht, gesetzlich abge 
schnitten werden muß. 
Darmstadt, 7. October. Vierzehn Tag- 
lang ist der Maurer Georg Müller von 
Dietzenbach mit einer 4 Ctm. tief einge 
drungenen Messerklinge im Schädel 
herumgelaufen, ohne ärztliche Hilfe in An- 
pruch zu nehmen. Als dies endlich ge- 
chah, konnte die Klinge nur mit Gewalt 
durch die Aerzte entfernt werden. Eine 
Hirnhautentzündung als Folge des Stiches 
ührte den Tod des Verletzten herbei. 
Deßhalb hatte sich heute Ami Hueguenin 
aus La Brewille bei Lausanne, der ihm 
Ende Juli mit einem Federmesser die Ver 
letzung beigebracht hatte, wegen Körper 
verletzung mit tödtlichem Erfolg zu verant 
worten. Er wurde zu 4 Jahren Gefäng 
niß vernrtheilt. 
Eine furchtbare Katastrophe 
meldete uns gestern der Telegraph. In 
der Fabrikstadt Bocholt bei Wesel ist die 
große Spinnerei von Beckmann eingestürzt, 
unter ihren Trümmern den Fabrikdirektor 
und eine Anzahl Arbeiter, darunter viele 
Familienväter, begrabend. Die zusammen 
gestürzte Spinnerei ist ein fast vollendeter 
Neubau. Der Bauführer bemerkte, daß 
der Hauptträger sinke, und nöthigte die 
Arbeiter zum Verlassen des Gebäudes. 
In diesem Augenblicke brach unter furcht 
barem Getöse der Bau zusammen, viele 
Menschen unter sich verschüttend. Die 
zur Hilfe eilenden Mannschaften der beiden 
in Wesel garnisonirenden Regimenter 
gingen mit Ausdauer und Opfermuth an 
das gefährliche Rettungswerk und bargen 
bis jetzt 11 Todte und mehrere 
Verwundete. Die Anzahl der Ver- 
chütteten ist zur Stunde noch nicht bekannt, 
jedoch werden Viele vermißt, welche den 
Tod gefunden haben dürften. Es wird 
noch eine Pionier-Abtheilung aus Deutz 
erwartet. Schrecklich ist der Anblick der 
Unglücksstätte, auf der auch viele Familien 
väter verunglückt sind. Der Fabrikdirektor 
Sommers wurde nach vierstündiger Arbeit 
unter den Trümmern als Leiche hervor 
gezogen. 
Gegen eine wohl einzig dastehende 
Nahrurigsmittelverfälschung erläßt der 
Landrath Geheimer Regierungrath von 
N i e s e w a n d in Mühlheim a. Rh., 
folgende Warnung: 
„Nach einer niir zugegangenen zuver 
lässigen Mittheilung soll gegemvärtig 
eehundsfleisch als Schweine schinken aus 
Holland nach Deutschland eingeführt 
werden. Diese Schinken bestehen aus den 
Vorderschenkeln der Seehunde." 
Wie uns von fachmännischer Seite hierzu 
noch mitgetheilt wird, ist der Unterschied 
dieser Seehundschinken von den Schweine- 
schinken für den Laien nicht gut erkennbar. 
Andererseits können wir jedoch unsere 
Verwunderung darüber nicht unterdrücken, 
daß der Seehundsfang ein solch ergiebiger 
rin soll, um mit unseren heimischen 
Borstenthieren erfolgreich in eine Schinken 
Concurrenz zu treten. 
München, 8. Oct. Nach dem bayerischen 
Heimathrecht kann die angeborene oder 
erworbene Heim a th Niemanden genommen 
werden. Lebt Jemand 5 Jahre selbst- 
tändig an einem Orte, der nicht seine 
Heimath ist, so kann er die Verleihung 
des Heimathrechtes gegen Bezahlung an 
diesem Orte verlangen. Die Klerikalen 
beantragen nun im Landtag, daß auch die 
Heimathgemeinde soll verlangen können, 
daß dem Betreffenden die Heimath an 
seinem Aufenthaltsort verliehen wird; da 
mit würde er seine vorherige Heimath ver 
lieren. Gegen seinen Willen soll das ge 
macht werden können. Der Zweck ist, den 
Landgemeinden die spätere Armenlast für 
Weggegangene zu ersparen. Einmal ist 
dieser Veriuch schon gescheitert. Hoffentlich 
'cheitert er auch diesmal wieder. Wenn 
man etwas thun will, soll man eher die 
Armenlasten auf andere Grundlagen stellen 
Ascherslebcn, 10. Oct. Großes Auf 
sehen erregt es, daß dem Premier 
Lieutenant F r a n? o i s vom Auswärtigen 
Amte untersagt worden ist, im 
Kolonialverein zu Halle einen Vortrag 
über die wirthschaftliche Aussichten in Süd 
westafrika zu halten. 
Vcn der Breckenspitze wird geschrieben: 
Seit gestern Abend hat der Südwestwind 
einen sturmartigen Charakter angenommen, 
wobei sich die Brockentüppe vollständig in 
Nebel gehüllt hat. Gleichzeitig begann 
anhaltender Regen zu fallen, der heute in 
Schnee übergegangen ist. Dabei ist die 
Temperatur bis auf den Eispunkt ge 
fallen, so daß der Schnee stellenweise liegen 
bleibt. ^ 
Schwerin, 8. Oct. Vor einigen -vagen 
statt, welches ihr Leben und ihre völlige 
Wiederherstellung der Opferwilligkeit ihrer 
Mitmenschen verdankt. Das Mädchen ver 
brannte sich beim Feueranmachen mit Pe 
troleum das Gesicht, Hand und Arme und 
beide Beine bis an den Leib. Die Arme 
wurde nach Schwerin in das Stadtkranken 
haus gebracht, und es stellte sich heraus, 
daß die Wunden so tief und ausgedehnt 
waren, daß es furchtbare Narben werden 
würden, welche die Gebrauchsfähigkeit der 
Beine beschränken würden, wenn nicht 
fremde Haut auf die Wunden gepflanzt 
werden könnte. Es fanden sich neben ihrer 
Schwester noch sechs Freundinnen, welche 
gern die Schmerzen aushielten und von 
ihrer Haut hergaben. Auch ihr Verlobter 
und ein junger Freund war unter den 
Opfertvilligen. Vermöge dieser werkthäti 
gen Liebe kann das junge Mädchen alle 
Gelenke wieder gut bewegen und daher 
konnte auch die Hochzeit stattfinden. (?) 
Hagcnow, 8. Oct. Unter der Ueber 
schrift: „Ungetreuer Bahnhofsvorsteher" 
meldet die „Lüb. Ztg.": Vor einigen 
Tagen wurde auf dem Bahnhöfe 
B o bzin, Haltestelle der neuen Eisenbahn 
strecke Hagenow > Wittenburg, von der 
Eisenbahndirection eine Revision der 
dortigenStationskasse vorgenommen. 
Sie soll ein Minus von etwa 3000 Mk. 
ergeben haben. Diese veruntreut zu haben, 
wird der dortige Haltestellevorsteher Lingsch 
beschuldigt. L., der sich in Bobzin noch 
am Tage der Revision Geld geliehen haben 
soll, wurde sofort vom Dienste befreit und 
der Staatsanwaltschaft angezeigt. 
Der frühere preußische Gesandte, Gras 
zu Rantzau, der Schwiegersohn des Fürsten 
Bismarck, ist zum Amtsvorsteher in 
Friedrichsruh ernannt, an Stelle des Ober 
försters Lange. Welcher Amtsbezirk darf 
sich eines so vornehmen Chefs rühmen! 
Der Vorstand des Hamburger In 
nnngsausschusses hat gegen die Or 
ganisation des Handwerks einen 
drastischen Protest erlassen. Es wird der 
Befähigungsnachweis, die obligatorische 
Innung, die Einsetzung von Handwerks 
kammern (nicht Gewerbekammern) u. s. w 
verlangt. Der Protest schließt mit dem 
Satze: „Dies werden wir ohne Unterlaß, 
auch wenn wir Aelteren nicht mehr den 
Nutzen davon haben, fordern, so daß doch 
unsere Nachkommen, will's Gott, in einem 
geordneten wirthschaftlichen Staatsleben 
ihr ehrbares Handwerk friedlich betreiben 
können. Und darum wollen wir kämpfen 
des späteren Friedens wegen mit dem 
Grundsatz: „Wer nicht für uns ist, der ist 
wider uns, und wer nichts für uns übrig 
hat, den wollen auch wir nichts geben." 
Wir wollen nicht nur die Revensart 
.Wohlwollen" erbetteln, sondern unser 
gutes Recht fordern und wollen Thaten 
sehen." Den Gegnern wird in dem 
längeren Protest u. A. S ch w eifwedeln 
gegen die Regierungsorgane und unter 
thänigste Ergebenheit vorgeworfen. 
Hamburg, 8. Okt. Beim Abgang eines 
nach England gehenden Dampfers stellte 
sich gestern Abend im letzten Augenblick, 
nach der Polizei-Revision, noch ein Pasta 
gier in großer Hast ein, der sich Ahlers 
nannte. Die Polizeibeamten ließen den 
Dampfer jedoch anhalten und ermittelten 
in dem angeblichen Ahlers einen Kaufmann 
Rodenstädt aus Neustadt am Rhein, der 
mit einer erheblichen Summe Geldes 
flüchtig geworden war, und schließlich auch 
seine Schuld eingcstand 
Hamburg, 10. Oct. Die neuen Wagen 
der Hamburg - Altonaer Pferdebahn, die 
mit der Eröffnung des Betriebes durch 
Elektrizität in Benutzung genommen werden 
sollen, bilden nach jeder Richtung ein 
Muster trefflicher und zweckentsprechender 
Einrichtung und Ausführung. Schon 
Aeußerlich fallen sie auf durch ihre Größe 
und Eleganz. Die innere Einrichtung ist 
außerordentlich geschmackvoll. Die innere 
Ventilation ist so vorzüglich, daß die sonst 
so schwierige Frage des Rauchcoupees bei 
diesen Wagen als gelöst angesehen werden 
dürfte. Außer dem Vorder- und Hinter 
perron hat der neue Wagen im Inner" 
zwei gleich große, sehr geräumige e - 
theilungen. Je nach der FahrrlĢ 3 
wird die eine oder die andere AvN 8 
zum Rauchcoupee. Von höchster ck 8' 
feit für den Verkehr ist noch die Emjuh- 
rung einer Schutzvorkehrung, * ue 
fahr des Ueberfahrenwerdens durch die 
Wagen dieser Gesellschaft wesentlich ver 
ringert, ja sie fast °usschl,eßt. Diese 
Vorrichtung befindet sich am Vorderperron; 
sie besteht aus zwei, Eisenbugeln be 
festigten Netzen, dre etwa 15 C m vom 
Fahrdamm entfernt sind. Eines der Netze 
ist so konstuirt, daß der etwa vor dem 
Wagen gehende und von diesem erreichte 
Mensch hineinfällt und mit fortgefahren 
wird. Falls es sich aber um einen auf dem 
Fahrdamm liegenden Menschen handelt, so 
hebt sich das erwähnte Netz und läßt ein 
zweites mit jenem in mechanischer Ver 
bindung stehendes Netz auf den Schienen 
fallen, das dann den Gefährdeten auf 
nimmt. Das zweite Netz ruht auf Rollen, 
so daß es glatt fortschleift. Augenblick 
lick sind 18 solcher Prachtwagen in 
Arbeit. 
sand in einer mecklenburgische» Ş»à die 
Hochzeit eines jungen Mädchens 
Ärovinzielles. 
Als ein wenn auch wenig erfreuliches 
Zeichen der Zeit dürften die Ergebnisse 
nachfolgender Zwangsverkäufe von länd 
lichen Besitzungen, die man in Schleswig- 
Holstein sonst nur vom Hörensagen kannte, 
die Aufmerksamkeit weiterer Kreise ver 
dienen. Der Hof Rieckbusch bei Eutin 
wurde kürzlich für 335 000 Mk. verkauft, 
wobei 50 000 Mk. Protokollschulden nicht 
gedeckt wurden. Für den mit 260 000 Mk. 
Hypothekschulden belasteten Hof Bahrenhof 
bei Segeberg wurde in diesen Tagen die 
Summe von 151 000 Mk. geboten. Den 
Hof Riese in Norderdithmarschen erstand 
eine Sparkasse für den halben Werth mit 
61 000 Mk. Solche Thatsachen reden 
eine deutliche Sprache. 
Das vorige Jahr war. für den Ertrag 
der schleswig - holsteinischen Fettweiden 
außerordentlich günstig. Die Preise des 
eingekauften Magerviehs waren angemessen, 
der Graswuchs und das Gedeihen des 
Viehes war vorzüglich und schließlich war 
zum Theil in Folge des in westlichen und 
südwestlichen Deutschland herrschenden 
Biehmangels die Frage nach Schlachtvieh 
eine starke und demnach gingen die Preise 
in die Höhe. In diesem Jahre liegen die 
Verhältnisse nicht so günstig. Das 
Magervieh hat. zu bedeutend höheren 
Preisen eingekauft werden müssen, trotz des 
reichlichen Graswuchses ist das Gedeihen 
des Viehes nicht so gut gewesen als 
voriges Jahr und schließlich ist die Nach 
frage weniger stark. Daher gehen die 
Preise etwas herunter und das Nettoresultat 
ist für die Gräser höchstens nur mäßig. 
Unter diesen Umständen begrüßte man hier 
mit Freuden die Einführung des Swffel- 
tarifs zum 1. October d. I. Im Jahre 
1888 wurden allerdings die bis dahin 
geltenden, aus der Zeit des Privat-Eisen- 
bahnbetriebes stammenden höheren Tarife 
beseitigt und der Normaltarif eingeführt, 
nach welchem für die Beförderung von 
Vieh und Wagenladungen für das Quadrat 
meter Landfläche für den Kilometer 2 Pfg. 
zu zahlen waren. Es bestanden aber für 
die Eisenbahn-Direktionsbezirke Bromberg, 
Breslau und Berlin billigere Ausnahm- 
tarife deren für uns nachtheilige Wir 
kung besonders im Viehverkehr nach 
Berlin fühlbar wurde. Die Beförde 
rung von Großvieh von hier nach 
Berlin stellte sich nach dem Normaltarif 
das Stück 4 bis 5 Mk. höher als nach 
dem Ausnahmetarif. Man hat sich daher 
auch stets bemüht, eine Gleichstellung mit 
den genannten Direktionsbezirken zu er- 
reichen, und es ist im Abgeordnetenhause 
wiederholt dafür gewirkt worden. Die Be 
strebungen sind aber bis jetzt erfolglos ge 
blieben, weil die östlichen Provinzen zu 
starken Widerstand leisteten. Jetzt endlich 
wird die Gleichstellung eintreten und man 
erwartet mit Recht, daß der Verkaufspreis 
des Viehes sich um den Betrag steigern 
wird, um den die Beförderung billiger 
werden wird 
Wegen M a j e st ä t s b e l e r d i g u n g 
waren vor der Strafkammer in Altona 
di-- Tischlergesellen Schütt, Strack und 
Maß angeklagt. Die Verhandlung fand 
unter Ausschluß der Oeffentlichkeit statt. 
Nach der Anklage haben die Angeklagten 
am 19. Juni anläßlich des Kaiserbesuchs 
in Hamburg zu drei verschiedenen Malen 
in ihrer Werkstatt in Ottensen Aeußerun 
gen gethan, wodurch das Reichsoberhaupt 
beleidigt sein soll. Die Angeklagten, welche 
sich als Sozialdemokraten bekannten, . be 
stritten nach dem „Vorwärts", vie inkrimi- 
nirten Aeußerungen gethan zu haben, und 
behaupteten, der Denunziant, ein -nschler- 
qeselle, der bereits wegen Ilnterychlagung 
und verleumderischer Beleidigung bestraft 
war, habe sie aus Rache fälschlich denun- 
rirt' weil sie mit ihm auf gespanntem 
Fuße gestanden hätten. Dieser erklärte, 
daß er von seinen Arbeitskollegen vielfach 
gehänselt worden sei und daß er deßhalb 
Anzeige gemacht habe. Eine Anzahl Ar 
beitskollegen der Angeklagten, die an dem 
fraglichen Tage in der Werkstelle zugegen 
gewesen sind, erklärten, daß die inkrimi- 
nirten Aeußerungen nicht gefallen seien. 
Der Staatsanwalt hielt den einzigen Be 
lastungszeugen für glaubwürdig und bean 
tragte gegen Strack 1 Jahr und gegen 
Schütt und Maß je 6 Monate Gefängniß. 
Nach längerer Berathung verkündete der 
Vorsitzende die Freisprechung der Ange 
klagten. Dem Gericht sei es zweifellos, 
daß nicht nur an dem fraglichen Tage, 
sondern schon früher unliebsame Aeußerun- 
gen über den Kaiser gefallen seien. Bei 
den.schwankenden Aussagen des Belastungs 
zeugen hätten dieselben indeß nicht festge 
stellt werden können und so mußte die 
Freisprechung erfolgen. 
Für eine vakante Seelsorgerstelle der 
evangelisch-lutherischen Hauptgemeinde zu 
Altona sind seitens des Königl.Consistoriums 
die Pastoren Wurmb-Pinneberg, Esmarch- 
Süderstapel und Jans - Koldenbüttel prä- 
sentirt. n , . 
< Ncummlster, 10. Oct. Geilern Mit 
tag fuhr die Hufnerfrau «locker aus Bram- 
merhörn mit ihrem zehuiahrigen Sohne 
beim Haart auf einem Ponywagen zur 
Stadt hinaus. Dabei scheute der Pony, 
der Wagen fuhr gegen einen Baum nnd 
die beiden Insassen wurden ans das
	        
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