Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

Inland. 
— Wie die „Teutsche Sonntagspost" 
meldet, ist auf dem von dem Kaiser- 
Wilhelm an den Kaiser Niko 
laus gesandten Bilde von einem Gegen 
satz der Racen nicht die Rede. Der Ent 
wurf, von der Hand des Kaisers, ver 
körpert vielmehr in allegorischer Darstellung 
der europäischen Mächte den Triumph 
einträchtig verbundener Kraft und Cultur 
über Umsturz und Barbarei, die jedoch 
auf dem Bilde überhaupt nicht in persön 
liche Erscheinung treten. 
Berlin, 8. Oct. Zu den Gerüchten 
über den Antritt des einjährigen Urlaubes 
des Prinzen Heinrich schreibt man 
der „Post": „In Marinekreisen über- 
raschte es nicht im geringsten, als die 
Kabinettsordre vom 15. v. Mts. bekannt 
gegeben wurde, nach der dem Prinzen 
unter Beförderung zum Contreadmiral ein 
einjähriger Urlaub bewilligt wurde. Die 
Hauptgründe dafür können als dreifache 
bezeichnet werden: Erstens bedarf es 
keiner Frage, daß es im persönlichen 
Wunsch des Prinzen lag, einen längeren 
Urlaub einmal anzutreten, hatte er doch 
bei verschiedenen Gelegenheiten von größeren 
zu unternehmenden Reisen im Binnenlande 
der verschiedenen Länder gesprochen. Ferner 
glaubt man, daß Prinz Heinrich auch im 
kommenden Frühjahr eine größere Reise 
durch die Schweiz und Italien zu unter 
nehmen beabsicbtigt. Als zweiter Haupt 
grund für den Urlaubsantritt muß der 
angeführt werden, daß Prinz Heinrich in 
den letzten Jahren ausnahmslos einen sehr 
anstrengenden Dienst gethan hat. Als 
dritter, daß zweifellos noch weitere Per 
sonalveränderungen in den höchsten Com 
mandostellen der Flotte hätten in diesem 
Herbst eintreten müssen, nachdem Prinz 
Heinrich zum Admiral befördert worden 
war, wenn man hätte ihm sofort in seiner 
neuen Charge einen Wirkungskreis als 
Flaggoffizier übertragen wollen. Im 
ganzen geht zum Ueberfluß noch aus den 
Herbstcommandirungen der Marine und 
aus der Neubesetzung der verschiedenen 
Admiralstellen hervor, daß der Urlaub 
des Prinzen bereits vor längerer Zeit ge- 
plant war, denn es waren fast ausnahms- 
los sämmtliche in Frage kommenden Dienst 
functionen von jüngeren Admiralen längst 
besetzt, ehe von einem Urlaub des Prinzen 
Bestimmtes verlautete." 
Berlin, 8. Oct. In der jüngsten Rum 
mer der „Deutschen Evangelischen Kirchen- 
ztg." kommt Stöcker auf die Stellung 
des F ü r st e n Bismarck zu seinen 
Bestrebungen zu sprechen. Das Verhältniß 
bestehe darin, schreibt er, daß es eigentlich 
kein Verhältniß zu einander wäre. 
„Niemals habe ich mit dem Fürsten Bismarck 
eine Besprechung geführt, nie einen Brief an 
ihn geschrieben 'oder von ihm empfangen, nie 
von einem seiner Beamten einen Auftrag erhal 
ten. Während er mit dem ehemaligen Centrums 
mitglied Cremer Fühlung suchte und erhielt, 
während er Professor Dr. Adolf Wagner wenig 
stens einmal empfing und das berühmt gewor 
dene Wort vom „Patrimonium der Enterbten" 
zu ihm sagte, hat er mir nie sein Ohr geschenkt. 
Der Gedanke eines evangelischen Centrums, den 
er mit der Thätigkeit 'evangelischer Geistlicher 
verband, hat ihn wohl abgeschreckt, es einmal 
mit der Hülfe zu versuchen, die unsere Kirche 
ihm gewähren konnte." 
— Zur Vorgeschichte des Krieges 
von 1870 macht Professor Delbrück in 
den „Preuß. Jahrb." aufmerksam auf die 
neuesten Veröffentlichungen des"G ener al" 
Lebrun in Paris. Schon in den 70er 
Jahren hat Prinz Napoleon einmal ge 
sagt,die entscheidende Urkundx über denKrieg 
von 1870 besitze der General Lebrun; am 
diese Veröffentlichung sollte man warten 
Sie ist jetzt da. Es ist der Bericht 
des Generals an den Kaiser über seine 
Mission nach Wien im Juni 1870 und 
die Verhandlungen, die er dort über den 
Feldzugsplan für den gemeinsamen Krieg 
geführt hat. General Lebrun war General 
adjutant und besonderer Vertrauensmann 
Napoleons, 1870 war er anfangs erster 
Generalsiabsoffizier, nachher, bei Sedan 
kommandirender General des 12. Armee 
korps. Den Theil seiner Memoiren, de 
diese späteren Ereignisse behandelt, hat 
bereits früher veröffentlicht; den ersteren 
weit wichtigeren, chat er aus Rücksicht au 
den Erzherzog Albrecht zurückgestellt und 
des Geschlechts der Ravensburger befunden 
deren Urahn es aus den Trümmern einer 
riesigen Burg erbaut haben sollte, von der 
die Sage ging, daß einst dort der Sohn 
eines mächtigen dänischen Königs gelebt 
und gelitten, den der Vater wegen einer 
heimlichen Liebe verbannt hatte. 
Zwei Diener kamen herbeigeeilt, der Herr 
schaft beinl Aussteigcn bchülflich zu sein, und 
auf der Freitreppe wurden sie von der bejahn 
ten Wirtschafterin, Frau Brenner, auf das 
ehrerbietigste bewillkommt; Albrecht wechselte 
ein paar freundliche Worte mit der Alten 
während Julie, den Muff gegen ihren Mund 
gepreßt, flüchtig und herablassend dankte und 
so schnell wie möglich den Schutz des Hauses 
zu erreichen suchte; in ihrer widerspruchsvollen 
Sinnesart liebte sie eö, gelegentlich von der 
Höhe der „Baronin" auf die Untergebenen 
hinabzusehen, um zu anderen Zeiten sich Wieder 
aus das weitgehendste mit ihnen einzulassen 
(Fortsetzung folgt.) 
erst jetzt nach dem Ableben des Erzherzogs 
publizirt. 
Erzherzog Albrecht führte den General, 
obgleich dieser dazu nicht einmal einen 
Auftrag hatte, am 14. Juni Abends auch 
persönlich zum Kaiser Franz Josef. Ueber 
diese Audienz schreibt Lebrun in seinem 
dem Kaiser Napoleon erstatteten a m t- 
i ch e n Bericht: Der Kaiser Franz 
Josef brachte alsbald die Unterhaltung 
auf *den Gegenstand der Mission des 
General Lebrun an den Erzherzog. Der 
Kaiser drückte sich wörtlich folgendermaßen 
aus: „Der Erzherzog hat mich von den 
Fragen unterrichtet, über die zwischen ihm 
und Ihnen verhandelt worden sind. Ich 
kann vom militärischen Standpunkt aus 
nur die vorgeschlagenen Mittel zur Aus- 
ührung des Planes, von dem er mir ge 
Wochen hat, billigen. Aber ich muß 
Ihnen sagen, daß ich vor Allem den 
Frieden will; wenn ich Krieg führe, muß 
ich dazu gezwungen sein. Ich glaube 
hoffen zu dürfen, daß der Kaiser Napoleon 
meiner persönlichen politischen Stellung 
owohl im Innern als nach außen Rech 
nung tragen wird. Wenn ich den Krieg 
zur selben Zeit wie er erklärte, so wäre 
es nicht zweifelhaft, daß Preußen die 
neue deutsche Idee ausnutzend, zu seinen 
Gunsten die deutschen Völkerschaften auf 
reizen und zur Erhebung bringen 
würde, nicht allein bei sich und in Süd 
deutschland, sondern auch im österreichisch- 
ungarischen Kaiserthum, was für meine 
Regierung sehr bedenklich sein würde. 
Aber wenn der Kaiser Napoleon, ge 
zwungen den Krieg anzunehmen oder zu 
erklären, mit seinen Armeen in Süddeutsch 
land erschiene nicht als Feind, sondern 
als Befreier, würde ich meinerseits ge 
nöthigt sehen, zu erklären, daß ich gemein 
'ame Sache mit ihm mache. In den 
Augen meines Volkes könnte ich gar nicht 
anders handeln, als meine Armeen mit 
den französischen Armeen zu vereinigen 
Dies bitte ich Sie, dem Kaiser Napoleon 
zu sagen, ich hoffe, daß er meine innere 
und äußere politische Lage ansehen wird 
wie ich." 
Prof. Delbrück meint, daß, wenn es 
trotzdem hierauf nicht zu einem Bündniß 
zwischen Oesterreich und Frankreich ge 
kommen sei, dies darin seinen Grund £)abe ; 
daß der Kaiser Napoleon sich frei 
Hand habe behalten wollen, um 
nach zwei Seiten zu operiren und 
eventuell nach der ersten Schlacht sich mit 
Preußen zu verständigen auf der Grund 
lage der Eroberung Belgiens. 
- Der allgemeine deutsche Hand 
w erk erkund hat folgende Protesterklärung 
wegen der Abhaltung der Handwerker 
conferenz andasReichsamtdesJnnern 
gerichtet: 
„Auf Veranlassung des Centralausschusses ver 
einigter Jnnungsverbünde Deutschlands zu Berlin 
hat in den Tagen vom 29.—31. Juli dieses 
Jahres zu Berlin eine Versammlung von Ver 
tretern der zunr Centralausschutz gehörigen 
Jnnungsverbünde norddeutscher Jnnungsausschüsse 
vwie der drei hanseatischen Gewerbekammern statt 
gefunden. In dieser Conferenz, zu welcher auf 
besonderes Bitten des Centralausschusses des 
hohen Reichsamt des Innern und des königlich 
preußischen Ministeriums für Handel und Gewerbe 
drei Regierungscommissäre abgeordnet hatte, 
wurde dem Vernehmen nach über die im königlich 
preutzischenHandels- und Geiverbeministerium aus- 
gearbeiteren Grundsätze für eine Zwangsorgani 
sation des Handwerks und eine Regelung des 
Lehrlingswesens sowie über den Entwurf eines 
Gesetzes betreffend die Errichtung von Handwerker 
kammern berathen. Infolge der vom Central 
ausschusse beliebten Zusammensetzung der Conferenz 
waren in derselben durch Delegirte vertreten von 
29 in Deutschland bestehenden Jnnungsverbänden 
22, von ca. 26 existirenden norddeutschen Jnnungs- 
ausschüssen 16, außerdem 8 Gewerbekammern und 
die Malerinnung Berlin, während zu allgemeiner 
Verwunderung dem allgemeinen deutschen, dem 
ostdeutschen, dem bayrischen und dem badischen 
Handwerkerbunde keinerlei Vertretung zugebilligt 
war. Der hervorstehendste Zug der Zusammen 
setzung der Conferenz war aber der, daß von 
derselben durch den Centralausschutz eine jede 
Vertretung des süddeutschen Handwerkerstandes 
und zwar, wie wir anzunehmen leider nur zu 
sehr berechtigt sind, mit Absicht ferngehalten 
worden ist. Da die Berathungsgegenstände das 
ganze deutsche Handwerk berühren und interessiren 
— ist die Gewerbegesetzgebung doch Reichssache 
— und Süddeutschland doch auch für den Ber 
liner Centralausschutz als zum Reiche gehörig 
gelten mutz, so erblicken wir in dieser tendenziösen 
Zurücksetzung der Handwerkerbunde, ganz be 
sonders aber des süddeutschen Handwerkerstandes 
eine krasse Verletzung der Gleichberechtigung 
Der allgemeine deutsche Handwerkerbund, die 
Centrale der freien deutschen Handwerkerbewegung 
protestirt daher ganz Entschieden dagegen, 
vielleicht die Ergebnisse der Verhandlungen in 
fraglicher Conferenz als der Ausdruck und die 
Willensmeinung des gesammten deutschen Hand 
werkerstandes zuständigerseits betrachtet würden. 
Sollen die Wünsche der deutschen Handwerker 
und ihre Anschauungen über die Organisations- 
Pläne der Regierungen zu unverfälschter Kenntniß 
gelangen, so erübrigt nichts anderes, als wie im 
Jahre 1891; so auch jetzt wieder eine aus Hand 
werksmeistern der einzelnen Bundesstaaten ge 
bildete Conferenz zu berufen und ihr eine unbe 
schränkte Aeußerung über die beabsichtigten gesetz 
geberischen Maßnahmen einzuräumen. 
Biehl. Nagler. 
— Im Unterlauf der Oder fiel in 
der Nacht zum Montag das Wasser 
Plötzlich u m einen Fuß, sodaß 
Kampfer und Kähne im Breslauer Hafen- 
gebiet festsitzen. Als Grund wird ange 
geben, das Wasser werde in den Haltungen 
der oberen Oder zurückgehalten, um am 
15. October den fertigkanalisirten Theil 
dem Verkehr übergeben zu können. 
— 1 4000 Brode in einer 
Nacht gebacken. Die zu einer 
zwanzigtügigen Uebung ausgezogenen 
M i l i t ä r b ä ck e r entfalten eine ge 
waltige Thätigkeit. An jedem Tage 
chlagen sie an einem anderen Ort ihr 
Lager auf. Jedesmal wird in unglaublich 
kurzer Zeit eine förmliche Stadt von 
Zelten, Wagen und Backöfen aufgebaut. 
24 eisernen Backöfen wird die ganze 
Nacht hindurch gebacken. Jeder Ofen ent 
hält bei jedem Backgang 84 Commißbrode. 
Im ganzen werden sechs Backgänge aus 
geführt und während jeder Nacht etwa 
14000 Brode fertiggestellt. Die Uebungs 
tour erstreckt sich auf eine ganze Reihe 
Ortschaften der Provinz Brandenburg. 
Die fertigen Brode werden jedesmal den 
nächstgelegenen Garnison - Orten über- 
sandt. (L.-A.) 
Herzog Ernst Günther von Schles 
w i g < H o l st e i n, der Bruder der Kaiserin, 
ließ einen bedeutenden Land komplex be 
hufs umfangreicher Betriebserweiterung 
eines bei Primkenau belegenen Hütten 
werkes „Henriettenhütte" ankaufen. Projek 
tirt sind Schmelzöfen, Gießereien und 
Arbeiterwohnhäuser sowie eine elektrische 
Centralanlage zur Beleuchtung des im 
Bau begriffenen prächtigen herzoglichen 
Residenzschlosses. 
Das erste deutsche Lehrer- 
e i m wird laut einem Beschluß der 
Generalversammlung des über ganz 
Deutschland verbreiteten Vereins „Deutsches 
Lehrerheim" in Schreiberhau nach dem 
Entwurf des Architekten Reich-Magdeburg 
errichtet. Der Bau soll nächstes Jahr be 
gonnen und 1896 vollendet werden. Die 
Kosten sind ans 70000 Mk. bemessen. 
Was alles dem Publikum als Rum 
und Cognac verkauft wird, zeigt wieder 
eine vor Kurzem in Friedenau durch den 
Berliner Gerichtschemiker Dr. Bischofs vor 
genommene amtliche Untersuchung, welche 
zu diesem Zweck an von Destillateuren 
entnommenen Cognac- und Rumproben 
erfolgt ist. Bei nicht weniger als sechs 
von diesen wurde festgestellt, daß sie nicht 
eine Sput von wirklichem Rum oder 
Cognac enthielten, sondern aus Wasser 
und Sprit unter Beimischung von Essenzen 
„fabricirt" waren. Diese Art von Ge 
tränken dürfen nur mit der famosen Be 
zeichnung „Verschnittrum" oder Cogna 
verkauft werden, und da das in sammt 
lichen sechs Fällen nicht geschehen ist, so 
haben nun die betreffenden „Rum"- Ver 
käufer ihrer Bestrafung wegen Nahrungs 
Mittelfälschung zu gewärtigen. 
Wiesbaden, 4. Oct. Die Stadtver 
ordnetenversammlung ist in ihrer heutigen 
Sitzung dem Beschlusse des Magistrats bei 
getreten, den P r e i s d e s Gases für 
Kraft-, Koch und Heizzwecke auf 12 Pfg 
pro Kubikmeter, den Preis des zur Er 
zeugung von elektrischem Licht verivendeten 
Gases aber nur auf 13 Pfg. zu ermäßigen 
Es war dabei die Erlvägung maßgebend 
daß die Gasfabrik eine wichtige Einnahme 
quelle bilde, deren Schmälerung im Inter 
esse der städtischen Finanzen möglichst ver 
mieden werden müsse. 
Der in Münster erscheinende „West- 
Merk." schreibt zu den Ruhestörungen 
Dem Volksmunde gemäß kann sich hierorts 
erst „münsterischer Bürger" nennen, wer 
eine Nacht im „Höften" verbracht hat. 
Diese „Ehre" ist jetzt einer ganzen Reihe 
von hiesigen Einwohnern zu Theil ge 
worden und wird ihnen der „Bürgerbrief" 
in Gestalt eines Strafmandats demnächst 
wohl überreicht werden. Ein unfreiwilliger 
Theilnehmer der nächtlichen Haft schildert 
uns die im Allgemeinen von der humoristischen 
Seite aufgenommene Jnhaftirung. Er 
wurde in ein dunkles Gelaß hineinge- 
schoben und glaubte, sich allein darin lang 
weilen zu müssen. Nachdem er sich, so 
gut es eben ging, orientirt hatte, wollte 
er sich auf einem Sitze niederlassen, als 
plötzlich in dem Raume aus mehreren Kehlen 
das Lied erscholl: „Freiheit, die ich meine, 
die mein Herz erfüllt", da wurde er erst 
gewahr, daß sich bereits 6 Verhaftete darin 
befanden und seine Person die böse 7 ab 
gab. Die Vollendung des Gesanges wurde 
selbstverständlich nicht geduldet. Später 
wurden noch drei Festgenommene in das 
Gemach hineingeschoben, so daß ihrer zehn 
gemeinschaftlich das Schicksal theilten. Als 
Morgens der Tag graute, wünschte man 
Kaffee, allein wegen der Ueberfüllung war 
es dem Schließer nicht möglich, dem 
Wunsche nachzukommen. Die spätere 
Protokollirung nahm bis Mittag in An 
spruch. Es cirkulirt das Gerücht, auch 
ein Stadtverordneter sei von dem oben 
geschilderten Schicksal betroffen worden. 
Ob sich die Mittheilung bestätigt, konnten 
wir nicht erfahren. — Inzwischen hat der 
Oberbürgermeister wie auch die Bürger 
schaft Münsters ein Gesuch an den Minister 
des Innern gerichtet. Auch der Verein 
der dortigen Gastwirthe hat wegen der 
verkürzten Polizeistunde eine Eingabe an 
den Minister gesandt. Angesichts dieser 
allgemeinen Opposition hat die dortige 
Polizeibehörde ihre strenge Verfügung schon 
etwas gemildert und verschiedenen Gast 
wirthen gestattet, ihre Schanklokale bis 12 
resp. 1 Uhr offen zu haften. 
Münster, 3. Oct. Ein Opfer seines 
Leichtsinns wurde in Bösensell der Arbeiter 
Bä um er aus Notiube. Er wollte, nach 
dem ein Güterzug an ihm vorbeigcsaust 
war, den Bahndamm überschreiten und 
öffnete zu diesem Zwecke eigenmächtig die 
Schranke. Als er sich gerade auf dem 
Geleise befand, brauste von der anderen 
Richtung her der Harmonikazug Köln- 
Hamburg heran. Er erhielt von der 
Maschine einen derartigen Stoß, daß er 
ofort eine Leiche war. 
Homburg, 7. Oct. Bei einer Kastanien- 
-uche auf der Allee zum großen Tannen 
walde geriethen hiesige S ch u l k n a b e n 
mit Oberstätter Schul kn aben in Streit. 
Ein Oberstätter zog einenR evolv er und 
gab auf die Hamburger sechs Schüsse ab, 
von denen einer dem zwölfjährigen Sohn 
des hiesigen Dachdeckermeisters Weber durch 
das Bein ging. Der Verwundete mußte 
ins elterliche Haus transportirt werden. 
Alzey, 7. Oct. Auf der Straße nach 
Heimersheim warf kürzlich ein Junge nach 
einem Wagenpferd. Dies scheute, der 
Kutscher fiel vom Bock und brach das 
Genick. Der Tod trat augenblicklich ein. 
Brotterode, 7. Oct. Die Entschüdi 
gungssuinme, welche die Hessische Landes 
brandkasse in Kassel für die am 10. Juli 
abgebrannten 400 Anwesen zu bezahlen 
hat, beziffert sich auf 1,834,713,90 Mk. 
Weinsberg, 8. Oct. Die Bohrungen 
auf Salz bei dem Dorfe Erlenbach sind 
erfolgreich gewesen, eine mächtige Salzschicht 
ft erbohrt worden. 
öln, 7. Octbr. In den letzten Tagen 
sind außer den beiden zuerst wegen Lan 
desverraths verhafteten Personen noch 
zwei weitere Spione, sowie der 
Buchhalter bei Gruson, Namens Apfel 
baum, unter starker Bewachung nach Leip 
zig übergeführt worden. Nachdem eine 
längere Untersuchung durch den Kriegs 
minister, sowie durch den Criminalcom 
missar v. Tausch und den hiesigen Ober 
staatsanwalt stattgefunden hat, ist die Vor 
Untersuchung hier sowohl als in Magde 
burg, Berlin und Hessen abgeschlossen 
Die Angelegenheit soll bereits in den 
nächsten Tagen vor dem Reichsgericht in 
Leipzig zur Verhandlung kommen. 
Einen Werthbrief von 52 000 Mk. 
der an die badische Generalstaatskasse ge 
richtet war, unterschlug in Heidelberg 
der bei der badischen Domänenverwaltung 
angestellte Schreiber Basko. Basko ist 
flüchtig. 
Crefcld, 4. Oct. Zu einem richtigen 
Gefechte mit Zigeunern kam es 
gestern Nachmittag in Uerdingen. Die 
Polizei wollte eine Zigeunerbande, die dem 
Pferdehandel oblag, vertreiben. Die 
Zigeuner widersetzten sich, die Beamten 
zogen blank, verletzten einen Häuptlings 
und es entspann sich ein Streit, bei dem 
die Polizei sich schließlich zurückziehen 
mußte. 
Aus Bayern, 2. Oct. Wegen des 
socialdemokratischen Agrarpramm 
e n t w u r s s sind die „Fränkische Tagespost 
und der Berliner „Socialdemokrat" hinter 
einander gerathen. Der Streit ist auf's 
persönliche Gebiet übertragen worden, 
und nunmehr veröffentlicht Grillenberger 
in seinem Blatte eine Erklärung gegen 
seinen Fraktionskollegen S ch ip p e l. Schippe! 
habe in der Agrarfrage eine zweideutige 
Haltung eingenommen, und es verdiene 
sein Gebühren die entschiedenste Miß 
billigung. Grillenberger wirft dann die 
Frage auf, ob Schippet das Verständniß 
für die Sache oder die Fähigkeit, auch nur 
einige Wochen die gleiche Farbe zu be 
kennen, mangle. Schippel möge sich gesagt 
sein lassen, daß man in der Partei Zwei- 
deutigkeiten, Federkunststücke und Hinterück- 
sereien über eine Zeit lang erkenne und 
ihnen dann ein Ziel zu setzen wisse. 
Nürnberg, 7. Oct. Der Magistrat be 
schloß aus Grund kommissioneller Be 
rathung dem Antrage des Bolksvereins 
auf Einführung der Lehrmittel- 
f r e i h e i t an den Volksschulen nicht 
stattzugeben. Furcht vor der nothwendigen 
Mehrbelastung des städtischen Etais um 
jährlich 105000 Mk., sowie prinzipielle 
Erwägungen hinsichtlich der Konsequenzen 
führten zu diesem Beschlusse. 
Wörishofen, 6. Oct. Die „W. me ®- 
Wochenschrift" schreibt: „Wie wir aus der 
Morbiditätsstatistik der Infektionskrank 
heiten in Bayern ersehen, ist im Pfarrer 
Kneipp'schen Kinderasyl zu Wörishofen 
neuerdings der Typhus ausgebrochen; 
vom 11. bis 31. August sind 26 Er 
krankungen vorgekommen." 
In Weisenheiw herrscht wegen der plötz 
lichen Flucht des Eiergroßhändlers Jakob 
Baier großeAufreMNg.Nachdem seinAnwesen 
gerichtlich geschlossen worden ist, stellten sich 
nach genauer Untersuchung des Falles 
Passiva im Betrage von über 80,000 Mk. 
heraus. Mit mehreren Frankenthaler und 
Mannheimer Händlern betrieb er den Ver 
schleiß ausländischer Eier im größten Maß 
stabe. Umfangreiche Spekulationen sollen 
Schuld an seinem Ruine sein. Sehr viele 
kleine, theils^ für ihn bürgende, theils ihm 
kreditirende Leute verlieren größere Beträge, 
denn die Aktiva des Durchbrenners sind 
ganz gering. 
In ^Dresden fand die Vermählung 
einer Tochter Ebisons mit einem deutschen 
Lieutenant, Namens Oeter, statt. 
Coburg, 3. Oct. Es wird angenommen, 
daß die in Neustadt stattgefundenen viel 
fachen. Brände aus Brandstiftung be 
Im 
ruhen. Nachdem gestern eine Person ver 
haftet worden war, wurde heute eine zweite 
Person verhaftet, in deren brennendem 
Hause man planmäßige Vorbereitungen 
zur Brandstiftung vorgefunden hatte. 
Brsdiņziclleà. 
Sommer 1893 verschwand der 
Kaufmann Rübsam in Bahrenfeld, nach- 
dem er eine Geschäftsreise nach Berlin 
gemacht hatte. Seine Leiche wurde erst 
nach mehreren Wochen mit einer Schuß, 
wunde im Kopfe in Berlin in einem 
Kanal aufgefunden. Die Wittwe bean 
spruchte von der Lebensversicherungs- 
Gesellschaft Wilhelms die Versicherungs 
summe, ca. 50000 Mk. Diese nahm aber 
Selbstmord an, und lehnte die Zahlung 
ab. Die Wittwe behauptete, daß ihr 
Mann das Opfer eines Verbrechens ge 
worden sein müßte. Das Landgericht in 
Aliona wies die Klägerin ab, dagegen hat 
das Oberlandesgericht in Kiel die Gesell- 
chaft zur Zahlung verurtheilt. — Der- 
elben steht allerdings noch die Berufung 
an das Reichsgericht zu. 
— Angeln, 5. Oft. Die Herbst-Ge 
neral - Versammlung des Krieger-Vereins 
mr Süderbrarup und Umgegend findet am 
27. d. M- daselbst statt. Es werden zwei 
Vorträge gehalten. Die Themen zu der- 
ielben heißen: 1. Ein Ereigniß aus Ser 
Geschichte des deutsch-französischen Krieges. 
2. Die Jubiläumsfeier aus dem Schlacht 
felde von Metz. Der Fonds zur An- 
schaffung einer Fahne beträgt z. Z, 170 
Mark. — Die Kriegervereine zu Grund- 
hos, Sörup und Gelting wollen sich im 
nächsten Jahre ebenfalls Fahnen anschaffen. 
Der Wassermangel ist hiw recht groß. 
Bäche und Tränkstellen sind fast ganz aus 
getrocknet und in den Brunnen steht das 
Wasser sehr tief. Wenn der Herbst nicht 
reichlich Regen bringt, muß an vielen 
Stellen das Wasser für den Vieh- und 
Hausbedarf herbeigefahren werden. — 
Die Wintersaat ist beendigt. Der Regen 
der Wintersaat und der Arbeit des 
Pflügens sehr gut zu statten gekommen. — 
Herr Lehrer Nerung in Dollerup beab 
sichtigt die Herausgabe einer „Beschreibung 
über das Kirchspiel Grundhof." Als Bei 
hülfe zu den Herstellungskosten hat die 
Kirchspielskasse für jeden Druckbogen eine 
Summe von 30 Mk. bewilligt. 
7Á Bon der Eider, 4. Oct. Der Bovenauer 
Markt war gestern vom Wetter so ziemlich 
begünstigt und war stark besucht. Sonst 
hat der Markt seit der Verlegung von 
Mitte September auf Anfang October an 
Frequenz abgenommen. — Die Obstaus 
stellung der Gartenbauvereine Westensee 
und Achterwehr in ersterem Orte fällt 
diesen Herbst wegen Mangel an gutem 
und reichlichem Obst aus. — In Felde 
ist das Schulhaus renovirt und die zweite 
Lehrerstelle mit dem Seminaristen Behrensen 
besetzt. — Herr Bauinspector Schober, 
sowie der Bureauschreiber Schneider aus 
Neu-Königsförde sind nach Kiel überge- 
siedelt. 
i Von der Eider, 7. Oct. Dem heu 
tigen Süderstapeler Vieh- und Pferde- 
markte waren 1000 Pferde zugeführt, 
meist Füllen, alte Pferde weniger. 
Händler waren in großer Anzahl erschie- 
neu, und verlief das Geschäft recht flott. 
Es bedangen 2>/ftährige 500—800 Jt, 
1 V-jährige 300—500 Jl, Füllen kosteten 
200—270 Jl. Ein wesentlicher Ueber- 
stand verblieb nicht. An Hornvieh betrug 
die Zutrifft 800 Stück. Es waren darun 
ter besonders Quien und Kalbkühe ver 
treten, Ochsen weniger. Auch hier war 
der Handel lebhaft, so daß nur ein gerin 
ger Ueberstand verblieb. Die Preise waren 
für Milchkühe 300—400 Jl, Stallochsen 
260—330 Jl, Fehrkühe 180—240 Jl 
Sehr begehrt waren trächtige Quien, auch 
für Jungvieh wurden recht gute Preise 
gezahlt, şşin ^ zahlreiches Publikum war 
bei dem günstigen Wetter aus weiter Um 
gegend herbeigeströmt, so daß auch die 
Budenbesitzer und Wirthe gute Geschäfte 
gemacht haben dürsten. 
Auf dem Pferdemarkt in Lunde» wurde 
ein äußerst frecher Diebstahl ausgeführt. 
Ein ^ ausivürtiger Pferdehändler, welcher 
in einem Gasthause eingekehrt war, hatte 
seinen Ucberrock mit einer Brieftasche und 
Papiergeld im Werthe von 2000 Mk., 
sowie anderen Werthpapieren in der Gast 
stube aufgehängt und sich zu anderen 
Gästen an den Tisch gesetzt. Bald darauf 
wollte er fortgehen, doch war sein Ueber- 
rock spurlos verschwunden. Von dem 
Diebe ist bis jetzt noch keine Spur gesunden. 
—n. Jcvenstedt, 9. Oct. Der Feuer- 
lösch-.Inspektor Wer nich ans Kiel war 
heute zur Besichtigung unserer freiwilligen 
Feuerwehr hier anwesend. Sowohl die 
Spritzenmannschaft als auch die Steiger- 
Abtheilung hatte längere Zeit in Funktion 
zu treten. Der Herr Inspektor hielt so- 
dann an die Mannschaften eine Ansprache, 
in welcher er seiner besonderen Zufrieden- 
heit Ausdruck gab. 
Ä Büdelsdorf, 9. Oct. Morgen, den 
10. Oktober, feiern die Eheleute^ Hinr. 
Knuth und Frau Hierselbst das ^est ^ rer 
goldenen Hochzeit im Kreise der Familie. 
Der Jubilar befindet stch lm 74 un b 
jeine Gattin im 70. Lebensjahr. Beide 
erfreuen sich einer noch großen Rüstigkeit 
und Gesundheit.
	        
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