Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Bezugspreis: 
Vierteljährlich 2 Ji.— , frei ins Hans geliefert 
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für Auswärtige, durch die Post bezogen 
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incl. Postprovision x., jedoch ohne Bestellgeld. 
AeltrKes und gkleseustes Klatt im Kreise Rendsburg. 
Anzeigen şiir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
88 ster Jahrgang. 
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Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
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werden dem Blatt „Der Landwirth" sowie das 
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Diejenigen geehrten 
Post°Adormente«, 
welche trotz geschehener Bestellung 
bei der Post etwa nicht in den Besitz 
des Wochenblattes gelangen, 
wollen nicht bei uns, sondern bei 
der betr. Postanstalt reclamiren 
und erst dann, wenn dies nichts 
sruchtet, uns davon benachrichtigen, 
An uns liegt die Schuld nicht, 
da hier prompt nach Aufgabe der 
hiesigen Postanstalt expedirt wird. 
gsy Bestellungen aus das 
Wochenblatt nimmt noch jede 
Postanstalt und jeder Landbriefträger 
entgegen. 
Die Expedition. 
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Morgen.Depeschen 
Berlin, 5. Okt. Der Kaiser gedenkt 
heute Abend Romiuten zu verlassen und 
gegen 8>/r Uhr von Trakehnen mittels 
Sonderzuges die Reise nach Jagdschloß 
Hubertusstock anzutreten. Die Ankunst 
des Kaisers in Eberswalde dürste morgen 
Vormittag kurz nach 10 Uhr erfolgen, von 
wo sich derselbe gemeinschaftlich mi der 
Kaiserin zu Wagen nach Hubertusstock be 
geben wird. 
Berlin, 5. Okt. Die gestern gemeldete 
Ernennung des Oberlandesgerichtsrath 
Elenz aus Köln zum Geheimen Justizrath 
und vortragenden Rath im Justizministerium 
wird heule im „Reichsanz." publizirt. 
Aachen, 5. Okk. Prozeß Jrenäus. Der 
Staatsanwalt beantragte die Freisprechung 
des Angeklagten. Die Geschworenen spra- 
chen das „Nichtschuldig" aus, lvoraus der 
Gerichtshof Jrenäus freisprach und die 
Kosten der Staatskasse auferlegte. 
Augsburg, 5. Okt. In dem Dörfchen 
Steinach bei Mering wüthete heute 
früh ein furchtbarer Brand, der bei dem 
herrschenden starken Winde acht Gebäude 
vernichtete. Der Schaden ist bedeutend 
Es wird Brandstiftung vermuthet. 
Metz, 5. Okt. Ein orkanartiger 
Stur m hat heute Mittag von der Käthe 
drale einen erheblichen Theil der Kupfer 
bedachung des südöstlichen Längsschiffes 
losgerissen und über einander gerollt. Die 
Sculpturcrl sind beschädigt und auf das 
Pflaster geschleudert worben. Das Un 
wetter dauert fort. 
Berlin, f5. Okt. Die internationalen 
Verhandlungen über eine gleichmäßige 
Herabsetzung und spätere Abschaffung der 
mckeraussuhrprämien dauern dem Ver 
nehmen der „Nat.-Ztg." nach zwischen den 
Ländern, welche solche Prämien zahlen, 
ort, und die Hoffnung, zu einem positiven 
Ergebniß zu gelangen, wird um so weniger 
aufgegeben, da alle betheiligten Staaten, 
insbesondere auch Frankreich, in ihrer 
Finanzlage einen Antrieb haben, auf die 
Beseitigung der Prämien hinzuarbeiten. 
Warren (Rhode Island), 4. Okt. Die 
der „Warren Manufacturing Company" 
gehörende Baumwollfabrik ist mit den an 
stoßenden Gebäuden niedergebrannt. Der 
Schaden übersteigt 1 Million Dollars. 
Paris, 5. Okt. Nach einer Meldung 
hiesiger Blatter soll der russische Bot- 
chafter, Baron Mohrenheim, noch vor 
Ende dieses Jahres nunmehr definitiv 
einen Posten in Paris verlassen. 
$n ifii Huris» in 9n|utiii)tl. 
Nach eine Meldung des Standard aus 
Konstantinopel herrscht in Wdiz Kiosk 
die größte Consternation. Der Sultan sei 
seit Montag nicht zu Bett gewesen; man 
mrchte, daß andere politische Parteien sich 
mit den Armeniern zu einer Revolution 
vereinigen werden. Seit der griechischen 
Revolution habe nicht solcher Schrecken in 
Konstantinopel geherrscht. Daily Telegraph 
erfährt, die armenischen Kirchenoberhäupter 
erklären eine Empörung der Armenier in 
den Provinzen für unvermeidlich, falls die 
Mächte nicht interveniren. Der Metropolit 
und Erzbischof von Erzerum sandte ein 
dahin lautendes Telegramm an Salisbury. 
Die Blätter fürchten, daß man noch nicht 
das Schlimmste gehört habe. Salisbury's 
Organ die Morning Dost, erklärt, die 
Vorgänge in Konstantinopel seien durchaus 
mysteriös. Der jetzt zum Ausbruch ge 
kommene Geist der Gesetzlosigkeit sei sonst 
bei den Armeniern nicht charakteristisch 
Niemand könne den Ursprung der Revolte 
erklären. Es sei nicht überraschend, daß 
die Garden des Sultans nicht soviel Um 
sicht wie die europäische Polizei geigten 
wenn es sich jedoch herausstellen sollte, daß 
vie türkische Polizei bei der Unterdrückung 
des Aufstandes zu weit gegangen sei, 
würde Kiamil Pascha schwere Arbeit er 
warten. Seine Ernennung zum verant 
wörtlichen Minister würde, falls der Sultan 
bereit wäre, dessen Rath zu folgen, 
allgemeinen Besorgnisse mindern. _ Auch 
die übrigen Blätter erblicken in Kiamil's 
Ernennung eine Schwenkung des Sultans 
zu einer England freundlicheren Politik. 
Die „Franks. Zeitung" meldet aus 
Belgrad: Nach hier eingetroffenen chiffrirten 
diplomatischen Depeschen haben sämmtliche 
Botschafter und Gesandte der fremden 
Mächte bei der Pforte eine Collectivnote 
überreicht, worin sie gegen die seit zwei 
Tagen in Konstantinopel stattfindenden 
Verfolgung der Christen protestiren und 
darlegen, daß die Polizei den Armeniern 
nicht nur keinen Schutz gewähre, sondern 
wgar in unerhörter Weise Gefangene und 
Verwundete tödte. Die Repräsentanten 
der fremden Staaten verlangen energisch 
ofortige Maßnahmen, damit die großen, 
Jen christlichen Bewohnern Konstantinopels 
drohenden Gefahren abgewendet würden, für 
welche die türkische Regierung verantwort 
lich zu machen sei. 
Sämmtliche österreichische Blätter legen 
dem heutigen Ereigniß in Konstantinopel 
ernste Bedeutung bei und bezeichnen es 
als Pflicht aller Mächte, bei der Psorte 
aus rasche Durchführung der Reformen 
zu dringen, da sonst die religiösen Gegen- 
sätze im Orient zu schweren Complicationen 
und zu einem furchtbaren Ausbruch des 
mohamedanischen Fanatismus führen 
müßten. 
Theodor Körner geschenkt hat. Der Dieb, 
der Sohn eines Beamten des Museums, 
Namens Zölestin, ist verhaftet. 
Ausland. 
die 
Frankreich. 
Paris, 4. Oct. Der französische 
Präsident Faure überreichte dem in Frank 
reich weilenden leitenden russischen Minister 
des Auswärtige», Fürsten Lobanow, den 
Großkordon der Ehrenlegion. 
Luxemburg. 
In den luxemburgischen Hochöfen zu 
Esch, die der deutschen Gesellschaft „Rote 
Erde" gehören, ist am Mittwoch eine 
furchtbare Explosion erfolgt. Eine 
erst kürzlich aus Deutschland gelieferte 
Luftdruckmaschine, die 160 000 Mk. ge 
kostet hatte, flog in die Luft; nach allen 
Richtungen flogen die Maschinentheile 
umher, doch konnten sich alle Arbeiter 
retten, so daß niemand verletzt worden ist 
^esterreîĢ-Uugaru. 
Wien, 4. Oct. Aus dem historische 
Museum der Stadt Wien sind mehrere 
werlhvolle Stücke gestohlen worden. 
Unter den gestohlenen Stücken befindet sich 
ein Ring, welchen Friedrich Schiller 
Inland. 
In einer Reihe englischer Blätter 
findet sich eine Mittheilung über eine 
Meinungsdifferenz zwischen dem Kaiser 
ilhelm und dem Prinzen Heinrich, 
seinem Bruder, und es wird hinzugefügt, 
daß diese Controverse die Ursache des 
Urlaubsgesuches gewesen sei. Einzelne 
Blätter wissen auch von Bersöhnungs 
Versuchen zwischen den beiden Persönlich 
leiten zu erzählen und behaupten, die 
Königin von England sowohl wie die 
Kaiserin Friedrich hätten in der Richtung 
ich sehr eifrig bemüht, ohne aber bisher 
einen Erfolg zu erzielen. Ueber den Grund 
des angeblichen Zwistes gehen die Mit- 
theilungen auseinander. Während z. B. 
die Daily News sich berichten lassen, ent- 
icheidende Fragen der Flottenorganisation 
leien der Ausgangspunkt der Differenz ge 
wesen, wissen andere Blätter ganz genaue 
Einzelheiten über den Disput zu ver 
lautbaren und stellen die Sache so dar, 
als ob der Nord-Ostsee-Kanal und seine 
trategische Benutzung im Ernstfälle das 
Objekt der Meinungsverschiedenheiten der 
beiden Fürstlichkeiten gewesen sei. — Wir 
geben diese Mittheilungen wieder, weil sie 
nun einmal von englischen Blättern ge 
bracht worden sind und vermuthlich noch 
weiter die Oeffcntlichkeit beschäftigen wer 
den. Inwieweit sie begründet sind, ent 
zieht sich natürlich der Beurtheilung; 
wahrscheinlich hat man cs mit Gerüchten 
und Conjecturen zu thun, wie sie durch die 
ungewöhnlich lange Dauer des dem Prinzen 
Heinrich bewilligten Urlaubs hervorge 
rufen werden konnten. Von deutscher Seite 
ist bekanntkich der einjährige Urlaub des 
Prinzen mit dessen starkem Erholungs 
bedürfniß motivirt worden. 
Berlin, 4. Oct. Oberst Graf von 
Moltk e, der dem Zaren in St. Peters 
bürg ein Handschreiben und ein Gemälde 
Kaisers Wilhelms überreichte, hat heute 
seine Rückreise nach Deutschland angetreten 
Der Oberst bringt ein eigenhändiges Ant 
wortschreiben des Zaren für den deutschen 
Kaiser mit. Die Meldung eines englischen 
Blattes, daß der Kaiser von Rußland dem 
Obersten erklärt habe, er würde in keinem 
Falle irgend eine Veränderung der euro 
päischen Karle dulden, wird dem „Lok. 
Anz." von gutunterrichteter Seite als aus 
der Luft gegriffen bezeichnet. Bon politi 
schen Fragen ist bei dem Empfange des 
kaiserlichen Abgesandten überhaupt gar 
keine Rede gewesen; dagegen ging die 
Audienz in der denkbar freundschaftlichsten 
Form vor sich. Der Zar hat sich wieder 
holt mit aufrichtiger Bewunderung über 
die hohe Begabung des Kaisers Wilhelm 
ausgesprochen. Ueber das Bild, das dem 
Zaren überreicht wurde, meldet der Peters 
burger Correspondent der „Köln. Ztg.", 
es bestehe in einem vom Kaiser selbst ent 
worfenen allegorischen Bilde: „Die euro 
päischen Mächte bedrängt von der gelben 
Rasse." 
- Officiös wird mitgetheilt, daß auch 
im Jahre >896/97 die Finanzlage die 
Fortführung der allgemeinen Auf 
besserung der Beamtengehälter in 
Preußen nicht gestatten werde. Dagegen 
oll im nächsten Etatsjahre wieder ein 
Schritt weiter zur vollständigen Durch 
führung des Systems des Aufsteigens nach 
dem Dienstalter unternommen werden, 
indem nunmehr auch die richterlichen Be 
amten in dasselbe eingereiht werden, da 
die Schwierigkeiten, welche der Maßregel 
bisher entgegenstanden, in einer den Inter 
essen dieser Beamten entsprechenden Weise 
überwunden werden konnten. 
- Herr Professor Brecher, der dem 
früheren Hofprediger einen bemerkens- 
werthen Mangel an Offenheit und Wahr 
heitsliebe bescheinigt hatte, war, wie unsere 
Leser wissen, von Herrn Stöcker im „Volk" 
eine Antwort ertheilt worden, auf die er 
seinerseits mit folgender Erklärung in der 
„N. A. Z." erwidert: 
„Ich bin bereit, der Aufforderung des 
Herrn Hofpredigers a. D. zu genügen, „die 
Thatsachen anzuführen", auf welche 
welche sich mein Urtheil über ihn stützt. 
Ich werde gern vor Gericht Rede 
stehen. Dann kann er mir ja auch die 
nöthige Erklärung zu der Behauptung 
geben, daß ich „zu den Anklagen, die eine 
ehrlose Presse" gegen ihn richte, „auch 
meinen Beitrag" geliefert habe. Seine 
wiederholten Sticheleien auf meinen Stand 
als Lehrer, offenbar um diesen und mich 
herabzusetzen, kann ich in Herrn Stöckers 
eigenem Interesse nur bedauern. „Blinder 
Haß" ist mir gänzlich fern; nur weit ich 
wegen des Ausdruckes meiner Ueberzeugung 
in der bekannten Weise rücksichtslos ange 
griffen wurde, sah ich mich genöthigt, 
Dinge zur Sprache zu bringen, über die 
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2) Roman von B. Riedcl-Ahrens. 
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„Sic haben gewiß in der Dunkelheit den 
Weg zum Dorfe verloren?" fragte Rahel, 
verwundert, einen so feinen Herrn zu später 
Abendstunde und bei dem Wetter allein in 
der unwirthlichen Gegend umherirren zu sehen 
„Nein," antwortete der Fremde, „wir 
komnien aus der Richtung . von Kolding; 
etwa zehn Minuten von hier blieb unser 
Wagen in einer Vertiefung des von den 
tauenden Schncemasscn erweichten Weges 
stecken, wobei ein Pferd zu Falle kam. Da 
wir die erleuchteten Fenster dreses Hanfes 
sahen, riefen wir nach Beistand ^ch 
jedenfalls hat der Sturni die Stimmen ver 
weht; wir können nun nicht weiter und 
hätten doch gern so schnell wie möglich 
Schloß Ravensburg erreicht — da meine 
Frau leidend ist. Aber Verzeihung," fügte 
er lebhafter hinzu, „ich vergaß, mich vorzu 
stellen — Baron Ravens, und wenn ich 
nicht irre, so sehe ich in Ihnen Fräulein 
Erichsen vor mir, die Tochter des wegen 
seiner Gastfreundschaft allgemein bekannten 
Herrn Pfarrers." 
Rahel ließ den Arm mit der Laterne 
sinken; als der Fremde seinen Namen ge 
nannt, war ein jähes Erbleichen über ihr 
Antlitz gezogen, sic schwieg aufs Höckffte 
betroffen und vergaß anscheinend, ihn auf 
zufordern, mit ihr in das Haus zu gehen 
eine Flut von Vermuthungen und Befürch 
tungen durchirrte blitzartig ihr Gehirn. Wie 
konnte ein Glied der Ravensburger es wa 
gen, den Beistand ihres Vaters in Anspruch 
zu nehmen, ja, mehr noch — die Schwelle 
eines Hauses zu betreten, ihres gütigen 
und doch so strengen Vaters, der jene Fa 
milie mit einer Abncignng verfolgte, die 
allmählich auch auf sic selbst übergegangen 
war, obgleich sie den Grund der Abnei 
gung nicht kannte. Sollte vielleicht Baron 
v. Ravens ihn ebenfalls nicht kennen? Aber 
das war ja undenkbar; und dennoch — 
hätte er es sonst unternommen, selbst in 
bedrängter Lage, hier zu erscheinen? Frei 
lich, bei dm wenigen Gelegenheiten, da der 
Vater von ihnen gesprochen, hatte er sie ein 
lochmüthiges, auf ihren Adel pochendes Ge 
schlecht genannt, das sich in vermessenem 
Wahn für eine bevorzugte Menschmsorie 
haltend — die Rechte der weniger Be 
günstigten weder anerkannte, noch beachtete, 
lind dennoch schien dieser Plann, der den 
Eindruck hervorrief, als ob er heimlich au 
der Last eines schweren Leides trage — so 
gar nichts von all jenen schlimmen Eigen 
schaften zu besitzen. 
„Kommen sie herein, Herr Baron," sagte 
Rahel endlich kurz entschlossen, wennglerch 
noch immer etwas unsicher. „Sie bedürfen 
der Hilfe und zweifellos wird mein Vater 
Ihnen diese gewähren." 
Albrecht v. Ravens hatte das Zögern des 
Mädchens, das so ernst und gänzlich frei 
von jeder natürlichen oder absichtlichen Be 
fangenheit der meisten übrigen Altersgenos 
sinnen vor ihni stand, bemerkt; aber es war 
jetzt keine Zett zu irgend weichen Betrach 
tungen, deshalb folgte er stumm der rasch 
Voranschreitenden und trat mit ihr in den 
dunklen Flur; klopfenden Herzens, und 
plötzlich von einem unbestimmten Angstge 
säht ergriffen, öffnete Rahel dann die Thür 
des Zimmers, wo sich der Geistliche und 
Tante Jutta befanden. 
Das Licht der Lampe fiel hell auf das 
eintretende Mädchen unv etwas gedämpfter 
auf die im Hintergründe folgende Gestalt 
des Mannes; bei dem Geräusch der Männer- 
chrittc draußen hatte Nicolaus Erichsen sich 
erhoben, und die ehrfurchtgebietende Gestalt 
hoch aufgerichtet, stand er erwartungsvoll, den 
Ankommenden zu begrüßen. 
Rahel ließ die > ausdrucksvollen Augen 
bittend auf dem Vater ruhen, als wolle sie 
ihn durch die Macht dieses Blickes be 
schwören, das Unvermeidliche gefaßt entgegen 
zu nehmen; und dieselbe warme Bitte um 
Nachsicht lag auch in ihrer Stimme, als 
ie äußerte: 
„Der Herr Baron v. Ravens bittet um 
Hilfe für seine leidende Gattin, Vater; 
der Wagen fitzt im Schnee fest und ein 
Pferd ist gestürzt." 
Pastor Erichsen stand noch immer am 
Tische; das weiße Haupt noch mehr er 
hoben, musterte er den fremden Herrn mit 
sichtbarem Erstaunen, das nichts von der 
gerühmten Gastfreundschaft verrieth. 
v. Ravens — ist daS wirklich ein Sohn 
des — — des — —. Vor seinem geisti 
gen Auge entsteht im Fluge das Bild eines 
jugendlichen, bildschönen Mannes — ein 
Schuß ertönt im Walde — dann ein 
Schrei — — und im selben Moment 
sinkt der Jüngling ins Herz getroffen zu 
Boden. Pastor Erichsen streicht mit der Lin 
ken über die Augen, wie um ein blutiges 
Bild von der Netzhaut zu wischen. Dann 
mit einemmal, noch che Albrecht v. Ravens 
ein Wort gesprochen, zuckt eine düstere 
Flamme deö Unwillens und der Empörung 
in seinen Zügen auf; er hatte in der Hand 
des Gastes eine kleine Flinte bemerkt, welche 
dieser, dem Wunsche seiner furchtsamen 
Gattin nachgebend, mit auf die Reise ge 
nommen hatte. 
„Mein Haus ist ein Haus des Friedens, 
Herr Baron v. Ravens," begann er mit er 
hobener Stimme, „bitte, lassen Sie die 
Flinte draußen. Was soll das Mordgewehr? 
Jst's um Menschen zu tödten oder edle 
Thiere, ein Vergnügen —" er betonte dies 
Wort voll Bitterkeit, „das ja recht von 
neuem aufblüht in der vortrefflichen Welt 
da draußen! Fort mit der Waffe — ihr 
Anblick ist mir widerlich, er ruft Erinne 
rungen wach, die ich vermeiden möchte. 
Nach diesen Worten blickte der junge 
Baron doch in hohem Grade betroffen auf 
den Geistlichen; aber seiner gutmüthigen, 
vielleicht auch etwas erschlafften Natur nach 
gebend, gehorchte er ohne weiteres der er 
haltenen Anweisung und trug die Waffe 
hinaus; dabei gedachte er unwillkürlich der 
Unterredung, welche er am Nachmittag mit 
dem Wirth des rothen Hirsches in Kolding 
gehabt. Nachdem der ebenso geschwätzige 
als neugierige Mann glücklich herausbe 
kommen, daß Albrecht beabsichtige, in dem 
seit langen Jähren stark vernachlässigten 
Ravensburg, das ihni, dem älteren Sohne 
des verstorbenen Freiherrn, als Erbtheil zu 
gefallen, für längere Zeit Aufenthalt zu 
nehmen, hatte er gemeint, da würde der 
Herr Baron ja der nächste Nachbar des 
altm Sonderlings, Pastor Erichsen, werden 
„Ein gar guter, gelehrter Herr, und gast 
freundlich, aber —" und hier hatte der 
Mann mit dem Zeigefinger auf die Stirn wehren konnte. 
drinnen nicht, auf alle Fälle sei cs in 
manchen Dingen schlecht Kirschenessen mit 
hm. Ein Zelot und Fanatiker, der be 
geistert für seine eigenen Ideen eintrete, habe 
er selbst von der Kanzel die politischen 
Ueberzeugungen verkündet, verschiedene Winke 
von oben gar nicht beachtet — bis ihm 
chlicßlich deutlich nahe gelegt — daß es 
hohe Zeit sei, sich in den Ruhestand vcr- 
etzen zu lassen. Es handelte sich also 
darum, den Schrullen des alten Herrn, 
wozu auch wohl seine Abneigung gegen die 
Schießwaffenzählen mochte, Rechnungzutragen. 
Er begann hierauf die näheren Einzelheiten 
des Unfalles zu erzählen; seine kränkliche 
Frau, die sich in der denkbar gereiztesten 
Stimmung befinde, erwarte ungeduldig seine 
Rückkehr — ob nicht Herr Pastor Erichsen 
ihm jemand mitgeben wollte, der behilflich 
sei, das gestürzte Pferd aufzurichten und die 
tiefsitzenden Hinterräder zu befreien; der 
Baronin sei vom Arzt gerathen worden, in 
der kräftigenden Nordseeluft von Schloß 
Ravensburg die schwankende Gesundheit 
wieder zu befestigen. 
Die Arme über die Brust verschlungen, 
die buschigen weißen Brauen finster zu 
sammengezogen, hatte Ricolaus Erichsen 
den Mittheitungen zugehört; es lag indessen 
etwas so unwiderstehlich Anziehendes in dem 
Wesen des jungen Mannes, daß es selbst 
seine Wirkung auf den ihni feindlich Ge 
sinnten nicht verfehlte, und besonders trug 
die leidumftorte Sprache so entschieden das 
Merkmal eines verborgenen Seelenschmerzes, 
daß Rahel sowie Tante Jutta sich einer 
regen Theilnahme und Sympathie nicht er- 
getupst, so ganz ruhig wür's wohl daj 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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