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Wo. 230.
Mittwoch, öen 2. Hctober
1895.
Morgen-Depeschen
= Eckernförde, 2. Oct. Gestern wurden
die Bewohner unserer Stadt durch die
Töne des Feuerhorns im Schlafe ge-
stört. Es brannte das Gerbereigebäude
des Herrn Hartig, welches an Herrn
Sprenger verpachtet ist, total nieder. Be-
deutende Ledervorräthe wurden vernichtet.
Ueber die Entstehuugsursache verlautet
nichts.
Berlin, 2. Oct. Ein Mühlenbesttzer
aus dem Oppelner Kreise hat ein neues
Militärgewehr erfunden, welches den
Schützen angeblich in den Stand setzt lm
Anschlage, ohne abzusetzen, 20 Schuß
in der Minute abzugeben, und welches
außerdem eine Vorrichtung enthalt, ver
möge deren durch Federdruck das Ba,onett
aufgepflanzt werden kann. Es ermöglicht
somit dem Schützen, das Gewehr auch im
Einzelkampfe zu verwenden. Der Erfinder
hat das Modell nebst einer Beschreibung
an das Kriegsministerium gesandt und von
hier die Aufforderung erhalten, das Ge
wehr der Gewehr-Prüfungs-Commission in
Spandau-Ruhleben einzusenden.
Berlin, 2. Oct. Tie „Berl. Corresp."
erklärt die Blättermeldung, daß eine Er
mäßigung der Arzneitaxe für 1896 um
25 pCt. beabsichtigt sei, für erfunden.
Berlin, 2. Oct. Der Hilfswärter Defder
wurde heute Vormittag beim Renngen des
Bärenzwingers im Zoologischen Garten
von einem großen braunen Bären ange-
fallen und übel zugerichtet. Er trug am
rechten Bein zwei Wunden davon.
Berlin, 2. Oct. Professor Adolf
Menzel wird, wie die „Boff. Ztg." hört,
gelegentlich seines 80. Geburtstages von
der Stadt Berlin zum Ehrenbürger er
nannt werden. Ein dahin zielender An
trag, von 68 Stadtverordneten unterzeichnet,
ist der Stadtverordnetenversammlung zu
gegangen. Die Zahl der Ehrenbürger
Berlins beträgt zur Zeit nur drei: es
sind dies Fürst Bisniarck, Prof. Dr. Koch
und Bros Dr. Virchow.
Benthen, 2. Ocl. Der Raubmörder
Sobcznk wurde vom Schwurgericht wegen
Mordes zum Tode und wegen TodtschlagS
in 2 Fällen zu 15 Jahren Zuchthaus und
10 Kabren Ehrverlust verurrheilt.
Weimar, 2. Oct. Die Großherzogin
von Sachsen-Weimar ist in Hinrichsau am
gastrischen Fieber erkrankt. Die Krankheit
nahm bis jetzt einen günstigen Verlauf.
Köln 2. Oct. Wie die Kölnische
Volksze'itung meldet, explodirte heute aus
dem bei Emmerich tregenden Schlepp-
dampfer „Lombock" der Dampskessel. Dre,
Personen sind verunglückt.
Budapest, 2. Oct. Aus Neusatz wird
gemeldet, daß daselbst die Schleuse uno
die Brücke des Franzkanals eingestürzt
sind, und zwar infolge Senkung der Kanal-
wand. Näheres liegt darüber noch nicht vor.
Konstautinopcl, 2. Oct. Gestern hat
hierselbst seitens der Armenier eine Demon
stration stattgesunden, welche in einen
blutigen Kampf zwischen Armenier», Moha-
medanern und Gensdarmerie ausartete.
Ueber zwanzig Armenier und mehrere
Gensdarmen wurden gelobtet; auch ein
Gendarmeriekapitän besindet sich unter den
Todten. Zahlreiche Verwundungen kamen
vor. Die Zahl der vorgenommenen «er-
Haftungen beträgt mehrere hundert Unter
der Bevölkerung herrscht gŞ Aufregung,
so daß neue Rencontres zwischen Armeniern
und Mohamedaneril zu erwarten sind.
Ncw-Ycrk, 2. Oct. Nach Meldungen
aus Bogota verhinderten die daselbst
wohnenden Franzosen die deutsche Ķolomp
das Sedanfest durch einen Umzug festlich
zu begehen. Es hätte nicht viel gefehlt,
daN» wäre es zu einem blutigen Zusammen-
ît0 |2aX e "- Oct. Präsident Alfaro
>-„n-î,e in seinem Palast zu Quito (Stadt
von Meuchelmördern äuge-
Sen Dem Mordversuch liegt eine aus-
8 " n 1, Verschwörung zu Grunde, an der
gedehnte Persönlichkeiten betheiligt
si7b° Ti? Meuchelmörder wurden verhaftet
und sofort erschossen-
gtn neue§ DmkWsM.
Man kann sich des Verdachts schwer
erwehren, daß die leitenden Kreise alle
möglichen Aufgaben in Angriff nehmen,
um die Allgemeinheit von dem, was wahr
haft noth thut, abzuziehen. Zu diesem
Zwecke werden auch alte Ladenhüter wieder
ans Licht gezogen, obwohl man von ihnen
weiß, daß sie doch keine Käufer finden
werden. Zu diesen ist das Trunksuchts
gesetz zu rechnen, das in einigen offiziös
ein wollenden Blättern an zu spuken
nngt. Das Trunksnchtsgesetz ist seiner
Zeit ausführlich durchberathen worden und
hat nicht die Billigung des Reichstags
gefunden, im wesentlichen veshald nicht,
Iveil es der polizeilichen Willkür geradezu
goldene Brücken baute. Wenn sich damals
auch weitere Kreise mit der in Aussicht
genommenen — natürlich aus richterlichem
Munde ergehenden Entmündigung der
Trinker befreunden zu können glaubten,
o hoben wir gerade auf dem Gebiete des
Jrrenwesens in letzter Zeit so üble Ersah
rungen gemacht, daß es außerordentlich
verfehlt wäre, wollte man dasselbe noch
mit einer neuen sicherlich sehr schweren
Ausgabe belasten. Die Vorgänge in ver
ichiedenen Irrenhäusern, die Leichtigkeit,
mit welcher es möglich ist, eine Entmündi
gung auch in solchen Fällen herbeizuführen,
die nach Laienurtheil dafür nicht reif
ind, haben eine Reform des Jrrenwesens
als eine dringende Nothwendigkeit erwiesen,
und bevor diese nicht erfolgt ist, kann
selbstverständlich von einer Ausdehnung
der Entmündigung nicht die Rede sein
Was nun die strafbare Behandlung des
einzelnen Trunkenheitsfalles betrifft, so
sollten wir meinen, daß damit sehr wenig
erreicht werden würde.
Der einzelne Fall beweist sehr wenig
oder gar nichts und ist, wenn er von
Ausschreitungen und erheblichen Verstößen
gegen die öffentliche Ordnung begleitet ist,
an sich strafbar. Eine einzelne Be
strafung würde dagegen der Leidenschaft
der Trunksucht gegenüber machtlos sein,
vielleicht sie gar noch steigern. Und nun
noch eins: Es sprechen die schwerwiegendsten
sozialen Gründen gegen eine Bestrafung
der Trunkenheit. Der reiche Mann, welcher
bis zur Sinnlosigkeit geschwelgt hat, wird
in einen Wagen verladen und gelangt,
ohne daß irgend jemand, außer seinen
Zechgenossen, es merkt, nach Hause. Der
arme Teufel, der vielleicht gar nicht ein
mal ans Lust am Trinken, sondern um
Sorgen und Noth einmal zu übertäuben,
ich betrinkt und kein Geld hat, sich nach
Hause zu fahren, soll bestraft werden,
weil er sich öffentlich als betrunken zeigt!
Fürst Bismarck hat hierüber einmal sich
scherzhaft, aber äußerst treffend ausge
drückt. „Wenn die Herren Offiziere," so
sagte er, „sich betrinken, dann heißt es
am andern Tage: Die Herren sind gestern
Abend recht heiter gewesen. Thut das
selbe der Bursche, dann heißt es: Das
Schwein ist besoffen." Wir würden also
mit der Bestrafung der Trunkenheit nur
ein neues Privilegium des Geldbeutels
schaffen und das darf unter kemen Um
ständen geschehen. ^ . , s .
Eine andere Frage ist es, sagt die
„D. T.", ob nicht die gerichtliche Praxis
die nach unserer Auffassung Trunkenheit
viel zu leicht als mildernden Umstand
bei Begehung von Verbrechen gelten läßt,
hierin strenger sein müßte. Das sich Muth
Antrinken der Verbrecher, eine häufig zu
beobachtende Erscheinung, beweist das Vor
handensein des verbrecherischen Willens vor
Begehung der That, und der Alkohol soll
diesen Willen nur bis zur Ausführung
steigern. Hier also gar kein Grund
zu einer milden Beurtheilung zur Straf-
that vor aber deshalb darf man doch die
Trunkenheit nicht völlig als Milderungs-
grund ausschließen. Es bleibt dies immer
em Erines'en des Richters anheimgegeben
der die Grunde der Trunkenheit (Kummer
Man verschone also das deutsche Volk
mit solchen Versuchen, die nur dazu dienen
können, die soziale Kluft, die es trennt,
noch zu vertiefen. Höchstens könnte man
ich dafür aussprechen, daß ausgiebige
Mittel staatlicher- oder konimunalerscits
zur Heilung der Trunksucht ausgeworfen
würden, damit denjenigen unbemittelten
Trinkern, die sich von ihrem Laster be
ìeien wollen, es aus eigener sittlicher
Kraft aber nicht können, Gelegenheit zur
Heilung gegeben werde. Das wäre ein
sozial bedeutsames Werk, und vielleicht
Mancher, der sonst unterginge, könnte da
durch dem Familien- und wtrthschaftlichen
Leben wiedergegeben werden.
Ausland.
Noth re.) zu beurtheilen hat. In einzelne
Paragraphen laßt sich dieses unendlich
vielgestaltige Gebiet nicht fassen, aber die
Entscheidung durfte dem erfahrenen Richter
feine Schwierigkeiten bereiten.
Außereuropäische Gebiete.
Havana, 1. Oit. Im Distrikte Santo
Espirito fand ein e r n st e r Z u s a m m en-
st o ß zwischen 700 spanischen Truppen
und 2000 Aufständischen statt. Letztere
flohen unter Zurücklassung von 40 Todten
und zahlreichen Verwundeten, worunter
sich mehrere Anführer befanden. Die
Spanier hatten 14 Verwundete.
Das Ultimatum Englands an
China in der Angelegenheit der C hr ist e n
ve rfotgnngen ist von der chinesischen
Regierung sofort beantwortet worden. Das
Reuter'sche Bureau erfährt von amtlicher
Seite, daß die Pekinger Amtszeitung ein
Deeret veröffentlicht, durch welches der
Vizekönig der Provinz S z'
T s ch w a n wegen Nichtbeschützung der
Missionare s e i n e r W ü r d e v e r l u sti g
und für unfähig erklärt wurde, je wieder
ein Amt zu bekeiden. Diese Bestrafung
erfolgte, heißt es in dem Teeret, damit
äe Anderen zur Warnung diene. Auch die
Berurtheilungen der unteren
Beamten, welche es unterließen, die
erforderliche Thätigkeit zu entwickeln, sind
in dem Decret enthalten. Die Drohung
der Engländer ist also nicht ohne Wirkung
geblieben. Der Vizekömg der Provinz
Sz'Tschwan ist der Christenverfolgungen
Hauptschuldige Lin, oder wie er mit dem
vollen Namen heißt: Liu-ping-chang. Mit
einer Beseitigung und der Bestrafung
keiner Beamten dürfte dem englischen
Ultimatum einstweilen Genüge geschehen
kein.
Oesterreich-Ungarn.
Brüx, 1. Oct. Bei dem hiesigen
Bürgermeisteramt sind insgesammt 66
Häuser als durch bie Schwimmsand-
Katastrophe beschädigt angemeldet. 31
Häuser sind als gänzlich zerstört zu be
trachten.
Wien, 30. Sept. Die Wiener Geineinde-
rathswahlen haben heute mit der Stich
wahl im siebenten Bezirk Neubau ihren
Abschluß gefunden. Der liberale Candidat,
Fabrikant Fraueiiberger, der bei der Haupt-
wahl mehr Stimmen erhalten hatte als
der Antisemit, ist unterlegen. Er erhielt
tatt 183 nur 172 Stimmen. Dagegen
erhielt der antisemitische Candidat, Haus
besitzer Lehofer, der bei der Hauptwahl
nur 170 Stimmen hatte, heute 214 Stim-
men. Durch diesen neuen Sieg erlangten
die Antisemiten 92 von 138 Gemeinde
rathsstellen, also die volle Zweidrittel.
Majorität und die unbedingte Herr-
'chaft im Gemeinderath.
Budapest, 30. Septbr. Die Budapester
Correspondenz meldet aus Bskäs-Ghula:
Es fand hier ein Zusammenstoß eines
Volkshaufens von etwa 1500 Personen
mit Gendarmen statt. Die Menge bewarf
die Gendarmen mit Steinen. Diese mach
ten von der Waffe Gebrauch. Elf Per
sonen wurden verwundet, davon sieben
schwer; eine Person wurde getödtet. Die
Ruhe ist wieder hergestellt. Eine Unter
suchung ist eingeleitet. — Die Veranlassung
des Zusammenstoßes der Menge und der
Gendarmerie in Bäkös war eine während
des Jahrmarktes zwischen jungen Leuten
entstandene Schlägerei, wobei die Polizei
einen Burschen festnahm, dem seine Freunde
zu Hilfe eilten.
Wien, 1. Oct. Die Polizei verhaftete
den Platzagenten K u g l e r, weil er nach
der Verkündigung des Wahlergebnisses bei
den Gemeinderathsstichwahlen gerufen hatte:
„Nieder mit den Juden!"
Aus Triest meldet die „Voss. Ztg.":
In Parenzo wurden fünf junge Leute zu
10 Tagen Haft verurtheilt, weil sie
am 20. September Cocarden in den italie
nischen Nationalfarben im Knopfloch
trugen.
Rußland.
Petersburg, 1. Okt. Kaiser Nikolaus
empfing gestern den Flügeladjutanten Oberst
v. Moltke in Audienz, behufs Ueberreichung
eines Handschreibens des deutschen Kaisers.
Petersburg, 1. Oct. Den hiesigen
Blättern zufolge sind 13 Glocken, die den
Abessiniern von der Bevölkerung von
Moskau, Nischny-Nowgorod und Jaroslaw
zum Geschenk gemacht wurden, von Moskau
aus dem Wege über Odessa, Port ° Said
und Obok abgesandt worden.
Nach einer Meldung der „Times" aus
Odessa entfalten die dortigen Seebehörden
eine lebhafte Thätigkeit zur Entsendung
von Verstärkungen nach Ostasien. Drei
Kreuzer mit Truppen, schwerem Geschütz,
Eisenbahnmaterial, Proviant u. s. w.
werden in Kurzem nach Wladiwostok ab
gehen. Schiffe der Freiwilligen Flotte
sollen den ganzen Winter über weitere
Truppen dorthin befördern, um die russische
Armee in Ostasien auf 90 000 Mann zu
bringen.
England.
London, 29. Sept, Die Hitze hält an
und es sind bereits eine ganze Anzahl
Fälle von S o n n e n st i ch vorgekommen
Solcher Septemberhitze erinnern sich die
ältesten Einwohner von London nicht und
die Meteorologen können diese Erscheinung
nicht erklären.
Frankreich.
Das aus Anlaß des Todes Pasteur's
in Paris eingegangene Beileids-
Telegramm des unter Professor R.
Koch's Leitung stehenden Instituts für
Infektions-Krankheiten zu Berlin hat fol
genden Wortlaut: „Tief bewegt durch den
von der ganzen Welt empfundenen Ver
lust, ivelchen das Institut Pasteur soeben
durch den Tod seines genialen Begründers
erlitten hat, übersendet das Berliner
Institut für Infektionskrankheiten den
Ausdruck seiner warmen Theilnahme an
dem allgemeinen Schmerze."
Paris, 1. Oct. Der Pasteur'sche
Familienrath hatte schon beschlossen, die
Condolenz-Depesche des Berliner Koch'schen
Instituts, weil sie deutsch abgefaßt sei,
nicht zu veröffentlichen, doch gelang es
einem Mitarbeiter des Figaro, die Familie
umzustimmen. Am Tage der definitiven
Beisetzung Pasteur's, am Sonnabend, soll
ein Neudruck der im Buchhandel total ver
griffenen, zu Gunsten der elsäffer Liga
massenhaft abgesetzten Broschüre, enthaltend
Pasteurs Briefwechsel mit dem Bonner
Universitätsdeean Naumann erscheinen. In
einem dieser Briefe schreibt Pasteur: „Sie
drücken mir Ihre Verachtung aus! Aus
dem Munde eines preußischen Unterthanen
gilt mir dies mindestens ebenso viel wie
die Bezeichnung clarissimus vir Ihres
Diploms." Dieser Brief hat aber ein
versöhnendes Postscriptum. Pasteur macht
den Krieg und dessen Gräuel dafür ver
antwortlich, daß Gelehrte von Rang ein
ander in solcher Art befehden. — Nebst
dem Großfürsten Konstantin wird Prinz
Alexander von Oldenburg, welcher eigens
aus Biarritz kommt, am Sonnabend an
der Einsegnung der Leiche Pasteur's in
der Kirche Notredame theilnehmen.
Inland.
— Dem Vernehmen der „Post" nach
wird der Viehtransporl von
Dänemark durch den Kaiser-
Wilhelm-Kanal in allernächster
Zeit freigegeben werden.
— In den Jahren 1891/63 ist nach
einer auf Grund der amtlichen Statistik
angestellten Berechnung der Me hr er trag
an Körnerfrüchten um 950 Millionen
Mark oder nahezu 35 Procent gestiegen,
ohne daß die Anbaufläche erheblich ver
größert worden wäre. Es spricht diese
Wahrnehmung gegen das gefährliche volks-
wirthschaftliche Experiment des Antrages
Kanitz, der bezweckt, die Einfuhr von
ausländischem Getreide nach Möglichkeit
zu verhindern und durch die alsdann
möglicherweise eintretende Erhöhung der
Getreidepreise die Landwirthschaft in den
Stand zu setzen, den deutschen Bedarf
durch intensiven Anbau zu decken. Der
Antrag Kanitz könnte nach obigem die
deutsche Landwirthschaft aus ihrer Be<
drängniß kaum befreien, denn wenn schon
unter gegenwärtigen Verhältnissen die
Anbaufläche sich so erheblich vergrößert,
wie sehr würde dies im Falle der Durch
führung des Antrages Kanitz der Fall sein.
Die Intensität der Bewirthschaftung und
die vergrößerte Zunahme der Anbaufläche
würde zwar die Einfuhr nicht decken aber
doch noch einen erheblichen Mehrertrag
an Körnerfrüchten liefern, als es jetzt schon
der Fall ist.
- Der Kultusminister Dr. B o sse hat bei
dem 300jährigen Jubiläum des Osnabrücker
Gymnasiums eine Rede gehalten, der wir
folgende Stellen entnehmen:
„ Wir leben in einer kritischen Zeit; das neun
zehnte Jahrhundert geht zur Rüste, und an der
Schwelle des neuen Säkulums stehen gute und
böse Mächte, die stürmisch Einlaß begehren. Das
ist eine Zeit, und vor uns liegt eine Zukunft,
die ganze Männer bedars. Darum gilt es, mit
doppelter Treue an den ewigen, unvergänglichen
und großen Grundlagen festzuhalten und auf
ihnen weiter zu bauen, durch die unser Volk groß
geworden ist, diese Grundlagen, auf denen die
Männer erwachsen sind, durch die Kaiser und
Reich erreicht wurden. Das ist auch die Aufgabe
dieses Gymnasiums, des Rathsgymnasiums, in
Zukunft die alte Treue in der Pflege der idealen
Güter unseres Volkes in unserer Jugend, das
beste Kleinod, das wir haben, das größte Kleinod
worüber die Stadl Osnabrück verfügt. Gewiß
ist jede Anstalt eine Jndiöidualität. Das sehen
wir vor allem an dieser Anstalt: sie tragt den
nieder-sächsischen Typus, den Typus der kraft
vollen, zuverlässigen, nieder-sächsischen Bevölkerung.
Aber keine Anstalt ist blos Individualität, sie
teht in den größten Beziehungen zum Vaterlande,
und es ist ihre Aufgabe, Männer zu erziehen,
die gelernt haben, ernste Geistesarbeit zu thun,
denn daran fehlt es, und nur damit können wir
weiter kommen: wir müssen Geistes- und Ge-
müthsbildung, beides, pflegen, und ich freue mich,
daß auch hier die Pflege der körperlichen Uebungen
nicht vernachlässigt ist, und wenn der Wahlspruch
des Rathsgymnasiums heißt: Louis litteris
sacrum! daß Sie dazu auch die Kunst und die
Pflege der Musik rechnen. Ich möchte wünschen,
daß sie auch ferner ein Vorzug dieser gesegneten
Anstalt bleiben möchte. Die Unterrichtsverivaltung
hat zu den Pflegern, den Leitern, den Lehrern
der Anstalt das Vertrauen, daß sie auf diesen
ewigen, unvergänglichen Grundlagen christlicher,
evangelischer Gottesfurcht und furchtloser Pflege
der Wissenschaft mit Eifer bleiben. Auch die
Charakterbildung ihrer Zöglinge müssen Sie sich
angelegen sein lassen, wenn Sie das thun, meine
Herren, dann wird dieses Gymnasium ein rechtes
Gymnasium sein, eine Pflanzstätte des edelsten
Geistes, eine L-egensquelle, aus der der Segen
herausfließt weit über Osnabrücks Grenzen hinaus
in das Vaterland, und in unserm Volke eine
Stätte, in der auch unsere Schüler in der Liebe
zum Vaterlande, zu Kaiser und Reich bis in den
Tod erzogen werden. Denn es kann wohl kommen,
daß wir aufs neue Männer brauchen, die starke
Hände und muthige Herzen haben, um sich den
Feinden entgegenzustellen. Aber ich zweifle nicht
daran, daß es der Fall sein wird, und ich kann
alle Wünsche, die wir für die Anstalt hegen, nur
zusammenfassen, indem ich sage: Möchten alle
diese Hoffnungen, die ich hier ausgesprochen habe,
für die Anstalt, möchten sie in Ersüllrmg gehen
durch Gottes Gnade und mit Gottes Segen. Ge
wiß, pflegen sie die gesunde Gottesfurcht; es
handelt sich nicht um Kopfhänger« und Frömmelei,
aber darum handelt es sich, starke, muthige Herzen
zu erziehen; das sind Eigenschaften, die sich recht
wohl vereinigen lassen mit dem absoluten Streben
nach Wahrheit. Wenn diese Wünsche erfüllt
werden, so wird ein Herzenswunsch der Unter
richtsverwaltung erfüllt. Möge Gott geben, daß
es so kommt, daß diese Anstalt ein Segen ge
wesen ist für viele hunderte dankbarer Schüler,
für spätere Geschlechter, für alle Zeiten ein
SegenSquell und eine Segensstätte sei» und
bleiben möge!"
Berlin, 1. Okt. In einem dritten Ar
tikel der „Deutschen Evangelischen Kirchen
zeitung" bezeichnet Stöcker es als
plumpe Lüge, daß er die Kaiserin „seine
liebe Freundin" genannt und sich die Rolle
als „guter Onkel" der kaiserlichen Kinder
angemaßt habe. Er stellt die Sache wie
folgt dar:
„Ich war in Ostpretlßen 311 einem Stadtmis
sionsfest und nannte die Kaiserin eine Freundin
der kirchlichen Arbeit und der Berliner Stadt
mission. Rach einigen Wochen wurde mir ein
Fortschrittsblatt von dort zugeschickt, das jene
Verdrehung enthielt. Die Sache war so kmdisch,
daß ich selbstverständlich eine Berichtigung unter
ließ. Was Die Beziehungen zu den kai,erlichen
Prinzen betrifft, so verhält sich das solgenver-