Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Wo. 230. 
Mittwoch, öen 2. Hctober 
1895. 
Morgen-Depeschen 
= Eckernförde, 2. Oct. Gestern wurden 
die Bewohner unserer Stadt durch die 
Töne des Feuerhorns im Schlafe ge- 
stört. Es brannte das Gerbereigebäude 
des Herrn Hartig, welches an Herrn 
Sprenger verpachtet ist, total nieder. Be- 
deutende Ledervorräthe wurden vernichtet. 
Ueber die Entstehuugsursache verlautet 
nichts. 
Berlin, 2. Oct. Ein Mühlenbesttzer 
aus dem Oppelner Kreise hat ein neues 
Militärgewehr erfunden, welches den 
Schützen angeblich in den Stand setzt lm 
Anschlage, ohne abzusetzen, 20 Schuß 
in der Minute abzugeben, und welches 
außerdem eine Vorrichtung enthalt, ver 
möge deren durch Federdruck das Ba,onett 
aufgepflanzt werden kann. Es ermöglicht 
somit dem Schützen, das Gewehr auch im 
Einzelkampfe zu verwenden. Der Erfinder 
hat das Modell nebst einer Beschreibung 
an das Kriegsministerium gesandt und von 
hier die Aufforderung erhalten, das Ge 
wehr der Gewehr-Prüfungs-Commission in 
Spandau-Ruhleben einzusenden. 
Berlin, 2. Oct. Tie „Berl. Corresp." 
erklärt die Blättermeldung, daß eine Er 
mäßigung der Arzneitaxe für 1896 um 
25 pCt. beabsichtigt sei, für erfunden. 
Berlin, 2. Oct. Der Hilfswärter Defder 
wurde heute Vormittag beim Renngen des 
Bärenzwingers im Zoologischen Garten 
von einem großen braunen Bären ange- 
fallen und übel zugerichtet. Er trug am 
rechten Bein zwei Wunden davon. 
Berlin, 2. Oct. Professor Adolf 
Menzel wird, wie die „Boff. Ztg." hört, 
gelegentlich seines 80. Geburtstages von 
der Stadt Berlin zum Ehrenbürger er 
nannt werden. Ein dahin zielender An 
trag, von 68 Stadtverordneten unterzeichnet, 
ist der Stadtverordnetenversammlung zu 
gegangen. Die Zahl der Ehrenbürger 
Berlins beträgt zur Zeit nur drei: es 
sind dies Fürst Bisniarck, Prof. Dr. Koch 
und Bros Dr. Virchow. 
Benthen, 2. Ocl. Der Raubmörder 
Sobcznk wurde vom Schwurgericht wegen 
Mordes zum Tode und wegen TodtschlagS 
in 2 Fällen zu 15 Jahren Zuchthaus und 
10 Kabren Ehrverlust verurrheilt. 
Weimar, 2. Oct. Die Großherzogin 
von Sachsen-Weimar ist in Hinrichsau am 
gastrischen Fieber erkrankt. Die Krankheit 
nahm bis jetzt einen günstigen Verlauf. 
Köln 2. Oct. Wie die Kölnische 
Volksze'itung meldet, explodirte heute aus 
dem bei Emmerich tregenden Schlepp- 
dampfer „Lombock" der Dampskessel. Dre, 
Personen sind verunglückt. 
Budapest, 2. Oct. Aus Neusatz wird 
gemeldet, daß daselbst die Schleuse uno 
die Brücke des Franzkanals eingestürzt 
sind, und zwar infolge Senkung der Kanal- 
wand. Näheres liegt darüber noch nicht vor. 
Konstautinopcl, 2. Oct. Gestern hat 
hierselbst seitens der Armenier eine Demon 
stration stattgesunden, welche in einen 
blutigen Kampf zwischen Armenier», Moha- 
medanern und Gensdarmerie ausartete. 
Ueber zwanzig Armenier und mehrere 
Gensdarmen wurden gelobtet; auch ein 
Gendarmeriekapitän besindet sich unter den 
Todten. Zahlreiche Verwundungen kamen 
vor. Die Zahl der vorgenommenen «er- 
Haftungen beträgt mehrere hundert Unter 
der Bevölkerung herrscht gŞ Aufregung, 
so daß neue Rencontres zwischen Armeniern 
und Mohamedaneril zu erwarten sind. 
Ncw-Ycrk, 2. Oct. Nach Meldungen 
aus Bogota verhinderten die daselbst 
wohnenden Franzosen die deutsche Ķolomp 
das Sedanfest durch einen Umzug festlich 
zu begehen. Es hätte nicht viel gefehlt, 
daN» wäre es zu einem blutigen Zusammen- 
ît0 |2aX e "- Oct. Präsident Alfaro 
>-„n-î,e in seinem Palast zu Quito (Stadt 
von Meuchelmördern äuge- 
Sen Dem Mordversuch liegt eine aus- 
8 " n 1, Verschwörung zu Grunde, an der 
gedehnte Persönlichkeiten betheiligt 
si7b° Ti? Meuchelmörder wurden verhaftet 
und sofort erschossen- 
gtn neue§ DmkWsM. 
Man kann sich des Verdachts schwer 
erwehren, daß die leitenden Kreise alle 
möglichen Aufgaben in Angriff nehmen, 
um die Allgemeinheit von dem, was wahr 
haft noth thut, abzuziehen. Zu diesem 
Zwecke werden auch alte Ladenhüter wieder 
ans Licht gezogen, obwohl man von ihnen 
weiß, daß sie doch keine Käufer finden 
werden. Zu diesen ist das Trunksuchts 
gesetz zu rechnen, das in einigen offiziös 
ein wollenden Blättern an zu spuken 
nngt. Das Trunksnchtsgesetz ist seiner 
Zeit ausführlich durchberathen worden und 
hat nicht die Billigung des Reichstags 
gefunden, im wesentlichen veshald nicht, 
Iveil es der polizeilichen Willkür geradezu 
goldene Brücken baute. Wenn sich damals 
auch weitere Kreise mit der in Aussicht 
genommenen — natürlich aus richterlichem 
Munde ergehenden Entmündigung der 
Trinker befreunden zu können glaubten, 
o hoben wir gerade auf dem Gebiete des 
Jrrenwesens in letzter Zeit so üble Ersah 
rungen gemacht, daß es außerordentlich 
verfehlt wäre, wollte man dasselbe noch 
mit einer neuen sicherlich sehr schweren 
Ausgabe belasten. Die Vorgänge in ver 
ichiedenen Irrenhäusern, die Leichtigkeit, 
mit welcher es möglich ist, eine Entmündi 
gung auch in solchen Fällen herbeizuführen, 
die nach Laienurtheil dafür nicht reif 
ind, haben eine Reform des Jrrenwesens 
als eine dringende Nothwendigkeit erwiesen, 
und bevor diese nicht erfolgt ist, kann 
selbstverständlich von einer Ausdehnung 
der Entmündigung nicht die Rede sein 
Was nun die strafbare Behandlung des 
einzelnen Trunkenheitsfalles betrifft, so 
sollten wir meinen, daß damit sehr wenig 
erreicht werden würde. 
Der einzelne Fall beweist sehr wenig 
oder gar nichts und ist, wenn er von 
Ausschreitungen und erheblichen Verstößen 
gegen die öffentliche Ordnung begleitet ist, 
an sich strafbar. Eine einzelne Be 
strafung würde dagegen der Leidenschaft 
der Trunksucht gegenüber machtlos sein, 
vielleicht sie gar noch steigern. Und nun 
noch eins: Es sprechen die schwerwiegendsten 
sozialen Gründen gegen eine Bestrafung 
der Trunkenheit. Der reiche Mann, welcher 
bis zur Sinnlosigkeit geschwelgt hat, wird 
in einen Wagen verladen und gelangt, 
ohne daß irgend jemand, außer seinen 
Zechgenossen, es merkt, nach Hause. Der 
arme Teufel, der vielleicht gar nicht ein 
mal ans Lust am Trinken, sondern um 
Sorgen und Noth einmal zu übertäuben, 
ich betrinkt und kein Geld hat, sich nach 
Hause zu fahren, soll bestraft werden, 
weil er sich öffentlich als betrunken zeigt! 
Fürst Bismarck hat hierüber einmal sich 
scherzhaft, aber äußerst treffend ausge 
drückt. „Wenn die Herren Offiziere," so 
sagte er, „sich betrinken, dann heißt es 
am andern Tage: Die Herren sind gestern 
Abend recht heiter gewesen. Thut das 
selbe der Bursche, dann heißt es: Das 
Schwein ist besoffen." Wir würden also 
mit der Bestrafung der Trunkenheit nur 
ein neues Privilegium des Geldbeutels 
schaffen und das darf unter kemen Um 
ständen geschehen. ^ . , s . 
Eine andere Frage ist es, sagt die 
„D. T.", ob nicht die gerichtliche Praxis 
die nach unserer Auffassung Trunkenheit 
viel zu leicht als mildernden Umstand 
bei Begehung von Verbrechen gelten läßt, 
hierin strenger sein müßte. Das sich Muth 
Antrinken der Verbrecher, eine häufig zu 
beobachtende Erscheinung, beweist das Vor 
handensein des verbrecherischen Willens vor 
Begehung der That, und der Alkohol soll 
diesen Willen nur bis zur Ausführung 
steigern. Hier also gar kein Grund 
zu einer milden Beurtheilung zur Straf- 
that vor aber deshalb darf man doch die 
Trunkenheit nicht völlig als Milderungs- 
grund ausschließen. Es bleibt dies immer 
em Erines'en des Richters anheimgegeben 
der die Grunde der Trunkenheit (Kummer 
Man verschone also das deutsche Volk 
mit solchen Versuchen, die nur dazu dienen 
können, die soziale Kluft, die es trennt, 
noch zu vertiefen. Höchstens könnte man 
ich dafür aussprechen, daß ausgiebige 
Mittel staatlicher- oder konimunalerscits 
zur Heilung der Trunksucht ausgeworfen 
würden, damit denjenigen unbemittelten 
Trinkern, die sich von ihrem Laster be 
ìeien wollen, es aus eigener sittlicher 
Kraft aber nicht können, Gelegenheit zur 
Heilung gegeben werde. Das wäre ein 
sozial bedeutsames Werk, und vielleicht 
Mancher, der sonst unterginge, könnte da 
durch dem Familien- und wtrthschaftlichen 
Leben wiedergegeben werden. 
Ausland. 
Noth re.) zu beurtheilen hat. In einzelne 
Paragraphen laßt sich dieses unendlich 
vielgestaltige Gebiet nicht fassen, aber die 
Entscheidung durfte dem erfahrenen Richter 
feine Schwierigkeiten bereiten. 
Außereuropäische Gebiete. 
Havana, 1. Oit. Im Distrikte Santo 
Espirito fand ein e r n st e r Z u s a m m en- 
st o ß zwischen 700 spanischen Truppen 
und 2000 Aufständischen statt. Letztere 
flohen unter Zurücklassung von 40 Todten 
und zahlreichen Verwundeten, worunter 
sich mehrere Anführer befanden. Die 
Spanier hatten 14 Verwundete. 
Das Ultimatum Englands an 
China in der Angelegenheit der C hr ist e n 
ve rfotgnngen ist von der chinesischen 
Regierung sofort beantwortet worden. Das 
Reuter'sche Bureau erfährt von amtlicher 
Seite, daß die Pekinger Amtszeitung ein 
Deeret veröffentlicht, durch welches der 
Vizekönig der Provinz S z' 
T s ch w a n wegen Nichtbeschützung der 
Missionare s e i n e r W ü r d e v e r l u sti g 
und für unfähig erklärt wurde, je wieder 
ein Amt zu bekeiden. Diese Bestrafung 
erfolgte, heißt es in dem Teeret, damit 
äe Anderen zur Warnung diene. Auch die 
Berurtheilungen der unteren 
Beamten, welche es unterließen, die 
erforderliche Thätigkeit zu entwickeln, sind 
in dem Decret enthalten. Die Drohung 
der Engländer ist also nicht ohne Wirkung 
geblieben. Der Vizekömg der Provinz 
Sz'Tschwan ist der Christenverfolgungen 
Hauptschuldige Lin, oder wie er mit dem 
vollen Namen heißt: Liu-ping-chang. Mit 
einer Beseitigung und der Bestrafung 
keiner Beamten dürfte dem englischen 
Ultimatum einstweilen Genüge geschehen 
kein. 
Oesterreich-Ungarn. 
Brüx, 1. Oct. Bei dem hiesigen 
Bürgermeisteramt sind insgesammt 66 
Häuser als durch bie Schwimmsand- 
Katastrophe beschädigt angemeldet. 31 
Häuser sind als gänzlich zerstört zu be 
trachten. 
Wien, 30. Sept. Die Wiener Geineinde- 
rathswahlen haben heute mit der Stich 
wahl im siebenten Bezirk Neubau ihren 
Abschluß gefunden. Der liberale Candidat, 
Fabrikant Fraueiiberger, der bei der Haupt- 
wahl mehr Stimmen erhalten hatte als 
der Antisemit, ist unterlegen. Er erhielt 
tatt 183 nur 172 Stimmen. Dagegen 
erhielt der antisemitische Candidat, Haus 
besitzer Lehofer, der bei der Hauptwahl 
nur 170 Stimmen hatte, heute 214 Stim- 
men. Durch diesen neuen Sieg erlangten 
die Antisemiten 92 von 138 Gemeinde 
rathsstellen, also die volle Zweidrittel. 
Majorität und die unbedingte Herr- 
'chaft im Gemeinderath. 
Budapest, 30. Septbr. Die Budapester 
Correspondenz meldet aus Bskäs-Ghula: 
Es fand hier ein Zusammenstoß eines 
Volkshaufens von etwa 1500 Personen 
mit Gendarmen statt. Die Menge bewarf 
die Gendarmen mit Steinen. Diese mach 
ten von der Waffe Gebrauch. Elf Per 
sonen wurden verwundet, davon sieben 
schwer; eine Person wurde getödtet. Die 
Ruhe ist wieder hergestellt. Eine Unter 
suchung ist eingeleitet. — Die Veranlassung 
des Zusammenstoßes der Menge und der 
Gendarmerie in Bäkös war eine während 
des Jahrmarktes zwischen jungen Leuten 
entstandene Schlägerei, wobei die Polizei 
einen Burschen festnahm, dem seine Freunde 
zu Hilfe eilten. 
Wien, 1. Oct. Die Polizei verhaftete 
den Platzagenten K u g l e r, weil er nach 
der Verkündigung des Wahlergebnisses bei 
den Gemeinderathsstichwahlen gerufen hatte: 
„Nieder mit den Juden!" 
Aus Triest meldet die „Voss. Ztg.": 
In Parenzo wurden fünf junge Leute zu 
10 Tagen Haft verurtheilt, weil sie 
am 20. September Cocarden in den italie 
nischen Nationalfarben im Knopfloch 
trugen. 
Rußland. 
Petersburg, 1. Okt. Kaiser Nikolaus 
empfing gestern den Flügeladjutanten Oberst 
v. Moltke in Audienz, behufs Ueberreichung 
eines Handschreibens des deutschen Kaisers. 
Petersburg, 1. Oct. Den hiesigen 
Blättern zufolge sind 13 Glocken, die den 
Abessiniern von der Bevölkerung von 
Moskau, Nischny-Nowgorod und Jaroslaw 
zum Geschenk gemacht wurden, von Moskau 
aus dem Wege über Odessa, Port ° Said 
und Obok abgesandt worden. 
Nach einer Meldung der „Times" aus 
Odessa entfalten die dortigen Seebehörden 
eine lebhafte Thätigkeit zur Entsendung 
von Verstärkungen nach Ostasien. Drei 
Kreuzer mit Truppen, schwerem Geschütz, 
Eisenbahnmaterial, Proviant u. s. w. 
werden in Kurzem nach Wladiwostok ab 
gehen. Schiffe der Freiwilligen Flotte 
sollen den ganzen Winter über weitere 
Truppen dorthin befördern, um die russische 
Armee in Ostasien auf 90 000 Mann zu 
bringen. 
England. 
London, 29. Sept, Die Hitze hält an 
und es sind bereits eine ganze Anzahl 
Fälle von S o n n e n st i ch vorgekommen 
Solcher Septemberhitze erinnern sich die 
ältesten Einwohner von London nicht und 
die Meteorologen können diese Erscheinung 
nicht erklären. 
Frankreich. 
Das aus Anlaß des Todes Pasteur's 
in Paris eingegangene Beileids- 
Telegramm des unter Professor R. 
Koch's Leitung stehenden Instituts für 
Infektions-Krankheiten zu Berlin hat fol 
genden Wortlaut: „Tief bewegt durch den 
von der ganzen Welt empfundenen Ver 
lust, ivelchen das Institut Pasteur soeben 
durch den Tod seines genialen Begründers 
erlitten hat, übersendet das Berliner 
Institut für Infektionskrankheiten den 
Ausdruck seiner warmen Theilnahme an 
dem allgemeinen Schmerze." 
Paris, 1. Oct. Der Pasteur'sche 
Familienrath hatte schon beschlossen, die 
Condolenz-Depesche des Berliner Koch'schen 
Instituts, weil sie deutsch abgefaßt sei, 
nicht zu veröffentlichen, doch gelang es 
einem Mitarbeiter des Figaro, die Familie 
umzustimmen. Am Tage der definitiven 
Beisetzung Pasteur's, am Sonnabend, soll 
ein Neudruck der im Buchhandel total ver 
griffenen, zu Gunsten der elsäffer Liga 
massenhaft abgesetzten Broschüre, enthaltend 
Pasteurs Briefwechsel mit dem Bonner 
Universitätsdeean Naumann erscheinen. In 
einem dieser Briefe schreibt Pasteur: „Sie 
drücken mir Ihre Verachtung aus! Aus 
dem Munde eines preußischen Unterthanen 
gilt mir dies mindestens ebenso viel wie 
die Bezeichnung clarissimus vir Ihres 
Diploms." Dieser Brief hat aber ein 
versöhnendes Postscriptum. Pasteur macht 
den Krieg und dessen Gräuel dafür ver 
antwortlich, daß Gelehrte von Rang ein 
ander in solcher Art befehden. — Nebst 
dem Großfürsten Konstantin wird Prinz 
Alexander von Oldenburg, welcher eigens 
aus Biarritz kommt, am Sonnabend an 
der Einsegnung der Leiche Pasteur's in 
der Kirche Notredame theilnehmen. 
Inland. 
— Dem Vernehmen der „Post" nach 
wird der Viehtransporl von 
Dänemark durch den Kaiser- 
Wilhelm-Kanal in allernächster 
Zeit freigegeben werden. 
— In den Jahren 1891/63 ist nach 
einer auf Grund der amtlichen Statistik 
angestellten Berechnung der Me hr er trag 
an Körnerfrüchten um 950 Millionen 
Mark oder nahezu 35 Procent gestiegen, 
ohne daß die Anbaufläche erheblich ver 
größert worden wäre. Es spricht diese 
Wahrnehmung gegen das gefährliche volks- 
wirthschaftliche Experiment des Antrages 
Kanitz, der bezweckt, die Einfuhr von 
ausländischem Getreide nach Möglichkeit 
zu verhindern und durch die alsdann 
möglicherweise eintretende Erhöhung der 
Getreidepreise die Landwirthschaft in den 
Stand zu setzen, den deutschen Bedarf 
durch intensiven Anbau zu decken. Der 
Antrag Kanitz könnte nach obigem die 
deutsche Landwirthschaft aus ihrer Be< 
drängniß kaum befreien, denn wenn schon 
unter gegenwärtigen Verhältnissen die 
Anbaufläche sich so erheblich vergrößert, 
wie sehr würde dies im Falle der Durch 
führung des Antrages Kanitz der Fall sein. 
Die Intensität der Bewirthschaftung und 
die vergrößerte Zunahme der Anbaufläche 
würde zwar die Einfuhr nicht decken aber 
doch noch einen erheblichen Mehrertrag 
an Körnerfrüchten liefern, als es jetzt schon 
der Fall ist. 
- Der Kultusminister Dr. B o sse hat bei 
dem 300jährigen Jubiläum des Osnabrücker 
Gymnasiums eine Rede gehalten, der wir 
folgende Stellen entnehmen: 
„ Wir leben in einer kritischen Zeit; das neun 
zehnte Jahrhundert geht zur Rüste, und an der 
Schwelle des neuen Säkulums stehen gute und 
böse Mächte, die stürmisch Einlaß begehren. Das 
ist eine Zeit, und vor uns liegt eine Zukunft, 
die ganze Männer bedars. Darum gilt es, mit 
doppelter Treue an den ewigen, unvergänglichen 
und großen Grundlagen festzuhalten und auf 
ihnen weiter zu bauen, durch die unser Volk groß 
geworden ist, diese Grundlagen, auf denen die 
Männer erwachsen sind, durch die Kaiser und 
Reich erreicht wurden. Das ist auch die Aufgabe 
dieses Gymnasiums, des Rathsgymnasiums, in 
Zukunft die alte Treue in der Pflege der idealen 
Güter unseres Volkes in unserer Jugend, das 
beste Kleinod, das wir haben, das größte Kleinod 
worüber die Stadl Osnabrück verfügt. Gewiß 
ist jede Anstalt eine Jndiöidualität. Das sehen 
wir vor allem an dieser Anstalt: sie tragt den 
nieder-sächsischen Typus, den Typus der kraft 
vollen, zuverlässigen, nieder-sächsischen Bevölkerung. 
Aber keine Anstalt ist blos Individualität, sie 
teht in den größten Beziehungen zum Vaterlande, 
und es ist ihre Aufgabe, Männer zu erziehen, 
die gelernt haben, ernste Geistesarbeit zu thun, 
denn daran fehlt es, und nur damit können wir 
weiter kommen: wir müssen Geistes- und Ge- 
müthsbildung, beides, pflegen, und ich freue mich, 
daß auch hier die Pflege der körperlichen Uebungen 
nicht vernachlässigt ist, und wenn der Wahlspruch 
des Rathsgymnasiums heißt: Louis litteris 
sacrum! daß Sie dazu auch die Kunst und die 
Pflege der Musik rechnen. Ich möchte wünschen, 
daß sie auch ferner ein Vorzug dieser gesegneten 
Anstalt bleiben möchte. Die Unterrichtsverivaltung 
hat zu den Pflegern, den Leitern, den Lehrern 
der Anstalt das Vertrauen, daß sie auf diesen 
ewigen, unvergänglichen Grundlagen christlicher, 
evangelischer Gottesfurcht und furchtloser Pflege 
der Wissenschaft mit Eifer bleiben. Auch die 
Charakterbildung ihrer Zöglinge müssen Sie sich 
angelegen sein lassen, wenn Sie das thun, meine 
Herren, dann wird dieses Gymnasium ein rechtes 
Gymnasium sein, eine Pflanzstätte des edelsten 
Geistes, eine L-egensquelle, aus der der Segen 
herausfließt weit über Osnabrücks Grenzen hinaus 
in das Vaterland, und in unserm Volke eine 
Stätte, in der auch unsere Schüler in der Liebe 
zum Vaterlande, zu Kaiser und Reich bis in den 
Tod erzogen werden. Denn es kann wohl kommen, 
daß wir aufs neue Männer brauchen, die starke 
Hände und muthige Herzen haben, um sich den 
Feinden entgegenzustellen. Aber ich zweifle nicht 
daran, daß es der Fall sein wird, und ich kann 
alle Wünsche, die wir für die Anstalt hegen, nur 
zusammenfassen, indem ich sage: Möchten alle 
diese Hoffnungen, die ich hier ausgesprochen habe, 
für die Anstalt, möchten sie in Ersüllrmg gehen 
durch Gottes Gnade und mit Gottes Segen. Ge 
wiß, pflegen sie die gesunde Gottesfurcht; es 
handelt sich nicht um Kopfhänger« und Frömmelei, 
aber darum handelt es sich, starke, muthige Herzen 
zu erziehen; das sind Eigenschaften, die sich recht 
wohl vereinigen lassen mit dem absoluten Streben 
nach Wahrheit. Wenn diese Wünsche erfüllt 
werden, so wird ein Herzenswunsch der Unter 
richtsverwaltung erfüllt. Möge Gott geben, daß 
es so kommt, daß diese Anstalt ein Segen ge 
wesen ist für viele hunderte dankbarer Schüler, 
für spätere Geschlechter, für alle Zeiten ein 
SegenSquell und eine Segensstätte sei» und 
bleiben möge!" 
Berlin, 1. Okt. In einem dritten Ar 
tikel der „Deutschen Evangelischen Kirchen 
zeitung" bezeichnet Stöcker es als 
plumpe Lüge, daß er die Kaiserin „seine 
liebe Freundin" genannt und sich die Rolle 
als „guter Onkel" der kaiserlichen Kinder 
angemaßt habe. Er stellt die Sache wie 
folgt dar: 
„Ich war in Ostpretlßen 311 einem Stadtmis 
sionsfest und nannte die Kaiserin eine Freundin 
der kirchlichen Arbeit und der Berliner Stadt 
mission. Rach einigen Wochen wurde mir ein 
Fortschrittsblatt von dort zugeschickt, das jene 
Verdrehung enthielt. Die Sache war so kmdisch, 
daß ich selbstverständlich eine Berichtigung unter 
ließ. Was Die Beziehungen zu den kai,erlichen 
Prinzen betrifft, so verhält sich das solgenver-
	        
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