Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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-» 88stev Jahrgang. <ş 
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Sonnabend, den 28. September 
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wiederholt gegebener Ver 
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daß außerhalb Rends 
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dern bei der Post (Brief 
träger) bestellen müssen. 
Die Expedition, 
MorgenDepeschen 
Berlin, ■ 28. Scpt. Gegenüber der 
braunschweigischen Meldung, der Sohn 
des Herzogs von Cumberland solle in 
Deutschland eine deutsche Erziehung er 
halten, um befähigt zu werden, den braun 
schweigischen Thron zu besteigen, sowie 
daß die der welfischen Thronfolge entgegen- 
stehenden Hindernisse behoben seien, ver 
sichert die „Köln. Ztg-" ans Grund sorg 
fältiger Erkundigung, es sei nicht das 
mindeste Anzeichen zu entdecken, das darauf 
hindeute, daß Preußen gewillt sei, den 
braunschweigischen Thron den Welsen aus« 
zuliefern. 
Breslau, 28. Septbr. Die klerikale 
„Frankenstein - Münsterberger Zeitung" 
wurde wegen Majestätsbeleidigung be- 
schlagnahmt. 
Altona, 28. Sept. In einer am Mitt- 
woch stattgehabten Sitzung hat das Richìer- 
collegtum, das über den vor einiger Zeit 
gestellten Antrag Breitrück's auf Wieder 
aufnahme des Verfahrens Beschluß zu 
fassen hatte, den gestellten Antrag abgelehnt. 
Wien, 28. Sept. In der Nähe von 
Gulenstein ist ein großer Waldbrand aus- 
gebrochen. Ueber 2 Hektar sind bereits 
niedergebrannt. 
Newport, 28. Sept. Durch eine Pulver- 
Explosion in dem Bergwerke Belgium bei 
Leadville im Staate Colorado sind 20 
Bergleute gelödtet und etwa 50 verletzt 
worden. 
Pumpernickel. 
Lustige Geschichte aus Plattland, 
nacherzählt von Zoi- v. Reich. 
Fritz schwor Stein und Bein, von dem 
Brode nichts zu wissen, hochdeutsch und 
plattdeutsch, und sah heute auch sehr trüb 
selig aus den Augen — vermuthlich weil 
die Trina doch wieder mit Jan zum Tanze 
gegangen war, ganz wie früher. Der Jan 
hatte nämlich die Krankheit nur so abge 
schüttelt! Am Nachmittage war es so still 
auf dem Gutshofc, daß man die ersten 
Sommcrfliegen laut surren hörte. Der Ba 
ron, die Baronin und der Herr Lieutenant 
saßen zusammen auf der Beranda, blickten 
in die blaue Luft hinaus und gähnten 
ziemlich unverhohlen. Der junge Baron 
dachlc an die Regimentskameraden, welche 
vermuthlich den Kaffee im Casinogarten 
tranken und fand es wieder einmal zum 
-sterben langweilig auf deni Lande. Es war 
ihm eigentlich recht ungelegen gekommen, 
daß rhn sein Alter schon jetzt nach Hause 
gerufen hatte . . . Da, zu allseitiger Freude, 
fuhr ein Wagen niit Gästen unten vor. Es 
war ein früherer Nachbar des Barons, der 
kürzlich in die Stadt gezogen war und nun 
zum Sonntagsbcsuch aufs Land kam. An 
seiner Seite aber befand sich hellleuchtcnd 
ein duftiges Sommerkleidchen und unter dem 
spitzenbesetzten Sonnenschirm blickte ein kleines 
blumengarniertes Hütchen und cin strahlen 
des, blaues Augenpaar hervor. 
Der junge Baron war emporgeschucllt 
und stand selbst schon unten an der Frei 
treppe zum Empfang der Gäste bereit, 
während Fritz in der schlecht passenden 
StrnPntj iß mitist ans«! 
„Straßburg ist wieder unser!" Das ist 
der Ruf, der heute vor 25 Jahren durch 
ganz Deutschland erscholl. Straßburg, 
die Perle des Elsaß, der Schlüssel zum 
deutschen Reiche, die Stadt, von der Kaiser 
Karl V. einst den denklvürdigen Ausspruch 
gethan hat: „Wenn Wien und Straßburg 
zugleich in Gefahr wären, so würde ich 
Wien aufgeben und Straßburg retten." 
Diese Stadt wurde heute vor 25 Jahren 
von unsern braven Truppen nach manchem 
schweren Kampf und nach hartnäckiger Be 
lagerung wieder gewonnen. Mitten im 
Frieden war die Stadt vor 189 Jahren 
dem deutschen Reiche entrissen worden. 
Gestützt auf die berüchtigten Reunions 
kammern hatte Ludwig XIV., der „aller 
christlichste" König seine Truppen einziehen 
lassen in 
„— Die starke Burg am Rhein, 
Die Burg, die an den Straßen 
Des falschen Frankreich liegt, 
In der nach cw'gen Maßen 
Erwin den Bau gefügt." 
Das deutsche Reich halte die That ge- 
ichehen lassen. Der Reichstag war um 
jene Zeit gerade in Regensburg versammelt 
und beschäftigte sich mit geradezu lächer 
lichen Dingen. Daher konnte Ludwig am 
13. September 1681 die Feste ohne 
Schwertstreich gewinnen, während für den 
Wiedergewinn der Stadt erst viel Blut 
hat fließen müssen. Gleich nach der Schlacht 
bei Wörth hatte die lll. Armee auf ihrem 
Marsche nach Westen die badische Division 
erst zur Beobachtung und dann zur Be 
lagerung von Straßburg zurückgelassen. 
Durch die preußische Garde-Landwehr und 
durch die erste Reserve-Division war die 
badische Division verstärkt worden. Die 
Truppen begannen ihre Thätigkeit am 13. 
August. Den Oberbefehl der deutschen 
Truppen führte anfangs General Beyà; 
als dieser erkrankte, trat General von 
Werder an die Spitze derselben. In Straß- 
burg entstand eine gewaltige Panik, als 
plötzlich die Bewohner der benachbarten 
Orte erschienen, um hinter den Wällen 
Straßburgs Schutz zu suchen, da die deut- 
scheu Truppen so sehr schnell erschienen 
waren. Der Kommmandant der Festung, 
General Uhrich, lehnte eine Aufforderung 
zur Uebergabe der Stadt kurzer Hand ab 
und wandte sich mit einer Proklamation 
an die Bevölkerung, in welcher er darauf 
hinwies, daß die Wälle bereits mit 400 
Sonntagsumform seines Vorgängers, als 
„neuer Besen" sehr dienstbeflissen, aber auch 
sehr einfältig von der anderen Seite herbei 
kam. Fräulein Emmeken Fuldner und der 
Lieutenant waren alte Bekannte, wenn sie 
sich auch sehr lange nicht gesehen hatten. 
Wenn der junge Baron in den Ferien 
nach Hause kam, pflegte er mit seinem Va 
ter das Gut des Amtsrats oft zu besuchen. 
Seit dieser Zeit war aber fast cin volles 
Jahrzehnt verflossen, welches das mutter 
lose Töchterchen des Amtsrats zumeist in 
einem Schweizer Pensionat verbracht hatte. 
Dennoch schien Fräulein Emmeken dm 
Jugcndgespiclen wieder zu erkennen. Während 
der wohlbeleibte Amtsrat mit Hülfe von 
Fritz den Boden gewann, streckte sie ihm 
die wohlgantierte Hand entgegen, wie einem 
alten Bekannten und duldete es, daß er sie 
aus dem Wagen hob. Schmunzelnd geleitete 
sie der Lieutenant in's Haus. 
Inzwischen hatte Fritz das Gefährt nach 
dem Pferdestall begleitet, um dmi betreßten 
herrschaftlichen Kutscher für sein Gespann 
den besten Platz anzuweisen und nebenbei 
ein wenig zu „snaken". Während des „S»a- 
kens trat er zufällig an die offene Thür 
der Stallkammer, in welcher Jan als Ber 
traumsperson des HofvcrwalterS und Hüter 
des Pferdestalles zu schlafen pflegte. Dort 
in der Ecke stand das blaugewürfelte Bett 
noch ebenso, wie es der Wicdergcnesene erst 
vor einigen Stunden verlassen hatte. Plötz 
lich steht Fritz still — vollständig paff! 
. . . Denn aus dem Bette des Jan lacht 
ihm das verschwundene Grobbrod entgegen, 
um welches er ausgescholten ist. Aber cs 
giebt eine Gerechtigkeit im Himmel, nun 
weiß er cs ganz gewiß! Noch diesen Abend, 
Kanonen besetzt seien. Die Besatzung be 
stände (die National- Garde ungerechnet) 
aus 11000 Mann. „Sollte", so schloß 
die Proklamation, „sollte Straß bürg 
angegriffen werden, so wird es 
sich vertheidigen, so lange noch 
ein Soldat, ein Zwieback, eine 
Patrone übrig bleibt." 
Das Bombardement auf die Stadt wurde 
bereits am 24. August eröffnet und die 
Deutschen näherten sich der Stadt so, daß 
der Sturm in naher Aussicht stand. 
Nachdem schon am 27. Nachmittags 
gegen 5 Uhr die Parlamentärflagge in 
Straßburg gehißt wurde, kapitulirte die 
Festung am 28. September. In die Hände 
der Deutschen fielen durch diese Kapitu 
lation mehr als 17 000 Mann Gefangene 
und 1200 Kanonen. Am 30. September 
hielten die Deutschen ihren Einzug in die 
Stadt. Als erstes Pfand der Wieder 
eroberung des Elsaß war diese uralte 
deutsche Stadt an Deutschland gefallen. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Japans Rachegefühl gegen Ruß 
land, Vas Japan um die Früchte seiner 
siege gebracht, hat noch um nichts nach- 
gelassen. Die „Daily News" erfahren 
darüber aus Japan: Gras Jto ist jetzt 
in seiner Stellung stärker denn je und 
konzentrirt seine hohe Intelligenz und 
seinen Fleiß nunmehr unablässig auf die 
Hauptaufgabe, die er für Japan im Auge 
hat — die Verstärkung und Entwickelung 
der Wehrkraft. Denn in Japan gilt die 
Frage der Vergeltung und des Waffen- 
ganges mit Rußland als in absehbarer 
Zeit unausweichlich. Nachdem die leiden- 
schaftliche Erregung, die dem Friedens- 
schlusse gefolgt war, sich gelegt, geht man 
nüchtern und klaren Auges an die Vorbe- 
reitung der Revanche. Kein Opfer scheint 
zu groß, ioenn an Rußland die Ahndung 
ob der Japan zugefügten Erniedrigung 
vollzogen werden kann. Die Presse befür 
wortet, daß von der Kriegsentschädigung 
200 Millionen Den ausschließlich zum 
Bau von Schlachtschiffen verwendet werden 
sollen, und man betreibt alles Ernstes 
eine Agitation, den Fried ens st and der 
A r m e e auf 500,000 Mann zu erhöhen. 
Bis jetzt ist die Präsenz nur 66,000 
Mann. Den Militäretat will man auf 
60 Millionen Jen normiren. Es fragt 
sich allerdings, ob dieser Plan nicht an 
der ökonomischen Unmöglichkeit erlahmen 
wird, denn das Budget des Staates weist 
nur eine Totaleinnahme von 89 Millionen 
Jen auf. Immerhin gibt diese Bereit 
willigkeit zu unerschwinglichen Opfern die 
rechte Vorstellung der Entschlossenheit, mit 
der man an die Revanche denkt. Die 
Staatsmänner werden sich kaum von dieser 
Leidenschaft mit fortreißen lassen, sie quit- 
tiren aber immerhin die Volksbegeisterung 
mit aufmunterndem Beifall. 
Die Trauung des Herzogs von Marl 
borough mit Miß Consuelo Vanderbilt 
wird im Oktober in Ncwyork stattfinden. 
Nach der Hochzeit wird der Herzog und 
die neue Herzogin eine Reise nach Europa 
unternehmen, auf welcher Frau Vanderbilt, 
die Mutter der Braut, sie begleiten wird. 
Miß Consuelo wird, wie alle Töchter der 
Vanderbilt'schen Familie, 10 000 000 
Dollars (42 Mill. Mk.) erhalten, über 
welche Summe sie jedoch die ausschließliche 
Verfügung bei Lebzeiten hat, der Herzog 
3 000 000 (12 Millionen 600 000 Mark) 
Dollars. 
Rußland. 
Dem Hafen von Windau, der bisher 
recht stiefmütterlich behandelt worden ist, 
will man demnächst größere Aufmerksamkeit 
zuwenden. Zu seiner Instandsetzung 
werden jetzt im Berkehrsministerium Pläne 
ausgearbeitet. Russische Blätter melden 
auch, daß die Verlängerung der Bahn 
Riga—Tockum bis Windau bereits be 
schlossene Sacke sei, und zwar werde die 
Gesellschaft der Bahn Rybinsk-Bologoje 
den Bau übernehmen. Damit würde 
Windau direkt mit der Wolga verbunden 
werden. 
Oesterreich-Ungarn 
Wien, 26. Sept. Hermann Suder- 
m a n n klagte gegen den Direktor des 
BolkstheaterS Bukovics auf Zahlung 
einer Konventionalstrafe von 1S00 fl , weil 
er verpflichtet sei, die Rolle der Ada in 
„Sodoms Ende" den, Fräulein Sandrock 
zuzutheilen. Bukovics erklärte, daß sich 
Fräulein Sandrock entschieden geiveigert 
habe, die „blonde Bestie" zu spielen, wes 
halb Fräulein Freisinger die Rolle über 
nahm. Vom Landcsgericht wurden heute 
achverständige vernommen; von Snder- 
mann wurde der Schriftsteller Julius 
Bauer, von Bukovics der Direktor des 
Burgtheaters Burckhard vorgeschlagen. 
Das Gutachten beider Experten gelangte 
zu folgender Conclusion: Der Direktor ist 
1895. 
aus dem Titel betr. die vertragsmäßig zu 
gesagte Zutheilung nicht verpflichtet, für 
die wirkliche Erfüllung durch einen Dritten 
zu haften, darf aber ohne Zustimmung des 
Autors die Rolle keinem anderen Darsteller 
zutheiten. 
Budapest, 27. Sept. Ueber die sechs 
reichsten Leute der Welt schreibt 
Francis Broemel im „Pester Lloyd": 
Obenan steht ein — Chinese, vor dessen 
Ueberlegenheit alle Rothschilds welcher 
Firma immer, „ihr verkleinertes Haupt zu 
verstecken haben". Jener Chinese ist Li 
Hung-Tschang, Bizekönig von China 
oder „Reisfelder-König" und „Psandleiher- 
König" titulirt, der eine eigene Privat- 
armec von 100,000 Mann besitzt, was, 
wie die Presse meldete, ihn davor schützte, 
„um einen Kopf kürzer gemacht zu werden", 
sintemal ihm am kaiserlichen Hofe viel 
Argwohn geschenkt wird, „als strebe er 
noch höher hinauf". Sein Vermögen be 
läuft sich auf 100 Millionen Pfund Ster 
ling. Außer unermeßlichen Reisfeldern 
zählt er Tausende von Pfandleihgeschästen 
sein eigen. Numero 2 in der Liste der 
Wcltkrösusse ist der Amerikaner Rocke 
feller, auf mehr als 36, ja auf 40 
Millionen Pfund Sterling geschätzt. Sein 
Vater war ein Arzt, er selber wurde „Oel- 
König" in Anbetracht seiner amerikanischen 
Pctroleum-„Brunnen", die sich bis jetzt 
nicht erschöpft. Bei den folgenden vier 
reichsten Männern geht es etwas abwärts 
mit der Millionen-Ziffer: der englische 
Herzog von Westminster, der Ameri 
kaner Cornelius Vanderbilt, ein an 
derer in England ansässig gewordener 
Amerikaner, Colonel North, und 
wiederum ein Chinese, Woh-Qua, der 
„Thee-König" geheißen. Alle vier haben 
sich als Eigner von nur je 20 Millionen 
Pfund Sterling bekannt. 
Inland. 
Berlin, 27. Sept. Zn der Nachricht, 
daß als Nachfolger des Curators der 
Universität Bonn, Gandtner, der Unter- 
staatssecretär im Rcichsamt des Innern, 
Dr. v. Rottenburg, in Aussicht genom- 
men sei, bemerkt die „National-Zeitung": 
Herr v. Rottenburg tritt im nächsten 
Monat nach Rückkehr des Staatssecretärs 
v. Boctticher den 6monatigen Urlaub an, 
von dessen Wirkung auf das Befinden die 
Entscheidung darüber abhängen wird, ob 
er im Rcichsdienst verbleibt. Sollte er 
gleich nach Frölen Mejers Rückkehr, wird 
er das Brod triumphierend abliefern. Und 
die Strafpredigt, die es morgen für den 
Jan absetzen wird! Vielleicht wird der Jan 
fortgeschickt, wie Frölen Mejer seiner Person 
prophezeit hat? Die alberne Dem, die Trina 
wird den Jan nun ganz gewiß laufen lassen. 
Er wird sich aber noch sehr besinnen, ob er 
sic nun noch annimmt .... Da, plötzlich 
ist es, als ob alle „Donnerwetter" des 
alten und jungen gnädigen Herrn ihm' ver 
einigt in die Ohren gellten. Er steht auf, 
rückt die unpassende Livree an seinem Kör 
per möglichst ins Loth und geht stramm 
deni Herrenhause zu. 
„Wie gesagt, lieber Baron, ich bin sehr 
zufrieden, das Wirthschaften an den Nagel 
gehängt zu haben," erklärte Amtsrat Fuld 
ner zum soundsovielten Male, indem er 
sich lang und behaglich in den Gartenfau 
teuil ausstreckte. 
„Ja, Ja!" gab Baron von Dassel Beifall. 
„Das Ding an sich könnte schon ganz 
gut sein! Ja, es wäre wirklich so unrecht 
nicht — aber heutzutage, nein, nein! . . . 
Die Einen sagen: es müssen schlechte Ern 
ten kommen, damit cs Hunger im Lande 
giebt; die andern, die Klugen nämlich, sagen: 
cs muß anders gewirlhschaftet werden, mit 
studiertem Dünger nämlich; und die Herren 
in Berlin machen uns wieder und wieder 
zu Lasttieren, indem sie uns jedes Jahr 
neue Steuern und Abgaben schicken, und 
die neumodische Jnvaliditätsvcrsichcrimg, 
aus der kein Mensch klug wird, als der, 
der die diente kriegt ..." 
„Dazu muß ntan die Herren Kossüthm 
mit Handschuhen anfassen!" stimmte dcr 
Baron von neuem zu. 
„Ich rathe Ihnen, ziehen Sie auch in die 
Stadt, damit man sein regelmäßiges Lhombre- 
chen hat!" 
Der Baron versprach, sich die Sache zu 
überlegen. 
Das machte sich nun am besten beim 
vollen Glase, deshalb trat er an einen 
Scitentisch, um die Maibowle zu probieren 
und durch eine Flasche Seckl zu verbessern. 
Während Fritz, der sich ein paar abgelegte 
Reithandschuhe über die Hände gezwängt 
hatte, zum Servieren bereit stand, mischte 
der Baron das Getränk ganz hausväterlich 
und goß es selbst in die Gläser. Fritz, der 
nicht umsonst aufgemerkt hatte, „wie das 
Ding gemacht wird," nahm die Gläser ein 
zeln vom Tablet und stellte jedem Empfän 
ger sein bestimmtes Theil vor seinen Platz, 
so E wie es die Bicrkellner in den Restau 
rationen zu machen pflegen. 
„Tölpel!" schalt der Baron laut und 
ungeniert. „Ich werde Dich morgen zum 
Teufel jagen!" 
Fritz stand verblüfft, zum Tode erschrocken, 
und zog es vor, bald zu verschwinden. In 
zwischen hatte der Lieutenant (dem Gespräch 
und Vorgängen rings um sich her herzlich 
wenig Aufmerksamkeit geschenkt. Die Unter 
haltung über Landwirthschaft interessirtc ihn 
zum Verdruß seines Alten noch herzlich 
wenig. Destomehr begann ihn sein Gegen 
über zu intessiren: Das kleine Emmeken 
halte sich ja zu einem ganz reizenden Mäd 
chen herausgewachsen. Dabei war aber 
glücklicherweise das liebe Kindergcsicht mit 
den Grübchen und den holden blauen Au 
gen geblieben. Nur waren die Augen viel 
ausdrucksvoller geworden, Unschuld und 
Schwärmerei waren die Sprache, welche sic 
redeten. Dabei verstand Emmeken aber auä 
ganz altverständig mit der Baronin zi 
schwatzen, so daß die Mama von ihren 
jungen Gaste ganz entzückt schien: übe: 
Haushalt, Domestiken und die neue Petroleum 
wasche . . . Endlich schlug die Baronii 
dem jungen Mädchen einen Spaziergam 
vor, wofür der Lieutenant Mama am lieb' 
sten gleich die Hand 'geküßt hätte. Natürlick 
verstand er es zu „fingern," daß er Emme 
kens Begleiter ward, indem er Mama durst 
cin paar vertrauliche Worte im letzten Au 
genblick zum Zurückbleiben veranlaßte. 
„O, ich möchte Blumen pflücken in 
Walde," sagte Emmeken schwärmerisch uni 
schlug den Weg church den Park ein. De, 
Lieutenant folgte ihr entzückt, und so wan 
delten sie dahin, glückselig wie das erst, 
gotterschaffenc Menschenpaar im Paradieses- 
garten. 
Lieutenant von Dassel hatte in der Garnison 
als „liebenswürdiger Schwerenöter" gegolten, 
die drei hcirathsfähigen Töchter der Komman- 
deusc und ein paar junge, kokette Hauptmanns- 
frauen, die alte Männer geheirathct, hatten 
ihn als solchen verwöhnt. Er glaubte sich 
„auf die Sache zu verstehen" und sing an, 
sehr gewandt von Rennen, Wintervcrguügun- 
gen und dais champêtres zu sprechen. Aber 
Emmeken, die bis jetzt sehr zurückgezogen 
gelebt, gab nur einsilbige Antworten. Ec 
versuchte nun vom Reisen zu sprechen, ohnc 
mehr Interesse zu finden. 
„Ich kann fast bedauern, dH Papa in 
die Stadt gezogen ist!" meinte sie, Blumen 
pflückend. „Es kann nirgends schöner sein 
als auf dem Lande!" 
„Meinen Sie wirklich ?" frug der Lieutenant 
erstaunt.
	        
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