Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

Ausland. 
Außereuropäische Gebiete 
Newyorl, 21. Sept. Der Herzog 
von Marlborough hat sich mit Frl. 
Consuela Vanderbilt verlobt 
Die Hochzeit wird vor Ende d. I. hier 
stattfinden. 
Tanger, 21. Sept. Die marokkanische 
Regierung hat den britischen Vice- 
consul in Fes amtlich anerkannt 
Italien. 
Rom, 21. Septbr. Der Abgeordnete 
Barzilai hat eine Interpellation in der 
Kammer angemeldet, welche Ausklärung 
fordert über das Verbot der feierlichen 
Enthüllung der Büste Benetias und darü 
ber, aus welchem Grunde die österreichische 
Botschaft am 20. September nicht geflaggt 
hatte. — Ueber die letztere Thatsache ent' 
wickeln die Blätter bereits eine scharfe 
Polemik, welche sich zu der Frage zuspitzt, 
ob Oesterreich damit etwa seine Bundes 
treue zum Ausdruck bringen wollte. Von 
den fremden Botschaften hatte nur die 
englische ihre Flagge gehißt. 
Rom, 21. Sept. Gestern Abend fand 
im Quirinal ein Gal a diner statt, dem 
der König, die Königin, der Prinz von 
Neapel, Ministerpräsident Crispi, die 
Ritter des Annunciatenordens, die Minister, 
die Präsidenten des Kabinetts, die Generali 
tät, der Präfect, der Oberbürgermeister 
und die Spitzen der Behörden, darunter 
der Fürst Felix Borghese in seiner Eigen- 
schaft als Präsident des Provinzialrathes, 
beiwohnten. Die Illumination war äußerst 
prächtig, besonders hervorzuheben sind das 
königliche Palais und der königliche 
Garten, die Via Settembre, die äußerste 
Esplanade der Porta Pia, die Bia 
Nomentana, der Platz ver Thermen und 
die Via Nationale. Einen besonders 
herrlichen Anblick gewährte die Esplanade 
der Porta Pia und die Via Nomentana, 
deren erleuchtete Bögen feurigen Kuppeln 
glichen. Eine ungeheure Menschenmenge 
machte den Verkehr in den Straßen fast 
unmöglich. Die Musikkapellen spielten an 
allen Orten patriotische Weisen. Außer 
den öffentlichen Gebäuden und dem Mi- 
uisterpalais war eine große Anzahl Privat- 
gebüude erleuchtet. Der Verein Presse 
veranstaltete Abends ein glänzendes Mahl 
im Grand Hotel. 
Rom, 21. Sept. Der König, die 
Königin und der Kronprinz empfingen 
heute im Laufe des Vormittags das Bureau 
des Senats und 50 Senatoren, das Bureau 
der Kammer und etwa 150 Deputirte, 
ungefähr 200 Bürgermeister und Präsi 
denten der Provinzialräthe. Der König 
antwortete auf die Glückwünsche und be 
merkte, daß die nationale Kundgebung und 
der Ausdruck der Königstreue am gestrigen 
Tage alles überstiegen hätten, was er je 
gesehen. Er hob die zahlreiche Betheiligung 
der Bevölkerung hervor und dankte den 
Senatoren und Deputirten für ihre ge 
meinschaftlichen Huldigungen am heutigen 
Tage. Der König, die Königin und der 
Kronprinz unterhielten sich auf das herz 
lichste mit allen Anwesenden. 
Frankreich. 
Paris, 21. Sept. Im Ministerium 
find ernste Meinungsverschieden 
heiten ausgetreten, die eventuell zu einem 
Ministerwechsel führen können. Kriegs- 
minister, Kolonialminister und Marine 
minister werfen sich gegenseitig vor, an 
den Katastrophen in Madagaskar schuldig 
zu sein. Es entstand zwischen den 
Ministern eine gegenseitige Beschuldigung 
in der Presse, infolge deren der Kriegs 
minister mit seiner sofortigen Demission 
drohte. 
Paris, 20. Sept. „Temps" fährt mit 
der Veröffentlichung von Hiobsposten von 
Madagascar sort. Von dem 300 0 
Mann starken, vor vier Monaten in 
Marseille eingeschifften 200. Linien-Regi- 
ment waren bei Abgang des Couriers aus 
Madagascar nur noch 47 dienstfähig, 
—MMHMWMMMBBMMBWWMBMMWi MMMflna - 
ich Ihnen ein Bruder sein an Stelle dessen, 
den Sie verloren haben." 
„Sie sind mir schon ein besserer Bruder 
gewesen," erwiderte Melanie. „Aber Sie 
sagen mir nicht, ob Sie krank sind, und doch 
fürchte ich dies, denn Sie haben sich sehr 
verändert. O, g-wiß haben mein Bruder 
und ich dies verschuldet, Wolfgang!" Sie 
sprach seinen Namen zögernd und leise aus 
und das Blut stieg ihr ins Gesicht, als 
ob sie ihm gesagt hätte, daß sie ihn liebe. 
„Nein, Melanie, der Gedanke an mein 
Vermögen hat mir keinen Kummer verursacht; 
etwas anderes ist es, das mich elend gemacht 
hat." Er brach ab und fragte dann: „Ist 
es Ihnen bekannt, daß Felicitas in der Nähe 
weilt?" 
Melanie verstand ihn. „Ja, ich weiß," 
nickte sie sinnend, „sie hat mir von Nizza 
geschrieben. Ich werde sie besuchen und hoffe 
sie zu bewegen, mir die Gründe mitzutheilen, 
welche ..." 
„Ich kenne diese Gründe bereits und sie 
sind derart, daß ich meine letzte Hoffnung 
vernichtet sehe. Auf meiner Verbindung mit 
Felicitas würde der Fluch ihrer Mutter ruhen, 
an deren Lebensglück mein Vater m seine» 
jüngeren Jahren sich vergangen hat, ohne 
dieses Vergehen am Traualtäre zu sühnen." 
(Fortsetzung folgt.) 
der Rest ist todt oder liegt krank in den 
Lazarethen. 
Oesterreich-Ungar». 
Wien, 21. Sept. Bei der heutigen 
Stichwahl im dritten Gemeinderaths- 
Wahlkörper im zehnten Bezirk wurden 
die beiden deutsch-nationalen Antisemiten 
Schrabauer und Sauerdorn gewählt. 
Bulgarien. 
Sofia, 21. Sept. Der Gerichtshof 
erster Instanz verurtheilte heute den Re 
dacteur der „Narodna Swoboda", Mitta 
k o w, wegen wiederholter Beleidigung des 
Prinzen Ferdinand zu fünf Jahren 
Gefängniß. 
England. 
London, 21. Sept. „Marningpost" 
meint, Rußland sei nun wegen seiner 
Anleihe in Frankreich in der Lage, China 
und Japan seine Bedingungen zu diktiren, 
denn Rußland könne beide Länder mit 
Geld unterstützen. 
Rußland. 
Petersburg, 22. Sep. Als der Zar 
im Park von Peterhof spazirte, trat plötz 
lich, wie der „L.-A." mittheilt, ein Indi 
viduum in Hirtentracht auf ihn zu und 
überreichte ihm eine Bittschrift. Der Zar, 
sowie dessen Umgebung waren über das 
Erscheinen des Mannes sehr erstaunt, da 
Fremde nicht in den Park eingelassen 
werden. Der Zar nahm die Bittschrift 
in Empfang, der Hirte aber wurde sofort 
von der Polizei arretirt. Er entpuppte 
sich als ein Edelmann, welcher für seinen 
Sohn, der wegen politischer Vergehen ver 
haftet war, um Gnade bat. 
Petersburg, 22. Sept. Der „Nowoje 
Wremja" wird aus Japan über Wladiwostok 
telegraphisch gemeldet: Das japanische 
Parlament bewilligte neben anderen außer 
ordentlichen Ausgaben für die Flotte einen 
Kredit von 200 Millionen Jen zum so 
fortigen Bau neuer Kriegsschiffe. 
Es wurde beschlossen, die Flotte um 4 
Hochseepanzer, 10 Küstenpanzer, 30 Torpedo 
kreuzer und 50 Torpedoboote zu ver 
größern. 
Inland. 
Berlin, 23. Sept. Der Jagdaufenthalt 
des Kaisers in Rominten wird voraus- 
ichtlich bis zum 8. Oktober dauern. 
— Der Besuch des Kaisers in 
Wiesbaden ist auf den 14. Oktober 
festgesetzt. Im königlichen Theater wird 
für diesen Tag eine Aufführung von 
„Preziosa" vorbereitet. 
— Prinz Heinrich und seine Ge- 
mahlin werden in den nächsten Tagen 
Schloß Romnod wieder verlassen und nach 
Friedrichshof reisen, um der Kaiserin 
Friedrich einen Besuch abzustatten. Zum 
Geburtstage der Kaiserin Augusta Victoria 
am 22. October beabsichtigen Prinz 
und Prinzessin Heinrich nach Berlin zu 
kommen. 
Berlin, 23. Sept- Zu dem Vertrauens 
votum, welches der Parteirath des B e r- 
liner deutsch.konservativen Wahl- 
Vereins durch seine Erklärung dem Hof 
prediger a. D. Stöcker betreffs seines 
bekannten Briefes an Freiherrn v. Hammer 
stein zu Theil werden ließ, schreibt die 
„Nordd. Allg. Ztg.": Wenn die Zurück 
weisung der Bemühungen, den Fall Hammer- 
stein gegen die konservative Partei aus 
zubeuten, nur als berechtigt anerkannt wer 
den kann, so muß andererseits doch be 
zweifelt werden ob der Versuch, Herrn 
Stöcker aus der Veröffentlichung seines 
Briefes vom 14. August 1888 auch noch 
ein besonderes Piedestal zu errichten, aus 
Erfolg rechnen darf. In dem Briefe 
werde nicht in Abrede gestellt, daß Zwie 
tracht gesäet werden soll, sondern nur 
davor gewarnt, diesen Willen merken zu 
lassen. Ueberhaupt werde der unbehagliche 
Eindruck sich nicht aus der Welt reden 
lassen, den der Brief Hervorrufe. Es er 
gebe sich ferner eine Differenz zwischen 
diesem Brief und neueren Reden des Herrn 
Stöcker, in denen Fürst Bismarck verherr 
licht wird, die peinlich berührt. Wirklich 
wohlmeinende und klarblickende Freunde 
des Herrn Stöcker hätten ihm den Rath 
geben müssen, sich in der Besprechung 
dieses Briefes so kurz wie möglich zu 
fassen. 
Berlin, 23. Sept. Die „Post" hört, 
daß die Reise des Staatssekretärs des 
Reichsschatzamts, Grafen von Posa- 
dowsky, nach Süddeutschland mit der 
Frage der Tabaksbesteuerung in engem 
Zusammenhang gestanden habe. Der 
Staatssekretär sei davon überzeugt, daß er 
auf eine zustimmende Haltung in Süd- 
deutschland rechnen könne, wenn er den 
Forderungen der dortigen Interessenten bis 
zu einem gewissen Grade entgegenkomme. 
Wie die „Post" weiter hört, hat man in's 
Auge gefaßt, eine Fabrikatssteuer für die 
billigeren Cigarrensorten (etwa bis zu 6 
Psg.) nicht zu forderir und den dadurch 
zu erwartenden Ausfall von etwa 8—10 
Millionen durch eine entsprechend höhere 
Besteuerung der importirten Tabake wieder 
einzubringen. Ein Gesetzentwurf in diesem 
Sinne wird, wie man der „Post" meldet, 
bereits im Reichsschatzamt ausgearbeitet. 
— In letzter Nr. brachten wir nach dem 
„B. T." vie Meldung, daß die Privar- 
ilage des Herrn v. Kotze gegen Herrn v. 
Schrader abgewiesen worden sei, weil Ver- 
jährung vorliege. Heute erklärt das „Kl. 
Journal", die Angaben des „B. T." be- 
ruhen von Anfang bis zu Ende auf Er 
findung. Von einer „Verjährung" sei 
keine Rede, sondern das zivilgerichtliche 
Verfahren, in welchem übrigens bisher 
ein Termin noch nicht angesetzt ist, nehme 
vielmehr seinen Fortgang. 
— Wie A u s n a h m e g e s e tz e auf die 
Sozialdemokratie wirken be 
weist eine im „Stettiner Volksbl.", dem 
Organ des sozialdemokratischen Reichstags 
abgeordneten Herbert, gemachte Be 
merkung: „Es ist ja nicht zu leugnen, daß 
seit dem Fallen des Sozialistengesetzes eine 
Lauheit unter den Arbeitern herrscht, 
wie sie früher nie vorhanden war; die 
fortwährenden Drohungen mit neuen 
Zwangsgesetzen rütteln hoffentlich die Ar 
beiter wieder auf. 
— Den Nordostseekanal haben 
die vier Panzer der Brandenburgklasse am 
Sonnabend ohne Unfall passirt. Sie sind 
in Wilhelmshaven eingetroffen. 
— Die Sozialdemokraten in Halle 
a. S. haben beschlossen, bei dem bevor 
stehenden Parteitage in Breslau den An 
trag einzubringen, daß die Fraktion den 
ihr zustehenden Präsidentensitz im 
Reichstage einnehmen solle. 
Berlin, 23. Septbr. Einen st ü r m i- 
chen Verlauf nahm eine am Frei 
tag stattgehabte, sehr zahlreich besuchte 
Versammlung der s o z i a l d e m o k r a t i- 
'chen Ga st Wirthe Berlins. Grund 
hierzu bot die Thatsache, daß 5 Mitglieder 
des Vereins der sozialdemokratischen Gast 
wirthe am Sedantage illuminirt hatten. 
Folgende Resolution wurde angenommen." 
„Kollegen, denen nachgewiesen wird, daß 
ne oder ihre Kinder sich an patriotischen 
Veranstaltungen betheiligt haben, werden 
in Anbetracht dieser Gesinnungslumperei 
aus dem Verein ausgeschlossen." 
Berlin, 23. Sept. Zur Untersuchung 
des Eisenbahnunfalls auf der Sta- 
tion V e d e r^a n der sächsischen Staats 
bahnen hat sich der vortragende Rath im 
Reichseisenbahnamt, Geheime Regierungs 
rath Semler, gestern an Ort und Stelle 
begeben. 
Son der Saar, 19. Sept. Der Unter 
offizier Jessie von der 4. Kompagnie 
des 30. Infanterie-Regiments, Garnison 
Saarlouis, hat sich gestern Nachmittag e r- 
schossen. Er lud sein Dienstgewehr mit 
einer Platzpatrone und mit Wasser, und 
jagte sich die Ladung in den Kops. Der 
Tod trat alsbald ein. Die Veranlassung 
zum Selbstmord ist nicht bekannt. 
Der ältesteEiwohner wahrscheinlich 
des ganzen deutschen Reiches ist, wie 
Posener Blätter berichten, der Kaufmann 
Salomon Hirsch in Mrotschen. Hirsch 
steht im 114. Lehrensjahre und ist körper- 
lich und geistig noch rüstig. 
„Ahlwardt kommt!" mit diesen 
Worten hatte kürzlich ein Malermeister 
in Thorn mittelst eines Klichees die 
Trottoirplatten bedruckt um für eine Anti 
semitische Versammlung, in welcher Ahl 
wardt sprach, Reklame zu machen. Die 
Thorner Behörde verstand aber die Art 
einer solchen Reklame nicht und hat dem 
Malermeister eine Klage wegen Sachbe 
schädigung und groben Unfugs zugestellt. 
Durch die in den letzten Wochen ein 
getretene große Hitze leidet ganz 
Thüringen gegenwärtig unter einem 
Wassermangel, wie dieser im Jahre 
1893 nicht schlimmer gewesen ist. Auf 
den Walddörfern müssen die Einwohner 
das Wasser ojt stundenweit herbeiholen, 
aber auch stundenlang warten, ehe sie sich 
Wasser versorgen können. Am schlimmsten 
sind die Städte Lauscha, Pößneck, Saalfeld, 
Judenbach und Gotha daran, obschon sic 
sämmtlich mit Hochdruckwafferleitungen 
versehen sind. Der Wasserzufluß aus den 
Quellengebieten ist so gering, daß der 
tägliche Bedarf durch dieselben nicht gedeckt 
werden kann. 
Neuhausen (Kreis Saargemünd), 21. Sept. 
Bei einer hier ausgebrochenen Feuers 
brunst kam ein I5jähriges Mädchen nebst 
ihrem 15jährigen Bruder in den Flam 
men um. 
Lippstadt, 21. Sept. Mit welchen Ge 
fahren für Außenstehende das Hinaus 
werfen von Gegenständen aus 
Eisenbahnzügen verbunden sein kann, 
zeigt eindringlich eine in der Nähe 
unserer Stadt vorgekommener Unglücks- 
fall. Ein Rottenarbeiter hatte einen 
Schicnennagelhammer während der 
Fahrt aus dem Zuge, vermuthlich an 
einer Stelle, wo er ihn demnächst wieder 
zu gebrauchen gedachte, hinausgeworfen, 
und traf zwei dort beschäftigte Zimmerleute, 
von welchen der Eine durch den Wurf ge/ 
t ödtet, der Andere schwer verletzt wurde. 
Calbe a. S., 19. Sept. Gestern gegen 
Abend wurden in der Nähe des Gasthoses 
„Felsenkeller zum Mägdesprung" mehrere 
kurz hintereinander folgende Schüsse ver 
nommen. Hinzueilende Personen fanden 
in einem Soolweidenbestande dicht am 
Ufer der Saale einen jungen Mann und 
ein junges Mädchen, beide aus mehreren 
Schußwunden blutend. Das Mädchen >var 
bereits todt, während der Mann noch 
lebte und bei Besinnung war. Wie fest 
gestellt ist, hat der Mann das Mädchen 
erst mit seiner Einwilligung erschoffen und 
dann sich selbst durch drei Schüsse in die 
Brust schwer verletzt. Bei der im Amts- 
bureau der Domäne Amt Calbe erfolgten 
vorläufigen Vernehmung hat der Mann 
sich als Schneider Schlutißel, gebürtig aus 
Minkatt in Baden, und die Erschossene 
als Elise Fischer aus Neudamm bei Stettin 
bezeichnet. Beide sind zuletzt in Berlin in 
Stellung gewesen und haben sich mit der 
Absicht, gemeinsam aus dem Leben zu 
scheiden, hierher begeben. 
Mühlhausen i. E, 19. Sept. In der 
hiesigen Kammgarnspinnerei Laederich 
u. Co. ist gestern in Folge von Lohndiffe 
renzen ein Theilstreik der Arbeiter aus- 
gebrochen. Wie vorauszusehen war, hat 
der Streik an Umfang heute zugenommen. 
Das Ansetzerpersonal, 90 Mann, hat 
sammt und sonders die Arbeit niedergelegt. 
Seinem Beispiel folgten die Spinner; von 
30 Mann sind hier zwei zur Arbeit er 
schienen. Nur vier Maschinen konnten 
demzufolge betrieben werden, die 54 übri 
gen sind vorläufig in Ruhestand versetzt. 
Die Lohnverhältnisse in dieser Fabrik sollen 
in jeder Beziehung ungünstiger sein, wie 
in den übrigen hiesigen Spinnereien. Da 
die Fabrikleitung den Forderungen ihrer 
Arbeiterschaft gegenüber sich durchaus ab 
lehnend verhält und anderseits die Arbeiter 
diese Forderungen energisch vertheidigen 
wollen, ist ein Ende des Streikes sobald 
nicht wahrscheinlich. 
Wie der „Allg. Ztg." aus Augsburg 
gemeldet wird, wurde im Manöver bei 
Unsleben der Einjährigfreiwillige 
Haas hiesigen 4. Artillerieregimens durch 
Explosion einer Kartusche getödtet. 
Bayreuth, 20. Sept. Der Glasperlen 
macher Ernst Herold von Bischofsgrün, 
der am 6. d. Mts. aus Eifersucht ein 
17jähriges Mädchen erschoß, ist im 
Landgerichtsgefängniß dahier an Hirn- 
Hautentzündung gestorben. Die 
" lgel, die er sich in selbstmörderischer 
Absicht in den Kopf geschossen, konnte aus 
der rechten Augenhöhle nicht entfernt 
werden. 
Pirna, 20. Sept. Bei einem Brande 
im benachbarten Lohmen, durch tvelcheu 
die sogen. Hammermühle eingeäschert 
wurde, kamen die in der Mühle befind 
lichen beiden Mühknappen in den 
Flammen um. 
Im Dorfe Dahrenstedt bei Stendal 
wurde der Bruder des Hofbesitzers Binzel- 
berg, ein im Altentheil lebender alter 
Junggeselle, ermordet aufgefunden. Der 
Kopf der blutüberströmten, nur mit einem 
Hemd bekleideten Leiche war bis zur Un 
kenntlichkeit zerschlagen. Als Mordwerk 
zeug hat ein Hammer gedient, der am 
Thatorte gefunden ist. Der Mörder ist 
anscheinend durch ein Fenster eingestiegen. 
Verden, 19. Septbr. Nach längerem 
Leiden verschied gestern Hierselbst die in 
weiten Kreisen bekannte Gräfin Revent- 
low, geborene von der Decken, in hohem 
Alter. Seit 1846 Wittwe, weihte sie sich 
ganz dem Dienst der Mission und der 
Armen. Sie hat in ihrem langen Leben 
viele Thränen getrocknet, hat manchen 
guten Rath gegeben, vielen geholfen und 
war eine rechte Waisenmutter. Die in 
den letzten Wochen ihr zugefallenen Güter 
Etelsen, Coppel, Embsen und Ruschbaden 
hat sie nicht angetreten, sondern sie hat zu 
Gunsten ihres Neffen, des Grafen Revent- 
low auf Laaland, auf das reiche Erbe 
verzichtet. Ihren eigenen Besitz hat sie 
der Zionsgemeinde der Hermannsburger 
Mission, der Münchmeyer'schen Stiftung 
zu Verden und ihren Dienerinnen vermacht 
Hamburg, 20. Sept. Der „Hamburgi 
sehen Börsenhalle" zufolge beabsichtigt die 
Firma R i ck m e r s, Reismühlen-, Rhederei- 
und Schiffsbauaktiengesellschaft in Bremen 
in Verbindung mit anderen Firmen eine 
regelmäßige Dampferlinie Ham 
burg. Antwerp en-China-Jap an mit 
7 großen Dampfern zu 6—7000 Tonnen 
Tonnen Tragfähigkeit ins Leben zu rufen. 
Diese Dampfer sollen abwechselnd mit den 
Dampfern des Norddeutschen Lloyd fahren 
und namentlich Massenartikel befördern. 
Provin-zteUes- 
Altona. Fürst Bismarck hat dem 
Generalobersten Grafen Wald er fee auf 
dessen Anzeige der ihm vom Kaffer ge 
wordenen hohen Auszeichnung telegraphisch 
eine Gratulation zugehen taffen. 
Die Bertheilung des Ehrenwldes an 
Kriegs-Veteranen, fur welchen Zweck die 
städtischen Collegien ln Altona gelegentlich 
der 25. Wiederkehr des Sedantages 6000 
Mk. bewilligt haben, wird demnächst er 
folgen. Das Comitee hat beschlossen, von 
den eingegangenen Gesuchen 500 zu be- 
rücksichligbn. Davon sind 300 eingereicht 
von Personen, die am Krieg 1870/71, 
200 Personen, die an den Kämpfen von 
1866 und 1848/51 theilgenommen haben. 
Die Höhe des einzelnen Betrages beträgt 
je nach Umständen 10 oder 20 Mk. Die 
älteren Krieger und die Wittwen erhalten 
je 20 Mk. Berücksichtigt werden auch 
Nichtmitglieder von Kampfgenossen- und 
Krieger-Vereinen. 
Die Unterhaltungskosten für das in der 
Altonaer Quarantäne - Anstalt unterzu 
bringende Vieh werden bei einer Quaran- 
tänedauec von 10 Tagen 16 Mk. das 
Stück betragen. Vorgesehen ist die Ver 
abreichung von Kraftfutter. Die dortigen 
Viehkommiffionäre-haben sich bereit erklärt, 
die Beaufsichtigung und Leitung des Be 
triebes selbst in die Hand zu nehmen. 
Jnfolgedeffen werden sich die Verwaltungs 
kosten niedrig stellen. Man erwartet die 
erste Schiffsladung Vieh, welche in der 
Quarantäneanstalt zu Altona untergebracht 
werden soll, in den ersten Tagen des Oktober. 
In Glückstadt wurde das 50jährige 
Amtsjubiläum des Pastors Bünz in er- 
hebender Weise gefeiert. 
Die üble Gewohnheit mancher Maurer, 
ausgebrauchte Gefäße rc. vom Gerüst oder 
aus den Etagen hinabzuwerfen, hat in 
Itzehoe einen bedauernswerthen Unglücks- 
fall zur Folge gehabt, indem der Töpfer 
Meier, welcher bei einem Neubau .beschäf 
tigt war, von einer aus der Etage ge- 
worfenen leeren Mörteltonne so unglücklich 
getroffen wurde, daß er bewußtlos zu 
sammenbrach. Der Verunglückte liegt 
schwer darnieder, doch hofft man, ihn am 
Leben zu erhalten. 
Am Montag brannte das Wohnhaus 
des Landmanns Westphal zu Brunshorst 
hinter Sievershütten ab. — In Wester 
moor bei Itzehoe ist eine Arbeiterwohnung 
abgebrannt. — In Oldesloe ist am 15. 
d. Mts. das Wohnhaus des Rentiers 
Brewitt niedergebrannt. — In Dickhuseu 
brannte am 16. d. Mts. das Possel'sche 
Wohnhaus nieder. 
In nicht allzu ferner Zeit werden auch 
Brunsbüttel und Brunbüttelerhafen An- 
schluß an die Fernsprechanlage haben; an 
20 Geschästsfirmen sind bereits für den 
Telephon-Anschluß gewonnen. Auch wird 
in diesen Orten die Anlage einer elek 
trischen Bahn oder einer Pferdebahn 
durch Brunsbüttelerhafen nach Bruns 
büttel lebhaft erörtert. 
^ Der Müller Markus Dohrn von der 
St. Margaretheuer Mühle wurde am 
Freitag-Abend von seiner Frau schwer ver 
letzt in der Mühle liegend aufgefunden. 
Neben ihm stand eine große Blutlache, 
rechts von ihm lag seine Mütze, an beiden 
Seiten etwas aufgerissen. Als der Arzt 
Athmungsversuche machte, kam das Blut 
aus Ohren und Nase. Das Kinn zeigte 
einen senkrechten Bruch, sonst waren keine 
Spuren da. Nach etwa drei Stunden 
war er todt. Auf welche Weise das Un 
glück geschehen, ist bisher nicht aufgeklärt. 
Dohrn stand in dem Rufe eines äußerst 
ruhigen, vorsichtigen Mannes. 
? Kiel, 22. Sept. Bom Kaiser- 
W i l h e l m - K a n a l. Auf der Kanal 
strecke zwischen Levensau und der Mündung 
sind die Arbeiten am und im Kanalbett 
beendigt. Von fernher nur tönt das 
'/lechzen und Rasseln eines Tiefbaggers, 
der etwa 800 Meter westlich von der 
Hochbrücke noch an der Vertiefung des 
Kanalbettes arbeitet und unmittelbar neben 
der Hochbrücke sehen wir nur noch einige 
Arbeiter beschäftigt, hie und da in der 
Kanalböschung entstandene Lücken mit 
Steinen auszufüllen. An der Mündung 
des Kanals sind nunmehr auch die Erd 
arbeiten u. s. w. beendigt. An dem Nord- 
ufer ist man zwar noch mit derPlanirung des 
Terrains am Außenhafen und mit der 
Errichtung der Mclenmauer ebendaselbst 
beschäftigt, doch sind dieselben so wenig 
umfangreich, daß ihre Beendigung noch 
im Laufe der Woche zu erwarten steht. 
Am Südufer ist der Abbruch des Kaiser- 
schiffes gleichfalls beendet, nur die drei 
Masten der „Niobe" erinnern noch an die 
Kanalfesttage. In schwindelnder Höhe sind 
zur Zeit Arbeiter beschäftigt, die letzten 
Reste von Tauwerk zu entfernen und nach 
wenigen Tagen wird auch hier das letzte 
Zeichen der Kanalfeier im Juni ver 
schwunden sein. 
== Eckernforde, 20. Sept. Aus den 
kürzlich in hiesigem Kreise abgehaltenen 
Remontemärkten wurden in Eckernförde 
von 51 vorgeführten Pferden 14 und in 
Gettorf von 15 Stück 4 Pferde angekauft. 
~ Der „landwirthschaftliche Verein am 
Kanal" verauktionirte Hierselbst 21 Früh- 
jahrsfüllen aus der Wilstermarsch, dieselben 
bedangen durchschnittlich einen Preis von 
300 Mark. 
Die Ausgrabungen auf dem Süderbra 
ruper Moor sind völlig eingestellt, da das 
Wasser durch die Pumpen nicht mehr be- 
wältigt werden konnte. Will man später 
die Arbeiten wieder aufnehmen, dann muß 
ganz von vorn wieder angefangen werden, 
da das in einer Vertiefung belegene Moor 
sehr bald wieder von Wasser überfluthet 
werden und die frühere Formgestalt wieder 
annehmen wird. Somit sind die großen 
Erwartungen, mit denen man nach den 
bisherigen Erfahrungen berechtigterweise 
an die Ausgrabungen heranging, nicht in 
Erfüllung gegangen. Im Interesse der 
Alterthumswissenschaft ill ber Mißerfolg 
sehr zu beklagen. 
Laut einer Mittheilung des Landrath 
amts sind im Laufe des Jahres im Kreise 
Schleswig 38 Hengste zur Körung vorge 
führt gewesen, die meistens der schweren 
Schleswiger Raffe angehörten. Als besten 
Hengst des Kreises hat die Kommission 
den Hengst „Herkules des Gasiwirths 
Bahde zu Drage bei Friedrichstadt erklärt. 
Derselbe ist hellbraun, 7 Jahre alt, 1,7g ^ 
hoch uns steht zur Benutzung in Süder- 
stapet.
	        
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