Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

Zweites Blatt. 
Htendsburger Wochenblatt 
Sonnabend, den 21. September 
1895. 
60) K Süll« alter CW. 
Roman von Gustav Höcker. 
„Wie wäre cs, Baron," unterbrach er 
das Schweigen, „wenn wir eine Entführung 
mittelst einer schnellen Dampsyacht in Scene 
setzten. Sie brauchen sich um nichts zu 
kümmern und haben bei der Sache nichts zu 
thun, als zu bestimmen, an welche Küste 
Europas oder Afrikas Sie mit Ihrer schönen 
Beute landen wollen." 
Der Baron verstand seinen Begleiter. Es 
lag etwas in Maitlands Einflüsterungen, 
das den Eingebungen des Teufels glich, und 
vergebens kämpfte Wolfgang gegen die Ver 
suchung. 
„Was ich auch thun werde," erwiderte 
er nach einer bedeutungsvollen Pause, „ich 
muß Zeit zur Ueberlcgunz haben. Für jetzt 
verlasse ich Sie, Maitland, denn ich fühle 
das Bedürfniß, mit meinen Gedanken allein 
zu sein." 
Er verabschiedete sich von seinem Freunde 
der seinen Spaziergang fortsetzte, und begab 
sich geradeswegs nach einem der hinter dem 
Casino gelegenen Hotels, in welchem er mit 
Maitland wohnte. 
Als er in sein Zimmer trat, erwartete ihn 
dort ein altes bekanntes Gesicht aus der 
Heimath: sein alter Diener Hartwig war 
angekommen. Wolfgang hatte ihn kommen 
lassen, weil er hier einen längeren Aufenthalt 
zu nehmen gedachte, und eine zuverlässige 
Person um sich zu haben wünschte. 
. Hartwig brachte einige Briefe mit; unter 
den Letzteren befand sich auch ein sehr volu 
minöses Schreiben, welches den Siegel des 
Landgerichtes trug. 
Anhängliche Diener haben wie treue Hunde 
eine Witterung, wenn ihrem Herrn Gefahr 
droht. So war es denn eine recht sorgen 
voll fragende Miene, mit welcher Hartwig 
dem Baron das dicke Amtsschreiben ein 
händigte. Das Schriftstück war in der 
That eine Klageschrift. Wolfgang's Nach 
giebigkeit und Gerechtigkeitssinn hatte seinem 
Gegner nur die Handhabe zu einer weiteren 
Forderung dargeboten, die aus der älteren 
hervorging. Edmund und Melanie Rettberg 
verlangten die Herausgabe aller Einkünfte, 
welche Wolfgang's Vater und er selbst 
während der Zeit des unrechtmäßigen Be 
sitzes des „Villenhofcs" aus diesem gezogen 
hatten. 
Er hatte eine Summe von mehr als 
einer Million zurückzuerstatten, und dieses 
stak in seinem schlesischen Gute, welches von 
den Erträgnissen des Villenhofes zum Theil 
arrondirt worden war. Er mußte, wenn er 
die Forderung der Geschwister Rcttberg be 
friedigen wollte, unter allen Umständen das 
Gut verkaufen. Und dann . . .? Was 
blieb ihm dann? 
Es war ein vernichtender Schlag! 
Es gab Wolfgang einen Stich -ins Herz, 
unter diesem, auf seinen Untergang aus 
gehenden Schriftstücke den Namen Melanie 
zu lesen; aber sie mußte sich dem Willen 
ihres Vormunds unterwerfen und hinter 
diesem stand das Vormundschaftsgericht. Er 
war überzeugt, daß von Seiten Melanies 
alles geschehen war, um die Klage zu unter 
drücken, denn er kannte ihre edle Gesinnung 
aus einem ergreifenden Briefe, den sie ihm 
bereits bei Gelegenheit des Prozesses um 
den Villenhof geschrieben hatte. 
Mit der ganzen Kraft seines leicht über 
schäumenden Temperaments empörte sich 
Wolfgang gegen das Schicksal, welches alles, 
was er besaß, als Prämie für Schurkerei 
und Gemeinheit einem Rouo in den Schoß 
werfen wollte, damit er es am grünen Tische 
in alle vier Winde jage. In diese erbitterte, 
wilde Sliinmung blitzte plötzlich auch noch 
ein furchtbarer Argwohn hinein: hatte Fe 
licitas etwa durch . ihren Vater Kenntniß 
gehabt, welche Verluste Wolfgang bevorstan 
den und wie er Schlag auf Schlag dem 
Ruin kntgcgcngeführt werden mußte? Fühlte 
Felicitas sich nicht stark genug, das Loos 
eines verarmten Edelmannes zu theilen, und 
zog daher vor, die Gattin eines reichen 
Advokaten zu werden? 
Wenn von allen Seiten die Wellen des 
tückischen Geschicks über den Menschen zu 
sammenschlagen, dann verläßt ihn nicht nur 
der Glaube an alles Gute und Edle, son 
dern auch die Kraft, selbst gut und edel zu 
bleiben. Von einem Gauner, dem er Gutes 
erwiesen, bis aufs Messer verfolgt, von der 
Geliebten betrogen und verrathen, wollte 
Wolfgang dem Schicksale trotzen, er wollte 
sich nicht länger am Narrenseile schmerzlich 
duldender Entsagung hin- und herziehen 
lassen, —■ er wollte den Schurken, der ihn 
in Armuth zu stützen trachtete, mit gleicher 
Münze bezahlen, indem er sein Besitzthum 
rasch in Geld umsetzte und sich mit diesem 
dem Bereiche der gierigen Hände, die sich 
danach ausstreckten, entzog — und die Ge 
liebte, die ihn betrogen, sollte seine Sklavin 
werden. Es war der Augenblick da, wo jene 
sophistische Glückscligkeitslehre, die Maitland 
ihm unausgesetzt gepredigt hatte, wie ein 
ausgestreuter Same in Wolfgang's Brust 
ihre Keime zu treiben begann. 
XXXIX. 
Noch an demselben Nachmittage fuhr 
Wolfgang nach Nizza, um zu erkunden, 
wo Justizrath Carus mit seiner jungen 
Gattin dort Aufenthalt genomnien habe. 
Als er durch die Straße Francesco di Pa 
olo ging, hörte er plötzlich seinen Namen 
rufen. Er wandte sich um und sah eine Da 
me, die eben aus dem Postgebäude gerreten 
war, als er an diesem vorüberschlenderte, 
auf sich zukommen. 
„Welche Ueberraschung, Sie hier zu finden! 
rief er, Frau von Prachwitz erkennend. 
„Es ist eine alte Anhänglichkeit, die mich 
unter sehr veränderten Verhältnissen gerade 
nach Nizza zog," lächelte sie, ihm mit ge 
wohnter Herzlichkeit die Hand entgegen 
streckend. „Ich habe hier vor vielen Jahren 
Genesung gefunden, als ein tiefes Gemüths 
leiden meine Gesundheit erschütterte." 
„Ein Gemüthsleiden?" wiederholte der 
Baron. 
„Ja, lieber Wolfgang, auch nicincm Leben 
hat die Tragödie des Herzens nicht gefehlt, 
und nun hat sie doch noch fröhlich mit dem 
Siege jener Liebe geendet, von welcher man 
sagt, sie rostet nicht. Die Welt mag die 
Achsen dazu zucken, denn wir sind Beide 
nicht mehr jung. Aber warum sollen zwei 
Menschen, die für einander bestimmt waren, 
sich nicht in diesem Leben noch angehören 
dürfen, nachdem cs kein Hinderniß mehr 
zwischen ihnen giebt? So habe ich denn 
meine alte Liebe geheirathet, meine erste und 
einzige Liebe." 
Während Beide langsam weiter gegangen 
waren, hatte Wolfgang auf seine Begleiterin 
Blicke zunehmenden Erstaunens geworfen, 
denn der Sinn ihrer Rede war ihm dunkel. 
„Sie haben sich wieder vcrhcirathet?" 
fragte er. „Darf ich nicht wissen, mit 
wem?" 
„Mein Himmel, wie seltsam Sie fragen, 
Wolfgang. Meine Vcrmählungsanzeige mag 
Sie in Rom, wohin ich sie Ihnen schickte, 
wohl verfehlt haben. Aber empfing ich nicht 
gestern Abend im Eisenbahncoupee Ihre 
Karte mit Ihrem Glückwünsche?" 
„Den Namen Ihres Gatten! Um Gottcs- 
willcn dm Namen Ihres Gatten!" rief 
Wolfgang mit bebender Stimme. 
„Wie sonderbar Sie doch sind! Sollten 
Sie denn seit gestern Abend den Namen 
Ihres ehemaligen Vormundes vergessen 
haben?" 
„Sie sind — Sie sind Frau Carus? 
Und die Dame, welche gestern Abend der 
Diener einen Shawl ins Coupee reichte?" 
„War ich!" 
„Aber ich sah nur Felicitas." 
„Sie stieg zuletzt ein; ich saß mit meinem 
Gatten bereits im Coupee. Ich weiß nicht, 
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