Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

Oberst der Cavallerie beförderte G e n e r a l 
Graf Waldersee, der Nachfolger 
Moltke's als Chef des Generalstabes der 
Armee. Die militärische Laufbahn des 
Grafen Waldersee ist allgemein bekannt, 
ebenso wie hoch Kaiser Wilhelm die Ver 
dienste dieses Generals schätzt, und daß er, 
nachdem er ihn auf sein Gesuch von den 
Geschäften des Chefs des Generalstabes 
entbunden, das zugleich eingereichte Ab 
schiedsgesuch nicht berücksichtigt, sondern 
ihn auf einen anderen verantwortungs 
vollen Posten gestellt hat. Mit der Er- 
nennnng des Grafen Waldersee's zum 
Generaloberst ist die Zahl der General- 
feldmarschälle und der im Range denselben 
gleichstehenden Generalobersten in der 
preußischen Armee wieder auf acht ge- 
stiegen. Der älteste ist Generalfeldmarschall 
Graf Blumenthal, der am 15. März 1888 
vom Kaiser Friedrich zu dieser Charge be 
fördert wurde; es folgt Generalfeld 
marschall Prinz Georg von Sachsen (15. 
Juni 1888), dann Generalfeldmarschall 
Prinz Albrecht von Preußen (19. Juni 
1888), hierauf Generaloberst der Cavallerie 
Großherzog von Baden (25. Juni 1888); 
der nächste ist Generaloberst der Cavallerie 
Großherzog von Sachsen (21. Decbr. 1889); 
dann kommt Generaloberst der Cavallerie 
Fürst Bismarck (20. März 1890) und 
hierauf Generaloberst der Cavallerie Frei 
herr von Los (8. September 1893). 
— Wie nach der „Berl. Börsen-Ztg." 
aus guter Quelle verlautet, wird das 
Reichsschatzamt den Bau zweier neuer 
Krieg schiffe befürworten, und zwar hat 
man sich nach eingehender Verhandlung 
mit dem Reichsmarineamt entschlossen, in den 
Etat für 1896/97 die erste Rate für den 
Bau von Ersatzschiffen für die Panzer 
„König Wilhelm" und „Friedrich der 
Große" einzustellen. Die übrigen Forderungen 
der Marine-Verwaltung werden nicht so 
bedeutend sein, als man befürchten zu 
müssen glaubte. 
Berlin, 16. Septbr. Von zuverlässiger 
Seite wird gemeldet, daß die spanische 
Regierung bei der Firma Ludwig 
Löwe & So. 80,000 Mausergewehre in 
Bestellung gegeben hat. 
— Freiherr v. Stumm, welcher am 
Freitage die über ihn verhängte 14tägige 
Festungshaft auf dem Ober-Ehrenbreitstein 
angetreten hat, ist vom Kaiser zu einem 
Tage Festungshaft begnadigt worden und 
hat sonnt vorgestern Mittag seine Strafe 
abgebüßt. Sein Kartellträger, Vopellus, 
hat die über ihn verhängte 5tägige 
Festungshaft bereits abgebüßt. 
— Der in Metz bestehende Verein für 
Erhaltung und Schmückung der 
Kriegergräber, welcher die anläßlich 
der Metzer Schlachten-Gedenkfeier aus 
französischer Geschützbronze für die Com- 
battanten vom 18. August hergestellte Er- 
innerungs-Medaille auch dem Kaiser über 
sandt hatte, erhielt von dem Geheimen 
Kabinetsrath von Lucanus ein Schreiben 
des Inhaltes, der Kaiser habe die Medaille 
huldreichst angenommen und sage dem 
Vorstand für die Aufmerksamkeit Dank. 
Er habe die Gnade gehabt, dem Vereine 
zur Förderung seiner patriotischen und 
pietätvollen Zwecke ein Geschenk von 300 
Mk. aus seiner Schatulle zu bewilligen. 
Berlin, 16. Sept. Hosprediger a. D 
Stöcker erklärt im „Volk" unter Be 
zugnahme auf seinen durch den „Vor 
wärts" veröffentlichten, an Freiherrn von 
Hammerstein im August 1888 gerichteten 
Brief, er werde sofort in der „Deutsch 
evangelischen Kirchenzeitung" die Vorgänge, 
welche an die sogenannte Walderseever- 
sammlung knüpfen, historisch genau dar 
stellen, und hoffe dadurch zu beweisen, daß 
er damals gegen unlautere Bestrebungen 
mit gutem Recht für das Ansehen der 
Krone und das Wohl des Vaterlandes 
eingetreten sei. 
Berlin, 14. Sept. Die „Kreuzzeitung" 
enthält heute Abend folgende Erklärung 
„Das Comitee hat am 4. Juli den Frei 
herrn v. H a m m e r st e i n von seiner 
Stellung als Chefredakteur der 
„Kreuzzeitung" suspendirt. Seitdem haben 
sich Thatsachen herausgestellt, die uns go 
nöthigt haben, alle Beziehungen mit Frei 
Herrn v. Hammerstein zu lösen und die 
Angelegenheit der Königlichen Staats 
Anwaltschaft zu übergeben. Berlin, 13 
September 1895. Das Comitee der „Neuen 
Preußischen Zeitung." I. A.: ®ra ; 
Finckenstein." 
—- Wie die „Kreuzzeitung." von maß 
gebender Stelle erfährt, hat Freiherr von 
14-8+14-3 gibt 13, er schrieb 13 Opern 
oder Musikdramen. Die musikalische Laust 
bahn zu erfassen, bestimmte ihn eine „Frei 
schütz"-Vorstellung, der er am 13. Oktober 
beiwohnte. Weber starb, als Wagner 13 
Jahre alt war. Das Rigaer Theater, an 
welchem Wagner als Kapellmeister begann 
wurde am 13. September 1837 eröffnet 
„Tannhäuser" wurde am 13. April 1844 
vollendet; Wagner's Verbannung von 
Sachsen währte 13 Jahre; der letzte Tag 
den er in Bayreuth verlebte, war der 13 
September. Liszt besuchte ihn zum letzten 
Male in Venedig am 13. Januar 1883 
und das Jabr, in dem er starb, war das 
13. Jahr des Bestehens des deutschen 
Reiches. 
Hammer st ein seine Mandate für 
den Reichstag wie für das preußische Ab 
geordnetenhaus unterm 11. d. Mts 
niedergelegt. Er vertrat im Abge- 
ordnetenhause seit 1876 den Wahlkreis I 
Köslin: Stolp < Lauenburg - Bütow; im 
Reichstag zuletzt den Wahlkreis II Minden : 
Herford-Halle. 
Berlin, 16. Sept. Die vom Professor 
von Ofizicky begründete Wochenschrift 
„Ethische Kultur" Nr. 37 ist wegen des 
Artikels „Der Kaiser und die Sozial 
demokratie" konfiszirt worden. Der 
verantwortliche Redakteur ist Dr. Förster 
ln Freiburg in Baden. 
— Gegen den aus dem Prozeß Leuß 
bekannten Dr. S ch n u tz ist ein Ver- 
- ahren wegen Unterschlagung ein- 
g eleitet worden. 
— Die Zulassung der Frauen zum 
Studium, insbesondere zum medicini- 
ch e n, ist in der letzten Zeit wiederholt 
zum Gegenstand lebhafter und eingehender 
Erörterungen gemacht worden, und es läßt 
ich nicht leugnen, daß hier wie in anderen 
Ländern eine der Frauenbewegung günstigere 
Stimmung als bisher herrscht. Es sind 
indessen auch gewichtige Bedenken gegen 
die Ueberlassung des ärztlichen Berufes 
an das weibliche Geschlecht geltend ge 
macht worden, und zumal Aerzte, welche 
die außerordentlichen Ansprüche ihres an 
trengenden Berufes hinreichend kennen, 
haben den Frauen geradezu die Fähigkeit 
abgesprochen, auf dem etwa neu er- 
chlossenen Gebiete Ersprießliches zu leisten. 
In diesem Sinne bewegen sich die neuesten 
Auslassungen eines hiesigen erfahrenen 
Arztes, des Dr. Henius, in der letzten 
Nummer der Deutschen Medicin. Wochen 
chrift. Derselbe fühlt sich vollkommen frei 
von jedem Concurrenzneid und wendet sich 
lediglich aus sachlichen Gründen gegen die 
Zulassung der Frauen zum ärztlichen Be 
ruf, weil die Frauen damit weit die 
Grenzen überschreiten, die ihnen ihrer körper- 
lichen und geistigen Veranlagung nach ge 
leckt sind. Das Studium schon würde 
vielleicht mit vereinzelten Ausnahmen 
Ansprüche an sie stellen, denen sie ihrer 
ganzen Beschaffenheit nach nicht gewachsen 
ind, und andererseits würde es sie nicht 
o weit bringen, um einen den ausge- 
wendeten Mühen und Anstrengungen und 
Kosten entsprechenden Nutzen für sich selbst 
und für die übrige Menschheit zu er 
zielen. 
Berlin, 16. Sept. Erst wenige Jahre 
ind verflossen, seit in unserer Reichs 
marine die ersten Kriegsschiffe mit 
zwei Schrauben gebaut wurden. 
Gegenwärtig stehen wir vor der Thatsache, 
daß nicht weniger als vier neue Schiffe 
der deutschen Kriegsflotte als Drei 
chraubenschiffe hergestellt werden 
lollen. Das erste derartige Schiff war 
bekanntlich der Kreuzer zweiter Klasse 
„Kaiserin Augusta", welche vor zwei 
Jahren auf der Gerniania-Werft in Kiel 
vom Stapel lief. Die letzten im Sommer 
vorgenommen Probefahrten hatten so vor 
zügliche Resultate auszuweisen, daß die 
Marine-Verwaltung die weitere Anwendung 
dieses von der Germania-Werft auf Kriegs 
chiffen zuerst durchgeführten Systems be 
schloffen hat. Die Maschinen der 
Kaiserin Augusta" entwickelten nämlich 
auf der offiziellen Probefahrt am 1. Juli 
d. I. 14000 indicirte Pferdekräfte gegen 
12 000 bedungene. Die Fahrgeschwindigkeit 
betrug im Mittel 22,5, mit Strom und 
Wind sogar 25,3 Knoten. Daß angesichts 
solcher Erfolge die Marineverwaltung den 
Bau weiterer Dreischraubenschiffe fördert, ist 
verständlich. So sollen auch die neuenKreuzer 
zweiter Klasse „Ersatz Freya", „K." und 
„L." sämmtlich als Dreischraubenschiffe ge 
baut werden, ebenso das neue Panzerschiff 
erster Klaffe „Ersatz Preußen", welches 
seit Anfang d. Js. auf der kaiserlichen 
Werft in Wilhelmshaven im Bau liegt. 
Die Anwendung des Dreischraubensystems 
bei einem Panzerschiffe läßt erkennen, 
daß man maßgebenden Ortes sich von 
dieser Steuerung auch für die schwersten 
Schiffe wesentliche Vortheile verspricht 
Im Allgemeinen darf constatirt werden, 
daß mit dem Dreischraubenschiffsbau die 
deutsche Marine allen übrigen voran ist 
Berlin, 16. Sept. Der große Fastagen- 
Proceß ist nun soweit vorbereitet, daß 
der Termin zur Hauptverhandlung am 
den 1. October angesetzt werden konnte 
Es handelt sich dabei um die in ungeahn 
tem Umfange betriebenen Diebstähle und 
Unterschlagungen, denen seit Jahren hiesige 
Brauereien zuni Opfer gefallen sind 
Nach den Ermittelungen der Polizei sind 
allein in den letzten zwei Jahren bei 19 
Berliner Brauereien 26,000 Fässer ver 
schwanden, die einen Werth von etwa 
165,000 Mark darstellen. Es sind dies 
Fässer, die von den Brauereien den klei 
neren Restaurateuren, Grünkramhändlern 
Materialwaarenhändlern re. geliefert wer 
den und die sich dort in größerer Zahl 
ansammeln, ehe sie von den Bierkutschern 
wieder abgeholt werden. Theilweise sollen 
nun unbefugte Leute, die sich in Bierfahrer 
kieidnng gesteckt haben, die Fässer abgeholt 
theils sollen auch directe Diebstähle an 
Fässern stattgefunden haben. Mit Hilfe 
des gestohlenen Materials wurde ein Bier 
üß-Handel etablirt, den besonders zwei 
Besitzer kleinerer Brauereien durch Ab 
nahme der Waaren kräftigst unterstützt 
haben sollen. Dieser Handel soll nament 
lich von einigen Böttchermeistern betrieben 
worden sein, von denen etliche einen Ge- 
chäftsumsatz von mehr als 1000 Stück 
Fässern gehabt haben sollen. Während es 
im Allgemeinen üblich ist, daß die Brau 
ereien ausschließlich ihre eigenen Fässer 
verwenden, sollen die beiden hier in Frage 
kommenden Brauereien die gestohlenen 
Fässer massenhaft aufgekauft haben, wobei 
die Kunst des Böttchers alsdann in Thätig 
leit treten mußte, um die Herkunft der 
Fässer zu verschleiern. Die Anklage richtet 
ich gegen Bierkutscher, Arbeiter, drei 
Böttchermeister und zwei Brauereibesitzer, 
im Ganzen gegen elf Personen, die durch 
die Rechtsanwälte Dr. Schwindt, Sachs, 
Dr. Coßmann und Dr. Jvers vertheidigt 
werden. Da 35 Zeugen zu vernehmen 
ind, wird die Verhandlung im großen 
Schwurgerichtssaale stattfinden. 
Berlin, 14. Sept. Zu der Verhaftung 
des Bankiers Gustav Schröter wird mit- 
getheilt, daß Sch. bis Ende v. I. sein 
Bank- und Lotteriegeschäft Hierselbst in der 
Gitschinerstraße Nr. 1 hatte. Dieses 
Bureau war anfangs nur eine Filiale des 
in München befinlichen Hauptgeschäfts wurde 
aber nachher zur Centrale erhoben, während 
in München und in der Schweiz Filialen 
bestehen blieben. Infolge der Fuhse'schen 
und ähnlicher Lotteriebankkrache verlangten 
plötzlich tausende von Kunden die Lieferung 
ihrer Loose, die Schröter bei dem Bankier 
Joan Lesser hier für etwa 100 000 Mk. 
verpfändet hatte, während die Kunden nur 
Antheilscheine in den Händen hatten. 
Dieserhalb mußte er, da er dem Ansturm 
der Kunden nicht gewachsen war, sein Ge- 
chäft aufgeben, und es wurde wegen 
eines Verhaltens die Strafuntersuchung 
eingeleitet. Nachdem wegen der Fälle, die 
ich auf die Münchener Filiale beziehen, 
las Verfahren auf Beschwerde Schröter's 
Atens des obersten Landgerichts zu 
München eingestellt war, da ihm keinerlei 
Vorwurf gemacht werden konnte, begab er 
ich Ende v. I. auf Reisen, wohnte fast 
äglich in einem andern Hotel und ließ 
ich unter Deckadressen seine Briefschaften 
von den Verwandten nachsenden. Jetzt 
wurde sein Aufenthalt in Köln bekannt, 
weshalb auf Veranlassung der hies. Staats 
anwaltschaft die sofortigeVerhaftung erfolgte. 
Am Sonnabend - Nachmittag fand vor 
dem Landgericht l. in Berlin Verhandlung 
gegen den früheren Redakteur des „Vor 
wärts", Joseph Dierl, wegen 
Majestätsbeleidigung statt. Die 
Beleidigung wurde begangen in einem 
Artikel mit der Ueberschrift: „Wie man 
in Sachsen Sozialdemokraten verurtheilt." 
Der Staatsanwalt beantragte eine Ge- 
Ängnißstrase von neun Monaten. Nach 
längerer Berathung wurde die Sache ver 
tagt behufs weiterer Beweisaufnahme. 
m Militär-Arrestlokal in der 
Lindenstraße in Berlin ist gegenwärtig 
Hochfluth eingetreten, wie der Gouverne 
mcnts-Befehl vom 11. d. Mts. besagt, 
dürfen wegen Ueberfüllung der Arrest 
zellen bis zum 19. d. M. nur noch alte 
Mannschaften eingeliefert werden, also 
nur Leute, die jetzt binnen kurzem zur 
Entlassung kommen sollten. Die Leute des 
ersten Jahrganges, die sogn. „Remonten" 
müssen sich daher mit der Verbüßung der 
ihnen „aufgeholzten" Arreststrasen noch 
einige Zeit gedulden. Die Ursache dieser 
gesteigerten Frequenz bei „Vater Philipp" 
ist, wie fast alljährlich um diese Zeit, daß 
die alten Mannschaften (der 2. Jahrgang) 
in der Freude über die baldige Entlassung 
noch zu guterletzt allerhand disciplinar- 
widrige Streiche ausführen, namentlich 
jedoch nächtlicher Weile „über den Zapfen 
hauen", d. h. über den Urlaub ausbleiben 
oder gar ohne solchen durchbrennen 
Angenehm ist ja ein Gang zu „Vater 
Philipp nicht, aber allzu tragisch faßt der 
Soldat im Allgemeinen die Sache nicht aus 
wie dies auch bezeichnend der Schluß eines 
bekannten Soldatenliedes besagt: „Wer nie 
bei Vater Philipp saß, Wer nie Kommißbrod 
trocken aß, Wer keine Nacht ist durchgebrannt 
Der wird kein Reservist genannt." 
Um Miether für leerstehende 
Läden zu erlangen, haben erfindungs 
reiche Berliner Hauslvirthe neuerdings 
einen ganz neuen Weg gefunden. Sie 
machen Geschäftsinhabern, die Läden suchen, 
den Vorschlag, sich mit d e r M i e t h 
als Sozius an dem betreffenden Ge 
schäft betheiligen zu wollen, falls der Ge 
schäftsinhaber bereit ist, im Hause des 
Mirths einen Laden zu miethen. 
Wie der Kaiser sich eines armen 
Kunsts ch ülers angenommen hat 
darüber wird Folgendes berichtet: Fritz 
Sauvage hatte das Tischlerhandwerk bei 
seinem Vater, einem ehrsamen kleinen 
Meister im Städtchen Bierraden, erlernt 
Stach beendeter Lehrzeit kam der junge Ş 
nach Berlin und besuchte, während er in 
einer hiesigen Tischlerei als Geselle arbeitete 
zu seiner weiteren Ausbildung die Fach 
>cdule. Hier erregten seine Arbeiten bald 
die Aufmerksamkeit der Lehrer. Sie er 
kannten ihres Schülers hohe Begabung 
und suchten ihn zu bewegen, sein Gesellen 
lhum aufzugeben und die Kunstgewerbe 
schule zu besuchen. Da ihm Freistelle und 
Stipendien in Aussicht gestellt waren, so 
hatte der junge Mann eingewilligt und 
die Werkstatt mit der Kunstschule vertauscht. 
Bei einer Ausstellung von Schülerarbeiten 
konnte S. einer der ersten Preise ertheilt 
werden. Als der Kaiser eines Tages die 
ausgestellten Arbeiten besichtigte, gefielen 
ihm die Leistungen des Sauvage am besten. 
Er ließ sich den jungen Künstler vorstellen 
und ermunterte ihn, so fortzufahren. Seit 
dem verlor ihn der Kaiser nicht mehr aus 
den Augen. Als er seine Gemahlin mit 
einer Neueinrichtung ihres Boudoirs über 
raschen wollte, wünschte er, daß Sauvage 
die Zeichnungen zu den Möbelstücken an 
fertigen sollte. Dies geschah, und der 
junge Mann hatte die Aufgabe so zur 
Zufriedenheit des Bestellers gelöst, daß 
nach seinen Zeichnungen die Möbel in dem 
Atelier eines hiesigen Hoflieferanten herge- 
tellt wurden. Die Belohnung des Künstlers 
gipfelte zugleich in einer Erweiterung seiner 
Ausbildung. Auf Veranlassung des Kaisers 
wurde er, mit einem Stipendium der Re 
gierung ausgerüstel, nach Italien gesandt 
Als er, für die Auszeichnung dankend, 
ich beim Kaiser verabschiedete, gab ihm 
lein Protektor noch 300 Mk. als Extra 
taschengeld. In Rom erstand er ein kirnst 
volles Schachbrett, das er dem Kaiser zum 
letzten Geburtstag übersandte. Der Kaiser 
aber hatte inzwischen seines Schützlings 
nicht vergessen. An der Kunstgewerbeschule 
zu Frankfurt a. M. war die Stelle eines 
Lehrers frei geworden. Der Kaiser hörte 
davon, und sofort empfahl er Sauvage 
zur Berücksichtigung. Sauvage erhielt die 
Berufung, und so wirkt der frühere Tisch 
lerlehrling des Städtchens Vierraden als 
Lehrer an einer hohen Schule der Kunst. 
Er gelangte zu dieser Stellung im Alter 
von 26 Jahren. 
Ein Wiedersehen in Feindesland 
nach 25 Jahren feierte der Bäckermeister 
Rühle aus Nauen, welcher sich mit einigen 
Kameraden zum Besuch der Schlachtfelder 
ausgemacht hatte. Hierbei ließ Herr Rühle 
es sich nicht nehmen, das Haus in St. Chenes, 
etwa zwei Kilometer von St. Privat gelegen, 
zu besuchen, in welchem er als Artillerist 
im Jahre 1870 vier Wochen schwer krank 
am Typhus darniedergelegen hatte. Kaum 
hatte er die Thür geöffnet, als Madame 
ihm entgegentrat. Sie erkannte ihn sofort 
und schrie auf: „Mon dieu, le prussien 
malade!" (Mein Gott, der kranke Preuße!) 
„Oni, madame!" antwortete Herr Rühle — 
damit war sein Französisch zu Ende. Er 
begnügte sich nun, die Hand seiner ehe 
maligen Wirthin immer wieder zu drücken 
Der Ehemann machte zwar zuerst ein ver 
blüfftes Gesicht; als ihn aber Madame von 
der Sachlage verständigt hatte, war er 
ebenfalls hocherfreut und öffnete dem ehe 
maligen Feinde willig die Arme. Man 
zog nun einen Dolmetscher hinzu und 
erzählte einander ausführlich seine Schicksale 
— von Haß und Reoanchegelüste gab es 
da keine Spur! Bei einigen Flaschen guten 
Nothweins flogen die Stunden schnell dahin 
Der Abschied war ein herzlicher. Herr 
Rühle mußte immer wieder versprechen 
bald zu schreiben. Sein ehemaliger Wirth 
vermachte ihm zum Andenken eine deutsche 
Gewehrkugel, eine Chaffepot- und eine 
Mitrailleusenkugel, welche er beimUmpflügen 
seines Ackers gefunden hatte. 
Lyck (Ostpr.), 13. Sept. Bei den gegen 
wärligen Manövern im südlichen Theil 
Ostpreußens sind mehrere schwere Unglücks 
fälle vorgekommen. Vom Infanterie- 
Regiment Nr. 43 wurden in Folge der 
Hitze 100 Mann schlaff; dieselben mußten 
unterwegs liegen bleiben, zwei Mann 
starben am Hitzschlag. Ein Dragoner stürzte 
mit dem Pferde und war sofort todt, zwei 
andere Soldaten, die gleichfalls stürzten 
zogen sich Rippenbrüche zu. 
Sozialdemokraten als Arbeit 
ge der haben sich oft genug in Wider 
spruch mit sozialdemokratischen Forderungen 
gesetzt und ihren Arbeitern zu lebhaften 
Klagen über zu lange Arbeitszeit und 
schlechte Bezahlung Anlaß gegeben. In 
der Hamburger Genossenschaftsbäckerei leg 
ten seinerzeit die Bäcker die Arbeit nieder 
weil sie es schlechter hatten als bei den 
bürgerlichen Meistern. Ein neuer Fall 
hat sich in Stettin ereignet, wo der sozial 
demokratische Reichstagsabgeordnete Her 
bert, Buchdruckereibesitzer und Verleger 
eines sozialdemokratischen Blattes, mit 
einem seiner Schriftsetzer in Zwist gerieth 
und, als eine Versammlung deswegen ein 
berufen wurde, durch eine Postkarte sich 
mit kurzen Worten verbat, daß man ihm 
in seine besondere geschäftliche Angelegen 
heit hineinrede. Die Versammlung nahm 
darauf eine Resolution an, in der sie das 
Gebühren des Buchdruckereibesitzers Herbert 
als t arifwidri g bezeichnete und bedauerte 
daß Herbert als Verbandskollege und so 
zialdemokratischer Reichstagsabgeordneter 
zu solchen Mi tteln seine Zuflucht 
nimmt, um sich lange Jahre bei ihm 
arbeitenden Kollegen zu entledigen. 
Sprottau, 14. Sept- Die städtischen 
Behörden haben einstimmig beschlossen, den 
Prosesior H ä n e l in Kiel wegen seiner 
hervorragenden Verdienste um die Er 
Achtung des hiesigen Laube-Denkmals zum 
Ehreabürger von Sprottau zu ernennen 
Meinrngen, 15. Sept. Großes Auf- 
lehen erregt ein an dem Forstwart 
L a u t e r b a ch von Lichtenhein bei Probst- 
Zella verübter Mord. Vermuthlich sind 
Wilddiebe die Thäter. Lauterbachs Vor 
gänger endete vor ungefähr 1V 2 Jahren 
ebenfalls durch die Kugel eines Wilderers. 
Königsrück, 12. Sept. Auf eigenthüm- 
liche Weise ist hier der Kanonier Brunner 
um's Leben gekommen. Einer seiner Ka- 
meraden hatte im Schlafsaale der Kaserne 
gelegentlich einer Neckerei einen eisernen 
Rouleauxstab nach einem anderen Soldaten 
geworfen, dabei aber den B., welcher schlief, 
p unglücklich getroffen, daß diesem der 
Stab durch's Auge in das Gehirn ein 
drang. Der Soldat blieb von dem Augen 
blicke an bis zu seinem nach vier Tagen 
erfolgten Tode bewußtlos. 
Aus Hanau wird gemeldet: Im ganzen 
mdlichen Kurhessen liefert die Bienen 
zucht ungewöhnlich reiche Erträge, 
die selbst die Erwartungen eines guten 
Bienenjahres noch übertreffen. Um nur 
ein Beispiel von vielen zu erwähnen, sei 
bemerkt, daß ein Stationsbeamter in 
Wilhelmsbad von 20 Stock Bienen unge- 
mhr 600 Pfund Honig gewonnen hat. 
Bonn, 14. Sept. Heute früh wurde 
anläßlich der Mannöver des achten Armee 
corps der ganze Rhein bei Bonn über 
brückt, und zwar wurde die Pontonbrücke 
in vier Stunden fertiggestellt. Der Ueber- 
gang über die Brücke bot hochinteressante 
Momente. Tausende von Menschen hatten 
ich zu beiden Ufern des Rheins aufgestellt, 
um dem militärischen Schauspiel beizu 
wohnen. Außer dem Corpskommandeur 
nahm auch ein brasilianischer General an 
der Uebung theil. 
Eine Anzahl Veteranen, welche zum 
Sedantage eine Ehrengabe aus städtischen 
Mitteln in Elberfeld und Düffelsdorf er 
hielten, haben nach der „Berl. Presse" 
diesen Geldbetrag Vertrauensmännern der 
sozialdemokratischen Partei überwiesen. 
Köln, 12. Sept. Infolge des anhaltend 
fallenden Wasserstandes ist der Schiff 
fahrtsverkehr zwischen Mannheim und 
Straßburg vollständig eingestellt. Zahl 
reiche Schleppdampfer sind gezwungen, vor 
Köln vor Anker zu gehen. Auch der Ver 
kehr auf der unteren und mittleren Rhein- 
strecke geht stetig zurück. 
Der Klempnermeister und Photograph 
Herr Paul Liebe in Luckau, welcher, 
wie berichtet, vor etwa sieben Monaten 
unter dem Verdacht der Falschmün 
zerei verhaftet worden war, ist jetzt 
aus der Haft entlassen worden, da sich 
seine Unschuld herausgestellt hat. Die 
Verhaftung war in Folge der Denunciation 
eines von Herrn L. entlassenen Gehilfen 
erfolgt. 
Ueber 35 Fälle von Dyphtherie- 
Behandlung mit Behring's Heil 
serum berichtet Dr. Franz Bachmann zu 
Salzhemmendorf aus seiner Privatpraxis 
in der „D. Med. Wchschr.: Er hat im 
Ganzen 44 Fälle behandelt und drei Kranke 
durch den Tod verloren. Das Serum 
wandte er jedoch nur in 35 Fallen an, 
und von diesen starb lediglich ein sehr 
skrophulöses Kind, bei welchem der Arzt 
erst im letzten Stadium gerufen _ wurde. 
Die Mortalität betrug hier also nur 
3 pCt. Dabei war die Epidemie keine 
ganz leichte. So würben einige sehr 
schwere Fälle geheilt, welche nach des 
Arztes früheren Erfahrungen unrettbar 
verloren erschienen, z. B. zwei Fälle von 
Kehlkopfverengung, die sogar ohne Luft- 
röhrenschnitt genasen. 
Der Wunderdoktor Ast in Radbruch 
ist wegen Kurpfuscherei wieder einmal zu 
50 Ji Geldstrafe verurtheilt worden. Er 
hat einer Frauensperson aus Eimsbüttel 
Tropfen für ein Ohrenleiden gegeben, in 
Folge dessen die Ohren anschwollen, natür- 
tich ohne daß das Leiden gehoben wurde. 
Der brave Schäfer macht sich aus den 50 
Mark Strafe gar nichts, es kommen ja 
Hunderte wieder, die ihm neue Kaffe 
bringen. 
Bremen, 15.Sept. Die internationale 
Ausstellung für Nahrungsmittel und 
die gesammte Bekleidungs-Industrie, Ge 
sundheitspflege, Sport und Erfindungen 
aller Art wurde gestern Vormittag 11 Uhr 
im Parkyause durch den ersten Vorsitzenden 
Herrn H. Fischer aus Berlin eröffnet. 
Die Ausstellung, welche unter demProteetorat 
des Prinzen Wilhelm von Ardeck steht, 
ist reichlich beschickt, aber noch unfertig. 
Sie währt vom 16. September bis 
6. Oktober. 
Lübeck, 15. Aug. Zu Ehren der in 
den Tagen vom 16. bis 21. September 
in Lübeck stattfindenden 67. Versammlung 
der Gesellschaft deutscher Naturforscher und 
Aerzte wird der Senat der freien und 
Hansastadt Lübeck am Dienstag den 17. 
September, im Riesensaal der Festhalle 
auf dem Ausstellungsplatz und in den 
die Festhalle umgebenden Gartenanlagen 
den aus ganz Deutschland und in den be 
nachbarten Reichen anwesenden Gästen ein 
großes Gartenjest geben. Abends 8 Uhr 
wird aus diesem Anlaß auf der am Aus 
stellungsplatz vorüberfließenden Wakenitz 
ein g r o ß a r t i g e S F e u e r w e r k ab- 
gebrannt, welches die bisherigen, durch ihre 
gcaudivseu Lichresfeckre becüymt gewordenen 
Ausstellungs-Feuerwerke erheblich über-
	        
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