Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

trug österreichische Husarenuniform, der 
Kaiser von Oesterreich die Uniform des 
Kaiser Franz-Garde-Grenadier-Regiments, 
der König von Sachsen die Uniform seines 
Garde-Ulanenregiments. Nach herzlicher 
Verabschiedung bestieg Kaiser Franz Joseph 
den Sonderzug zur Abreise nach Wien. 
Nachdem Kaiser Wilhelm und der König 
von Sachsen in innigster Weise sich von 
einander verabschiedet hatten, reiste letzterer 
um 5 y 2 Uhr nach Dresden ab, während 
Kaiser Wilhelm sich sofort an Bord der 
„Grille" begab und nach Swincmünde 
fuhr. Auch der Graf von Turin, die 
Prinzen Leopold und Arnulf von Bayern 
sowie die Prinzen Albrecht und Friedrich 
Leopold von Preußen verlassen Stettin in 
den nächsten Tagen. 
— Der Erlaß des Kaisers an den 
Reichskanzler vom 8. September, so schreibt 
man dem „Hamb. Corr." aus Berlin, ist 
ebenso wie die Ansprachen vom 2. und 6. 
September eine rein persönliche Kundgebung 
des Kaisers, die der Gegenzeichnung eines 
Ministers entbehrt und bei der der Reichs 
kanzlers nur als Vermittler zwischen dem 
Kaiser und der Oeffentlichkeit fungirt. 
Wollte der Kaiser eine Anregung zu 
einem gesetzgeberischen Vorgehen 
geben, so würde er sich, wie in früheren 
Fällen, direkt an das Staatsmini 
sterium wenden. 
— Die „Voss. Ztg." theilt über den 
Besuch des Kaisers in den Reichslan 
den noch mit, daß der Kaiser nach der 
Einweihung der neuen evangelischen Kirche 
in Kürzel am 17. Oktober von Urville 
über Remilly nach Straßburg fährt, um 
von dort aus am 18. Oktober der Ent 
hüllung des Kaiser Friedrich-Denkmals in 
Wörth beizuwohnen. Der Kaiser wird nur 
mit kleinem Gefolge reisen und sich von 
Straßburg aus nach Karlsruhe begeben. 
Berlin, 12. Sept. Der „Reichsanz." 
widmet heute dem in Stettin weilenden 
Kaiser Franz Joseph äußerst sym 
pathische Worte, um dem befreundeten 
Monarchen und treuen Bundesgenossen 
zu versichern, daß die Anhänglichkeit an 
das befreundete Nachbarland im Herzen 
aller guten Deutschen unzerstörbar festge 
wurzelt ist, und daß die Deutschen im 
Reich sich mit ihren Brüdern im öfter- 
reichisch-ungarischen Kaiserstaat eins wissen 
in der Liebe und Verehrung, die sie den 
seltenen Herrschertugenden Franz Joseph's 
entgegenbringen. — Auch die „Nordd. 
Allg. Ztg." bringt anläßlich der heute er 
folgenden Heimreise des österreichischen 
Kaisers einen Artikel, in welchem sie sagt, 
der Besuch habe allerdings zunächst den 
militärischen Uebungen gegolten, aber es 
bleibe gewiß nicht ohne Eindruck auf die 
gesammte Bevölkerung Deutschlands, wenn 
man die herzlichen Beziehungen, die zwi 
schen dem befreundeten Monarchen und dem 
deutschen Kaiser bestehen, sehe. Das deutsche 
Volk und die Volker der habsburgischen 
Krone hätten sich längst gewöhnt, das 
Bundesverhältniß, dem auch Italien sich 
beigesellt, wie etwas Selbstverständliches 
zu betrachten. Und darum blicke man 
beiderseits mit solchem Vertrauen auf diesen 
Bund als den sicheren yort des Friedens 
und eine Gewähr fortschreitenden Wirth 
schaftlichen Gedeihens. Dem Kaiser Franz 
Joseph gebühre der Dank des deutschen 
Volkes dafür, daß er im Verein mit 
Kaiser Wilhelm den Frieden bis zur Stunde 
unerschüttert erhalten hat und weiter zu 
wahren gewillt ist. 
Berlin, 13. Sept. Im Anschluß an 
die Erörterungen in der Presse über die 
Thronfolge in Oldenburg hält die 
„Nat.-Ztg." angesichts der Aussicht, mit 
der Zeit in einer Anzahl deutscher Klein 
staaten Ausländer regieren zu sehen, die 
Erwägung für natürlich, ob hiergegen keine 
Vorkehrung möglich sei. Das Blatt meint, 
der natürlichste Ausweg wäre wohl, in 
denjenigen Staaten, in denen die männliche 
Linie nur auf wenigen Augen steht, durch 
Abänderung der Verfassung oder des 
Hausgesetzes die weiblichen Familienmit 
glieder, so weit sie unvermählt oder mit 
Deutschen vermählt sind, für erbberechtigt 
nach den Männern zu erklären. 
— Der deutschen Industrie wird 
neuerdings ein ehrendes Zeugniß von 
spanischer Seite ausgestellt. Bekanntlich 
hat Spanien für seinen cubanischen Feld 
zug einen großen Posten Mausergewehre 
in Deutschland gekauft. Von dem Befehls- 
Haber der spanischen Truppen aus Cuba 
dem Marschall Martinenz Campos, erhielt 
nun, wie aus Madrid gemeldet wird, der 
spanische Kriegsminister einen Bericht, in 
welchem sich der Marschall über die Sei 
stungen der deutschen Gewehre außerordent 
lich befriedigt ausspricht. 
— Betreffs der Convertirung der 
vierprocentigen Reichs- und preu 
ßischen Staatsanleihen in dreiein 
halbprocentige wird mitgetheilt, daß die 
betreffenden Vorlagen an den Reichstag 
und den preußischen Landtag nicht un 
mittelbar nach dem voraussichUich im ersten 
Drittel des November erfolgenden Zusam 
mentritt der Parlamente, sondern erst im 
December oder Januar zu erwarten seien 
Ein Beschluß der Regierung sei jedoch in 
dieser Beziehung noch nicht gefaßt. 
Eine weitere Herabsetzung de- 
Zinsfußes von 3'/ 2 pCl. aus 3 pCt 
scheint übrigens einstweilen nicht in Aus 
sicht genommen zu sein, wenigstens heißt 
es in einer officiösen Auslassung: „Wir 
glauben daher, daß es einstweilen richtig 
ist, die goldene Mittelstraße zu wandeln 
und zu vermeiden, daß das summum jus 
ür den Einen zur summa injuria für den 
Anderen wird. Es verschlägt nichts, wenn 
wir mit dem äußersten Schritt so lange 
warten, bis derselbe mit absoluter Sicher 
heit gethan werden kann; die Möglichkeit 
kann ja nahe bevorstehen; aber es könnte 
auch wieder anders kommen, wie die Er 
fahrungen aus früheren Zeiten mehr als 
einmal — trotz Entdeckung neuer Gold 
felder! — bewiesen haben." 
Berlin, 11. Sept. Die „Nordd. Allg. 
Ztg." druckt erst heute den vom „Vorwärts" 
gebrachten Stöcker'schen Brief ab und 
giebt in Anschluß daran eine darauf bezüg 
liche Auslassung der „Köln. Ztg." wieder. 
Sodann nimmt das offiziöse Blatt das 
Wort und sagt, es sei leider unbestreitbar, 
daß der früheren Leitung der „Kreuzztg." 
jedes Mittel zur Erreichung ihrer Ziele 
recht gewesen sei. Dieser Praxis hätte 
allerdings nicht selten in gleicher Münze 
gedient werden können; aber die Konser 
vativen, von der „Kreuzztg." befehdeten 
Männer seien der Ansicht gewesen, daß es 
keine Lage gebe, die den Gebrauch un 
annehmbarer, d. h. nicht ganz loyaler und 
ganz reinlicher Mittel rechtfertige. Am 
Schlüsse des Artikels führt die „Nordd. 
Allg. Ztg." aus, die achtungswerthen 
Elemente, von denen die „Köln. Ztg." in 
ihrer Auslassung spricht und denen sie ihre 
Sympathie bezeugt, wollten keine Förderung 
durch Mittel, die auf einem unsauberen 
Beet gewachsen seien und die sie irgendwie, 
auch nur in der entferntesten Weise, mit 
der Sozialdemokratie in Berührung brächte. 
Berlin, 12. Sept. Die „Pol. Nachr." 
Ichreiben: „Unter den Vorschlägen, welche 
neuerdings vom preußischen Handels 
Ministerium den Handwerkern zur Begut 
achtung unterbreitet waren, weisen die 
jenigen, welche sich auf die Regelung 
des Lehrlin gs w esens beziehen, gegen 
über der Veröffentlichung des Reichs 
anzeigers vom Sommer 1898 die wenigsten 
Aenderungen auf. Soweit sie dies aber 
thun, sollen die Aenderungen lediglich da 
zu dienen, die Garantien zu verstärken, 
die für eine möglichst gute Ausbildung des 
Lehrlingswesens gefordert werden. Eigent- 
lich weist die neue Fassung dieser Vor- 
schlüge nur zwei Abweichungen von der 
alten auf. Die eine will die Befugniß 
zum Halten und zur Anleitung von Lehr 
lingen u. A. von dem selbstständigen Be 
triebe eines Handwerks innerhalb fün : 
Jahren statt der früher geforderten drei, 
und die andere will die Entziehung dieser 
Befugniß nicht bloß von der Ungeeignet 
heit in sittlicher, sondern auch in technischer 
Beziehung ausdrücklich abhängig machen 
Gegen diese Neuerungen wird sich ebenso 
wenig wie gegen den ganzen auf die Re 
gelung des Lehrlingswesens bezüglichen 
Plan etwas einwenden lassen. Dem Hand 
werk wird am ehesten geholfen, wennsein 
Nachwuchs möglichst gut ausgebildet wird 
Die ausreichende Gewähr für die gehörige 
Erziehung des Lehrlings kann aber nur in 
einem gereiften Lebensalter des Lehrherrn 
und in einem bestimmten Maß von Fach 
kenntnissen des Letzteren gefunden werden 
Andererseits darf aber auch nicht verkannt 
werden, daß mit einer gesetzlichen Regelung 
auf diesem Gebiete allein noch nicht eine 
vollständige Besserung eintreten würde. In 
den letzteren Jahrzehnten hat sich im Hand 
werkerstande ein bedauerliches Nachlassen 
der Sitte bemerkbar gemacht, daß die 
Söhne bei dem Vater in die Lehre treten 
und so der Handwerkerstand aus sich selbst 
für den Nachwuchs sorgt. Erst wenn diese 
Sitte wieder eine größere Ausdehnung er 
fährt, wozu ja allerdings bei der Ueber 
füllung der gelehrten Berufsarten die beste 
Aussicht vorhanden ist, wird das Lehrlings 
wesen des Handwerks diejenige Gestaltung 
erfahren, welche man ihm wünschen muß 
wenn das Handwerk sich aus seiner jetzigen 
Lage emporarbeiten soll." 
— Abg. v. Vollmar wird seine Kur 
und damit seine Zurückgezogenheit von 
öffentlicher Thätigkeit ein Jahr ausdehnen 
Er läßt jetzt erklären, daß er bezüglich der 
Sedanfeier sich völlig auf den Stand 
punkt Auer's stelle. 
— Die Durchführung des Beschlusses 
der Ministerien des Innern und des 
Cultus, betreffend die Schließung der 
Krankenanstalt zu Mariaberg, soll 
wie ein Aachener Correspondent der 
„Köln. Ztg." mittheilt, in folgender Weise 
erfolgen: 1. soll den Brüdern die selbst 
ständige Annahme und Pflege der Kranken 
untersagt werden; 2. soll durch den 
Staat ein Verwalter eingesetzt werden, der 
nach eigenem Ermessen über die Ver 
wendung geistlicher und weltlicher Pfleger 
entscheiden kann; 3. wird die Provinzial 
verwaltung bald Aerzte nach Mariaberg 
entsenden, welche bestimmen, ob die von 
der Provinzialverwaltung untergebrachten 
Kranken und Irren in eine Provinzial 
anstalt zu verbringen sind. 
Eine Turnriegc verheiratheter 
Frauen Hai der „Männer-Turnverein" 
in Friedenau ins Leben gerusen. Am 
letzten Dienstag hat die 2. Damen- 
Abtheilung der Berliner Turngemeinde der 
Friedenauer Damen-Turnabtheilung in der 
dortigen Turnhalle einen Besuch abge 
mattet, wobei die „Riege verheiratheter 
Frauen" sich zum ersten Male produzirt hat. 
Am Mittwoch beging in aller Stille 
das Rentier August Kühne'sche Ehepaar 
zu Ren - Weißensee den seltenen Festtag 
der eisernen Hochzeit. Der Jubilar 
'teht im 88. und die Jubilarin im 84. 
Lebensjahre. Beide erfreuen sich in ihrem 
hohen Alter einer verhältnißmäßig guten 
Gesundheit und großer Rüstigkeit. 
Breslau, 12. Sept. Ein überaus ver 
heerendes Gewitter, wie es durch die 
hochgradige Hitze der vorangegangenen 
Tagen erklärlich erscheint, ist in der Nacht 
zum letzten Sonntag und in seiner Fort 
setzung an diesem selbst über die schlesischen 
Gefilde dahingegangen. Die durch Blitz- 
chlag verursachten Brände haben materiellen 
Schaden verursacht, der sich auf Hundert- 
tausende von Mark beläuft. Zum Glück 
ind Menschenleben nach den bisherigen 
Nachrichten nicht vernichtet worden. In 
nicht weniger als 22 Orten entzündete der 
Blitz; im Kreise Glogau allein sind acht 
Ortschaften betroffen worden. Dort tobte 
das Wetter mit vorherigem Wirbelsturme 
Io entsetzlich, wie den diesjährigen Sommer 
überhaupt noch nicht. Gegen 50 Stück 
Nutzvieh kamen um, Getreide, Heu, Haus 
geräth usw. fiel dem Feuer zum Opfer. 
Kastei, 12. Sept. Auf der Wiesbadener 
Straße erschoß sich gestern Nachmittag 
der Gehülfe eines Rechtsanwalts in Wies 
baden, der vor Kurzem aus seiner Stelle 
entlassen worden war. 
Bei dem Brande des gräflich Erbach 
ichen Schlosses in Schöuderg bei Bensheim 
sind der Dachstuhl und mehrere Zimmer 
zerstört worden. Alles Werthvolle wurde 
gerettet. 
Eine M e s s e r a f f ä r e, die den Tod 
zweier Menschen zur Folge hatte, wird 
aus dem Saarrevier gemeldet. In Wehr 
den an der Saar wurde ein Mann, der 
in die Saar gestürzt war, von zwei Brü 
dern mit Mühe gerettet. Als Anerkennung 
erhielten die Retter von einem Herrn 
10 Mk. als Geschenk. Voll Freude wurde 
in einer Wirthschaft gezecht, woselbst die 
Brüder mit einem Dritten in Streit ge 
riethen. In dessen Verlauf zog letzterer 
plötzlich ein Messer und versetzte den 
Brüdern mehrere Stiche, die den Tod der 
beiden zur Folge hatten. 
Wiesbaden, 12. Sept. Auf der am 2 t 
und 22. September hier stattfindenden 
Ausstellung des Collie-Clubs wird der 
berühmteste schottische Sch äf er Hund, den 
England besitzt, außer Preisbewerb zu 
sehen sein; das Thier hat 200 erste und 
Spezialpreise gewonnen. Der Hund ist 
ein Enkel des vielgenannten Christopher, 
der für den fabelhaften Preis von 20000 
Mark nach Amerika verkauft wurde. 
ls Wiedertäufer ist in diesen Tagen 
ein R e s e r v e m a n n in das in Stutt 
gart garnisonirende Grenadier-Regiment 
Nr. 119 eingetreten, der sich in der Zeit 
die zwischen seiner militärischen Dienstzeit 
und der jetzigen Uebung liegt, zur Sekte 
der Wiedertäufer bekehrt hat. Der Mann 
war nicht zu bewegen, ein Gewehr in die 
Hand zu nehmen, und weigerte sich auch 
vor der ganzen Kompagnie, als er von 
seinen Vorgesetzten hierzu aufgefordert 
wurde. Einstweilen sitzt er im Militär 
arrest, um sich wegen Gehorsamsverweige 
rung zu verantworten. 
Anläßlich der Feier seines 70. Geburts 
tags bestimmte Herr Commerzienrath Max 
Kustermann, Besitzer einer großen 
Eisengießerei in München, die Summe 
von 200000 Mk. zur Errichtung eine 
Pensionskasse für seine Beamten und 
Bediensteten, sowie für seine zahlreichen 
Arbeiter im Gießerei- und Lagerhaus 
Mit einem Fonds von 10000 Mk. -wird 
eine Pensionskasse für erstgenannte er 
richtet, während je 50000 Mk. für eine 
Invaliden- und Rentenanstalt der Arbeiter 
des Etablissements als Grundstock ausge 
worsen sind. 
Hannover, 11. Sept. Auf das gestern 
an den Kaiser gerichtete Huldigungs 
telegramm der 48. Hauptversammlung 
des G u st a v - A d o l f > B e r e i n s ist 
nachfolgende Antwort eingegangen: Se 
Maj. der Kaiser und König haben sich ge 
freut, daß die 48. Hauptversammlung des 
Gustav-Adolf-Vereins der erinnerungs 
reichen Zeit des hochseligen Kaisers 
Wilhelms des Großen als des erlauchten 
Förderers der deutschen Gustav-Adolf- 
Sache in treuer Dankbarkeit gedacht hat 
S. M. wollen auch ihrerseits dieses Frie 
denswerk evangelischen Glaubens gerne 
fördern und lassen der Hauptversammlung 
herzlichen Gruß und wärmsten Segens 
wunsch anbieten. Auf allerhöchsten Be 
fehl v. Lucanus, Geh. Kabinetsrath. — 
Nach Beendigung des Festgvttesdienstes in 
der Marktkirche wurde die geschäftliche 
Sitzung der Hauptversammlung in der 
Egidienkirche durch den Vorsitzenden Dr. 
Fricke-Lejpzig eröffnet. Dr. Hempel-Leipzig 
erstattete den Jahresbericht, der eine fori 
schreiiende Entwicklung der Vereinsthülig 
feit feststellt. Die Betheiligung an 
der Versanimlung war außerordentlich 
groß. 
Hannover, 12. Sept. Die Haupt-Ver- 
ammlung des Gustav-Ädolf-Vereins wählte 
-ür die große Liebesgabe im Betrage von 
18 688 Mk. die Gemeinde Saarburg 
in Lothringen. 
Ein Hamburger Schutzmann, der am 
Tage nach der Sedanfeier an den Nach 
wirkungen berauschender Getränke litt, und 
in diesem Zustande glaubte, es sei Feiertag, 
verbot einem Kutscher auf den Hohen 
Bleichen, welcher dort Selterflaschen ablud, 
das Weitertransportiren derselben und 
wollte das Fuhriverk desselben zur Polizei 
wache führen. Es entstand hierdurch ein 
großer Menschenauflauf, wodurch der total 
betrunkene Schutzmann von seinem Vor 
haben abgehalten wurde. Der Kutscher 
hatte inzwischen zwei andere Schutzleute 
herbeigeholt, und nachdem dieselben sich 
von dem Sachverhalt überzeugt hatten, 
beförderten die beiden ihren berauschten 
Collegen per Wagen in's Stadthaus. 
Provinzielles. 
Itzehoe, 12. Sept. Es ist, so schreiben 
die „Jtzehoer Nachr.", eine Seltenheit, 
daß die einer Künstlerehe entsprossenen 
Kinder ausnahmslos ebenso für die Kunst 
begabt und ihr ebenso ergeben sind wie die 
Eltern, und doch besteht die Familie 
Warnke ausschließlich aus Künstlern und 
Kunstjüngern. Der Vater, Musikdirektor 
in Wesselburen, ist als tüchtiger Geiger in 
der Provinz bekannt; derselbe ist mit der 
Schwester des berühmten Pianisten Rud. 
Niemann verheirathet, die heute noch als 
vorzügliche Klavierspielerin gilt. Die dieser 
Ehe entsprossenen fünf Söhne haben heute 
in der Musikwelt einen guten Stamen. 
Der älteste, Christian, ist ebenso bekannt 
als tüchtiger Orchesterdirigent wie als be 
gabter Komponist für Instrumentalmusik. 
Rudolf, der zweite Sohn, ist jahrelang 
als erster Kontrabassist in der Kapelle von 
Czibulka in Hamburg gewesen. Die nächsten 
beiden Söhne, Heinrich und Johannes, sind 
Cellisten. Ersterer, einer der bedeutendsten 
Schüler von Klengel in Leipzig, ist Hof- 
cellist und hatte erst vor kurzer Zeit die 
Ehre, vor dem Herzog von Cumberland zu 
spielen, Johannes ist Solo-Cellist im 
Lübecker Ausstellungs-Orchester. Der jüngste 
Sohn, Karl, bildet sich als Orgel- und 
Klaviervirtuose aus, und scheint dafür die 
selbe Begabung wie sein Onkel Niemann 
zu haben. — Die Eltern in Verbindung 
mit den Söhnen werden nun Anfang 
Oktober hier und in den größeren Städten 
der Provinz Konzerte geben, welche der 
Musikwelt etwas ganz Eigenartiges bieten 
werden. Klassische Konzerte für Geige 
Cello und Klavier mit Orchester- oder 
Harmoniumbegleitung werden die Haupt 
nummern des Programms bilden. 
? Kiel, 12. Sept. Heute Mittag ken 
terte auf der Höhe von „Folkers Garten" 
ein Segelboot mit drei Insassen. Das 
Boot sank sofort in die Tiefe. Die In 
sassen wurden gerettet und zwar einer 
durch den zur „Neuen Dampfer-Compag 
nie" gehörigen Dampfer „Verein l", die 
anderen leiden, nachdem ihnen vom ge 
nannten Dampfer aus Schwinimgürtel zu 
geworfen waren, von der Mannschaft einer 
Marinepinasse. — Ein zweiter Unfall 
betraf ein Fischerboot aus Howacht, wel 
ches gestern am Spätabend von dem Neu 
mühlener „Georg" überrannt wurde und 
sogleich sank. Die Insassen des Fischer 
bootes wurden von dem in der Nähe der 
Unfallstelle beim Seegarten befindlichen 
Wilhelminenhöher Fährdampfer aus geret 
tet, während das gesunkene Fischecfahrzeug 
als verloren zu betrachten ist. 
Das bekannte große Kieler Wirthschafts 
Etablissement „Die Hoffnung" gelangt im 
nächsten Monat im Wege der Zwangs 
Vollstreckung zur Versteigerung. 
Bei Preetz brannten 6 große Korn 
diemen mit 150 Fuder Inhalt nieder 
Man vermuthet Brandstiftung. In 
Neustadt ist das Haus des Fischers Peh 
möller niedergebrannt. — Am Freitag 
Morgen kam im Dorfe Orth auf Fehmarn 
ein bedeutendes Feuer zum Ausbruch, das 
bald sieben, meist alte, kleine, mit Stroh 
gedeckte Gebäude in Flammen setzte und 
einäscherte. — Auf dem Hofe Curau 
wurde eine neu erbaute Scheune init er 
heblichen Erntevorräthen eingeäschert. 
In Holmühl brannten von dem Gewese 
des Tischlers H. Jessen das Wohn- und 
Abnahmehaus bis auf den Grund nieder 
Der Regierungsassessor Dr. Juzi in 
Eckernförde ist der königlichen Regierung 
zu Marienwerder an Stelle des Regierungs 
assessors von Below zur weiteren dienst 
lichen Verwendung überwiesen worden. 
î Eckernförde, 12. Sept. Ein hiesiger 
Gastwirth beabsichtigt auf seinem südlich 
der Stadt befindlichen Lande Arbeiter 
wohnungen zu erbauen. — Der Neubau 
der Bvrbyer Schule ist dieser Tage gerichtet 
Das Gebäude kostet 18 000 Mk. und wird 
3 Klassen und 3 Lehrerwohnungen ent 
halten. Die Borbyer Schule ist dann 
sechsklassig, da sich im Seminar ebenfalls 
3 Klassen befinden. 
™ Eckernförde, 12. Sept. Das Winter 
halbjahr cm der hiesigen Königl. Bau- 
gewerkschule beginnt am Montag, den 
14. Oktober. — Im C. Fuchs'schen Konkurs 
steht den bevorrechtigten Forderungen von 
292,45 Mk. und nicht bevorrechtigten 
Forderungen von 23321,83 Mk. eine ver- 
'ügbare Masse von 3624,63 Mk. gegen 
über, die Gläubiger erhalten also nur 
10 pCt. — Bei der Ergänzungswahl eines 
Gemeinde-Vertreters erhielten Kaufmann 
E. Lorenzen 12 Stimmen, Hauptlehrer 
Lorenzen 6 Stimmen, ersterer wurde somit 
gewählt. 
Der „Kaufmann Paul Nissen und Ehe- 
stau Katharina Nissen geborene Andresen- 
Stiftung" zu Flensburg im Betrage von 
100000 Mk. ist die königliche Genehmigung 
ertheilt worden. 
Der kleine Flecken Augustenburg, mit 
leinen etwa 500 Einwohnern ist reich an 
alten Leuten. Es wohnen dort nicht 
weniger als zwölf Personen im Alter 
zwischen 80 und 90 Jahren; darunter be 
finden sich drei in ihrem 90. Lebensjahre. 
35 weitere Personen haben ein Alter von 
70 bis 80 Jahren, und 44 endlich sind 
über 60 Jahre alt. Es geht aus diesen 
Zahlen zur Genüge hervor, daß das ruhige, 
wenig aufreibende Leben in unserem 
chönen, friedlichen Augustenburg der Ge 
lindheit recht zuträglich ist. 
? Aus Nordschleswig. Bon der dänischen 
Presse. Einen ähnlichen Fall wie die 
Affaire Meunier in Frankreich, leistet sich 
die deutschfeindliche dänische Presse. Sie 
tischt nämlich ihren Lesern eine Fabel auf, 
die an und für sich so albern klingt, daß 
man sofort das Unwahre herausfühlt, die 
immerhin aber als Ausdruck dänischer Ge 
sinnung gekennzeichnet zu werden verdient. 
Gelegentlich des deutsch-dänischen Krieges 
im Jahre 1864 sollen nämlich, wie die 
dänischen Zeitungen berichten, einige 
preußische Offiziere auf einem Hofe in 
Jütland einquartirt gewesen sein, die u. A. 
die Ordre hatten, mehrere Pferde zu 
rauben! Einer von diesen Offizieren hätte 
sich gerne in dem Besitze einer sehr hübschen 
Meerschaumpfeife gesehen, welche dem 
Quartierwirth gehörte. Er gab seinen 
Wunsch mehrfach demselben zu erkennen 
und gab ihm verschiedentlich zu verstehen, 
den werthvollen Hengst des Hofes andern 
falls mitnehmen zu wollen. Der Besitzer 
desselben wies darauf hin, daß der Offizier 
nach ihm gegebener Ordre überhaupt keine 
Hengste nehmen dürfe. Nun aber habe 
der Offizier energisch entweder die Pfeife 
oder den Hengst verlangt. Das habe ge 
holfen. Der Hofbesitzer habe von zwei 
Uebeln das kleinste gewählt und dem 
veutschen Offizier die gewünschte Pfeife 
überlassen. 
Die Kurliste von Westerland-Sylt weist 
bis zum 5. Sept. im Manzen 9314 
Personen auf. 
Als Kuriosum sei mitgetheilt, daß au 
der Sedanfeier in Lügumkloster sich auch 
ein früherer französischer Lanzenreiter, der 
bei Sedan mit gefangen genommen wurde, 
betheiligte, nämlich der Besitzer der Luft 
schaukel, Hildebrand. 
Im Dorfe Hörup veranstalteten jüngsthin 
die Dienstboten der ganzen Ortschaft eine 
kleine streikähnliche Feier. Anläßlich des 
Jahrmarktes in Langenhorn, waren die 
meisten Herrschaften nach dort gereist. Mit 
vollständigem Einverständniß vereinigte fick 
sämmtliches Gesinde des Dorfes, beides 
Knechte und Mägde und veranstalteten eine' 
Lustbarkeit. Man beneidete eben die Herr 
schaften, denen man das Marktvergnügen 
nicht gönnte. Das Vergnügen des Gesindes 
erreichte für einige Theilnehmer einen 
besonderen Höhepunkt, sodaß man vergaß, 
sich am selben Tage wieder in's Quartier 
zu begeben. Mehrere Personen nahmen 
erst am dritten Tage ihre Arbeit wieder 
auf. Die Herrschaften mußten gute Miene 
zum bösen Spiel machen, da man mit der 
vollen Ernte beschäftigt war, und also eine 
Kündigung des Dienstverhältnisses nicht 
rathsam erschien. 
Hofbesitzer C. Rohlfs in Tiebensee ver 
kaufte an einen Berliner Händler 17 fette 
Ochsen und zwar, wenn diese 1450 Pfd. 
und darunter schwer, für 160 Thlr., wenn 
diese jedoch nur '/st Pfd. mehr wiegen, 
für 190 Thlr. per Stück. Verkäufer kann 
wiegen wann und wo er will. — Hof 
besitzer Cl. Rohlfs in Wennemannswisch 
verkaufte an denselben Herrn 2 Ochsen 
a 500 Mark. 
Von Anfang unseres Jahrhunderts bis 
auf die Neuzeit hat nach dem „H. W." 
in Husum eine Wuth des Umreißens ge 
herrscht. Die alte schöne Kirche wurde 
entfernt und für sie wahrhaftig kein ge- 
schmackvolles Gotteshaus wieder aufgebaut. 
Der baumreiche, schattige Schloßgarten 
wurde umgewühlt und für ihn ein großer 
Grasplatz geschaffen den man stolz 
Schloßpark nennt —, als ob man in 
dortiger Gegend nicht Gras genug hätte. 
Die Pappeln von der Woldsen Straße 
nach dem Friedrichsberg, die sicher Nie- 
manden im Wege standen, sind verstümmelt 
worden, auf den Landstraßen werden die 
Bäume — die wenigen, die dort stehen! 
— m jedem Jahre verunstaliet, ange 
pflanzt wird fast Nichts. — Wenn ein
	        
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