und liegt augenblicklich im Hasen von
Kopenhagen. Es heißt „Tuen" (Die Taube)
und ist ein Lustkutter, der früher dem
Prinzen Waldemar gehörte. Die Kajüten
der Gräfin sind sehr einfach ausgestattet,
nur das Schlafzimmer zeigt einigen Luxus;
vergoldete Möbel und eine prächtige Stuben
orgel schmücken das Gemach. Die Besatzung
des Schiffes besteht aus sieben Mann.
Ueber das Vordertheil ist ein Zelt aus-
gespannt, und hier hält die Gräfin ihre
Vorträge şiir die Arbeiter und Fischer.
Eine solche Versammlung soll in ihrer
Einfachheit einen ergreifenden Eindruck
machen. Die Gräfin, eine noch schöne,
vornehme Erscheinung, in einem schlichten,
schwarzen Kleide, nimmt vor einem kleinen
Tische Platz, während die Arbeiter sich um
sie versammeln. Dann erzählt sie in ein-
fachen, rührenden Worten von ihrem frühe
ren glänzenden Leben am Hofe und schil
dert, wie dieses Leben hohl und leer sei
und kein wahres Glück gewähren könne.
Sie habe daher beschlossen, künftig ihr
Leben den Armen zu widmen, um ihre
Lage zu verbessern, ihren Gesichtskreis zu
erweitern und ihnen zu zeigen, daß in
äußerem Reichthum und Glanz das Glück
nicht zu finden sei. Dann schließt sie den
Vortrag mit einem Gebet für die Unglück-
lichen dieser Erde. Die Arbeiter, die
ihren Worten mit größter Aufmerksamkeit
gelauscht haben, drücken ihr die Hand zum
Abschiede und entfernen sich ruhig. Dann
kommt eine andere Abtheilung und dieselbe
Scene wiederholt sich. Oft werden fünf
solcher Versammlungen täglich gehalten.
Von Kopenhagen reist die Gräfin mit
ihrem Schiff nach dem Dorfe Hellebek bei
Helsingör, wo eine große Fischerbevölkerung
wohnt.
Jahres den Rittern des Eisernen
re uz es und den Besitzern der
Kriegsdenkmünze von 18 70/71,
welche an den in dem Erlasse aufgeführten
15 Schlachten theilgenommen haben, ver
liehen hat, liegen nunmehr vor. Der
Eichenlaubschmuck, der bestimmt ist über
dem Eisernen Kreuz getragen zu werden,
besteht aus drei aus Silberblech erhaben
gestanzten, an den Stielen zusammen
gefaßten Eichenblättern, so zwar, daß das
mittelste derselben, welches eine erhöht
herausgearbeitete 25 trägt, voll sichtbar
ist und die beiden Seitenblätter zum Theil
überdeckt. Die Ziffern und die Adern des
Laubes treten in glattem Silber aus der
übrigen mattgehaltenen Fläche der Eichen
blatter hervor. Der Schmuck mißt im
ganzen etwa 25 mm in der Breite, 18 mm
n der Höhe. Die Spangen, welche auf
dem Bande der Kriegsdenkmünze getragen
werden, sind schmale, aus gelbem Metall
gearbeitete Plättchen mit schräg abfallen
den Rändern, auf welchen ebenfalls die
Umfaffungslinien und der erhaben geprägte
Name der betreffenden Schlacht glänzend
and, während der Untergrund matt ist.
Der Schlachtname ist, wie die Abbildung
zeigt,
PARIS.
in
— Der Kaiser war von dem Unfall
den die deutsche Marine durch das Kentern
des Torpedobootes „8 41" erlitten hat
schwer erschüttert, und in der Besprechung
die er mit dem stellvertretenden Chef des
Marinekabinetts, dem Corvettenkapitän von
Usedom, hatte, gab er diesen Gefühlen
Ausdruck. Bestimmungsmäßig sollen immer
zwei Torpedoboote zusammen manövriren
damit im Falle eines Unglücks Hülfe zur
Hand ist. In diesem Falle scheint es auch
so gewesen zu sein, denn sonst hätte wohl
kaum eine Anzahl Mannschaften und der
Commandant gerettet werden können. Der
kommandirende Admiral Knorr widmet den
Verunglückten einen Nachruf, in dem
besonders hervorgehoben wird, daß sie bis
zum letzten Augenblicke ihre Pflicht gethan
haben.
— Der Kaiser hat sich von dem Han-
delsmann Bollgras in Berlin, dem Be-
sitzer des reparirten Eisernen
Kreuzes den betreffenden Orden sowie
die Besitzulkunde einsenden und sich
näheren Bericht erstatten lassen. Die
Kugel, welche im Kampfe bei Parigns das
Eiserne Kreuz zertrümmerte, hat sich V.
zu einem Berloque verarbeiten lassen.
Uebrigens erfuhr Kaiser Wilhelm I. im
Jahre 1874 durch den damaligen Gou
verneur von Berlin von dem Vorgänge;
er ließ sich die Kugel uud das Kreuz ein-
senden; dasselbe wurde in der angedeuteten
Weise reparirt, das Geschoß jedoch ließ
der Kaiser in Gold fassen. Sodann wurde
Vollgraf in einer Audienz zu dem Kaiser
besohlen, und der Letztere überreichte die
beiden Gegenstände dem Veteranen mit der
Bemerkung, er solle nun das Ersatzkreuz
tragen. Dieses Eiserne Kreuz", so äußerte
der Kaiser, „ist das einzige, welches in
dem Kriege beschädigt wurde; tragen Sie
es noch recht lange und halten Sie es in
Ehren!" Dann überreichte der Kaiser dem
V. ein darauf bezügliches Dokument.
— Die Auszeichnungen, die der Kaiser
durch den Erlaß vom 18. August dieses
3 mm hoher Schrift ausgeführt,
während die Spange 7 mm hoch ist. Die
Breite derselben ist je nach dem einge
prägten Namen verschieden. Die Inschrift
ist — erforderlichen Falles unter Ver
kleinerung der Buchstaben — in einer
Zeile zu fertigen und hat sich auf den
Namen des Orts zu beschränken, an dem
die Schlacht stattgefunden hat bezw. gegen
den die Belagerung gerichtet war. Aus
genommen sind die Spangen für die
Schlachten an der Hallue und an der
Lisaine. Auf diesen hat die Inschrift zu
lauten:
AN DER HALLUE
AN DER LISAINE
Die Befestigung auf dem Bande erfolgt
mittels Schiebers oder zweier in der Nähe
der Ränder angelöteten, umzubiegenden
Nadeln oder in anderer zweckmäßig er
scheinender Weise.
Zu den Festlichkeiten, die anläßlich der
Kaisermanöver in Stettin statt
finden, wird die Kaiserin gleichzeitig
mit dem Kaiser hier eintreffen und am
Provinzialdiner theilnehmen. Die Kaiserin
kehrt darauf nach dem Neuen Palais in
Potsdam zurück.
— Der „Reichsanzeiger" bestätigt, daß
der hiesige französische Botscha
ter Herbette Berlin mit Urlaub ver
läßt. Wie der Hofbericht lautet, begiebt
sich Herbette zunächst nach Paris, seine
Rückkehr dürfte erst im Laufe des Monats
Oktober erfolgen.
— In der Privatklagesache des Cere
monieumeisters v. Kotze gegen den
Kammerherrn Frhrn. v. Schrader hat
der Beklagte dem Schöffengericht jetzt eine
knapp gehaltene Rechtfertigungsschrift zu-
gestellt. Nach der Lage der Sache ist zu
erwarten, daß die sensationelle Klage,
deren Erledigung etwa 20 Zeugen aus
den höchsten Kreisen vorgeladen werden
nicht lange nach Schluß der Gerichtsferien
etwa Ende September, zur Verhandlung
kommen wird.
Berlin, 31. Aug. Zum Untergange des
Torpedobootes „8 41" schreibt man
der „Nordd. Allg. Ztg." aus Wilhelmshaden
offenbar aus competentcn Marinekreisen
Bemerkt mag werden, das; sämmtliche Torpedo
boote, als sie auslicfen, eine ziemliche Deck
last in Säcken mitgenommen hatten. Es
können nur ganz besonders unglückliche Um
stände zusammengewirkt haben, die das Ken
tern veranlaßten, und cs darf angenommen
werden, daß eine lange dwars kommende
See mit Ursache hierzu gewesen ist. Jeden
falls ist dieses der erste und einzige Unfall
dafür?" lächelte Frau von Prachwitz, Felici
tas zärtlich auf die Stirn küssend. „Und
verhinderte Deine Geburt nicht eine schreiende
Ungerechtigkeit gegen Deine Mutter, welcher
man das ihr gebührende Erbe entziehen
wollte, um es mir zuzuwenden, die mit der
Familie nur in entfernterem Grade verwandt
war?"
„Ich bin über diese Verhältnisse nicht
unterrichtet, denn meine Mutter starb, als
ich noch im kindlichen Alter stand, und mein
Vater hat sich nie darüber ausgesprochen.
War denn meine Mutter mit ihren Eltern
zerfallen?"
„Nein, denn sie verlor beide sehr früh.
Das Vermögen stammte vom Großvater
Deiner Mutter und dieser hatte sie in seinem
Testanlentc zu meinen Gunsten enterbt "
„Was mag da wohl zwischen beiden vor
gekommen sein?" meine Felicitas mit einem
Seufzer. „Sollte etwa ihre Heirath mit
meinem Vater gegen den großväterlichen
Willen geschehen sein?"
„Ganz im Gegentheil," versetzte die Tante.
Es war sogar des Großvaters Wunsch, daß
sie den um viele Jahre älteren Mann hei-
rathcte, und nur unter dieser Bedingung
änderte der Großvater sein Testament dahin,
daß Deine Mutter wenigstens die Nutz
nießung des Vermögens erhielt, dieses selbst
aber auf die Kinder, oder, wenn die Ehe
kinderlos blieb, auf mich übergehen sollte."
„Immerhin läßt diese Reserve auf einen
starken Groll gegen meine Mutter schließen,
bemerkte Felicitas.
Was die Ursache gewesen sein sonnte,
weiß ich nicht; als Deine Mutter heirathete,
war ich noch sehr jung, und sie selbst hat
sich gegen mich niemals darüber geäußert
Die beiden Damen wurden in ihrem
Gespräche durch die Ankunft des Barons
von Sturen unterbrochen, welcher sie
einem Spaziergange abholen wollte.
Natürlich war Wolfgang sehr unangenehm
überrascht, als er vernahm, daß die Damen,
statt sich zu der gewohnten Morgenprome
nade fertig zu machen, an's Einpacken
ihrer Reisekoffer dachten. Felicitas verschwieg
ihm ihre Befürchtungen! sie erzählte ihm
nur von dem Einbruch in Göllnitz, und
fügte hinzu, daß ihr Vater seine Tochter
bei sich zu haben wünsche, da seine^ Ge
sundheit schon seit Jahren nicht die beste sei
und das Ercigniß ihn angegriffen habe.
Frau von Prachwitz wollte ohne Felicitas
nicht hier bleiben. Sie hatte beschlossen
nach Berlin zurückzukehren, und da mit
Abreise der Geliebten der Aufenthalt auf
der Insel auch für den Baron seinen
Hauvtreiz einbüßen mußte, so begleitete
die Damen bis Berlin und reiste von dort
direkt nach seinem schlesischen Gute weiter,
dem er schon längst einen Besuch schuldig
war. (Fortsetzung folgt.)
eit dem Bestehen unserer Torpedoflotte, das
md 15 Jahre, daß ein Torpedoboot verloren
gegangen ist, und man darf deshalb keinerlei
Zweifel an der Vorzüglichkeit des gesammtcn
Materials, noch an der Tüchtigkeit des Per-
onals aufkommen lassen. Wenn das ver-
mglückte Torpedoboot nicht ganz tief liegt,
ist eine Hebung wahrscheinlich. Der
Kreuzer „Gefion" und der Aviso „Jagd"
rnd nach Eintritt ruhigerer Witterung nach
>er Nordsee abgedampft. — Der „Lok.-Anz."
chreibt aus Kiel: Auch andere Torpedoboote
hatten bei demselben Sturm Unfälle. Bon
3. Division wurden drei Mann über
Bord geschleudert, darunter der Chef des
Torpedobootes „8. 58". Letzterer hatte be
reits 15 Min. im Wasser gelegen und war
vollständig erschöpft, als er gerettet wurde/
Berlin, 2. Sept. Die „Deutsche Sonn
tags-Post" hört, daß die Forderungen
ür die Marine nur in ganz be
-chränktem Umfange vor den nächsten
Reichstag gebracht würden. Letzterer
werde sich der Pflicht nicht entziehen
können, sich klar zu der Frage zu stellen,
welchem Tempo an den Neubau und
Ersatz der schon jetzt unbrauchbaren Schiffe
heranzutreten sei. Nicht kampffähige
Schiffe der Eventualität eines Kampfes
auszusetzen, heiße nicht nur mit dem
Gute, sondern auch mit dem Blute der
Nation ein sträfliches Spiel treiben.
— Die bereits erwähnte Note einiger
Pariser Blätter, welche besagte, daß Ge
neral M u n i e r als inaktiver Offizier
amtlich in keiner Weise für seine Hand
langen verantwortlich gemacht werden
könne, war, wie aus Paris gemeldet wird,
aus dem französischen Auswärtigen Amte
lancirt und hatte den Zweck, eine Be
chwichtigungscampagne einzuleiten. Wie
weiter berichtet wird, ist General Munter
Vorsitzender des Vereins der französischen
Reserve- und Landwehrosfiziere. Diese Stel
lung ist so verantwortlich, daß Vorsicht
Ar Munier ganz besonders geboten war
und sein Verschulden um so schwerer er
cheint. Da der General seit 1888 auch
Großoffizier der Ehrenlegion ist, so wäre
es wohl Sache dieses Ordens, sich mit
dem Falle zu befassen. Herr Munier ist
übrigens, um der ihm allzu unbequem ge
wordenen Wißbegierde der Reporter und
Correspondenten sich zu entziehen, aus
einer Wohnung in Paris gänzlich ver
chwunden. Ein Gerücht wollte wissen
daß er sich nach dem Seebade Trouville
begeben haben sollte, allein auch dort hat
man ihu bis jetzt noch nicht ausfinden
können.
Berlin, 30. Aug. Die „Nat.-Ztg.
schreibt: „Wie wir zuverlässig erfahre^
hat die interessante Thatsache ergeben, daß
der französische General Munier, mit
welchem sich die deutsche Presse in der
jüngsten Zeit wegen seiner Schmähungen
des deutschen Heeres beschäftigen mußte
im vergangenen Jahre wegen Verleumdungen
gerichtlich zu 1000 Frcs. Geldbuße ver-
urtheilt worden ist. Damit dürfte jedes
weitere Wort betreffs der neuesten Leistung
dieses Herrn überflüssig werden, und man
wird nur noch der Verwunderung Aus
druck geben können, daß das französische
Offizierkorps in seinen Reihen, wenn auch
nur in denen der Reserve, diese Persön
lichkeit duldet."
Die Getreide-Speculationen der Firma
Cohn & Rosenberg in Berlin hat die
gesammte Presse pro und contra in Be
wegung und zum Gegenstände eingehender
Untersuchungen gemacht und ist dabei an
der Hand der amtlichen Canallisten
sehr interessanten Ergebnissen gelangt
Diese eine Getreide-Speculationsfirma
welche eine kleine Mühle besitzt, hat
also mehr Roggen und Weizen nach Ber
lin gebracht, als der gesammte übrige
Getreidehandel, die Hunderte von Firmen
von Berlin und Umgegend zusammen ge-
nommen. Während die übrigen Getreide
händler, die im Ausland Roggen und
Weizen gekauft hatten denselben entweder
„zurückregulirten" oder denselben nach dem
Auslande, wie z. B. nach Skandinavien
und Dänemark, zu zeitweilig schon lohnen
den Preisen, verkauften, verzichtete die
Firma Cohn & Rosenberg aus diese Ge
winne, sie zog gewaltsam nach Berlin
was sie nur greifen konnte, denn ihr
Zweck war, die Berliner Getreidebörse
decoutiren. „Wir haben", schreibt
die „Bank- und Handelszeitung", „hin
durch zahlenmäßig den Beweis geführt,
daß eine, nicht einmal zu den ersten des
Berliner Platzes gehörige Firma an ver
kün st lichen Ueberfluthung mit
Getreide die einzige Schuld trägt und er
warten den Gegenbeweis." — Dadurch ist
allerdings überzeugend der Beweis geliefert,
daß nicht immer, wie behauptet wird, die
sachlichen Verhältnisse durchaus maß
gebend sind, sondern daß Personen im
Stande sind, durch plötzliche künstliche
Maffeneinführung der Waare die Preise
zu bestimmen und den Verkehr zu hemmen
Berlin, 31. Aug. Die amerika
nischen Veteranen sind kurz vor
Uhr hier eingetroffen. Am Bahnhöfe hatten
sich Deputationen von 20 Kriegervereinen
ausgestellt. Bei der Einfahrt inlvnirte die
Musik „Deutschland, Deutschland über
Alles", die Fahnen salutirten. Die Be
teranen wurden von dem Berliner Ans
chuß lebhaft begrüßt, zwei Ehrendamen
überreichten Lorberkränze. Das zahlreich
vor dem Bahnhof angesammelte Publikum
brachte enthusiastische Ovationen dar. Kurz
nach 1V 3 Uhr traf der Wagenzug der
deutsch-amerikanischen Veteranen bei der
amerikanischen Botschaft ein. Eine De
putation von etwa 20 Mann begrüßte den
Botschafter. Der Vorsitzende des Chicagoer
Militärvereins, Schlenker, meldete die Rück
kehr der Veteranen nach der alten Hei-
math zur Theilnahme an der nationalen
Feier an und versicherte, die Veteranen
-eien bereit, wenn das Adoptivvaterland
rufe, für das Sternenbanner zu kämpfen,
wie für 25 Jahren für die deutsche Tri-
colore. Der Botschafter erwiderte mit dem
Wunsche, die Veteranen möchten dem Adop
tivvaterlande Nord-Amerika dieselben pa
triotischen Gefühle entgegenbringen wie dem
Geburtslande Deutschland, und wünschte
schließlich den Veteranen einen fröhlichen
Aufenthalt und eine glückliche Rückkehr.
— Mit der Kaiser Wilhelm-Ge-
ä ch t n i ß k i r ch e ist die Zahl der
evangelischen Kirchen Berlins auf
ü n f z i g gestiegen. Es ist die zehnte
Kirche, die unter der Regierung Wilhelms
eingeweiht wird. Die Zahl der katho
tischen Kirchen innerhalb des Berliner
Weichbildes ist in derselben Zeit von sechs
aus acht gestiegen.
Eine eigenthümliche Ueberraschung
wurde einem Regierungsrath und dessen
Gattin zu Theil, die nach mehrmonatlichem
Aufenthalt in der Schweiz zurückgekehrt
md. Sie hatten ihrem Dienstmädchen
ihre in der Potsdamerstraße in Berlin
belegene Wohnung allein anvertraut, und
als sie nun die Treppen nach derselben
hinaufstiegen, tönte ihnen Gläserklang und
lautes Sprechen entgegen. Im Vorraum
owie in den Zimmern lagen zahlreiche
stemde Garderobenstücke umher und im
Salon saß eine lustige Gesellschaft an der
Tafel. Darunter befand sich auch die
Dienerin des Regierungsraths im
Brautschmuck. Sie feierte hier die
Hochzeit mit ihrem langjährigen Ver
lobten, einem Handwerker, da sie die
Rückkehr ihrer Herrschaft erst später er
wartet hatte. Beim Eintreten der Letz
teren erschrak die Gesellschaft mächtig und
Alle, auch der junge Ehemann, verdufteten
-chleunigst. Nur die Dienerin blieb
zurück und bat unter Thränen um Ver
zeihung, die ihr auch in Rücksicht auf
ihre jahrelangen treuen Dienste gewährt
wurde, doch mußte sie alsbald das Haus
verlassen.
Berlin, 29. August. Aus verschmähter
Liebe hat gestern Abend in der zehnten
Stunde der 23jährige Schlossergeselle
Schwarz seine Geliebte, die 17jährige
Johanna Brun n, durch einen Revolver
schuß in die Brust g e t ö d t e t und sich
dann selbst durch einen zweiten Schuß
entleibt. Schwarz unterhielt mit
dem hübschen Mädchen seit etwa V« Iah
ren ein Liebesverhältniß. Das Paar ent
zweite sich und die Brunn wandte sich
einem Schlächtergesellen zu Schwarz er
fuhr hiervon und versuchte durch eine
Unterredung am gestrigen Abend die
Brunn, die bei dem Hofschlächtermeister
F. Nietsch als Verkäuferin beschäftigt, um
zustimmen. Vor dem Laden des Schläch
termeisters kam es zu heftigen Aufeinander
setzungen, in deren Verlauf Schwarz einen
Revolver hervorzog und dann die oben
geschilderte That vollzog.
Potsdam, 31. Aug. Am Geburtshau e
des verstorbenen Professors v. Helmholtz
wurde heute eine von der Stadt gestiftete
Gedenktafel angebracht. Oberbürger
meister Bvie hielt eine Ansprache. Der Feier
wohnten die Spitzen der Behörden und
Professor Vogel bei.
Bei einem Brande in Brühlsdorf bei
Bromberg ist in der Nacht zum Sonnabend
der Vater des Besitzers Pollnack in
den Flammen umgekommen. Die
übrigen Bewohner retteten nur das nackte
Leben. Sämmtliches lebende Inventar tst
verbrannt.
Eine Feuersbrun st vernichtete
Herrischwikd im Amtsbezirk Säckingen die
Eckertjche Besitzung. Sämmtliche Bewohner,
drei Geschwister, sind dabei ums
Leben gekommen, wahrscheinlich ver der
versuchten Rettung des Viehs. Das Vieh
ist mit verbrannt.
Die Verhaftung des städtische
Steuere m psängers Ritter i
Lauda» wegen Unterschlagung amtlicher
Gelder hat ein besonderes Interesse, weil
die Stadt Lauban sich in der unangeneh
men Lage befindet, zum dritten Mal ihren
Steuerempfänger dem Gerichte überweisen
zu müssen. Postawka war der erste
Vogel als zweiter wurde wegen Unter
schlagung von 22,000 Mk. im Jahre 1891
zu sechs Jahren Zuchthaus verurtheilt
Gleich nach dem Fall Böge! wurde seitens
der städtischen Behörden eine sehr ein
gehende Aufsicht des Steuerempfäugers
angeordnet, und trotzdem diese neuen
Unterschlagungen. Durch die Kaution des
Ritter wird der Steuerkasse voraussichtlich
kein Schaden erwachsen, aber Ritter hat
bei seinen Unterschlagungen auch Fälschun
gen verübt, indem er die Zahlung der
Steuerbeträge zivar auf dem Steuerzettel
bescheinigte, aber es unterließ, die Journal
nummer, die den Unterschriften von zwei
Beamten beigefügt sein soll, anzugeben.
Auch hat er nach Fälschungen von Unter-
-chriften Mündelgelder in erheblicher Höhe
unterschlagen. Ritter bezog 1500 Mark
Gehalt, das im nächsten Jahre auf 1600
Mark erhöht werden sollte.
Für Brotterode sind jetzt im Ganzen
an Geld etwa 190,000 Mk. eingegangen.
Davon nimmt der Barackenbau etwa
90,000 Mark in Anspruch; es sind sechs
Baracken mit je 10 Wohnungen festgestellt,
die gemeinsam Centralheizung haben. Bon
den sieben Lehrern in Brotterode unter
richten zur Zeit drei am Orte und vier
in den umliegenden Orten, wo die meisten
Einwohner aus Brotterode zur Zeit
wohnen. Die Speisung der Abgebrannten
erfolgt nicht mehr unentgeltlich, da jetzt
viel Arbeitsgelegenheit vorhanden.
Mannheim, 30. Aug. Während des
gestrigen Abendconcertes im Stadtgarten
jagte sich der 33 Jahre alte Oberkellner des
Etablissements, Adolf Preller, eine Revol
verkugel in die Brust. Der Schwerverletzte
wurde dem Allgemeinen Krankenhause über
geben. Als Motiv der That nennt man
Liebeskummer.
Saarbnrg, 30. Aug. Heute früh ertrank
Hauptmann Thielen mit seinem Pferde im
Rhein-Marnekanal bei Arzweiler. Wie
Augenzeugen erzählen, hat das Pferd vor
einem vorüberfahrcnden Schiffe an einer
Stelle des Leinpfades gescheut, wo nicht
allein Kies ausgebreitet, sondern auch Kanal-
schlamm gelagert war. Der Weg auf dem
Leinpfad dort ist kaum einen halben Meter
breit. Der Verunglückte kam nach der
Straßb. Post" im Kanal unter das Pferd
zu liegen. Andernfalls hätte er sich wohl
noch retten können.
Für Dortmund ist die Reichstag s-
rsatzwahl nunmehr aus den 25. Oktober
angesetzt worden.
Für die Reichstagsersatzwahl im ivürtem-
bergischen Wahlkreise Calw, welche durch
die Beförderung des Abg. Freiherrn von
Gültingen zum Landgerichts-Direktor erfor
derlich geworden ist, haben die Sozialdemo
kraten P. Ben; aus Stuttgart aufgestellt.
Augsburg, 31. Aug. Gestern wurde die
36. Generalversammlung des „Allgemeinen
deutschen Genoffenschafts - Verbandes" ge-
schlossen. Angenommen wurde der Antrag,
im Reichstage dahin zu wirken, daß geg-
nerische Bestrebungen gegen die Consum-
vereine hintangehalten werden, ferner ein
Antrag, welcher die Hebung des Handwerks
durch Gründung von Handwerkergenossen,
-chasten empfiehlt. Hierbei sollen die zu
gründenden Handwerkergenossenschaften so
viel wie möglich von den schon bestehenden
Genossenschaften Deutschlands unterstützt
iverden.
Das Denkmal für Schulze-De-
litzsch ist doch genehmigt worden. Dem
Anwalt des Genoffenschafts-Berbandes,
Abg. Schenck, ist, wie wir aus weiteren
Berichten von dem Genossenschast-stag in
Augsburg entnehmen, durch das Polizei-
Präsidium vorläufig mitgetheilt worden,
daß der Minister des Innern die Auf
stellung des Denkmals auf dem zuletzt
vorgeschlagenen Platz in der Köpenicker
Straße bei der Einmündung der Insel-
und Jakobstraße genehmigt hat. Es wird
eine engere Konkurrenz unter hervorragen
deren Bildhauern ausgeschrieben werden.
Einen gräßlichen Tod fand der
Heringshändler Fr. Friedrichsohn aus
Grcifenhagcn, der mit seinem Kahn in
Fürstenberg a. O. vor Anker lag und seit
mehreren Tagen vermißt wurde. Man
fand seine bereits stark in Verwesung
übergegange Leiche in der Kajüte vor.
Der untere Theil des Körpers lag auf
einem Sopha, während der Kopf aus dem
Fußboden in Wasser steckte. Neben dem
Todten lag ein alter, erblindeter Hund.
Da derselbe nicht ins Freie gelangen
konnte, so war er, vom Hunger getrieben,
über seinen todten Herrn hergefallen und
hatte das eine Bein desselben vollständig
abgefressen und das Muskelfleisch eines
Oberarmes verzehrt. Friedrichsohn, der
dem Trünke ergeben >oar, ist wahrschein-
sich im berauschten Zustande mit dem
Oberkörper vom Sopha gerutscht und hat
so den Tod durch Ertrinken gefunden.
Der Marktflecken Roßdorf bei Wasungen
ist bekanntlich zu mehr als einem Drittel
eingeäschert worden, das Gioßseuer legte
in kurzer Zeit die beiden großen Güter
mit ihren sämmtlichen Erntevorräthen, das
Wechmarsche Schloß, sowie 44 kleinere
Wohnhäuser mit den dazu gehörigen
Scheunen und Stallungen in Äsche. Dem
einen Gutsbesitzer sind gegen 40 Stück
Hornvieh, darunter zwei gekörte große
Bullen, und 20 Schweine, einem Pachter
10 Stück Rindvieh und 25 Schweine theils
verbrannt, theils erstickt. Ausgekommen
ist das Feuer in einem alten -schafstall
des einen Gutes, in welchem kurz vorher
Strohseile gebunden w«en; „offenbar hat
dieses Material zum raschen Umsichgreifen
des Feuers mit beigetragen. Angeblich
hat ein vierjähriger Knabe mit
Streichhölzchen gespielt. Ein starker
Westwind lrug die Flainmen weiter, iodaß
der ganze nordöstliche Theil des Markr-
fleckens vernichtet wurde. Außer den
Gütern sind zumeist Arbeiter betroffen
wvrdeii, die aus dem Felde iveilten und in