-go Kŗfcheint täglich.
Meņdsburger
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88ster Jahrgang.
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W0. 204.
Montag, Äen 2 September
1895.
Morgen-Depeschen
Berlin, 2. Sept. Es wird am Sedan
tage eine Kundgebung des Kaisers
an die Armee erwartet.
Kiel, 2. Sept. Unweit der Kaiseryacht
„Hohenzollern" sank ein Marinekutter. Ein
Feldwebel und 4 Seecadetten wurden
gerettet, während der Seesoldat Schwalle,
des Schwimmens unkundig, ertrank. Die
Leiche wurde durch Taucher geborgen,
während der Kutter noch nicht gehoben ist.
Kiel, 2. Sept. DasSchulschiff„Gneisenan",
welches in der Nordsee den Schooner
„Delphin" durch Anrennen zum Sinken
gebracht hatte, überrannte in der Kieler
Äußensöhrde ein Segelfahrzeug. Dasselbe
sank sofort; die Mannschaft wurde gerettet.
Lübeck, 2. Sept. Der Privatier Schulz
in Ratzeburg hat seine beiden Töchter
erschossen und dann Selbstmord begangen.
Ratzeburg, 2. Sept. Der frühere Kauf
mann Schultze tödtete durch Revolverschüsse
seine beiden Schwestern und dann sich selbst.
Grund: falsche Speculation.
Frankfurt a. M-, 1. Sept. Die „Frkf.
Ztg." meldet, daß gestern Abend gegen
6 Uhr bei den Kanalarbeiten am Opern-
platz durch ausströmende Gase Arbeiter
betäubt worden seien. Einer davon starb,
die drei anderen hofft man im Hospital
ins Leben zurückzurufen. Bis zum späten
Abend waren dieselben jedoch noch nicht
zum Bewußtsein gebracht. Bei den Kanal-
arbeiten handelt es sich um Rohrverlegungen,
die zur Fundamentirung des Kaiser Wilhelm-
Denkmals nothwendig geworden sind. Die
Feuerwehr stieg mit Rauchhelmen versehen
in die Grube und schaffte die Betäubten
heraus.
Petersburg, 31. Aug. Ein Telegramm
der Nowosti aus Tiflis meldet: Die
armenische Zeitung Mschak berichtet ans
Kara-Urgan, 5000 türkische Soldaten mit
10 000 Kurden unter Zaki Pascha über
fielen die Armenier der Stadt und des
Dorfes Damach, plünderten die Kirchen und
Klöster und zerstörten viele Häuser.
London, 2. Sept. Nach einer Lloyds-
Depesche aus Havanna ist der Dampfer
„Ascania" der Hamburg-Amerika-Linie in
der Nähe des Cap San Antonia (Westküste
der Insel Cuba) gestrandet.
Dundee, 2. Sept. Der Streik der Arbeiter
in den Jute-Fabriken ist beendet. Die
Arbeiter nahmen die Arbeit unter den altenBe-
dingungen wieder aus.
Triest, 1. Sept. Im hiesigen Excelsior-
parke ist der angeblich aus Schlesien
gebürtige Kaufmann Friedrich Weiland
ertrunken. Die Leiche ist geborgen.
Prag, 2. Sept. Das Abendblatt der
„Politik" verzeichnet das Gerücht, bei den
letzten Divisionsmanövern hätten ein Oberst
und ein Hauptmann während einer Schieß
übung den Tod durch Erschießen seitens
eines Dritten gefunden.
Prag, 2. Sept. In Kosteleiz ist die
ganze Familie eines Gerichtsvollziehers
nach dem Genuß von giftigen Schwämmen
gestorben.
Paris, 1. Sept. Der „B. A." meldet:
König Alexander von Serbien wurde heute
in Biarritz beim Baden von einer Sturz
welle ergriffen und in's offene Meer fort
gerissen, so daß er sich nur mit Mühe
retten konnte, während der Bademeister,
der ihn begleitete, ertrank.
Oaxaca (Mexiko), 31. Aug. In den
Städten Pinotega und National, in dem
südlichsten Theile des Reiches, fanden heftige
Erdbeben statt. Bier der Stöße waren
von furchtbarer Gewalt und verursachten
eine Panik unter der Bevölkerung. Die
Häuser sind fast sämmtlich eingestürzt und
die des Schutzes Beraubten mußten unter
Bretterbuden auf freiem Felde untergebracht
werden.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
New-Iork, 30. Aug. Laut Befchl des
Kriegsministers ist in die n a ti o n a l e Flagge
Amerikas ein neuer Stern zugefügt,
der den neuen Staat Utah darstellen soll,
dessen Eintritt in den Bund der Bereinigten
Staaten am 4. Juli nächsten Jahres erfolgen
wird.
Oesterrcich-Nngarn.
Zur Kabinettsfrage in Oesterreich geht
der „Voss. Ztg." aus Wie» von einem
Gewährsmann, den sie für bestunterrichtct
anzusehen Grund hat, folgende Mittheilung
zu: Der Antritt des Ministeriums Badeni
wird am 1. Oktober erfolgen. Die Mi-
nisterliste liegt so gut wie vor: Badem
Präsidium und Inneres; Dr. Gautsch
Unterricht; Dr. von Bilinski Finanzen;
Graf Gleispach Justiz; Exner Handel;
Graf Zedtwitz Ackerbau; Graf Welsers-
heimb Landesvertheidigung. Außerdem soll
ein Verkehrsministerium gebildet werden
und für dieses Marchwicki, der gewesene
Präsident der galizischen Landausstellung,
erwählt werden.
In Wien war, wie die „Radwelt" mel
det, vor einigen Tagen ein Pferd scheu
geworden und raste durch die Straßen,
ohne daß es gelingen wollte, dasselbe ein
zufangen Schon hatte das scheue Thier
verschiedenes Unheil angerichtet, da kam
zufällig der Obmann des R. C. Radsport
freunde auf seinem Zweirad des Wegs.
Er setzte dem Pferde nach, überholte es
und wußte es durch sein plötzliches Er
scheinen so stutzig zu machen, daß das
Thier einen Augenblick anhielt. Rasch er
faßte dann der muthige Bicyclist die her
abhängenden Zügel, und nun konnte das
Thier gebändigt werden. Das Publikum
brachte dem Radfahrer für seine säst toll
kühne That eine begeisterte Ovation dar.
Aus Lemberg wird den Berliner Blät
tern geschrieben, daß die Cholera in
olhynien sich immer mehr aus
breite. Die Gestorbenen werden auf
einem besonderen Cholera-Friedhof beerdigt.
Unter der Bevölkerung herrscht große
Panik. Der Verlauf der Krankheit ist ein
sehr schneller.
Budapest, 1. Sept. Der „Pester Lloyd"
schreibt offiziös unter starken Angriffen auf
den serbischen Generalkonsul in Budapest,
welcher ungarische Behörden geradezu des
Betrugs beschuldige: Das Verbot der Ein
fuhr serbischer Schweine werde in loyalster
Weise sofort aufgehoben, wenn Serbien
durch eine ungarische Kommission konsta
tireu lasse, daß in Serbien keine Seuche
mehr sei.
Budapest, 30. Aug. Großes Aufsehen
erregt die Verhaftung des Advocaten Zol
tan Takats, der als radicaler Agitator
eine hervorragende Rolle spielte, wiederholt
oppositionelle Straßen-Demonstrationen in-
scenirte und auch bei dem Dynamitatten-
tat beim Henzi-Monument seine Hand mit
im Spiele hatte. Takats wird verdächtigt,
an einer vor zwei Jahren in der hiesigen
Escomptebank verübten Defraudation von
43,000 Fl. betheiligt gewesen zu sein und
von dem defraudirten Gelde 20.000 Fl.
erhalten zu haben.
Rußland.
Petersburg, 1. Sept. Die „Moskows-
kija Wjedomostt" behaupten, die russische
Flotte im fernen Osten solle nicht ver
mindert, sondern allmählich vergrößert
werden. — Dasselbe Blatt meldet, Japan
scheine jetzt geneigt, von China eine
Kriegsentschädigung von 30
Millionen anzunehmen, nach deren Erle-
gung Liao-Tong geräumt werden würde.
Petersburg, 1. Scpt. Wie man uns
chreibt, hat die japanische Regierung be
schlossen, ein: neue große Dampfschifffahrts
gesellschaft zu subventioniren, deren Schiffe
derartig eingerichtet sein müssen, daß sic evtl,
iür Kriegszwecke verwendet werden könnten.
Bisher bestehen in Japan 31 Schifffahrts
gesellschaften, die über 643 Dampfer mit
102.000 Tonnengehalt und 788 Segelschiffe
mit 46 000 Tonncngehalt verfügen.
Bulgarien.
Sofia, 30. August. Das militärische
Blatt „Woenni List", welches von der
Opposition als ein Organ des Kriegs
ministers hingestellt wurde, und welches
die Aufhebung der Verfassung und die
Errichtung einer Militairdictatur empfahl,
ist sus pendirt worden.
Serbien.
Belgrad, 31. Aug. Der österreichische
Minister des Aeußern, Graf Go ln
ch owski, beantwortete die serbische Rekla
mation betreffs der Schweinegrenz
sperre in versöhnlichem Sinne und ver
sprach, die Grenze für die serbischen
Schweine bald wieder freizugeben.
Schweiz.
Ein Pariser Ehepaar unternimmt
zur Stunde eine Schweizerreise, die
in ihrer Art bis jetzt wohl einzig sein
dürfte. In Begleitung eines Heizers traf
dasselbe, wie die „Basl. Nachr." berichten,
Sonnabend-Abend, von Basel über den
Hanenstein kommend, mit einem Dampf-
Velo in Olten ein, um von dort über
Luzern, Schwyz und den Gotthard nach
Italien zu fahren. Von dort erfolgt die
Rückkehr über den Simplon in's Wallis
und die Westschweiz. Im Oktober gedenkt
das Paar nach Paris zurückzukehren. Das
Ehepaar ist Graf Henry de Cougnard mit
seiner Gemahlin. In normalen Ver
hältnissen legt das Vehikel auf ebener
Straße 30 Kilometer per Stunde zurück.
Frankreich.
Paris, 31. Aug. Der Anarchist Cohen,
der in contumaciam zu 20 Jahren Zwangs
arbeit vcrurthcilt worden war, wurde gestern
von dem Geschworenengericht des Seine-
departements freigesprochen. Entgegen dem
Verfahren, das gegen die übrigen 30 Ver-
urtheilten beobachtet worden war, hatte der
Geueralstaatsanwalt die Anklage gegen Cohen
aufrechterhalten und ihn als einen der gefähr
lichsten Anarchisten dargestellt.
Paris, 30. Aug. Frau Heine hat dem
französischen Kriegs-Ministerium
ihre Villa in Nizza nebst Gärten ge'
schenkt. Die aus Madagaskar heim
kehrenden kranken Offiziere sollen daselbst
gepflegt werden, und die von ihr gleich
zeitig ausgesetzte Rente soll zur Bestreitung
der Unterhaltungs- und Verpflegungs
kosten dienen. — Der Stapellauf des
neuen großen Panzerschiffes „Charlemagne"
in Brest ist ans den 17. October, Nach
mittags, anberaumt.
Paris, 31. Aug. Die Flucht des
französischen Senators Magnier be
schäftigt begreiflicherweise die franzö
sischen Zeitungen ausschließlich. Die
Flucht erfolgte nicht in einem Korbe
schmutziger Wäsche, wie die sonst zuver
lässigen „Debats" gestern berichteten, sondern
Herr Magnier verließ seine Wohnung auf
natürlichem Wege, ohne von der Polizei
erkannt und behelligt zu werden. „Es ist
sicher", schreibt der „Figaro", „daß Herr
Magnier nicht mehr in Paris, sondern
jenseits der Grenze in Sicherheit ist. Er
wurde Sonnabend früh in Orleans ge
sehen, aber Sonnabend-Nachmittag war er
nicht mehr dort, wie wir versichern können."
Er war übrigens so überzeugt von dem
Erlasse eines Haftbefehls gegen ihn und
von der Ueberweisung seiner Angelegenheit
an das Schwurgericht, daß er einen Brief
an den Staatsanwalt schrieb, den der
„Figaro" veröffentlicht, und worin er an
zeigt, daß er am Tage der Verhandlung
vor Gericht erscheinen werde. Jetzt wolle
er jedoch in aller Zurückgezogenheit seine
Vertheidigung vorbereiten. Das genannte
Blatt ist überzeugt, daß Herr Magnier
sein Versprechen hält, und bemerkt an
anderer Stelle, daß die Regierung durch
sein Bleiben in große Verlegenheit ge
kommen sein würde, weil Herr Magnier
entschlossen war zu reden. Vor seinen
Enthüllungen sei das Ministerium Ribot
nun für einige Wochen sicher. Er werde
später Mittel finden, sie zu unterdrücken
oder sie zu entstellen. In ähnlicher Weise
hätte sich damals Herr Constans des ihm
unbequemen Boulanger entledigt. „Was
ist das aber für eine Regierung", schließt
der „Figaro", die, um sich zu halten, in
dieser unwürdigen Weise verfährt? Die
Gesetzmäßigkeit tobtet uns, hieß es unter
Louis Philippe. Jetzt sind wir schon,
weiter, sie entbehrt uns."
Dänemark.
Kopenhagen, 29. Aug. Das Schiff, das
die Gräfin Schimmelmann ausgerüstet
hat, um ihre Missionsthätigkeit unter den
armen Fischern auszuüben, ist vollendet
34) 'Blume aller Şchà
Roman von Gustav Höcker.
„Ich habe es hier nicht mit dem Gesetze,
sondern nur mit meinem Gewissen zu thun,"
entgegnete Melanie. „Der Mann, der mein
Leben schonte, vertraute meinem Worte, und
ich werde mich von einem Verbrecher nicht
beschämen lassen."
Der Commissar lächelte kalt. „Das Gesetz
hat im vorliegenden Falle mit der Gewissens
frage nichts zu thun, wohl aber besitzt es die
Mittel, Ihren Widerstand zu brechen. Sie
werden als Zeugin vor Gericht erscheinen
und darauf vereidigt werden, daß Sie die
Wahrheit sagen."
„Ich werde vor Gericht eben so wenig bte
Unwahrheit sagen, Herr Commissar, wie jetzt.
Ich werde nur schweigen, wo mein Gewissen
mir das Reden verbietet."
Der Beamte schüttelte bedenklich den Kopf;
da Melanie aber bei ihrem Entschlüsse be-
harrte, so ^lieb ihm nichts anderes übrig, als
ihre Weigerung ebenfalls zu Protokoll zu
nehmen und das Uebrige dem Richter zu über-
^^So wenig das starre Festhalten Melanie's
an ihrem Versprechen in dem « bej
bestohlenen Gutsherrn lag, so verlor die er
doch kein Wort darüber. Er wünschte alles
zu vermeiden, was fern Verhaltmß zu ihr
tV t Sm Tage schütte Maitland das
L2"ņ>A"àBL"'»itĶ'l» wan-
halts daß er von dem beabsichtigten Kaufe
zurittklrete, nachdem er sich m vergangener
Nacht von den Nachtheilen und Gefahren, der
Unsicherheit der Gegend und der Abgelegenheit
des Gutes habe überzeugen müssen.
* ff:
Die wenigen Tage, welche Felicitas mit
ihrer Tante und dem Baron von Sturen in
dem Rügen'schen Seebade Saßnitz bisher ver
lebt hatte, waren wie ein glücklicher Traum
gewesen.
Aber solche Tage heiterer Hoffnung gleichen
nur zu oft dem glänzenden Morgen des tro
pischen Klimas, wo mitten an einem zuvor
ganz fleckenlosen, lachenden Himmel sich plötz
lich ein kleines dunkles Wölkchen zeigt, um
sich binnen weniger Stunden schwarz und
drohend über dm ganzen Horizont auszubreiten
und Zerstörung und Jammer herabzusenden.
Das unscheinbare Wölkchen war ein Brief,
den Felicitas eines Morgens von ihrem Vater
empfing. Begreiflicher Weise erschrak sie
über die darin enthaltene Nachricht von dem
Erubruchsdiebstahl, aber noch viel mehr über
dm kurz angebundenen, gebieterischen Ton, in
wachem sic aufgefordert wurde, ohne Verzug
nach Hause zurückzukehren. Sie begab sich
fofor zu ihrer Tante, welche das anstoßende
Zlmmer bewohnte, und während diese Teß-
ner c Brief las, durchflog Felicitas ein gleich-
ņ.. ,°U'psangmes Schreiben Melanie's.
1 0 begann die Hand, worin sie dasselbe
hielt, heftig zu zittern und sank herab.
Frau von Prachwitz gab, während sie
las, durch verschiedene Ausrufe ihre er
staunte Antheilnahme an dem ruchlosen
Frevel zu erkennen, dessen nächtlicher Schau
platz das Göllnitzer Herrenhaus gewesen
war. „Weshalb Dich aber Dein Vater mit
so peremptorischen Worten nach Hause ruft,"
sagte sie. „begreife ich nicht. Deine Gegen
wart kann doch die Sache nicht ungeschehen
machen! Aber was hast du, Kind?" fragte
sie aufblickend, „Du zitterst ja und bist
ganz blaß geworden!"
„Da, lies, Taute, was Melanie über
diesen Punkt schreibt; das erklärt mir zur
Genüge, weshalb mein Vater auf meiner
sofortigen Rückkehr besteht."
Felicitas reichte der Tante den Brief und
deutete auf eine Stelle darin, welche folgender
maßen lautete: Ich fürchte sehr, liebe Feli
citas, daß mit diesen Zeilen zugleich ein
Brief Ihres Vaters eintrifft, welcher sie nach
Hause zurückruft, und ich mache mir die
bittersten Vorwürfe, vielleicht die unschuldige
Ursache zu sein, daß Sie dem kaum erst ge
nossenen herrlichen Aufenthalte an der
Meeresküste wieder entrückt werden sollen.
Ihr Vater gab anfangs _ nicht die mindeste
Absicht zu erkennen, Sie in Ihrem Vergnügen
zu stören, änderte aber ganz p lötzlich seinen
Sinn. Es ist möglich, daß ich mich über
die Ursache täusche, aber verschweigen will
ich Ihnen nicht, daß dieser Rückschlag in
den: Augenblicke eintraf, wo ich, ohne nur
dabei etwas Schlimmes zu denken,
ganz beiläufig die Aeußerung fallen ließ,
daß sich Herr Baron von Sturm in Ihrer
Gesellschaft befinde."
Die Tante schüttelte, als sie gelesen, dm
Kops und wurde nachdenklich.
„Ich erinnere mich wohl," unterbrach Fe
licitas ein längeres Schweigen, „daß mein
Vater sich sehr unfreundlich gegen Wolfgang
benahm, als wir uns zum ersten Male
wiedersahen. Damals schrieb ich es dem
Schreck zu, den er uns durch sein plötzliches
Hervorbrechen aus dem Parke eingejagt
hatte. Nun weiß ich zwar, daß mein Vater-
leider von sehr unversöhnlichem Charakter
ist, dennoch kann ich mir kaum denken,
daß er ihm eine solche Kleinigkeit nach
tragen sollte."
„Wenn er dem Baron übelgesinnt ist,
entgegnete die Tante langsam und ge
dankenvoll, „so liegt die Ursache dazu wohl
viel weiter zurück. Ich weiß, daß er auf
Wolfgang's Vater nicht gut zu sprechen
war. Er sah den Verkehr zwischen Dir und
Wolfgang, als ihr noch Kinder wäret, nicht
gern, duldete ihn aber, weil er mir in
meinem Hause keine Vorschriften machen
konnte."
„Du meinst also, Tante, daß ein alter
Haß gegen Wolfgang's Vater zu Grunde
liegt? O, hättest Du mich vor diesem un
seligen Hinderniß, welches ich plötzlich
zwischen mich und Wolfgang treten sehe,
doch gewarnt, ehe ich der Stimme meines
Herzens Gehör gab!"
„Mache Dir keine thörichten Skrupel
mein Kind!" beruhigte Frau von Prach
witz, das Haupt des bestürzten Mädchens
an ihre Brust lehnend."
„Hat Melanie richtig beobachtet, und
Deine Rückberufung stützt sich wirklich auf
einen verjährten Groll, den Tein Vater
gegcn Wolfgang's Familie hegt, so wird
das keine Rolle spielen, wenn er hört, mit
welchen ernsten Absichten auf Dich der
Baron sich trägt."
Man behauptet, die Liebe sei blind, und
in Augenblicken der Freude hat sie wirklich
ein blödes Auge; aber bei dem ersten
Kummer, der an sie herantritt, kommt ein
prophetischer Geist über sie, welcher sie das
Unheil schon von ferne sehen läßt, das mir
zu oft aus ihrem Rosenpfade lauert. So
konnte auch Felicitas, trotz der Tröstungen
ihrer Tante, eine düstere Ahnung nicht los
werden.
„Tante," sagte sie nach längerem Schwein-
gen in naturgemäßer Jdeeenverbindung, mit
ihrer Stimme, „auch Du sollst ja einst
unglücklich geliebt haben! Deine Eltern
waren adelsstolz, so viel ich weiß, und
wollten Dich dem bürgerlichen Manne, den
Du liebtest, nicht geben. Du gehorchtest
ihnen und entsagtest dem Theuersten, was
die Welt für Dich hatte."
„Mein Fall war ein ganz anderer als der
Deinige," erwiderte Frau von Prachwitz mit
einem leisen Lächeln, daß Felicitas sich bereits
zu einer so tragischen Nutzanwendung auf sich
selbst verstieg. „Allerdings ging das Gerücht,
daß meine Heirath an dem aristokratischen
Hochmuth meiner Eltern gescheitert sei, aber
in Wahrheit verhielt es sich ganz anders,
liebes Kind. Mein Vater stand vor seinem
Ruin. Er hatte mit seinem Vermögen für
seinen besten Freund gutgesagt, — und dieser
Freund betrog ihn. Ein älterer, sehr ver
mögender Kavalier — mein späterer Gatte
- bewarb sich schon längst um meine Hand.
Ich mußte meinen Vater retten und that es
ini vollen Einverständniß mit meinem Gelieb
ten, der damals ein unbemittelter Mann war."
„Arme Tante!" rief Felicitas, ihren Arm
um die ernst bewegte Frau schlingend, „wäre
ich nicht in dieser trübseligen Welt erschienen,
so gehörte das Vermögen Dir, uni welches
Du durch meine Geburt beraubt wurdest
und Du hättest den Mann Deiner Herzens
wahl heirathen können. Wie große Ursache
hättest Du gehabt, mir zu grollen, und
dennoch hast Du für mich stets nur Liebe
gehabt!"
„Was konntest Du armer^Wurm denn