Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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88ster Jahrgang. <ş 
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Mo. 201. 
Donnerstag, öen 29. August 
1895. 
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Morgen-Depeschen 
Frankfurt a. M-, 28. Aug. Die „Frks. 
Ztg."meldet ans Schloß Adolfseck bei Fulda: 
Die Erbgroßherzogin von Oldenburg, 
Prinzessin Elisabeth von Preußen, ist hier 
plötzlich an einer Unterleibsentzündung 
ernstlich erkrankt. Der Erbgroßherzog ist 
bereits am Krankenbett eingetroffen, des 
gleichen Sanitätsrath Dr. Render aus Kiel. 
Sanitätsrath Dr. Schiwider-Fiäa hat die, 
Behandlung übernommen. 
Berlin, 28. Aug. Der „Boss. Ztg." 
wird aus London telegraphirt: Nach einer 
Konstontinopeler Drahtung rückten starke 
Abtheilungen türkischer Truppen in den 
Bezirk Erzinghian ein, wo sie Dörfer und 
Klöster angreifen und andere Gewaltthaten 
verüben. Me Einwohner, welche die 
Wiederholung eines Blutbades wie in 
Sassun fürchten, wendeten sich um Schutz 
an den Botschafter in Konstantinopel. 
Berlin, 29. Aug. Die Zimmerer 
Berlins sind in einen partiellen Streik 
eingetreten. Auf fünf Bauten sind die 
Arbeiter ausständig. Zweihundert Mann 
erhalten Streikunterstützung. 
Florenz, 28. Aug. Hier wurden 'Wieder 
um mehrere Verhaftungen, darunter solche 
hochstehender Persönlichkeiten, vorgenommen, 
die unter dem Verdacht stehen, einevFalsch- 
münzerbande anzugehören. Eine Werkstatt 
ist bisher nicht entdeckt worden.. Die 
Verbreitung von falschen 400-Lire.Noten 
der Nationalbank, die täuschend nach 
geahmt sind, dauert fort. 
Wien, 28. August. Die „Pol.-Eorr." 
erfährt aus Constantinopel, die Regierungen 
von England, Frankreich und Rußland 
hätten beschlossen, daß, nachdem die.Antwort 
der Pforte auf die von den .genannten 
Regierungen in der armenischen Frage ein 
geleitete Action für ungenügend befunden 
und die Entsendung Schaķir-Paschaks, nicht 
zur Kenntniß genommen .wurde, nunmehr 
auf strikte Durchführung des ■:§ >61 des 
Berliner Vortrages energisch zu bestehen 
sei. Wegen diesbezüglicher Schritte sollen 
bereits Verhandlungen eingeleitet -sein. 
Wien, 28, Aug. Die „Neue Freie 
Presse" meldet aus Graz.- Gestern -fand 
in Eggenbcrg .bei Graz der jüngste Bruder 
des regierenden Fürsten Wohan, Prinz 
Ernst Rohan, auf furchtbare Weise 
feinen Tod. Er ging in den Stall, um 
einen Hund für den beabsichtigten Jagd- 
auSflug an der Leine zu nehmen. Hierbei 
entlud sich auf bisher unaufgeklärte Weise 
sein Jagdgewehr. Der Schuß ging dem 
Prirzeu in das Kinn und zerschmetterte 
den "Kopf derart, daß der Prinz sofort 
todt blieb. Der Unglückliche war 33 
Jahre alt; er lebte früher in Ungarn und 
war zuletzt in einer Budapester Nerven 
heilanstalt internirt, von wo er vor Kur- 
zem zu seinem Freunde, dem Rittmeister 
Rochel in Eggenberg entfloh. Er war erst 
jüngst außer Curatel gestellt worden. 
-Wien, 28. Aug. Nach Blättermeldungen 
aus Genua haben die Baumwollenfabrikanten 
Staub und Guyer in Croniglio mit mehr 
als einer Million fallirt. Die russische! 
Bank ist mit 350,000 Lire in Mitleiden- 
fchast gezogen. 
Brüx, 29. Aug. Etwaige Befurch- 
tungen wegen abermals drohender Ein 
stürze sind unbegründet. Die mehrfach 
hervorgetretenen Erdsprünge rühren nur 
von den starken Regengüßen der letzten 
Tage her und sind vollständig gefahrlos. 
Brünn, 29. Aug. In der Emaille- 
waarenfabrik von Bartelmus & Witte 
streiken 400 Arbeiter, die Lohnerhöhung 
verlangen. Es steht ein allgemeiner 
Streik in der Branche bevor. 
Paris, 29. Aug. Senator Magmen ist 
trotz scharfer polizeilicher Ueberwachung 
aus Paris heimlich entflohen. Wie .be 
kannt, stand die Verhaftung des Senators 
in der Südbahnangelegenheit bevor. 
Belgrad, 29. Aug. Aus der Station 
Rakonitza, wo gerade Kirchenweihsest war, 
überfuhr der Orientexpreßzug Mehrere 
Personen. Ein Gensdarm wurde getödtet; 
drei Personen sind tödtlich verletzt. 
Jvrea, 29. Aug. Durch die Explosion 
einer Petroleumlampe in Ribordone ge- 
rieth ein für Pilger bestimmtes Lokal in 
Brand. Acht Person« wurden getödtet, 
vier schwer verwundet. 
Tarnopol, 29. Slug. Ein hiesiger Arzt; 
welcher das Wasser des Sereth-Flusses 
und der Teiche in der Umgegend unter 
suchte, konstatirte, daß dasselbe Cholera- 
bacillen enthalte. In Fslge dessen hat die 
Behörde jede Benutzung des Wassers ver 
boten. — Heute ist hier ein.neuer Chàra- 
Erkrankungsfall vorgekom«». 
Ausland. 
Außereuropäische Ģebiete. j 
Eine Wasserhose verwüstete Dienstag! 
Abend das Gebiet Sidi Wch in Algier.! 
In einem arabischen Dorf wurden 14; 
Personen getödtet und ebsnsoviele der-, 
mundet. 
Eine sonderbare Abschieds rede 
vor der Hinrichtung hielt der 
Mörder T r e m o n t Smith, der auf 
dem Gefängnißhofe von San Ouautiri 
(Californien) geköpft wurde. Sein Ver 
brechen war ein Doppelmord, den Smith 
an zwei Schiffern begangen hatte, mit 
denen er eine gemeinsame Wohnung in 
Càsa bewohnte. In dem Augenblick 
nun, da der Todescandidat das Schaffst! 
besteigen wollte, wandte er sich an die; 
Anwesenden mit den Worten: 
„Meine Herren, ich will Ihnen Folgen 
des sagen: Ich bin ebenso unschuldig, wie! 
nur immer ein Individuum sein kann,' 
welches von Henkershand stirbt. Trotzdem 
bin ich bereit zum letzten Gange. Ich 
schäme mich nicht, geköpft zu werden; ich 
betrachte diese Execution eben, als ob ich 
auf die eine oder die andere Art ermordet 
worden wäre. Aber ich habe die Ehre, 
der erste Mensch zu sein, der an dieser 
Stelle stirbt, ohne daß auch nur ein 
Schatten von einem Beweise gegen ihn 
vorliegt, und der Gouverneur Budda hat 
die Ehre, der erste zu sein, der in der 
Ausübung seines Amtes einen mir -Kalt 
blütigkeit vorbereiteten Mord begeht. Das 
ist alles, was ich Ihnen zu sagen hätte." 
Nach Beendigung dieser Worte legte 
Smith ruhig seinen Kops auf den Block 
nieder, und wenige Sekunder! später war 
der Hinrichtungsakt vollzogen. 
Italien. 
Im städtischen K r a n k e A h a n {t zu 
Shrncus hat sich am Freitag eine ähnliche 
Tragödie abgespielt, wie diejenige von S. 
Spirito, die vor einem halben Jahre die 
Einwohnerschaft von Rom mit Theilnahme 
und Entrüstung erfüllte. Ein im Syracu- 
saner Krankenhaus untergebrachter an Lu 
pus leidender Bauer hat eine b.a r m- 
herzige Schwester durch einen 
Messerstich in den Rücken schwer .verletzt. 
Diesmal wurde der rohe Thäter sofort 
festgenommen. 
Auf der Rhede von Bado bei Savona 
(Italien) soll der F r a ch t d-a mp f e r 
„vorwärts", der im Juli 1-890 dort 
untergegangen ist, mittels Torpe 
dos gesprengt werben. Geschickte 
Taucher werden die riesige Eisenmaffe mit 
den Torpedos versehen. Das Wrack des 
„Vorwärts" bildete eine beständige Gefahr 
für die vielen Schiffe, die bei stürmischem 
Wetter in dem ruhigen und sicheren Hafen 
von Vado Zuflucht suchen. Der .„Vor 
wärts", der eine große Petroleunàdung 
an Bord hatte, gerieth im Juli 1890 bei 
Savona in Brand. Nachdem alle Ver 
suche, das Feuer zu löschen, mißlungen 
waren, schaffte man das in der Nähe 
des Hafens liegende Schiff anss Meer 
hinaus, brachte es aber schließlich wieder 
zur Küste zurück, in der Hoffnung, daß 
man es auf diese Weise leichter werde 
heben können, wenn es sinken würde. Der 
Dampfer sank auch wirklich, aber er ließ 
sich nicht wieder heben, da er in einer 
Tiefe von mehr als 35 m ruht. 
Rom, 28. Aug. Der Papst erhält von 
den amerikanischen Pilgern, die im nächsten 
September ihre Romfahrt antreten, einen 
silbernen Thronseffel, dessen Herstellung 
175 000 Mark gekostet hat. 
»pcankreim. 
Paris, 28. Äug. Der Kaiser von 
Rußland zeichnete für die Errichtung 
eines Denkmals für den ehemaligen fran 
zösischen Oberkommandirenden in der Krim, 
Marschall Canrobert, 1000 Francs. 
Paris, 27. Aug. In dem Befinden des 
schwer verletzten Rothschild'schen Beamten 
I o d k o w i tz trat eine Verschlimmerung ein. 
Das Auge ist unbedingt verloren. Die bisher 
unternommenen Versuche, den Absender des 
Briefes ausfindig zu machen, sind erfolglos 
geblieben; man studirt jetzt den einzigen 
erhaltenen Buchstaben der Adresse, um den 
Schristcharakter festzustellen. 
Alle sozialdemokratischen Zeitungen Frank 
reichs sammeln für die Ausständigen 
in Carmaux; die einlaufenden Summen 
sollen sehr bedeutend sein. 
Spanien. 
Madrid, 28. Aug. Die Königin er 
hielt ein Gesuch vom Alkalden von Riosa, 
worin dieser bat, die Königin möge seine 
14 Söhne vom Militärdienst freigeben, da 
er die ersten zehn bereits mit 15,000 Pe< 
setas freigekauft hatte und nun leider kein 
Geld mehr habe. Dem glücklichen Vater 
von 2 4 Söhnen wurde das Gesuch im 
Gnadenwege bewilligt. 
Madrid, 28. Aug. Heute früh ist ein 
Bataillon unter lebhaften Ovationen 
der Bevölkerung nach Cuba abgegangen. 
Ein weiteres Bataillon hat sich heute in 
Valenzia nach Cuba eingeschifft. 
Serbien. 
Belgrad, 28. Aug. Die Erbitterung 
gegen Oesterreich-Ungarn wegen der B e 
hinderung des serbischen Vieh- 
Handels nimmt derartig zu, daß viele 
Kaufleute ihre Geschäftsverbindung mit 
österreichisch-ungarischen Firmen abbrachen 
und sich an das deutsche Consulaj 
wandten, um Empfehlung deutscher Firmen 
zur Deckung des nöthigen Waarenbedarss. 
Oesterreich-Ungarn. 
In Wien ist die Wittwe des Feldzeug- 
meifters Ludwig Freiherrn von 
G a b l e n z, der im Jahre 1874 in Zürich 
durch Selbstmord geendet hat, unter 
Curatel gestellt worden. 
Bulgarien. 
Sofia, 28. Aug. Die Behörden ver 
hafteten 30 Personen, die sich an den An 
griffen auf das Dorf Dospat betheiligt 
hatten. 
Dänemark. 
Kopenhagen, 28. Aug. Die Verlobung 
des Prinzen Christian von Dänemark, 
des ältesten Sohnes des Kronprinzen, mit 
der Prinzessin Maud von Wales wird, 
wie in Hofkreisen verlautet, am Geburts 
tage der Königin, am 7. September, pro- 
klamirt werden. 
Ein Gewitter von außerordentlicher 
Heftigkeit hat (wie schon erwähnt) in der 
Nacht auf Freitag im nördlichen Jütland 
geradezu verheerend gewirkt. Es brach 
Abends 10'/2 Uhr aus und währte zwei 
Stunden. Blitz folgte auf Blitz fast ohne 
Unterlaß. Man zählte in zwei Minuten 
52 Blitze, Himmel und Erde waren wie 
von einem Flammenmeere erleuchtet und 
der Donner rollte ununterbrochen. Das 
Unwetter verbreitete sich über ganz Thisted 
Amt, über Calling, Himmerland und große 
Strecken der Landschaft Vendsyffel, und die 
Zahl der Brände ist sehr groß. Soweit 
bis jetzt bekannt, sind über 60 Höfe und 
Häuser gänzlich niedergebrannt. 
Ein wolkenbruchartiger Regen und sehr 
stilles Wetter verhinderten glücklicherweise 
die Verbreitung der Feuersbrünste. In 
zwei Stunden fielen 28 mm Wasser. Hun 
derte von Pferden, Rindern und Schweinen 
sind erschlagen, und zu Kär im Kirchspiel 
Lild wurde die Frau des Hofbesitzers Kort 
von einem Blitzstrahl getödtet und der 
Sohn gelähmt. Noch eine zweite Frau ist 
vom Blitz getödtet. Weitere Menschenleben 
sind, soweit bekannt geworden, nicht ver 
loren gegangen. 
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— Der Kaiser trifft am Freitag früh 
kurz nach 8 Uhr in Berlin ein und wird 
südlich von der Stadt der Besichtigung 
der Cavalleriedivision durch General von 
Krosigk beiwohnen, hierauf die Division 
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Fm Bam liter êchà 
Roman von Gustav Höcker. 
XXVI. ! 
Als Melanie Rettberg di: Zeilen Wmt-i 
land's überlas, worin er ihr die Rückkehr! 
ihres Bruders meldete, war sie sehr bestürzt) 
und der Wunsch, sobald wie möglich Auf 
klärung zu erhalten, diktirte ihr die unlcr 
Maitlands Anfrage hastig hingeworfenen 
Worte. 
Melanie löschte das Licht, legte sich zu 
Bett und ahnungslos, daß das Verbrechen 
sie in doppelter Gestalt umschwebte, sank sic 
in Schlummer. Wie lange derselbe gedauert, 
wußte sic nicht, aber ihr Erwachen war 
von Schrecken begleitet. Es war ein Licht 
im Zimmer und sie unterschied zwei Männer, 
deren Gesichter unter einer schwarzen Flor- 
hülle verborgen waren. Der eine von ihnen, 
eine hünenhafte Gestalt, streifte die Florhülle 
zurück, um in durstigen Zügen ein Glas 
Wasser hinunterzustürzen, welches auf dem 
Nachttische ştand. Melanie war regungslos 
dagelegen, die Angst hatte ihre Kehle zuge 
schnürt. -ckn dem Augenblick aber, wo sie 
die Gesichtszüge des Trinkenden deutlicher 
unterschicd, richtete sic sich mit êinem leisen 
Schrei der Ueberraschung empor nnd ihren 
Lippen entfuhr der Ausruf: „Herr Rölling!" 
Der Angeredete, welcher ebensowenig wie 
sein Begleiter darauf gefaßt war, das 
Zimmer bewohnt zu finden, zuckte zusammen. 
Hastig dm Flor wieder über sein Gesicht 
ziehend, stürzte er lautlos auf das Bett zu 
und erhob unter einem leisen Fluche die 
mit einem Brecheisen bewaffnete Hand zum 
Müschen Schlage. 
Melanie faltete die Hände mit flehender 
Gebcrde. Sie bot in ihrer Schönheit und 
unschuldsvv'llen Jugend ein so rührendes 
Bild, daß ein Herz von Stein dazu gehört 
hätte, sie in diesem Augenblick àrmungs- 
los hinzumordm. 
„Sie kennen.mich?" zischte der Mann. 
„Ja ich kenne sie," stammelte sie. „ich bin 
Melanie Retàg." 
„Edmund's Schwester!" murmelte Rölling 
und ließ die bewaffnete Hand langsam her 
absinken. 
Wohl kannte er Melanie, welche er bei 
ihrem Bruder ein paar mal gesehen, aber 
er hatte sie hier so .wenig gesucht und in 
ihrem Nachtgewand und mit dem aufgelösten 
Haar.erschien sie ihm so ganz anders, daß 
erst ihr Name ih« den Schlüssel zum 
Wiedererkennen ihrer Züge lieferte. 
„Das fügt sich unglücklich!" flüsterte er. 
„Die Schwester meines Freundes wäre die 
letzte, der ich etwas zu Leide thun würde. 
Wen» ich aber Ihres Lebens schone, und 
Sie verhelfen mir dafür hinter Schloß und 
Riegel, Fräulein, so wären Sic, bei meiner 
armen Seele.! noch schlimmer als ich!" 
„Ich will nie ein Wort gegen Sie aus 
sagen, so wahr Gott mir helfe!" betheuerte 
Melanie leise. „Aber — was Sie auch in 
diesem Hanse vorhaben mögen — versprechen 
Sie mir, daß Sie auch das Leben Anderer 
schonen wollen." 
„Ich habe meine Hand noch nie mit einem 
Morde befleckt," erwiderte Rölling, „und 
hoffentlich wird's auch hier ohne solche trau 
rige Nothwendigkeit abgehen. Was nun Ihr 
Versprechen anlangt, so will ich der Schwester 
meines Freundes Glauben schenken." 
Et trat vom Bette zurück und besprach sich 
eine Weile > flüsternd mit seinem -Genossen, 
-welcher.Einwendungen zu erheben schien. 
„Bleiben Sic ruhig, Fräulein, es geschieht 
Ihnen uichts," wandte sich Rolling wieder 
an daK zitternde Mädchen, worauf er durch 
die Balkonthür verschwand und nach einigcr 
Zeit mit einem dritten Manne zurückkehrte, 
dessen Gesicht ebenfalls von schwarzem Krepp 
umschleàtwar. 
„Und nun, Fräulein, stehen Sie auf und 
kleiden Sieisich.an," flüsterte Rölling. „Meine 
Begleiter find nicht so vertrauende Leute wie 
ich; sie wallen Sie .hier nicht zurücklassen, 
sondern bestehen daraus, daß Sie mit uns 
gehen, sobald wir unser Geschäft besorgt haben. 
Beeilen Sie sich und seien Sie ohne Furcht, 
denn es wird Ahnen kein Leid geschehen." 
Das Licht auslöschend, schlich er mit seinen 
beiden Genossen auf den Corridor hinaus. 
Der ZuletzlgekvWWene mit dem Namen „Don 
Carlos" blieb draußen vor Melanie's Thür 
als Wache zurück. Noch immer wie halb 
gelähmt von dem ausgestandenen Schrecken, 
stand Melanie auf, um sich anzukleiden, so 
gut cs im Finstern ging; in ihrer seltsamen 
Situation, wo sie wußte, daß es sich um ein 
Verbrechen handle, welches sie schweigend ge 
schehen lassen mußte, kam sie sich vor, als 
habe sie selbst Antheil daran, obgleich sie cs 
nicht zu hindern vermocht hätte; ein einziger 
lauter Schrei würde sie das Leben gekostet 
haben, ohne die Einbrecher von ihrem Vor 
haben zurückzuhalten. Noch war sic mit dem 
Ankleiden nicht fertig, da öffnete sich auch 
leise die Thür und ihr Wächter trat ein. 
„Vorwärts jetzt, es ist Zeit!" raunte er 
ihr zu. „Treten Sie leise auf und verhalten 
Sic sich still, sonst —" 
Er ergriff sic am Arme und führte sic 
geräuschlos die Treppe hinab nnd durch die 
geöff«ete Hausthüre ins Freie. Am Ende der 
Pappelallee wartete ein mit zwei Pferden 
bespannter Wagen: daneben stand ein Mann, 
welcher uns die Pferde Acht gab. Nachdem 
Melanie den Wagen bestiegen, begab sich ihr 
Begleiter wieder nach dem Hause, und kehrte 
nach einer Weile mit Rölling und dessen Ge 
nossen zurück. Alle drei waren mit Säcken 
beladen, deren Inhalt einen metallenen Klang 
von sich gab, als die Säcke im Wagen unter 
gebracht wurden. 
Die vier Männer stiegen ein, Rölling nahm 
.auf dem vorderen Sitze seinen Platz neben 
Melanie, ergriff Zügel und Peitsche und 
s«t ging es in scharfem Trabe. 
Kein Wort ward unterwegs gesprochen. 
Als Rölling bemerkte, daß Melanie ohne 
Mantel war, hüllte er sie zum Schutze gegen 
die Nachtkühle schweigend in eine Decke. 
Rach längerer Fahrt traten di- Thürme 
und die Hänserumrisse der Kreisstadt aus der 
Dunkelheit hervor. Rölling umfuhr die Stadt 
in den verschiedensten Richtungen, bis der 
Wagen endlich vor einem Gehöfte Halt machte, 
dessen Einfahrtsthor sogleich wie von unsicht 
baren Händen geöffnet wurde. Im Hofe 
stiegen Melanie's Begleiter ab und verschwan 
den mit ihren Lasten im Hause. Rölling 
half ihr vom Wagen und führte sie in ein 
Zimmer, in welchem ein Licht brannte. 
„Ich habe also Ihr Wort, Fräulein," be 
gann er, „daß Sic nichts zu meinen Ungun 
sten aussagen werden." 
„Keine Silbe, womit ich einen Verrath an 
Ihnen begehen könnte, soll über meine Lippen 
kommen, wenn es sich nur um das Eigenthum 
nnd nicht um das Leben Anderer handelt, 
das versichere ich auf meine Ehre!" 
„Gut, gut, damit bin ich zufrieden," 
nickte Rölling. „Und nun sehen Sic, was 
ich da habe." 
s „Dies hier ist der Wechsel, den ihr 
Bruder gefälscht hat. Der feine Herr, der 
sich diese Nacht im Göllnitzer Herrenhausc 
einquartiert hatte, bewah-tc ihn sorgfältig 
auf, um Ihren Bruder ins Zuchthaus zu 
bringen, falls er nicht an Ihnen zum Ber- 
räther werden wollte." 
Lächelnd drehte er den Wechsel zusammen 
und hielt ihn wie einen Fidibus an's Licht. 
Im Nu ging der Hauptbcweis von Edmund's 
Verbrechen in Flammen auf. 
„Da ist noch ein kleiner Zettel," fuhr 
Rölling fort, „auf welchem Ihr eigener 
Name steht. Wahrscheinlich sollte er auch 
bei irgend einer Schurkerei mitspielen." 
Ehe er auch dieses Papier der Flamme 
überlieferte, zeigte er cs Melanie und diese 
erkannte auf dem abgeschnittenen Streifen 
die Zeilen wieder, die sie gestern Abend an 
Maitland geschrieben hatte. 
Und dieses Stück Papier," schloß 
Rölling, auf ein drittes Blatt weisend, „ist 
eine Art Sündenbekenntniß, das Maitland 
Ihren Bruder unterzeichnen ließ. Auch das 
geschah, um Sie in seine Gewalt zu be 
kommen. Es niöge den Weg seiner Vorgän 
ger wandeln." 
Im gleichen Augenblicke flackerte auch 
dieses letzte Zeugniß von Edmund's Schuld 
auf, nur schwarze Flocken schwebte» noch da 
von uipher. 
„So!" lachte der Recke, „nun ist der 
ganze böse Zauber gebrochen." 
In der ihr eigenen heftigen Aufwallung 
von Dankbarkeit stürzte das junge Mäd
	        
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