Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Mittwoch, öen 14. August 
1895. 
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Morgen-Depeschen 
London, 14. Aug. Wie aus Penrith 
gemeldet wird, begab sich der Kaiser gestern 
mit einem Sonderzuge von Clifton nach 
Kirkby Stephen und von da nach Wem- 
mergill Moors auf die Besitzung Lord 
Westburys, um daselbst der Birkhühnerjagd 
obzuliegen. Auf derselben hotte der Ober 
hofmarschall Gras zu Eulenbnrg das Mal 
heur, vom Pferde zu stürzen, wobei er sich 
am Kopse Verletzungen zuzog. Der Graf 
erholte sich jedoch bald und konnte Abends 
zu Fuß mit der Jagdgesellschaft nach Schloß 
Lowther zurückkehren, allerdings mit ver 
bundenem Kopfe. Der Kaiser wurde von 
der ländlichen Bevölkerung überall lebhaft 
begrüßt. 
Berlin, 14. Aug. Der Kaiser wird nach 
den bisher getroffenen Bestimmungen sich 
am 15. ds. Mts. in Leith wieder an Bord 
der „Hohenzollern" einschiffen, um über 
Brunsbüttel die Rückreise anzutreten. — 
Die Kaiserin dürste, wie aus Kassel ge 
meldet wird, mit den beiden ältesten Prinzen 
am 16. ds. Mts. Abends Wilhelmshöhe 
verlassen und am 17. August früh im 
Neuen Palais wieder eintreffen. Die Kai 
serin Friedrich wird am Freilag aus Schloß 
Wilhelmshöhe zum Besuche der Kaiserin 
Augusta Victoria erwartet. 
Berlin, 14. Aug. Hofprediger Frommel 
ist heute an einer Nierengeschwulst mit 
glücklichem Erfolge operirt worden. 
BerliH 14. Aug. Fürst Bismarck hat 
hierher mittheilen lassen, daß er durch 
seinen Gesundheitszustand zu seinem Be 
dauern verhindert sei, an der Feier der 
Grundsteinlegung des Kaiser-Wilhelm-Dcnk- 
mals theilznnehnien. — Vom Abgeord> 
netenhause werden außer dem Präsidenten 
von Koller 59 Mitglieder der Feier bei 
wohnen. Die Vizepräsidenten Freiherr von 
Heeremann und Dr. Gras sind durch ihre 
Gesundheitsverhältnisse gezwungen, der Feier 
fern zu bleiben. Vom Herrenhause haben 
sich 48 Mitglieder zur Theilnahme an der 
Feier gemeldet. Der Präsident Fürst Stol 
berg und der erste Vizepräsident Freiherr 
v. Manteuffel werden an der Feier theil- 
nehmen; ebenso wird das Erscheinen des 
zweiten Vizepräsidenten, Oberbürgermeisters 
Becker (Köln) erwartet. 
Berlin, 14. Aug. Heute früh waren 
aus den, Terrain der Berliner Gewerbe- 
Ausstellung über 50 Zimmerleute zur Ar 
beit erschienen, darunter 30, welche gestern 
mitausständig waren. Von den Letzteren 
wurden jedoch mehrere wieder entlassen 
weil sie unter den Arbeitenden für den 
Streik agitirten. Heute Nachmittag sollten 
übrigens die Arbeiten in vollem Umfange 
wieder ausgenommen werden, weil für die 
Ausständigen schon Ersatz geschafft werden 
konnte. 
Berlin, 14. Aug. Nach einer den „Berl. 
Neuest. Nachr." aus Kürzel i. E. zuge 
gangenen Meldung wird der Kaiser am 
15. Oktober bereits dort eintreffen und im 
Schlosse Urville Aufenthalt nehmen. Am 
18. Oktober reist der Kaiser zur Denkmal- 
einweihung nach Wörth, auch ein Besuch 
in Metz ist in Aussicht genommen. 
Köln, 13. Aug. Ein hiesiger Arzt ge- 
rieth mit seinem Schwager in Streit, in 
dessen Verlaufe er den Letzteren durch 
Messerstiche in den Kops übel zurichtete. 
Der Schwerverletzte liegt hoffnungslos im 
Bürgerhospital darnieder. Der Thäter ist 
verhaftet. Der Vorfall erregt großes Ans 
ehen. 
Arolsen, 14. Aug. Morgen Nachmittag 
1 V 2 Uhr hält das neuvermählte Fürsten 
paar seinen Einzug Hierselbst. 
Ncisse (Oberschles.), 13. Aug. In der 
Scharleybleigrube (Westfeld) ist ein furcht 
barer Brand ausgebrochen, der trotz der 
größten Anstrengungen nach 24stündiger 
Dauer noch nicht hat bewältigt werden 
können. 
Wien, 14. Aug. Nach einer von den 
Blättern gebrachten Nachricht ist in 
Marienbad das Casino des etrangers und 
der Cercle privè polizeilich geschloffen 
worden, weil in denselben allnächtlich 
Hazardspiele entrirt wurden. Die An 
gelegenheit macht nicht geringes Aufsehen 
unter den zahlreichen Fremden in Marien 
bad. 
Palermo, 14. Aug. In der Nähe von 
Spracus, in Bucheri. sind Bauernnnrnhen 
ansgebrochen. 800 Bauern stürmten das 
Rathhaus und plünderten dasselbe. Sodann 
zündeten sie den Gemeindewald an. Die 
Carabinieri flüchteten; Militär wurde her 
beigerufen. Dreißig der Ruhestörer 
wurden bisher verhaftet. 
Sofia, 14. Aug. Der Minister des 
Aeußeren Stoilow dementirte gestern gegen 
über einem ausländischen Diplomaten alle 
Gerüchte über das angebliche Vorhaben 
Bulgariens, sich für unabhängig zu er 
klären. Der Minister betonte ausdrücklich, 
der status quo werde von Bulgarien bei 
behalten werden. Sodann gab Stoilow 
seinem Bedauern Msdruck, daß Europa 
»ach den letzten traurigen Ereignissen immer 
noch fortfahre, sich durch übertriebene, 
nlsche, aus dem oppositionellen Lager 
lammende Nachrichten täuschen zu lassen. 
Brüssel, 14. Aug. Heute Mittag 
wurde unter dem Vorsitz des Senatspräsi 
denten Descamp die Vl. interparlamen 
tarische Friedensconferenz eröffnet. Die 
erste Sitzung wurde vollständig mit Be 
grüßungsreden ausgefüllt. Der deutsche 
Delegirte Dr. Hirsch führte in längerer 
Rede aus, Deutschland wolle den Frieden. 
Es sei Pflicht der Regierungen, die 
Nationen soviel als nur irgend möglich 
von den Militärlasten zu befreien, welche 
den Ruin der Völker ebenso herbeiführten 
wie der Krieg selbst. — Der Delegirte 
Dänemarks, Bayer, gab die Erklärung ab, 
daß man sich in seiner Heimath eifrig 
damit beschäftige, daß Prinzip des inter 
nationalen Schiedsgerichts in die Gesetz 
gebung aufzui ehmen. — Der Vertreter 
Oesterreichs, Baron Pirquet, wendete sich 
in seiner Rede hauptsächlich gegen die 
Unterdrückung der slavenischen, rumänischen 
und serbischen Nationalitäten in Ungarn. 
Hierauf gaben die Vertreter der ver 
schiedenen Nationen eine Uebersicht über 
die Fortschritte der Friedensliga in den 
einzelnen Ländern. Sodann wurde die 
Sitzung geschlossen. 
Paris, 14. Aug. Am 15. August werden 
die Bonapartisten des Seine-Departements 
eine große Versammlung abhalten, an der 
alle hervorragenden Mitglieder der Partei 
theilnehmen. Mehrere derselben werden in 
dieser Versammlung das Wort ergreifen. 
Washington, 14. Aug. Präsident Cleve 
land hat nunmehr endgiltig abgelehnr, für 
eine dritte Amtsperiode zu candidatiren. 
AttsLarrd. 
Außereuropäische Gebiete. 
Sansibar, 12. Aug. Heute geht die 
englisch cSt rafcxpedition von Mom 
bassa ab, um die Beste des Häuptlings 
des aufständischen Stammes anzugreifen, 
da derselbe das an ihn gerichtete Ultimatum 
unberücksichtigt gelassen hat. Die Expedition 
wird von dem britischen Admiral Rawsen, 
dem General Mathews und dem General 
konsul Herdinge begleitet, sie besteht ans 
400 britischen Matrosen, Sudanesen und 
Askaris, sowie 800 Trägern und ist mit 
zwei Maximgeschützen ausgerüstet. 
Ein Damenduell mit tödtlichem 
Ausgange wird demnächst vor dem 
Schwurgericht in Mexiko verhandelt werden 
Angeklagt ist eine dortige Schönheit 
Namens Isabella Hermandez, welche Fräu 
lein Rosa Guzman in regelrechtem Duell 
getödtet hat. Beide hatten nämlich ein 
und denselben Tenor angeschwärmt, welcher 
nachher der Getödteten den Vorzug ge 
geben und dadurch Isabella zur größten 
Wuth gereizt hatte. Sie forderte ihre 
Rivalin auf — Dolche, und diese nahm 
ofort an. Je zwei weibliche Secundanten 
ivohnten dem Kampfe bei, der kaum drei 
Minuten währte und einen unglücklichen 
Ausgang nahm. Auch die Secundantinnen 
werden vor Gericht zu erscheinen haben. 
Der Fall erregt selbst in Mexiko, wo man 
doch an dergleichen weibliche Excentricitäten 
gewöhnt ist, großes Aussehen. Rosa 
Guzman galt als viel umworbene, 
blendende Schönheit. 
England. 
London, 13. August. Lord Lonsdale 
nahm die Einladung des Kaisers zur 
Parade des Gardecorps in Berlin am 
2. September und zu dem Kaiscrmanöver 
bei Stettin vom 6. bis 12. September an. 
London, 12. Aug. Das neue Unter- 
Haus ist folgendermaßen zusammengesetzt: 
338 conservative Unionisten, wie sie sich 
jetzt nennen, 73 liberale Unionisten, 177 
Radicale, 12 Parnelliten, 70 Anti-Par- 
nelliten. Die Unionisten besitzen somit eine 
Mehrheit von 152 Stimmen. 
London, 13 Aug. Nach der gestern 
erfolgten Eröffnung der Parlamentssession 
werden die nächsten Tage der Vereidigung 
der Abgeordneten gelten, und am Donners 
log ist dann die Verlesung der schon am 
letzten Freitag im Ministerrath festge 
stellten Thronrede zu erwarten. Der von 
der früheren liberalen Majorität gewählte 
Sprecher des Unterhauses, Mr. Gully 
wurde auch von der conservativen Mehr 
heit in seinem Amte belassen. In Bezug 
ans die Parteiverhältnisse ist zu erwähnen, 
daß die Mehrheit nach den neuesten Vor 
gängen im antiparnellitischen Lager zuver 
sichtlicher denn je ist. Das Leid Irlands 
ist vornehmlich, daß sich einer seiner 
Führer stets gegen den andern kehrt. So 
ist es stets gewesen. Der „Irish Catholic" 
welcher bisher als Organ Healy's galt, 
sucht jetzt abzuwiegeln. Healy werde 
nimmer die Aufhebung der Union mit 
England beantragen, noch beabsichtige er 
die Art der irischen Partei zu ändern, mit 
welcher dieselbe bisher Selbstregierung er 
strebt habe. Die sogenannten Freunde 
Healy's behaupten sogar, man müsse ihn 
nicht für alles verantwortlich machen, 
was der „Irish Catholic" sage. — William 
O'Brien hat ein Schreiben an das 
„Freeman's Journal" gerichtet, in welchem 
er mit Healy strenge ins Gericht geht: 
Healy müsse sich hinfort anders be- 
nehmen. Würde er weiter gegen seine 
eigenen College» auftreten, so würden die 
Partei und das Land ihr Machtwort ein 
legen. 
London, 12. August. Gestern fand in 
Dunmow, einer kleinen Stadt in Essex, 
die jährliche Bewerbung um eine Speck- 
-exte statt für solche Ehepaare, die ein 
Jahr und einen Tag nach ihrer Ehe ohne 
Zank und Zwist verbracht haben. Das 
ist ein alter Brauch, der sich in den 
Formen einer ordentlichen Gerichts 
verhandlung abspielt. Der Richter er 
scheint in scharlachrothem und schwarzem 
Newande, auf der Geschworenen - Bank 
'itzen Jungfrauen und Junggesellen, und 
owohl die Bewerber, die zu persönlichem 
Erscheinen verpflichtet sind, als auch die 
Geber der Speckseiten, bestellen Vertheidiger, 
welche wie die learned counsels der law 
courts in Talar und Perücke auftreten. 
Das größte Interesse unter den concurriren 
den Paaren erregten Sergeant-Major Daniel 
Baker und seine Frau. Er ist ein großer statt 
licher Mann von über 60 Jahren, der 
sich in der dunkelblauen und goldverzierten 
Uniform eines Instruktors an der poly 
technischen Schule vortrefflich ausnimmt. 
Er trägt sechs Kriegsmedaillen auf der 
Brust, denn er hat, wie sein Anwalt aus 
führt, mit hervorstechender Tapferkeit in 
der Krim und gegen die indischen Meuterer 
gekämpft und ist im Kriege gegen die 
Letzteren sogar schwer verwundet worden. 
Als er nach langen Kriegsjahren heim 
kehrte, wurde er Sergeant-Major der 
yeomen of the Guard. Seiner nun 
mehrigen Frau begegnete er bei einem 
Picnic im Dezember 1893 zum ersten 
Male, sie war damals Hospitalpflegerin, 
und drei Wochen später war das in den 
Jahren sehr gleichartige Paar Mann und 
Frau. Der Vertreter des Paares erhebt 
sich zum Beweise, daß letzteres in der 
ganzen Zeit sehr glücklich miteinander ge 
lebt hätte. Eine große Menge von 
Zeugen war bereit, diese Behauptung zu 
bestätigen. Nun begann das Verhör des 
alten Kriegers. Er erklärte auf das Be 
stimmteste, daß er keinen Grund habe, den 
etwas eilig unternommenen Schritt zu be 
reuen, und er erachte sich deshalb zu einer 
w Jin Saune aller êchà 
Roman von Gustav Höcker. 
XV. 
Trotzdem die Besprechung mit Maitland 
mit einem versöhnenden Accord ansgeklungen 
war, fühlte Wolfgang die Nothwendigkeit, die 
Entfernung Melanie Rettbergs aus ihrer bis 
herigen Wohnung zu beschleunigen, um sie 
aus dem Bereiche eines noch gefährlicheren 
Verfolgers, als Ouinna war, zu bringen. 
Um ihr einen warnenden Wink zu geben, 
begab er sich nach ihrer Wohnung. 
Eben als er im Begriff stand, den großen 
Kascrnenbau zu betreten, kam ihm Melanie 
aus der HauSthürc entgegen. Sie trug^ ein 
einfaches graues Beigeklcid und in der Hand 
ein ledernes Handtäschchcn; das goldblonde 
Haar war von einem weißen Strohhütchcn 
mit dunkelrothen Rosen bedeckt, der ihr wunder 
hübsch zu Gesicht stand. 
„Herr Baron!" rief sie überrascht und 
wollte umkehren, um ihren Besucher hinaus 
zuführen. 
„Nein, bitte, Fräulein Rettbcrg, ich will 
Sie nicht erst die Treppen wieder hinauf- 
bemühen," erwiderte Wolfgang. „Gewiß sind 
Sie ans dem Wege, um Einkäufe zu machen. 
Wenn Sie mir gestatten wollen, begleite ich 
Sie ein Stück." 
Was ivar es, daS ihm an ihrem Benehmen 
auffiel? Er bemerkte eine eigenthümliche 
Schüchternheit an ihr; ihre Stimme hatte 
gebebt, als sie ihn anredete, ihr Blick senkte 
sich zu Boden. Die Offenheit ihres Wesens 
mit welchem sie ihn stets empfing, war ver 
schwunden. Wolfgang fand für diese Ver 
änderung keine Erklärung, doch würde sie 
ihm begreiflich erschienen sein, wenn er ge 
wußt hätte, daß Melanie »ach dem Besuche 
der beiden Damen in ihr Herz geblickt und 
ich die Frage vorgelegt hatte, welches eigent 
lich ihre Gefühle für den Mann waren, der 
jctzt vor ihr stand. Ihre Aufregung bei dem 
Anblicke Felicitas' hatte ihr zuerst verrathen, 
daß etwas Seltsames in ihrem Innern vor 
ging, und seitdem hatte sie nur immer an 
den Baron denken müssen. 
Sie reichte ihm indessen ihre Hand — 
eine Hand, die gewöhnlich so kalt wie Mar 
mor war, ans welchem sie, der Farbe nach 
u schließen, gebildet schien; doch diese Hand 
war jetzt glühend heiß und ihre Wange so 
bleich. 
„Sie sind krank, Fräulein Rcktberg!" rief 
Wolfgang, als er die fieberhafte Berührung 
fühlte. 
Nch! es ist heute so vieles auf mich ein 
gestürmt, was mich aufgeregt hat," seufzte 
sie. „Erst heute früh las ich in der Zeitung, 
daß Sie sich mit den: elenden Herrn von 
Ouinna duellirt und meinetwegen Ihr Leben 
gewagt haben, lind da kamen mir mancherlei 
Gedanken, besonders auch der, was wohl ans 
mir geworden wäre, wenn Ihr Gegner Sie 
getödtet hätte. Ich glaube, ich hätte sterben 
müssen!" 
Der Baron fühlte, das Melanie Rettberg 
und er auf gefährlichem Boden standen. Doch 
verschloß er sein Auge vor dein, was er zu 
sehen fürchtete. 
„Ich hatte Sie und Ihre Lage nicht ver 
gessen, Fräulein Rettbcrg," erwiderte er mit 
freundlichem Ernst. . „Um Sie für den Fall 
meines Todes nach Möglichkeit zu schützen, 
schrieb ich meine letztwilligcn Wünsche nieder, 
damit Sie ans Lebenszeit vor Gefahr und 
Mangel gesichert seien." 
„O, ich weiß, Sic sind edel und gut, ich 
weiß es sehr wohl!" flüsterte Melanie, und 
unfähig, ihre tiefe Bewegung zu bemeistern, 
mußte sic das Taschentuch an die Augen 
bringen, um rasch ihre Thränen zu trocknen. 
Während Wolfgang ihrBeruhigung zusprach, 
hatten Beide eine kleine Promenadenanlage 
erreicht, wie es deren auch in den Stadt- 
theilen Berlins giebt. Hier wandelten sic 
ziemlich ungestört auf und ab. 
„Ich darf wohl annehmen," sagte Wolf 
gang, „daß es Ihnen nicht gelungen ist, von 
Ihrem Bruder in der Wechselangelegenheit 
den gewünschten Aufschluß zu erhalten." 
„So oft ich davon anfange, weist er mich 
brutal zurück," gab Melanie bekümmert zur 
Antwort. 
„Haben Sie ihn vielleicht im Verkehr mit 
einem Manne von riesenhaftem Wüchse ge 
sehen," fiel der Baron plötzlich ein, „einem 
Manne in mittleren Jahren, der den Beinamen 
der „Ulan" trügt?" 
„Ihre Beschreibung paßt allerdings auf 
einen Bekannten meines Bruders, der ihn 
zuweilen besucht. Ich kenne ihn aber unter 
dem Namen Rölling. Er trägt das dunkle 
Haupt- und Barthaar stets kurz abgeschoren 
Wolfgang nickte. 
„Und das hat mich zuweilen ans den Ge 
danken gebracht, ob er das nicht thut, um 
beliebige Metamorphosen mit seinem Gesicht 
vornehmen zu können." 
„Es liegt allerdings etwas in seinem Wesen, 
als ginge er auf krummen Wegen," stimmte 
Wolfgang bei. „Doch habe ich diesen Gegen 
stand nur nebenher berührt, Fräulein Rettbcrg. 
Was den Wechsel betrifft, so dürfen Sic 
unbesorgt sein. Der gefälschte Name ist er 
mittelt; das seltsame Spiel des Zufalls hat 
es sogar gefügt, daß ich mit diesem Manne, 
der Maitland heißt, nahe befreundet bin. Ich 
habe sein Versprechen erhalten, gegen Ihren 
Bruder nichts zu unternehmen. Der Wcchsei 
dürfte jetzt bereits eingelöst sein." 
Melanie blieb stehen und ihr Busen hob 
'ich unter einem tiefen Athemzuge, als fühle 
'ie sich von einer erdrückenden Bürde befreit. 
„So ist also alle Gefahr für meinen 
Bruder vorüber?" fragte sie, dem Baron mit 
inniger Dankbarkeit die Hand drückend. 
„Sie haben nichts mehr für ihn zu fürch 
ten; doch ist auf seine Besserung kaum zu 
hoffen, wenn er nicht seinem bisherigen 
Umgänge entzogen wird." 
„Ich fürchte, Sic haben nur zu sehr Recht." 
„Mein Freund Maitland und ich sind 
daher übereingekommen, ihn mit der nächsten 
Gelegenheit nach Amerika zu schicken und 
dort für sein weiteres Fortkommen zu sorgen." 
Melanie schwieg und als Wolfgang 
Thränen in ihrem Auge sah, kani er sich 
fast grausam vor, ihr diese Eröffnung ge 
macht zu haben. 
„Ich werde ihn wohl niemals wieder 
sehen," sagte sie unter einem schmerzlichen 
Seufzer, ,chcnn ich glaube, er hat ein Brust- 
leiden und wird nicht alt werden. Aber auch 
ich erwarte einen heilsamen Einfluß auf 
seinen künftigen Lebenswandel nur von 
einer gänzlichen Veränderung seiner, Um 
gebung und seiner Verhältnisse. Da ihm 
aber nun Herr von Ouinna nicht mehr 
schaden kann, so habe auch ich diesen nicht 
mehr zu fürchten und brauche sonach Frau 
von Prachwitz und Fräulein Teßner nicht 
erst zur Last zu fallen." 
Dem Baron kam diese Schlußfolgerung 
'ehr unerwartet, sic stand im geraden Ge 
gensatze zu bent Zwecke, der ihn zu Me 
lanie geführt hatt. 
„Im Gegentheil," erwiderte er, „Sie be 
dürfen einer solchen Zufluchtsstätte drin 
gender denn je." 
Ihr Rath ist stets gut und ich müßte 
sehr undankbar sein, wenn ich ihn nicht be 
folgen wollte," sagte sie resignirt. „Frau 
von Prachwitz will mich heute gegen Abend 
abholen und wird mich bereit finden, mit 
ihr zu gehen." 
„Noch muß ich Sie um etwas bitten," 
bemerkte der Baron zögernd. „Wollen Sic 
cs mir gewähren, ohne zu fragen warum?" 
„Sic dürfen es nur nennen," antwortete 
sie. 
„O, cs wird Ihnen nicht schwer werden, 
Fräulein Rettberg. Ich verlange nichts von 
Ihnen, als daß Sie mir Ihr Wort geben, 
Niemandem Ihren künftigen Aufenthalt zu 
verrathen." 
„Ich gebe es Ihnen, Herr Baron. Ich 
werde Niemandem sagen, wohin ich gehe. 
weder meinem Bruder, noch meiner Wirthin, 
noch sonst Jemandem in der Welt." 
„Selbst meinem besten Freunde nicht," 
fügte Wolfgang hinzu. 
Er betonte die letzten Worte so stark, daß 
Melanie ihn fragend anblickte. Doch er 
widerte sic: „Ich werde mein Versprechen 
unter keinen Umständen brechen." 
„Ich danke Ihnen, und nun leben sie 
wohl," sagte er, ihre Hand ergreifend. „Ich 
hoffe, Sie heute Abend noch bei Frau von 
Prachwitz zu sehen." 
Er schnitt ihr die Dankcsworte, die ihr 
anf den Lippen schwebten ab, indem er mit
	        
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