Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

Die Centr umsjunker zeichnet in 
einer Erörterung der Kundgebung des 
Frhrn. ö. Fechenbach die „Frankenstein- 
Münsterbergsche 3tg." zutreffend wie folgt: 
„Man frage nur, welchen Antheil die 
Bauern au der „Liebesgabe" für die 
Großbrenner und an dem letzten „Sechszehn. 
Millionen-Gesckenk" an diverse Quadrat- 
meileN'Besitzer erhalten haben. Gar manchem, 
der sich zum Bauernführer aufschwingen 
möchte, ist es lediglich darum zu thun, 
die Bauern als Sturmbock für die 
Forderungen einiger Großgrundbesitzer 
in Pommern und Brandenburg zu benützen 
und sie selbst, wenn sie ihre Dienste ge 
than haben, leer ausgehen zu lassen." — 
Das trifft auf alle junkerlichen Agrarier zu. 
— Nach dem Bericht der „Bromberger 
Zeitung" sollte der Regierungspräsident 
v. Tiedemann die Betheiligung der 
königlichen Behörde als solcher an der 
dort geplanten Sedanfeier abgelehnt haben, 
ebenso wie seinerzeit an der Feier der 
Enthüllung des Kaiser Wilhelm-Denkmals. 
Hierzu schreibt nun Herr v. Tiedemann: 
„Ich muß mich gegen diese völlig unrich 
tige Darstellung auf das Lebhafteste ver 
wahren. An der Feier der Enthüllung 
des Kaiser Wilhelm-Denkmals haben sich 
sämmtliche Behörden betheiligt. Sie haben 
nur nicht, ebenso wie der kommandirende 
General, der Oberpräsident, das Offizier 
korps u. f. w. an dem damaligen Festzuge 
theilgenommen. Das Gleiche wird bei der 
bevorstehenden Sedanfeier geschehen. Meine 
Erklärung in der vom Oberbürgermeister 
Bräsicke einberusenen Versammlung be 
zweckte lediglich, tendenziösen Miß 
deutungen dieses Verhaltens vorzubeu 
gen und die, wie ich glaube, völlig zu 
messenden Gesichtspunkte offen darzulegen, 
die das Marschiren von Behörden in 
ein:m Festzuge als unangemessen erscheinen 
lasi-.n. Im Uebrigen habe ich meine wie 
sämmtlicher Regierungsmitglieder Be- 
theilignng an dem geplanten Volksfeste 
ausdrücklich zugesagt." 
Berm, 9. Aug. Nach der „Volks-Ztg." 
war zum Rector der Berliner 
Universität in erster Linie Geh. 
Justizra h Professor Dr. Brummer, event, 
der Zoologe Geh. Regierungsrath Professor 
Dr. Schulze oder der Nationalökonom 
Professor Dr. Schmollcr aufgestellt. Dr. 
Adolf Wagners Wahl sei dem geschlossenen 
Vorgehen der philosophischen Facultät zu- 
zuschreiben. 
— Eine conservative Stimme 
gegen den Befähigungsnachweis rm 
Handwerk. In den Entwürfen zur Or- 
ganisation des Handwerks, welche die Re- 
gierung der Conferenz von Vertretern der 
Jnnunzsverbände, die Ende Juli in Berlin 
abgehalten wurde, zur Besprechung und 
Begutachtung vorgelegt hat, ist bekanntlich 
von einer Einführung des Befähigungs 
nachweises Abstand genommen wor- 
den. Leider ist bis jetzt immer noch kein 
authentischer Bericht über diese Conferenz 
erschienen, und so weiß man auch noch 
nicht mit Sicherheit, was die Mitglieder 
der Conferenz zu der Ausscheidung des 
Befähigungsnachweises aus dem Reform- 
plane gesagt haben. Nach Aeußerungen, 
die man hie und da vernommen hat, ist 
bei diesem Punkte eine Opposition ent 
standen. Wie es scheint, ist ein großer 
Theil der Mitglieder nicht geneigt ge 
wesen, auf den Befähigungsnachweis zu 
verzichten, und hat sich erst dem Verlangen 
der Regierung gefügt, als diese keinen 
Zweifel daran ließ, daß sie unter keinen 
Umständen in diesem Punkte über ihr 
Programm hinausgehen würde. 
So haben sich denn die Anhänger des 
Befähigungsnachweises mit der Hoffnung 
getröstet, daß sie ihre Forderung doch noch 
durchsetzen würden, wenn erst die Organi 
sation des Handwerks selbst erfolgt wäre. 
Der „vorläufige" Verzicht auf den Be 
fähigungsnachweis wird auffallender Weise 
vom „Reichsboten", der diese Forderung 
bisher stets vertreten hat, gebilligt. Wenn 
Besorgt fragte sich Wolfgang, welchen 
Einfluß ein solcher Mann über ein junges, 
unerfahrenes Mädchen, wie Melanie Rettberg, 
gewinnen könne. 
„Wenn ich wüßte," unterbrach Wolfgang 
sein Schweigen, „in wessen Händen sich der 
Wechsel befindet, so würde ich ihn sofort 
einlösen." 
„Und Herr Maitland brauchte nichts von 
der ganzen Geschichte zu erfahren," ergänzte 
der Pfandleiher lächelnd. „Ich verstehe, ich 
verstehe! Aber wer soll wissen, wo der 
Wechsel jetzt in der Welt herumfährt? Und 
die Zeit bis zum Verfalltage ist knapp." 
„Nun, Herr Fricdländcr," sagte Wolfgang 
nach kurzem Uebcrlegen, indem er sich zum 
Gehen anschickte, „auf alle Fälle ist mir die 
von Ihnen erhaltene Auskunft sehr werth- 
voll. Ein solcher Dienst läßt sich nicht be 
lohnen. Um aber wieder auf die altgriechische 
Vase und die antike Dainascenerklinge zurück 
zukommen, wovon Sie mir gelegentlich er 
zählten, so würden dieselben ein paar fühl 
bare Lücken in meiner kleinen Alrerthnms- 
sammlung ausfüllen. Schicken Sie mir 
diese beiden Gegenstände in mein Hotel und 
vergessen Sie nicht, die qmttirtc Rechnung 
beizufügen." 
Damit empfahl sich der Baron. 
(Fortsetzung folgt.) 
er auch meint, es werde sich ja später 
herausstellen, ob man des Nachweises noch 
für alle oder doch für einzelne Handwerke 
bedürfe, so scheint er von dem Befähigungs 
nachweise selbst doch nicht viel zu halten. 
Er meint, da dieser der Fabrik gegenüber 
ebenso wenig in Anwendung gebracht 
werden könne, wie dem kaufmännischen 
Magazinbetriebe, so werde er wahrschein 
lich nur den Erfolg hoben, daß die Hand- 
werker sich selbst einander das 
Leben sauer machen und einander zu 
schwächen und zu chicaniren suchen würden. 
Die Abgrenzung der Handwerker gegen 
einander fei heute, wo sehr viele Hand 
werker zur Herstellung ihrer Arbeiten die 
Halb- oder Theilfabrikate aus den Fabriken 
bezögen, kaum noch möglich, ohne sie selbst 
zu schädigen, zumal auch viele Handwerker 
sich auf Herstellung von Theilarbeiten für 
andere beschränkten und gerade durch diese 
Arbeitstheilung ihr Geschäft rentabel er 
hielten Der Befähigungsnachweis dürfte 
sich deshalb für das Handwerk leicht als 
ein zweischneidiges Schwert erweisen, 
und es wäre jedenfalls weiser, ihn vor 
läufig bei Seite und die wichtige Organi- 
sationsfrage in den Vordergrund zu stellen, 
da diese dem Handwerk geben solle, was 
es vor allem nöthig habe, größeren und 
leichteren Credit, bessere Maschinen, billigere 
Rohstoffe, besseren Absatz feiner Producte, 
größere kaufmännische und gewerbliche 
Ausbildung. 
Die Wahrnehmung ist erfreulich, daß 
man auch an Stellen, wo man früher 
entschieden für den Befähigungsnachweis 
eintrat, kühler zu urtheilen beginnt und 
sich den Gründen nicht verschließt, die von 
seinen Gegnern geltend gemacht worden 
sind. Fährt man fort, in dieser Weife zu 
untersuchen, ob nicht doch vielleicht die 
Nachtheile aus der Einführung des Be- 
fühigungsnachweises für das Handwerk 
größer sind, als die Vortheile, die man 
bisher als selbstverständlich vorausgesetzt 
hat, so tvird sich ja wohl eine Linie finden 
lassen, auf der eine Verständigung mög 
lich ist. 
— Ueber die Handwerker-Kon- 
f e r e n z, die im Juli in Berlin stattfand, 
äußert sich das offizielle Organ des „Baye 
rischen und Allgemeinen Deutschen Hand 
werkerbundes" folgendermaßen: 
„So viel uns bekannt geworden ist, soll 
es seine Richtigkeit damit haben, daß die 
Regierung bereit ist, die obligatorische 
Innung zuzugestehen. Anders aber ver- 
hält es sich mit der Förderung des Be 
fähigungsnachweises. Hier scheint 
uns auf ein Entgegenkommeu der Re 
gierung nicht so bald gerechnet 
werden zu dürfen, denn der Regierungs 
vertreter soll bei Beginn der Verhand 
lungen strikte erklärt haben, daß, sobald 
die Diskussion auf den Befähigungsnach 
weis ausgedehnt würde, er sammt seinen 
Kollegen die Berathungen sofort 
abbrechen und das Lokal verlassen 
würde. 
— Ein geheimes Akten st ück 
über die Vorbereitungen eines Militär- 
d i e n st j u b i I ä u m s ist dem „Vor 
wärts" „auf den Schreibtisch geweht". 
Das 50jährige Dienstjubiläum des Prinzen 
Georg von Sachsen soll am 4. März 1896 
von der Armee festlich begangen werden. 
Dabei soll ein Armeegeschenk überreicht 
werden. Die Offiziere worden ersucht, 
ihre Betheiligung an dem Armeegeschenk 
bezw. entgegenstehende Ansicht und die 
Mittheilung, ob der später festgesetzte Be 
trag an das Bezirkskommando einge 
sendet werden wird oder ob derselbe 
diesseits durch Postnachnahme erhoben 
werden kann, vermerken und den abzu 
trennenden Abschnitt bis 1. Juli cr. an 
das Bezirkskommando Dresden -'Altstadt, 
Kl. Schießgasse 4 I. zurückgelangen lassen 
zu wollen. — Der „Vorwärts" legt dem 
Aktenstück eine an sich durch nichts be 
gründete Bedeutung bei. 
Berlin, 9. Aug. Hat man jemals auf 
dem Gebiet der Mode etwas Ver- 
nünftiges entdeckt? Doch! In neuerer 
Zeit scheint ein Umschwung allmählich ein- 
zutreten. Wie aus geschäftlichen Kreisen 
mitgetheilt wird, haben nämlich die Gigerl- 
Säcke für Damen, die man Jaketts 
nannte und von denen man im Frühjahr 
ein großes Geschäft erwartete, ganz und 
gar im Stich gelassen. Die verhältniß- 
mäßig wenigen Exemplare dieses scheuß 
lichen Kleidungsstücke, die verkauft worden 
find, sind zumeist in den Besitz von „Damen" 
übergegangen, die um jeden Preis auffallen 
wollen. Dadurch hat sich in den Mäntel 
geschäften ein Ueberstand angehäuft, der 
stellenweise sehr groß ist. So hat bei 
spielsweise eine hiesige Firma einen Lager 
bestand von 3000 Jaketts übrig behalten. 
Nun müssen die Restbestände, die nicht 
einmal die „Provinz" nimmt, auf dem 
Wege der Auktion vernichtet und versteigert 
werden. Und noch ein anderer Modekrach 
ist eingetreten. Die gefundheitsgefährlichen 
Gummi-Gürtel unserer Damen, über 
die dieser Tage ausführlich berichtet wurde, 
sind jetzt unverkäuflich geworden. 
Hoffentlich folgen diesen ersten Zeichen 
vernünftigen Beginnens im Modewesen bald 
mehrere zur Ehre der deutschen Frauen. 
Von den Männern, die die Auswüchse 
Ser jeweiligen neuesten Mode zur Schau 
tragen, wollen wir gar nicht reden. Sie 
mögen das Sprichwort auf sich anwenden, 
daß man den Narren am Kleide erkennt. 
— Succi hat in Folge seines Hungerns 
in der Ausstellung „Italien in Berlin" 
seit dem 28. Juli bis letzten Donnerstag 
etwa 12 V 2 Pfund an Körpergewicht ab 
genommen, und an der eiskalten Hand 
fühlt man, daß das Blut im Körper nur 
schwach pulsirt. Angeblich um sich zu 
erwärmen, hat Succi am Donnerstag- 
Abend zu Pferde einen Ritt durch die Aus- 
stellung „Italien in Berlin" unternommen. 
Der Verbrauch an Eiern betrug 
allein in Berlin im Jahre 1894 5 705 783 
Schock, d. h. 508 248 Schock mehr als 
1893. Der Werth des Verbrauchs repä- 
sentirt zum Durchschnittspreise von 2758 
Mark eine Summe von 15 736 549,50 
Mark gegen 16 445 000,75 Mk. im Vor- 
jähre. Bei einer mit 1700 000 Seelen 
angenommenen Bevölkerungsziffer betrug 
der Verbrauch pro Kopf und Jahr 201,4 
gegen 186,7 Stück, also pro Kopf und 
Tag 0/552 gegen 0,512 im Vorjahre. 
Durch die in Berlin mündenden Bahnen 
wurden im Jahre 1894 6 598 430 Schock 
Eier, oder 469 441 Schock mehr als im 
Vorjahre eingeführt. Der Werth der Ein- 
fuhr stellt sich aber trotz dieser bedeutend 
erhöhten Ziffer wegen des billigen Jahres- 
Durchschnittspreises von 2758 Mk. nur 
auf 18198 469,94 Mk. gegen 19 392 121,20 
Mark im Jahre 1893. Man sieht daraus, 
welchen Werth die Hühnerzucht hat. 
Berlin, 9. Aug. Zu der Angelegenheit 
des Vorstandes der Bielefelder 
(Bodelschwingh'schen) Anstalten und 
des Anstaltsdirektors Dr. Scholz zu 
Bremen, der bekanntlich gegen die in dem 
Anstaltshospital zu Bremen wirkenden 
Brüder aus den Bielefelder Anstalten 
öffentlich schwere Vorwürfe erhoben hat, 
erfährt die „Krz.-Ztg." aus zuverlässiger 
Quelle, daß bis jetzt von einer öffentlichen 
Gerichtsverhandlung nicht die Rede ist, 
dagegen hat der Senat von Bremen gegen 
Scholz eine Disciplinaruntersuchung einge 
leitet, die augenblicklich noch schwebt. Von 
ihrem Ergebniß wird es abhängen, ob 
eine Gerichtsverhandlung wegen der an 
geblichen Mißstände stattfinden wird; man 
hält es jedoch nicht für unwahrscheinlich. 
Berlin, 8. Aug. Zwei Parteien hatten 
sich vor der zweiten Ferienstrafkammer am 
Landgericht II beklagt und widerbeklagt. 
Der Beklagte war vom Schöffengericht zu 
10 Mk. Geldstrafe verurtheilt worden, der 
Kläger und Widerbeklagte hatte vor dem 
Schöffengericht feine Freisprechung erzielt. 
Der Berurtheilte hatte Berufung eingelegt, 
der Vorsitzende rieth jedoch eindringlich zur 
Einigung und Versöhnung, da die streiten 
den Parteien Nachbarn waren. Der Kläger 
weigerte sich entschieden, einen günstigen 
Vergleich einzugehen, welchen Rechtsanwalt 
Morris, als Vertreter des Beklagten, an 
bot Der Vorsitzende fragte: „Warum 
wollen Sie sich nicht einigen? Nennen 
Sie doch Ihre Gründe!" Kläger: „Gründe 
habe ich wohl, ich habe mein Recht!" Vor 
sitzender: „Und wenn Sie Ihr „Recht" 
in Gold fassen lassen, so ist das nicht so 
viel werth, als wenn Sie Verträg 
lichkeit zeigen gegenüber Ihrem 
Nachbar!" Der Kläger bestand auf feinem 
Schein und wurde durch richterliches Ur- 
theil mit feiner Klage abgewiesen, der Be 
klagte wurde abgewiesen, weil die Antrags- 
frist nicht gewahrt war, und dem hals- 
starrigen Kläger wurden sämmtliche Kosten 
beider Instanzen auferlegt. 
Eine bedeutende Submission hat die 
Eisenbahndirektion zu Berlin aus 
geschrieben. Es handelt sich um die 
Lieferung von 8355 neuen Güterwagen; 
außerdem sind 8014 Rädersätze für Eisen 
bahnwagen, 19 445 Spiralfedern und 
15 698 Tragfedern zur Lieferung aus 
geschrieben. Nach der Einstellung einer 
größeren Anzahl neuer Personenwagen 
im vorigen Jahre scheint trotz des sich be 
ständig geltend machenden Wagenmangels 
an Sonn- und Feiertagen, eine Vermehrung 
dieser Wagen im laufenden Jahre nicht in 
Aussicht genommen zu fein. 
Der frühere Kantinenwirth der 
Spandauer Gewehrfabrik, spätere 
Rentier Schroweg, ist, wie der „A. f. d. H." 
erfährt, am Donnerstag in Charlottenburg 
plötzlich gestorben. Herr Schroweg, der 
indreieinhalb Jahren, während deren 
er die Kantine in Verwaltung hatte, über 
zweihunderttaufend Mark erworben 
haben soll (sollten nicht 20 000 Mk. auch 
schon ein erklecklicher Erwerb fein? Red.), 
kaufte, als er Spandau feiner Zeit ver 
ließ, ein kleines Gut bei Königswuster 
hausen ; später siedelte er nach Charlotten 
burg über, wo er Hausbesitzer wurde und 
von seinen Renten lebte. 
— Bei einem Gewitter wurde dem 
Sohn des Bauernhofsbesitzers Bornfleth in 
HohenDrof edow bei Treptow a. d. R., 
welcher seiner Militärpflicht bei dem Garde- 
Füsilier-Regiment in Berlin genügt, sich 
zur Erntezeu aber in der Heimath auf 
Urlaub befand, vom Blitz erschlagen. 
Der Soldat und dessen Bruder hatten sich 
unter einen Baum gestellt, unter welchem 
sie das Verhängniß ereilte. Der Bruder 
des Soldaten wurde nur gelähmt. 
Wieso es kam, daß einmal ein pre u- 
ß i s ch e r Unteroffizier einen 
anderengeheirathet hat, erzählt 
Pfarrer Zimmermann in Niedergörsdorf 
in der eben erschienenen „Darstellung der 
Vorgänge in der Schlacht von Dennewitz", 
nach den Geschichten der betreffenden Regi 
menter: „Unter den tapferen Füsilieren 
focht auch ein weiblicher Soldat. Auguste 
Krüger, ein Mädchen von 18 Jahren aus 
Friedland in Mecklenburg, war bei der 
4. Kompagnie eingetreten und hatte sich 
bei mancher Gelegenheit durch Unerschrocken 
heit ausgezeichnet. In der Schlacht von 
Dennewitz wurde sie durch einen Granat- 
splitter verwundet, wurde aber auch zum 
Unteroffizier befördert und erhielt das 
Eiserne Kreuz. Obwohl ihr Geschlecht 
erkannt wurde, blieb sie beim Regiment 
und wurde wegen ihrer Ehrbarkeit mit 
viel Rücksicht behandelt. Später verheira- 
thete sie sich an den Unteroffizier Köhler 
und lebte als Frau Ober-Steuerkontrolleur 
in Lychen." 
Posen 9. Aug. Bei dem Branve eines 
Familienhauses auf dem Vorwerk Kreuz 
krug verunglückten 7 Personen. Drei Per 
fönen liegen noch schwer krank darnieder. 
Unter dem Verdacht, Brandstiftung verübt 
zu haben, wurde der Schäfer Zippel ver 
haftet, der in dem abgebrannten Hause 
gewohnt hat und dem die Frau, ein Kind 
und die alte Schwiegermutter mit ver 
brannt sind. 
Meerholz (Hessen), 8. Aug. Der 
seltene Fall, daß eine Apotheke auf 
dem Wege der Zwangsversteigerung 
veräußert werden soll, hat sich hierselbst 
zugetragen. Laut Bekanntmachung des 
hiesigen Amtsgerichts soll das Apotheken, 
grundstück zu Meerholz nebst dem darauf 
ruhenden Privilegium am 18. Oktober 
Vormittags 9 Uhr an der angegebenen 
Gerichtsstelle meistbietend verkauft werden. 
Eine Herausforderung zum Duell 
wurde von dem Ziegeleibefitzer Schillert 
in Sonnenburg abgelehnt, die ihm vom 
Premierlieutenant Grafen v. Keller zu 
gegangen war, weil sich der Letztere durch 
ein in einem dortigen Gasthaufe geführtes 
Gespräch, welches feine Person betraf, ver- 
letzt gefühlt hatte. Schillert wies die 
Herausforderung mit der Motivirung 
zurück, daß er Familienvater fei. — (Aller 
dings hätte Herr Schillert sich auch nicht 
dazu verstehen sollen, öffentlich über den 
Grafen v. Keller verletzende Reden zu 
führen. Auf der Bierbank kann man nur 
darüber laut reden, was man selbst er 
fahren hat, sonst behält man seine Pfeifen 
im Sack. Red.) 
Professor Siebenmann in Basel, der die 
zu begründende außerordentliche Professur 
für Ohren- und Halskrankheiten in Breslau 
übernehmen sollte, hat, wie die „Boss. 
Ztg." mittheilt, die Berufung nach Bres 
lau abgelehnt. Er folgt damit dem Bei 
spiele der Professoren Körner in Rostock 
und Walb in Bonn. Der wesentlichste 
Grund der Ablehnung ist der Umstand, 
daß der zu berufende Dozent sich erst das 
nothwendige Unterrichtsmaterial be 
schaffen soll. Es fehlt bis jetzt in Breslau 
eine Universitätsklinik für Ohren- und Hals 
leiden. Die Unterrichtsverwaltung glaubte 
sich bisher der Fürsorge für eine solche 
überhoben, weil der Privatdozent Dr. Gott- 
stein, dem der einschlägige Unterricht ob- 
lag, . aus eigenen Mitteln eine Poliklinik 
unterhielt. Mit Dr. Gottstein's Tod ist 
die Unterrichtsgelegenheit für die Universi 
tät verloren gegangen und es gilt eine 
neue zu schaffen. 
Hannover, 9. Aug. Frau Doktor 
Sch nutz, die in dem Prozeß gegen den 
antisemitischen Abgeordneten L e u ß eine 
eigenartige Rolle spielte und wegen Mein 
eids verurtheilt wurde, wurde heute b e - 
g n a d i g t. 
Erfurt, 9. Aug. Wenig zur Nach 
ahmung einladend ist ein Ausflug zweier 
Erfurter zum Besuch der Schlacht 
felder nach der französischen Grenzstadt 
Nancy abgelaufen. Tie Beilen wurden 
dort von einem Gendarmen angehalten 
und, als sie keine Pässe aufweisen konnten, 
vor den Maire gebracht. Dieser gab den 
beiden Deutschen den „freundschaftlichen" 
Rath, schleunigst aus Nancy zu verschwinden, 
da cr sonst dem „patriotischen Gefühle" 
der Bewohnerschaft keine Zügel anlegen 
könne. Die Reifenden befolgten den Rath 
und eilten zum Bahnhöfe, wurden aber 
unterwegs von dem französischen Jan 
hagel mit Schimpfworten bedacht. Die 
Ausflügler erreichten jedoch ungefährdet 
die deutsche Grenze. Der Vorfall mahnt 
indessen für ähnliche Vorhaben zur Vorsicht. 
Kleve, 8. Aug. Die falliten Schuhfa 
briken Bandle und Janzen und Langer 
haben ihren Betrieb eingestellt. Dadurch 
int> 300 Arbeiter brodlos geworden. Die 
Passiven der Fabriken sind bedeutend. 
Lyck, 8. Aug. Ein Liebesdrama, 
welches sich vor einigen Tagen hier ab- 
Ipielte erregt in unserer Stadt nicht ge 
ringes Aufsehen. Der Apotheker N., 
Sohn einer alleinstehenden Wittwe aus 
Orteisburg, der als Provisor in der 
hiesigen Apotheke thätig war, unterhielt 
ein Liebesverhältniß mit einem Fräutein 
B., welches vier bei seinen Angehörigen 
lebte. Angeblich war es nun zwischen 
ven beiden jungen Leuten zum Zwiespalt 
gekommen, Iveil N- nicht in der Lage tvar, 
einen Hausstand in reichlichen Verhältnissen 
führen zu können. Das Mädchen nahm 
sich den bevorstehenden Bruch des Ver- 
hältnisies sehr zu Herzen; sie machte 
wiederholt ihrem Verlobten brieflich Vor 
stellungen und sandte ihm schließlich eines 
Abends kurz vor Schluß der Apotheke ein 
Schreiben, in welchem sie ihm mittheilte, 
daß sie in dem Augenblick, in dem sie 
dasselbe an ihn absende, Gift genommen 
haben würde. Der junge Mann eilte so 
fort in die Wohnung des Mädchens und 
traf dasselbe zu Bett und bereits schwer 
erkrankt an. In feiner Verzweiflung ent 
leerte er nunmehr den Inhalt eines 
Fläschchens, welches er bei sich führte in 
ein Glas mit Wasser, trank dasselbe aus, 
erklärte, daß auch er Gift genommen hcà 
und verlangte Tinte und Feder, um einen 
Abschiedsbrief an seine Mutter zu richten. 
Unterdessen waren Aerzte erschienen, auch 
der Prinzipal des jungen N. wurde her- 
beigeholt. Beide Liebenden hatten zu ihrem 
Selbstmordversuch Morphium verwendet. 
Das junge Mädchen konnte mit vieler 
Mühe gerettet werden; N. verstarb am 
andern Morgen. 
Köln, 9. Ang. Die Stadtverordneten- 
Bersammlung setzte heute das Programm 
für die Feier des S e d a n f e st e s fest. 
Danach soll am 1. September eine fest- 
liche Beleuchtung und Beflaggung der 
öffentlichen Gebäude und am 2. Septbr. 
ein Fest im Gürzenich stattfinden. Die 
hier ansässigen Mitkämpfer von 1864, 
1866 und 1870 erhalten eine Ehrengabe 
von 5 Mk. und außerdem soll Hülfsbe- 
dürftigen eine außerordentliche Unterstützung 
gewährt werden. Die für die Durchführ 
ung des Programms ausgeworfene Summe 
von 30 000 Mk. wurde einstimmig be 
willigt. 
Aus Gelsenkirchen war feit längerer 
Zeit der neunjährige Sohn des Bergmanns 
Annschewski verschwunden, und alle Nach 
forschungen, auch die der Behörden, blieben 
erfolglos, bis nunmehr ein Mitschüler 
des Verschwundenen als Mörder des 
selben entdeckt wurde. Er hat sich seinen 
Schulkameraden gegenüber verrathen. Der 
kaum zwölfjährige Knabe gestand bei seinem 
Verhör, daß er den Annschewski, mit dem 
er kurz vorher in Streit gerathen war, 
zu dem zwischen Gelsenkirchen und Rott- 
hausen sich hinziehenden Tiefthal-Kanal 
gelockt, ihn dort aus Rache in das 
tiefe Wasser gestoßen und sich 
erst von dem Orte seiner Unthat entfernt 
habe, als er überzeugt war, daß der 
Knabe ertrunken sei. Die Nachforschungen 
nach der Leiche des ermordeten Knaben 
waren bisher erfolglos. 
Auch auf der württembergischen Landes- 
universität Tübingen hat nun — zum ersten 
Male — eine Dame sich den Doctor- 
hut erworben: Gräfin Maria von Linden 
hat bei der naturwissenschaftlichen Facultät 
eine Abhandlung über die Structur der 
Conchylien eingereicht, die von der Facultät 
angenommen wurde. 
Eine lustige angeblich wahre Kriegs- 
erinnerung aus den letzten Julitagen 
1870 wird aus der Pfalz mitgetheilt: 
Kamen da nach Scheidt hart an der 
Grenze zwei französische Offiziere, welche 
in das Schulhaus eindrangen und von 
dem Lehrer unter anderm gebieterisch 
Karten der Pfalz verlangten. Der geäng- 
stigte Schulmeister holte die in dem Schul- 
zimmer hängende Karte von Palästina 
herunter, gab fie den feindlichen Offizieren, 
und zufrieden ritten diese Herren von 
dannen. 
München, 8. Aug. Das Gemeindekolle- 
gium hat dem Magistratsbeschlusfe, für die 
Sedanfeier 5500 JU zu bewilligen, ein 
stimmig ohne Debatte zugestimmt. Die 
Feier wird mit einem Festzuge von Vete 
ranen, Schützen und Turnvereinen eröffnet, 
der sich am Abend unter Fackelbeleuchtung 
durch die Ludwigstraße nach der Feldherrn 
halle begiebt. Die Ludwigstraße wird 
dazu als rin triumptzà wie beim Trup. 
peneinzug 1871 geschmückt. Vor der Feld- 
Herrnhalle, wo am Armeedenkmal Lorbeer- 
kränze niedergelegt werden, gelangt ein 
von 1000 Sängern gesungenes patriotisches 
Lied zum Vortrag; darauf folgt eine 
Ansprache. 
Doberan, 7. Aug. Gestern Abend um 
6 Uhr ging ein schweres Gewitter 
mit starkem Regen über unsere Stadt 
nieder. Der Blitz schlug in den auf dem 
Kamp gelegenen sog. weißen Tempel, 
doch ohne zu zünden. Da um diese Zeit 
Conzert auf dem Kamp ist, waren viele 
Personen daselbst anwesend. Manche von 
ihnen hatten sich vor dem Regen unter 
den Tempel geflüchtet. Mehrere kleine 
Knaben spielten in der Nähe des Blitz 
ableiters, als der Blitz daran hernieder- 
mhr. Ein 7jahriger Knabe wurde schwer 
verletzt. Ihm wurde das Haar versengt 
und er verfiel sofort in Krämpfe. Die 
Mutter, die in der Nähe faß, wurde eben- 
falls betäubt; beide mußten in einer 
Droschke zu Hause gebracht werden. Der 
Blitz hatte außerdem den Tempel insofern 
beschädigt, als er auf einigen Stellen die 
Decke des Saales aufgerissen und an an- 
deren Stellen große Holzstücke losgerissen 
hatte. 
Metz, 8. Aug. Das letzte Unwetter 
hat einen größeren Schaden angerichtet,
	        
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