Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Wo. 182. 
Wrttwoch, öen 7. August 
1895. 
Morgeu-Depeschen. 
Berlin, 7. Aug. Wie der „Bert. 
Lok.-Anz." aus Kassel meldet, wird die 
Kaiserin mit dem Kronprinzen und Prinz 
Eitel Friedrich nur 14 Tage aus Schloß 
Wilhelmshöhe weilen. Der Ausenthalt 
soll ausschließlich der Erholung gewid 
met sein. 
Berlin, 7. Aug. Die „Berl. Corresp." 
schreibt: Durch Allerhöchste Verordnung 
vom 3. d. Mts. werden für die Pro- 
vinzen Ostpreußen, Westpreußen, Pommern, 
Brandenburg, Posen, Schlesien, Sachsen, 
und Schleswig-Holstein und für die Re 
gierungsbezirke Kassel und Wiesbaden 
auf Grund der gleichzeitig Allerhöchst ge> 
nchmiglen Satzungen Landwirthschasts- 
kammern errichtet. 
Berlin, 7. Aug. Tie kirchliche Feier 
des Sedantagcs, welche bekanntlich in 
Aussicht genommen war, wird nun that 
sächlich am Sonntag, den 1. September, 
in der evangelischen Landeskirche der 
preußischen Monarchie stattfinden, nachdem 
unter den leitenden Behörden eine Verein 
barung erfolgt ist. 
Berlin, 7. Aug. Dem „Berl. Tagebl." 
wird aus Hamburg gemeldet, daß im 
Stadtheil Eimsbüttel das zwölfsährige 
Kind einer daselbst wohnhaften Familie in 
der Nacht vom Sonnabend zu Sonntag 
unter choleraähnlichen Symptomen erkrankte, 
welche bald den Charakter derjenigen der 
cholera asiatica annahmen. Das Kind 
starb am Sonntag-Vormittag. Wie fest- 
gestellt ist, hatte das Kind ungekochtes 
Lettungswasser getrunken. Auch die Ge 
schwister wurden von Choleraanfällen heim- 
gesucht, jedoch ohne ernstliche Folgen. Wie 
das „Beil. Tagebl." erfährt, ist hier beim 
Reichsgesundheitsamt über einen in Ham- 
bürg beobachteten Cholerafall noch nichts 
bekannt geworden. 
Berlin, 7. Aug. Die seit dem 5. d. M. 
im Generalstreik befindlichen Kisienmacher 
hielten heute Nachmittag eine von 400 
Personen besuchte Versammlung ab, um 
die Lage des Streiks bekannt zu geben. 
Es befinden sich im Ausstande über 300 
Arbeiter mit 280 Familienangehörigen. 
Es wurde mitgetheilt, daß der Streik 
günstig stehe und infolge der überall 
dringenden Arbeit in höchstens 8 bis 10 
Tagen beendigt sein dürfte. Von dem 
Vertretern des „Holzarbeiter-Verbandes" 
wurde den Ausständigen Unterstützung zu- 
gesagt. 
Lübeck, 6. Aug. Der Senat wählte den 
Chefredakteur der „Lübeckiichen Anzeigen", 
Dr. Otto G c i s c, zum Senatssekretär. 
Stargnrd (Pommern), 7. Aug. Der 
frühere Buchhalter Lubascher der falliten 
Bankfirma Abel, welcher gestern in das 
Stargarder Untersuchungsgefängniß einge 
liefert wurde, hat sich daselbst erhängt. 
Es ist dies der dritte Selbstmord in der 
Abelschen Konkursangelegenheit. 
Braunschweig, 7. Aug. Der Braun 
schweiger Bierboykott endete nach fünf» 
zehnmonatlicher Dauer mit dem völligen 
Siege der Brauereien. Die Boykott 
kommission ließ alle Forderungen fallen 
und erklärte die endgiltige Aufhebung des 
Boykotts. 
Homburg a. d. H., 7. Aug. Die Kaiserin 
Friedrich ließ heute früh am Denkmal 
ihres Gemahls im Kurpark einen großen 
Lorbeerkranz mit Trauerschleise und der 
Inschrift: „Die Kaiserin Friedrich am 
6. August 1895" niederlegen. 
Innsbruck, 7. Aug. Heute Nacht er 
folgte auf der Brennerbahn zwischen den 
Stationen Steinach und Brixen ein Fels 
sturz unmittelbar vor dem Herunterfahren 
des nach dem Süden gehenden Personen 
zuges, dessen Lokomotive nebst einem Ge 
päckwagen beschädigt wurde. Verletzt wurde 
Niemand. Das Geleise konnte sofort 
wieder frei gemacht werden. 
Lemberg, 7. Aug. In ganz Ostgalizien 
wurde durch ein furchtbares Hagelwetter 
in voriger Nacht großer Schaden angerichtet. 
Wien, 7. Aug. Ein einflußreicher 
macedonischer Führer erklärte einem Corre- 
spondenten der „N. F. Pr.", der bis 
herige Mißerfolg der Aufständischen habe 
keinesfalls die Einstellung der macedonischen 
Bewegung zur Folge. Die unterdrückten 
Rajahs würden bis zum letzten Augenblick 
kämpfen. Rußland habe bisher den Auf 
stand nicht unterstützt, dies werde aber 
von einer Seite geschehen, an die bisher 
Niemand gedacht habe. Die Person des 
Fürsten interessire die Macedonier nicht; 
sie hielten aber die Aussöhnung Bulgariens 
mir Rußland für unerläßlich. 
London, 7. Aug. Wie die „Times" 
aus Havanna melden, ist die Situation 
der Spanier auf Cuba die denkbar lraurigste. 
Marschall Martinez Campos ist in der 
von 12 000 Insurgenten umzingelten 
Stadt Bayamo völlig eingeschlossen. Die 
Jnsurgentenführer Gomez und Macco haben 
ihre Strcitkräfte vereinigt. 
Zur Erinnerung an Wörth 
und Spiel) eren! 
Frankfurt a. O., 6 Aug. Anläßlich 
des Gedenktages von Spicheren fand heute 
eine Parade der gesammten Garnison statt, 
an der die hiesigen Kriegervereine, sowie 
die von Berlin und Fürstenwalde theil- 
nahmen. Generallieutcnant Vogel von 
Falkenstein hielt eine Ansprache, in der er 
aus die ruhmreichen Thaten des Jahres 
1870/71 hinwies, hieraauf folgte Parade 
marsch. Abends finden Festlichkeiten in 
den Kasernen statt. Die Stadt trägt 
reichen Flaggenschmuck. 
Kassel, 6. Aug. Die heutige Gedenk 
feier eröffnete eine Parade der ganzen 
Garnison; die Fahnen und Geschütze 
wurden auf dem Friedrichplatze zum ersten 
Mal bekränzt. Der Kronprinz und Prinz 
Eitel Friedrich sahen der Feier vom 
Balkon des Residenzschlosses aus zu. Als 
die Prinzen im offenen Wagen nach Schloß 
Wilhelmshöhe zurückkehrten, wurden sie 
von der Menge jubelnd begrüßt, 
f/ Weimar, 6. Aug. In Gegenwart des 
Großherzogs, des Herzogs Johann 
Albrecht von Mecklenburg > Schwerin mit 
Gemahlin, der Prinzen Hermann und 
Heinrich sand heute Vormittag zur Feier 
des Gedenktages der Schlacht bei Wörth 
ein Militär-Gottesdienst vor dem prächtig 
geschmückten Kriegerdenkmal statt, an dem 
die ganze Garnison, sowie die Veteranen 
und Kriegervereine theilnahmen. Der 
Großherzog legte einen Lorbeerkranz an 
dem Fuße des Denkmals nieder. Nach 
dem Gottesdienst nahm der Großherzog 
die Parade über die Truppen ab. Zahl 
reiche ehemalige Offiziere und Hunderte 
von alten Soldaten sind in der mit 
Flaggen und Guirlanden reich geschmückten 
Stadt eingetroffen. 
München, 6. Aug. Am heutigen Ge 
denktage der Schlacht bei Wörth wurde in 
der dichtgefüllten Basilika vom bayrischen 
Veteranenverein eine Trauerseier veran 
staltet. Vor dem Hochaltar war, umgeben 
von Lorbeerbäumen und Gewehrpyramiden, 
ein prächtiger Katafalk errichtet, zu dessen 
Seiten Soldaten Ehrenwache hielten. Zu 
der Feier waren erschienen der hiesige 
Domvikar Xylandcr, der stellvertretende 
Stadkcommandant Generalmajor von 
Euler-Chelpin, eine Deputation des 
Magistrats, eine große Reihe Offiziere 
und Soldaten des Feldzugs. Nachdem der 
Vorstand des Veteranenvereins am 
Katafalk einen prächtigen Lorbecrkranz 
mit blauweißer Schleife niedergelegt hatte, 
wurde unter Begleitung von Militärmusik 
eine feierliche Trauermesse celebrirt. Nach 
beendigter Feier begaben sich die Theil- 
nehmer nach der Eingangshalle des Rath- 
hauses. Dort hielt nach einem von der 
Militärmusik gespielten Choral der ehemalige 
Feldgeistliche, BenedictinerpaterGronen eine 
ergreifende Gedächtnißrede auf die großen 
Ereignisse des Krieges, in welcher er den 
Opfermuth der bayrischen Truppen betonte 
und mit einem Gelübde der Erinnerung 
an die militärischen und bürgerlichen 
Tugenden sowie mit einer Huldigung für 
den Prinz-Regenten und den Kaiser schloß. 
Der Vorstand des Veteranenvereins legte 
auch hier einen prächtigen Kranz nieder. 
Der Beethoven'sche Trauermarsch beendete 
die erhebende Feier. 
München, 6. Aug. Unter überaus zahl- 
reicher Betheiligung legte heute Nachmitag 
der bayerische Vertrauensverein an dem 
Grabe des Generals von der Tann auf 
dem hiesigen nördlichen Friedhose einen 
prachtvollen Lorbeerkranz nieder. Dabei 
hob Hauptmann Tanera in einer kurzen 
Ansprache die Verdienste des Generals von 
der Tann um die bayrische Armee hervor. 
Nach einem stillen Gebet bewegten sich die 
Veteranen im Zuge nach den auf dem 
selben befindlichen reichgeschmückten Gräbern 
der im Jahre 1870/71 in München ver 
storbenen französischen Gefangenen, wo der 
erste Sekretär des Vereins, Forgeitz, einen 
zweiten prachtvollen Lorbeerkranz mit blau 
weißer Schleife niederlegte. 
Wörth, 6. Aug. Schon der erste Zug 
um 8 Uhr brachte zahlreiche Gäste, meist 
Veteranen, viele mit Kranzspenden für die 
Gräber der Kameraden. Um 9 Uhr sand 
die Einweihung des Denkmals des hessischen 
Jäger-Bataillons Nr. 11 bei Morsbronn, 
das 1870 dort 5 Offiziere und 64 Mann 
verloren hatte, statt. Das Bataillon war 
durch aktive und ehemalige Offiziere, Ein- 
jährige und Deputationen von Oberjägern 
und Jägern vertreten. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Aus Shanghai wird dem „L.-A." ge 
meldet: Laut Mittheilungen der Ueber 
lebenden wurde das Blutbad in Whasang 
von einer Bande von achtzig Chinesen 
verübt. Die Damen baten um ihr Leben 
und boten ihre Habe an, doch der An 
führer befahl sie niederzumetzeln. Die 
Damen wurden mit Schwertern und 
Spießen zerhackt, die Kinder aufgespießt; 
vier von den überlebenden Kindern 
Steward's sind schwer verwundet. Die 
chinesischen Behörden erschienen erst, als alle 
gemordet oder geflohen waren. In 
Kutscheng sind tausend chinesische Soldaten, 
womit der Aufruhr hätte unterdrückt 
werden können. Die amerikanische 
Mission Schaschi bei Henkow ist eben 
falls zerstört; die Missionare sind ge 
flohen. 
Der Staatssekretair im Colonialanite 
hat vom Bischof in Futschau ein Telegramm 
erhalten, wonach die ermordeten Missionare 
Schwestern eines katholischen Ordens 
sind. 
Hongkong, 6. Aug. Die Leichen der 
Opfer des Mordüberfalles bei Kutscheng 
kamen in Futschau an und wurden Nachts 
beerdigt. Es laufen Gerüchte um von 
weiteren Meutereien in der Nähe von 
Futschau. 
Die wackeren „Väter" der Stadt Chicago 
wußten dieser Tage nichts Besseres zu thun, 
als eine Verordnung zu erlassen, die 
den Radfahrern vorschreibt, wie sie 
sich zu kleiden haben. Künftig .sind 
alle enganliegenden Strumpfhosen, sowie 
Pumphosen den Radfahrern beider Ge 
schlechter streng verboten; statt beste» 
müssen sie bauschige Hosen tragen, die bis 
zum Knöchel reichen, und die Jacke darf 
nicht ausgeschnitten sein. Angesagte Renne» 
mußten vertagt werden, um den Fahrer» 
Zeit zu geben, sich an die gesetzliche» 
bauschigen Hosen zu gewöhnen. 
New-Aork, 6. Aug. Ein an den Pre 
sidenten des hiesigen Polizeiraths Thew 
bore Roosevelt adressirtes Packet, welches 
eine Höllenmaschine enthielt, wurde 
im Postamte zeitig genug entdeckt, um 
dessen Absendung zu verhindern. Die 
Höllenmaschine bestand aus scharfen Pa 
tronen, die mittels eines Zündfadens mit 
einem Packet Streichhölzer verbunden 
waren, welche durch Sandpapier entzündet 
werden sollten. Die rücksichtslosen Maß- 
nahmen, welche Roosevelt in seiner Eigen- 
schalt als Vorsitzender des Polizeirathes 
zur strengen Aussührung der Sonntags- 
gesetze getroffen hat, haben viel böses Blut 
erregt, und die Absendung der Höllen- 
Maschine ist auf die Wuth über sein Vor- 
gehen zurückzuführen. 
12) 
ķi Bmt à êļhà 
Roman von Gustav Höcker. 
X. 
Der Justizraih Carus stand in der Mitte 
der vierziger Jahre, welche man als das 
kräftigste Mannesalter zu bezeichnen pflegt. 
Er war ein ,,self-made man“, denn das 
bedeutende Vermögen, welches er besaß, hatte 
kr sich durch seine Praxis erworben, die sich 
don unbedeutenden Anfängen zu solch aus- 
gkdchnlkm Geschäftskreise entwickelt hatte, daß 
seine Colleger! ihn beneidcren. Aber wie 
keinem Sterblichen ungetrübtes Glück zu 
Theil wird, so war auch sein Leben nicht 
ohne harte Prüfungen dahingeflossen! 
, 2n Kreisen, welche ihm näher standen, 
gwg das Gerücht, er habe in jüngeren 
fahren ein Mädchen geliebt, welches, einer 
höheren Gcftllsckmftssphäre angehörig, von 
strengen vorurtheilsvvllen Eltern zu einer 
G *J ar f 1 Hb'rarh gezwungen wurde, und die 
Wunde, die dieser schmerzliche verzicht in 
seinem Gemüthe hinterlassen, sei nie oanz 
geheilt worden. Die Ehe, die er ziemlich 
spät geschlossen hatte, um sein vereinsamtes 
Herz geliebten Kindern öffnen zu können und 
seinem wachsenden Hausstande eine Reprä 
sentantin zu geben, war keine glückliche 
gewesen. Die gehofften Vatcrfreuden sollten 
ihm nicht beschieden werden, die Gattin 
brachte lange Jahre auf einem schmerzhaften 
Krankenlager zu und jetzt war er seil einem 
Jahre Wittwcr. 
Der Baron von Sturen wurde von seinem 
khemaligm Vormunde aufs liebenswürdigste 
empfangen. Unglücklicherweise war er zu 
xMer Stunde gekommen, wo der Rechts- 
gclehrke sehr . beschäftigt schien. Wolfgang 
dankte ihm, wie er es schon brieflich gethan, 
noch einnial in den herzlichsten Ausdrücken 
für die gewissenhafte und geschickte Ver 
waltung seines Vermögens und ebenso für 
die lebhafte Theilnahme, mit welcher er sich 
täglich nach ihm erkundigt halte, als er an 
den Folgen der unglücklichen Eiscnbahnfahrt 
schwer verwundet daniederlag. 
Es war für Wolfgang nicht leicht, bei der 
Kürze der ihm für diese Unterhaltung zu 
gemessenen Zeit, einen passenden Uebergang 
zu der Angelegenheit zu finden, welcher, 
nicht zum kleinsten Theile, sein Besuch galt. 
Er fühlte, daß cs paffender gewesen wäre, 
diesen Gegenstand im Laufe einer unge 
zwungenen Unterhaltung zur Sprache zu 
bringen und eben war eine verlegene Pause 
eingetreten, als der Justizrath sagte: „Frau 
von Prachwitz wird sich ebenfalls sehr gefreut 
haben, Sie nach so langen Jahren wieder 
zu sehen und Ihnen zu Ihrer Wiederher 
stellung Glück wünschen zu dürfen. Ich 
würde mid.) eines Verdienstes rühmen, das 
ich nicht besitze, wollte ich verschweigen, daß 
Frau von Prachwitz es war, welche mir 
dm ersten Impuls gab, über Ihr Befinden 
tägliche Erkundigungen einzuholen, um die 
eingelaufene Nachricht regelmäßig durch ihren 
Diener einholen zu lassen." 
Wolfgang unterdrückte gewaltsam eine 
innere Bewegung, um dem Justizrath seine 
Beschämung nicht zu verrathen. Frau von 
prachwitz war die intimste Freundin seiner 
Mutter gewesen und hatte ihm stets viel 
Liebe und Güte erwiesen, wenn er in seiner 
Knabcnzeit mit seinen Eltern in Berlin 
weilte und halbe Tage bei ihr zubrachte. Wie 
ein schwerer Vorwurf fiel es ihm nun auf 
die Seele, daß er diese liebenswürdige Dame, 
die ihm durch die Erinnerung an seine 
Mutter hätte theuer sein müssen, ganz ver 
gessen hatte. Seit er ihr vor einigen Jahren 
beim Tode ihres Gemahls condolirt, war 
sic ihm allmählig aus dem Sinne gekommen. 
Es war ihm gegangen, wie den meisten 
seiner Altersgenossen. Im Leben des heran 
wachsenden Jünglings schlagen neue Inter 
essen ihre Wurzeln, das Andenken an die 
Heiligthümer des Elternhauses verblaßt, und 
die innigen Bande, welche die Eltern mit 
andern verknüpften, bestehen für die Kinder 
nicht mehr, denn die Pflichten des Herzens 
verjähren wie alte Schulden. — Diese Fluth 
»on Gedanken und Selbstvorwürfen überhob 
ihn aber auch auf ebenso unerwartete als 
natürliche Weise der Nothwendigkeit, dm 
Justizrath mit Melanie Rettbergs Angelegen 
heit bekannt machen zu müssen. War in 
Frau von Prachwitz nicht die natürlichste 
Beschützerin und Beratherin für das junge 
Mädchen gefunden? 
Der Wahrheit gemäß gestand Wolfgang 
dem Justizrath, daß er Frau von Prachwitz 
noch nicht seinen Besuch gemacht habe, aber 
soeben im Begriffe stehe, diese Ehrenschuld 
abzutragen. Damit verabschiedete er sich von 
ihm. In der That wollte er heute noch 
die mütterliche Freundin aufsuchen, doch 
mußte er zunächst nach seinem Hotel zurück 
kehren, da Maitland versprochen hatte, ihm 
über das Ergebniß seiner Verabredung mit 
Quinnas Secundantcn Botschaft zu schicken 
oder diese- persönlich zu überbringen. Wolfgang 
war kaum in sein Zimmer eingetreten, als 
Maitland selbst erschien. 
„Nun, mein lieber Baron," begann er, 
„ich habe alles Nöthige mit dem Rittmeister 
von Kofsatz arrangirt. Daß Sie die For 
derung annehmen, geht diesen braven Leuten 
wider dm Strich; glauben Sie mir, ich 
kenne die Burschen durch und durch! Kossatz, 
der dm Ton eines Kavaliers vortrefflich an 
zunehmen versteht, sollte Sie aus die höflichste 
Weise behandeln und sich an der geringsten 
Entschuldigung von ihrer Seite genügen 
lassen. Dann hätte man mit allen Mitteln 
der Courtoisie Ihre Freundschaft zu gewinnen 
gesucht, um sich derselben gegen alle Welt 
rühmen zu können. Als der Rittmeister von 
mir erfuhr, daß ich in Ihrem Aufträge 
komme, las ich sogleich in seiner verblüfften 
Miene, welch' fein abgekartetes Spiel ihm 
und seinem Cumpanc verdorben war. Ich 
sagte ihm, daß sie jede Entschuldigung ver 
weigern und Herrn von Quinna Satisfaction 
geben wollten. Wenn er sich stellt, soll es 
mich sehr wundern; obgleich Kossatz, der ein 
Mann von Muth ist, ihn möglicher Weise 
dazu zwingen wird. Was beabsichtigen Sie 
in diesem Falle zu thun, Baron?" 
„Ich beabsichtige," erwiderte Wolfgang 
entschlossen, „einen verwickelten Knoten zu 
lösen, indem ich diesen Quinna niederschießen 
werde wie einen tollen Hund. 
„Sie haben ganz Recht," stimmte Mait 
land bei. „Was Ort und Stunde der Zu 
sammenkunft betrifft, so bleibt es bei unserer 
Verabredung von heute Vormittag. Halten 
Sie sich morgen früh vier Uhr bereit. Ich 
hole Sie in meinem Brougham ab und 
bringe Sie nach dem Grunewalde." 
Nachdem Maitland gegangen war, ge 
wann Wolfgang Samnllung, sich alle allen 
Erinnerungen an Frau vou Prachwitz ins 
Gedächtniß zurückzurufen. Sic war bedeutend 
jünger als seine verstorbene Mutter gewesen 
und ihr Wesen schwebte ihm ini Lichte 
eines milden Ernstes und gütigen Herzens 
vor; an ihrer Bereitwilligkeit, ein verlasse 
nes Mädchen unter ihren Schutz zu nehmen, 
durfte er nicht zweifeln. Und da waren 
seine Gedanken wieder bei Melanie Rett- 
bcrg angelangt und unwillkürlich drängte sich 
ihm die Frage auf, ob er sie liebe und ob 
er ihr wohl seine Hand angeboten hätte, 
wenn das Bedenken gegen ihren verworfenen 
Bruder nicht bestanden hätte? Er mußte 
diese Frage verneinen. 
Wolfgang gehörte zu jenen Männern, 
welche sich von dem Weibe, das sie sich zur 
Gattin wünschen, ein ganz bestimmtes Bild 
entwerfen. Dieses Bild war aus dem 
Rahmen der Träumerei herausgestiegcn; er 
hatte es, in Fleisch und Blut verwandelt, 
gesehen, aber cs war nicht dasjenige Me 
lanie Rettbcrgs, — es war jenes dunkel 
äugige Mädchen, welches er zuerst auf 
bäumendem Rosse und dann im Tumulte 
der Straße im glühenden Fackelscheine er 
blickt hatte. Ob die inneren Eigenschaften 
seiner Vorstellung ebenfalls entsprachen, 
sonnte, er nicht beurtheilen, aber die äußere 
Erscheinung glich genau seinem Jdealgebilde. 
Bon der Erinnerung an die Unbekannte und 
seinem Herzen doch so Bekannte gingen 
Wolfgang's Gedanken zu dem Werke über, 
welches ihn morgen früh erwartete. Erst 
jetzt dachte er daran, daß er selber in dem 
Duell fallen konnte. Es war nicht sehr 
wahrscheinlich, dennoch lag es nicht außer 
dem Bereiche der Möglichkeit und für diesen 
Fall mußte er seine Vorkehrungen treffen. 
Er nahm daher Papier und Feder zur 
Hand, um seine letzten Wünsche niederzu 
schreiben.
	        
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