Full text: Newspaper volume (1895, Bd. 2)

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Donnerstag, den 1. August 
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Morgen-Depeschen 
Raumburg, 1. Aug. In Freyburg an 
der Jnstrut sind neue Reblausheerde in 2 
Weinbergen entdeckt worden. 
Rom, 1. Aug. )Tie Presse äußert sich 
im Allgemeinen über die gespannten Be 
ziehungen zwischen Italien und Rußland 
sehr erregt. Man glaubt, versichern zu 
können, daß die italienische Regierung 
entschlossen sei, das Mittelmeer durch 
mehrere Kriegsschiffe bewachen zu lassen 
und sofort ein Geschwader nach Massauah 
zu senden, wenn Rußland Schiffe nach dem 
Rothen Meere schicke. 
Venedig, 1. Aug. Blättermeldungen zu 
folge ist in dem Befinden der erkrankten 
Herzogin von Aosta seit vorgestern eine 
erhebliche Berschlimmerung eingetreten 
Der Herzog ersuchte telegraphisch die 
Herzogin-Multer, die Gräfin von Paris, 
nach Turin zu kommen. Die Letztere wird 
von bent Leibarzt der Familie Orleans 
begleitet sein. 
Venedig, 1. Aug. Durch das vorgestrige 
Erdbeben wurde in den Provinzen Ferrara, 
Rovigo, Toscana, Vicenza und Venedig 
bedeutender Schaden angerichtet. In vielen 
Orlschastcn wurden Häuser beschädigt. 
Lemberg, 1. Aug. In Jaroslaw richtete 
ein furchtbares Unwetter große Verheerun 
gen an. Zahllose Bäume wurden entwurzelt, 
viele Dächer herabgerissen und die An 
pflanzungen in der Umgegend vernichtet. 
Ncwhork, 31. Juli. Auf Cuba sind 
353 neue Insurgenten gelandet, welche den 
Aufständischen wiederum 700 000 Patronen, 
500 Pfund Dynamit und mehrere Hundert 
Gewehre iiļ>ļ-rķ,----->—- 
Newport, 31. Juli. Ter „Herald" ver- 
öfsentlicht eine Draht-Nachricht aus Ha- 
vanna, daß die Regierungstruvpen vor 
gestern bei San Louis von den Insurgenten 
angegriffen und völlig geschlagen wurden. 
Bon den 2000 Regierungssoldaten wurden 
675 im Handgemenge niedergemetzelt. 400 
Soldaten befertirten nach der Schlacht und 
vereinigten sich mit den Cubanern, denen 
sie vier Geschütze zuführten. 
Durban (Natal), 31. Juli. Nachrichten 
von einer großen Niederlage der schwarzen 
Truppen bei Karasata durch die Franzosen 
sind hier eingetroffen. Der Kamps dauerte 
nahezu 24 Stunden, und die Schwarzen 
entwickelten einen heldenmüthigen Wider 
stand. Die Garnison wurde überrumpelt 
und fast bis aus den letzten Mann ver 
nichtet. Die sranzösischen Truppen ver 
folgten die Fliehenden nicht. 
* 
Vom Kaiser Wilhelm-Kanal, 29. Juli. 
Selbst diejenigen Kreise, welche der von 
der Reichsregierung aufgestellten Rentabili 
tätsberechnung s. Zt. aus vollster Ueber 
zeugung beipflichteten, stehen heute vor 
einer grausamen Enttäuschung. Nicht als 
ob der Nord-Ostsee-Kanal in nautischer, in 
technischer Beziehung das nicht ge 
halten, was versprochen wurde, für die 
Schifffahrt im kleinen wie im großen 
Maßstabe ist der Kanal technisch das ge 
worden, was er nach seinem Programm 
werden sollte. Schon jetzt können Schiffe 
von einem Tiefgang von mehr als sechs 
Metern den Kanal unbehindert passiren 
und die volle 8—9 Meter tiefe Fahrrinne 
wird in ganz kurzer Zeit auch da erreicht 
ein, wo in Folge von Rutschungen und 
Nachsickerungen des Moorbodens eine Ver 
änderung der Fahrrinne Nachbaggerungen 
nöthig macht. Man bars also in techni- 
cher Beziehung gegen den Kanal keinen 
Vorwurf erheben, wenn die auf seinen 
Verkehr gesetzten Erwartungen nicht in 
Erfüllung gehen sollten. Auch die Tarif 
rage ist in der Presse während der letzten 
Wochen gebührend gewürdigt worden, wo 
bei unwiderleglich der zahlenmäßige Be- 
weis geführt wurde, daß die Höhe der 
Gebühren eine der Abschreckungs 
gründe für die Schifffahrt schon 
heute bildet. 
Die Gebührenhöhe hat namentlich die 
auswärtigen in specil die englischen 
Wortes zu boykottiren. Es liegen so- 
wohl den großen Nordsee- als auch Ostsee- 
rhedereien briefliche Mittheilungen 
in großer Zahl vor, aus denen klipp 
und klar hervorgeht, daß die englischen 
Rheder und Spediteure es ausdrücklich 
ablehnen, den ganz ungebührlich vertheilen 
ten Canolweg zu benutzen. Was das für 
die finanzielle Ertragsfähigkeit der gesomm- 
tcn Canalverwaltuug zu bedeuten hat, das 
läßt sich schon heute ziemlich genau in 
Zahlen ausdrücken, welche zweifellos im 
Reichstage den Gegenstand ernster Erörie- 
rungen bilden dürften. Allein es ist leider 
nicht die leidige Gebührenfrage allein, 
welche den Kanalverkehr niederhälr, sondern 
ein Umstand kommt hinzu, der sich in be- 
thetligten Kreisen von Tag zu Tag ein 
pfindlicher bemerkbar macht: das ist die 
inimer greifbarer zu Tage tretende U n 
geignetheit der gegen wärti- 
gen gesammlen Kanalverwal- 
tung! Nicht nach handelspolitisch klugen, 
praktisch bewährten Gesichtspunkten wird 
die Verwaltung und der Dienst am Kanal 
ausgeübt, sondern nach be st im m ten 
Dienstschablonen. Vom grünen 
Tische dekretiren Vcrwaltungsjuristen, 
welche in technischen und nautischen Fragen 
auf das leider nicht immer beachtete Ur 
theil untergebener Fachinstanzen angewiesen 
ind. Es herrscht der Geist fräs 
est en Bureaukratismus in der 
gegenwärtigen Verwaltung. 
Die guten Seiten der preußischen Bureau 
kratie erkennt Jedermann gern an, allein 
die Verwaltung eines auf ein Stück freien 
Weltverkehrs zugeschnittenen, großen und 
bedeutsamen Wasserweges läßt sich nicht 
mit bureaukratischer „Schneidigkeit" Hand- 
haben. Handel und Wandel auf solchen 
mächtigen Verkehrsbahnen bedürfen des 
rcien Lichtes, bedürfen der freien Luft, 
jedes beengende, zwängende und in der 
äußeren Form herrisch und unliebenswürdig 
äch gebende Bnreaukratenthum ist mit 
diesen Grundsätzen des freien Handels 
und Verkehrslebens unvereinbar. 
Die gegenwärtige Kanalverwaltung setzt 
ich aus durchaus gewissenhaften, yom 
besten Willen beseelten Elementen zusam 
men; all ein sie befindet sich an einem 
alschen Platze. Die wenigen, den Kanal 
benutzenden Schiffssührer klagen, abgesehen 
von der schon erwähnten Gebührenhöhe, 
ganz besonders über die zahllosen Verkehrs- 
Berwaltungsniaßnahmen. Die bestimmte 
zielbewußte Ein h eit l i ch kei t der Verkehrs 
regelung wird vermißt. Jeder der Exekutiv 
beamten dünkt sich ein König in seinem 
kleinen Funktionsbezirke, die Lootfen lasten 
es an Höflichkeit, die Subalternbeamten 
an wohlwollender Handhabung ihrer In 
strukiionen fehlen. Die obersten Vermal 
tungsorgane stehen bis oben zugeknöpft « 
und unerreichbar für das Verkehrspublikum 
an vornehmer Gelassenheit da und warten 
anscheinend mit stoischem Gleichmuthe die 
fernere Entwickelung der Dinge ab. 
Mit einem Worte gesagt, die Fahrt 
durch den Kanal ist für viele Schiffer 
eine Fahrt der Aergernisse und 
mancher nimmt sich vor, lieber wieder die 
alte gefährlichere, zeitraubende Bahn um 
Skagcn zu segeln, als im Kanal und 
an den Schleusen sich zu allen hohen 
Kosten noch stark zu ärgern und sich un- 
wirs ch oder doch kurz behandeln zu 
lassen. Dazu kommt noch, daß die mit so 
vielem Nachdruck in Aussicht gestellte Er 
möglichung der Nachtfahrt, zwecks 
welcher eine wahrhaft bewundernswerthc 
elektrische Beleuchtungsanlage längs des 
ganzen Kanals erbaut wurde, bis jetzt 
unausführbar geblieben ist! Die 
Nachtfahrt ist bis jetzt nicht möglich, der 
Kanalverkehr lediglich auf die 
Tagesstunden beschränkt. 
So reiht sich ein Umstand zum andern, 
um das mit so freudigen Hoffnungen be 
grüßte, unter der Pathenschaft oller 
schiffahrttreibenden Staaten der Welt 
prunkvoll getaufte stolze nationale Werk 
seinen eigentlichen Zwecken zu ent 
fremden. In einsichtigen Kreisen glaubt 
man selbstverständlich nicht an die böse 
Nachrede, laut welcher die Kanalverwal- 
tung im Einklänge mit den Tendenzen der 
Kaiserlichen Manneverwaltung, eine allzu 
starke Steigerung der Privatschifffahrt 
durch den Kanal nicht wünsche, vielmehr 
den Kanal vorwiegend für marine- 
strategische Operationen frei zu 
halten strebe. Das sind absurde Be 
hauptungen, welche dem jederzeit von der 
Reichsregierung vertretenen Standpunkte 
allzu scharf widersprechen, als daß man 
sich eingehend mit ihnen beschäftigen müßte. 
Aber daß solche Behauplungen überhaupt 
laut werden können, das enthält bereits 
eine in hohem Grade beachtenswertste 
Kritik des Mißtrauens gegenüber ^ der 
zwecke entsprechen, dann muß nach Ansicht 
aller am Kanalverkehr intcressirten Schifs- 
iahrts- und Handelskreise eme durch- 
greifende, grundsätzl iche Aenderung 
in der Handhabung der gesammten 
Berwatiun gsorganisation Platz 
greifen. Wie der Kaufmann, um einen 
gesteigerten Umsatz zu erreichen, gesteigerte 
Anstrengungen machen, die Kunden unter 
Einräumung von allerlei Vortheilen her- 
beiziehen muß, so muß auch die Kanal- 
Verwaltung mehr im kaufmänni- 
s chen, als im bureaukraiis chen Sinne 
gehandhabl werden. Alle Berwaltungs- 
urgane haben ein ausgeprägtes Interesse 
daran, daß die Reichsregierung und ihre 
Rentabilitätsberechnung nicht allzu aus 
fällig des übertriebenen Optimismus im 
Parlament beschuldigt werden! Gehen die 
Dinge so weiter, wie sie sich in diesem 
ersten Zeitraum nach der Kanaleröffnung 
leider entwickelt, bezw. wie sie sich nicht 
entwickelt haben, dann wird das stolze 
deutsche Nationalwerk seinen friedlichen, 
frucht- und segenverheißenden Zweck ganz 
gewiß nicht erfüllen. Nur ein hohes 
Maaß wirthschastlicher Einsicht, weit 
gehender Verkehrskoulanz, ein lebendiger, 
betriebsamer Geist, neben einer mit Vor 
sicht und Wohlwollen geübten Verwaltungs 
praxis vermag die internationale und die 
nationale Schifffahrt für die rege Kanal 
benutzung zu gewinnen, — eventuell trotz 
der hohen Gebühren. Die Verwaltung 
hat die Pflicht, auf die mirths chaft- 
liche Bedeutung des neuen Wasser 
weges Gewicht zu legen, sie wird der 
Reichsregierung und sodann auch der 
deutschen Volksvertretung Rechenschaft 
über die auffälligen Resultate ablegen 
müssen, die vorstehend nur kurz, aber 
mitten aus der Stimmung der seefahrenden 
und handeltreibenden Kreise heraus skizzirt 
worden sind. 
Ausland. 
Auhercuropäische Gebiete. 
Ein Rassenkampf fand in Brook- 
stdc (Alabama) statt, in welchem zwei 
Bizecheriffs und sechs Neger getödtet 
wurden. Der Kamps entstand daher, daß 
ein schwarzer Bergarbeiter verhaftet werden, 
ollte, welcher aus die Cheriffs schoß. 
Tie meisten Bergarbeiter vereinigten sich 
Somata (Cypern), 31. Juli. Zahlreiche 
_ ewaltthätigkeiten wurden in 
der letzten Zeit in Papho, dem südwestlichen 
Distrikte der Insel, verübt. In der Nähe 
von Porapedia wurden drei Angestellte der 
Cyprus-Compagnie erschossen. Eine starke 
Abtheilung Polizeimannschaft wurde nach 
dem Distrikte abgeschickt, da es gefährlich 
ist, dort zu reisen. 
Washington. Eine Anweisung über 1, 
schreibe einen Cent (gleich vier Pfennigen) 
ist dein Präsidenten Cleveland feierlichst 
überreicht worden! Die Geschichte dieser 
Anweisung ist folgende: Das Oberhaupt 
der Vereinigten Staaten bezieht ein jähr 
liches Gehalt von 50 000 Dollars. Da 
nun die Auszahlung monatlich erfolgt, 
entfiele auf einen Monat ein Betrag von 
4166 Dollars 66,6666 .... Cents. Mr. 
Cleveland erhält nun abwechselnd in einem 
7) 
Im Sumte alter Schuld. 
Roman von Gustav Höcker. 
lkzugn 
95. 
Aaste). 
„War die Besitzerin dieser Ohrringe selbst 
bei"Jhnen?" wollte Wolsgang wissen. 
„Sie hat mir die Ohrringe persönlich 
gebracht." winkte der Psandleihcr. „Es war 
das erste Mal, daß ich sie sah. Den 
Bruder keime ich schon lange, er har mir 
von dem Hausrath ein Stück nach dem 
andern verkauft." 
Wolsgang war entschlossen, den schmuck 
zu lausen, den jungen leichtsinnigen Mann 
aufzusuchen, und zu sehen, ob er durch ihn 
nicht etwas für die Schwester thun könne. 
„Ich bin nicht abgeneigt, das Geschäft 
mit Ihnen gleich abzuschließen," erklärte er 
„doch müßte ich die Bedingung stellen 
daß Sie mir Namen und Wohnung des 
jungen Menschen angeben. Ich möchte ein 
paar Worte über seine Angelegenheiten mit 
ihm sprechen. Schreiben Sie mir die Adresse 
auf." fügte er hinzu, indem er dem Be 
suchet Schreibmaterial hinschob, „und nennen 
Sie mir den Preis der Ohrringe." 
Der Pfandleiher nannte den Preis, wobei 
er dm Baron mit einem berechnenden 
prüfenden Blicke aus seinen dunklen glän 
zenden Augen ansah. Als dieser sich erhob 
um nach seiner Cassette zu gehen, schrieb 
Friedländer die Adresse des Gcschwisterpaares 
nieder. 
Wolfgang zählte ihm dee geforderte 
Summe hin. Friedländer strich unter wieder 
holten Verbeugungen die blanken Goldstücke 
oin und wandte sich dann zum Gehen. 
„Wenn der Herr Baron sonst etwas 
brauchen," sagte er, auf dem Wege zur 
Thür stehen bleibend. „Junge vornehmeldoch unverschlossen und Wolfgang ward,und fragte mit cmem Blicke, der durchaus 
Herren sind oft Freunde von Alterthümern; von der Frau in das Zimmer geführt. Es kem Vergnügen ausdruckte . 
,cha habe ich zum Beispiel," begann er anlbefand sich niemand darin. „Sie wünschen meinen Bruder zu 
dm Fingern herzuzählen, „eine echte Da- „Herr Rettberg wird ausgegangen sein," 
mascmerklinge, die noch aus der Zeit sagte die Frau — wahrscheinlich die Wirth- 
Timur's stammt, — dann habe ich eine in — „aber das Fräulein — Sie schritt 
altgriechische Base von der Insel Melos —" nach der Thür und klopfte. 
„Gut, gut, Herr Fricdländer," unterbrach Fräulein Retibcrg," rief sie hinein, 
ihn lächelnd der Baron, sollte plötzlich derI 6{ " t cg ist jemand da." 
Geist der Antike über mich kommen, werde ' einem höflichen Nicken gegen dm 
ich Sie um einige Citate aus Ihrem Ka-D^ehmen Besucher entfernte sic sich wieder 
talogc bitten. Augenblicklich bin ich ^ noch tief; diesen allein, 
ehr mit der Gegenwart beschäftigt. j Zimmer war dürftig möblirt, aber 
Als Wolfgang sich wreder allem sa;, „^ŗall herrschte die peinlichste Sauberkeit, 
griff er nach dem von Fricdländer beschriebenen, ^ ft( (te „icht an allerlei kleinen 
KLZ± LLLT'^â'mà «i. .in. «.sch» ».«ich. 
em- 
Vorstadt waren darauf bezeichnet. Der iflamel^^^ ^ hervorbringt, um selbst dm 
des Geschwlstcrpaares lautete Rettbcrg Am Wohnraum auszuschmücken, 
nächsten Vormittag begab sich der Baron 1 ' , r , , L n . 
nach dem ihm bezeichneten Hause, einer Auf einem mische beim Fenster stand cm 
vierstöckigen Miethskaserne in einer weit ent- Malkasten, daneben lagen einige halb ver 
legenen Vorstadt. mdete, sehr gut gezeichnete Landschaften. 
Die Treppmfmstcr öffneten sich auf Jetzt öffnete sich die andere Thür. und 
einen sogenannten Lichthos, der nichts alslaus dem Nebenzimmer trat eine junge 
ein zwischen Vorder- und Hintergebäude Dame herein, deren Aeußeres vollständig 
eingekeilter Schacht war, wo die Luft stagnirte der enthusiastischen Schilderung Fricdländers 
und das Licht nur sehr spärlich einzudrin- entsprach.'Das blonde Haar, welches sich m 
gen vermochte. Auf dm Treppen balgten sich dichten Locken um ihren Nacken fd)mtegtc, 
Kinder in zerfetzten Kleidern herum; auf leuchtete im Strahle der durchs Fenster 
einem der Corridor- warm zwei Flurnach- scheinenden Sonne wie pures Gold. Aus 
darinnen in einem wüthenden Wortgefecht Idem fein modcllirtm Antlitz leuchteten un- 
beqriffen ' ter dunklen Brauen zwei sanfte, himmelblaue 
Im vierten Stockwerk stieß der Baron Augen hervor, deren schwarze seidene Wim. 
aus eine Frau, welche dem Redckampfe pern dem Blicke etwas Schmelzendes gaben 
unter ihr zu 'lauschen schien. Auf seine Ueber das edle, bleiche Antlitz ging ein 
Frage, ob Herr Rettberg hier wohne, führte leiser Zug deö Kummers. In ihrem schlan 
sic ihn nach einer der nächsten in den Corri-Ikm Wüchse nahm sie sich in dem dürftigen 
dor mündenden Thüren. Auf ihr Anklopfen Zimmer wie eine hehre Erscheinung aus. 
erfolgte keine Antwort. Die Thür war je-s Sic verneigte sich fremd vor Wolfgang 
meinen Bruder 
prechen? Ich glaube, daß er bald kommen 
wird. Bitte wollen Sie nicht Platz nehmen? 
Mit diesen Worten deutete sie kalt auf 
einen Stuhl. 
„Vielleicht ist es besser, ich komme später 
wieder," sagte der Baron; „ich fürchte Sic 
zu stören." 
Das junge Mädchen bückte mit halb un- 
mtschlossmer, halb verlegener Mime aus. 
„In der That, mein Herr," erwiderte sie 
nach einer kurzen Pause, „ich weiß nicht, . . . 
ich möchte Ihnen gern sagen . . . Zwar 
wird mein Bruder böse werden, wenn ich 
Ihnen sage, was ich denke, aber dennoch 
Wolsgang war über diese unklare Rede 
nicht wenig überrascht. 
Bitte mein Fräulein, sprechen Sie nur 
pei heraus," ermuthigtc er mit einem fort 
während sich steigernden Interesse an dem 
anmuthlgm und doch so räthselhaftm Wesen. 
„Gut denn, mein Herr," begann Sic ernst, 
„ich wollte Ihnen sagen, daß ich es vorziehen 
würde, wenn Sie nicht erst auf 
Bruder warteten." 
„Es scheint mir denn doch, Fräulein Rett 
berg," bemerkte der Baron lächelnd, „daß 
Sie hinsichtlich meiner Person in einem Irr 
thun: befangen sind." 
„Sind Sie nicht Herr von Ouinna?" 
fragte die Dame.' 
„O nein! mein Name ist von Sturen. 
„Herr Baron von Sturen!" nickte sie üb 
haft, und der befangene Ernst ihres Wesens 
verwandelte sich in freudige Ucberraschung 
„O, dann sind Sie der Herr, welcher Herrn 
Fricdländer die Ohrringe abkaufte." Sie 
erröthete, während sie dies sagte. 
„Es ist so," nickte der Baron. „Durch 
Herrn Friedländer erfuhr ich auch Ihre und 
Ihres Brudes Lage, welche cs erklärlich macht, 
daß Sie sich jenes Familienandenkens ent 
äußerten." 
„Ach, Herr Fricdländer hätte dies nicht 
agcn sollen," migegnctc sie, daß schöne Auge 
zu Boden senkend. 
„Er antwortete nur auf meine Fragen. 
Ich kam hierher ohne die Absicht, mich in 
Ihr Vertrauen drängen zu wollen, sondern 
nur, um mit Ihrem Bruder zu sprechen und 
zu schm, ob ich etwas für ihn thun kann. 
Aber jetzt, da ich hier bin, würde es mich doch 
inüressiren, zu erfahren, wer jener Herr von 
Ouinna ist, für welchen Sie mich anfangs 
kielten. Ich hoffe, ich gehe durch diese neu 
gierige Frage nicht zu weit?" 
„Durchaus nicht, Herr Baron," antwortete 
ic, abermals errathend, „wenn Sie wüßten, 
was Sic alles gethan haben, indem Sic die 
Ohrringe kauften, würden Sie fühlen, daß 
Sic ein Recht zu Ihrer Frage besitzen. Ich 
kenne Herrn von Ouinna nicht, aber ich weiß, 
meinen cr und seine Kameraden die Mitschuld 
an Edmund's leichtfertigem Leben tragen. 
Bon solchen schlimmen Einflüssen umgeben, 
ist Edmund, leider muß ich es sagen! —- 
tiefer und tiefer gesunken. Ich bin durch ihn 
fast bettelarm geworden und mit jenen Brillant- 
ohrringen habe ich ihm mein Letztes geopfert." 
„Ich habe die Ohrringe bei mir," sagte 
der Baron, der theilnahmsvoll zugehört hatte. 
„Sic können sich denken, Fräulein Rettberg, 
daß cs beim Einkauf derselben nicht mein 
Zweck war, sic zu besitzen, sondern nur eini 
gen Beistand zu leisten: Ich kann Ihnen
	        
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