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^ 88ster Jahrgang.
Wo. 176.
Mittwoch, den 31. Juli
1895.
Morgen-Depeschen
Berlin, 31. Juli. Me dem „B.
aus Kiel gemeldet wird, wird der Kaiser
auf der Fahrt nach England Helgoland
besuchen. Der Kreuzer „Gefion" begleitet
die Kaiseryacht.
Berlin, 31. Juli. Der „Reichsanz."
veröffentlicht eine Verordnung betreffend
das Verbot der Ausfuhr von Waffen und
Schießbcdarf nach Aethiopien.
Berlin, 31. Juli. Die Former und
Metallgießer Berlins haben gestern Abend
beschlossen, in eine Lohnbewegung einzu-
treten. Sie fordern 25 pCt. Lohnerhöhung,
50 pCt. für Ueberstunden, eine Maximal
arbeitszeit von lO Stunden, Bezahlung
von Nebenarbeiten und 21 Mark Minimal-
lohn für die Hilfsarbeiler. 90 pCt. aller
Former sind organisirt.
Köln, 31. Juli. Die „Köln. Ztg."
versichert bei Besprechung der macedonischen
Wirren, daß, wenn die Türkei die weitere
Ausdehnung des Aufstandes nicht schnell
unterdrücken könne, die Aufständischen nach
Beendigung der Erntearbeitcn in 14 Tagen
erheblichen Zuzug erhalten dürften. Ein
schnelles, scharfes Eingreifen der Türkei
fei eine Nothwendigkeit, deren Verkennung
die bedenklichsten Folgen für sie haben
könnte, umsomehr, als es die zweifelhafte
Haltung der bulgarischen Regierung immer
fraglicher mache, ob sich diese ihrer Pflichten
gegen ihren Oberlehnsherrn bewußt und
gewillt sei, ihnen in vollem Umfange nach
zukommen.
Elberfeld, 31. Juli. Im Keller d«s
Hotels „Alte Post", ver an eine Luogen-
handlung vermielhei ist, hat eine Benzin-
Explosion stattgefunden Ein Mann blieb
todt, einer ist lebensgefährlich verletzt.
Im Hotel wurden arge Verwüstungen an
gerichtet.
München, 30. Juli. Nach heute hier
eingeirosfenen Meldungen ging gestern ein
orkanartiger Sturm über Niederbayern
nieder. In Geiselhöring wurden zwei
riesige Bäume abgebrochen und auf das
Gotteshaus geschleudert, woselbst sie das
Dach durchschlugen. Zahlreiche Kamine
wurden hcrabgeschleudert und Schieferdächer
abgehoben. Eine Scheune wurde vollständig
zertrümmert und der Sohn des Bauern
unter den Trümmern begraben. Trotzdem
der Orkan nur etwa zehn Minuten dauerte,
hat er doch entsetzliche Verwüstungen an
gerichtet. Einige Bäume von einem Um
fang von 6 Metern wurden entwurzelt
und gegen die Mariahilskirche geschleudert.
Mehrere Eisenbahnwaggons, welche sich
vor einer Malzfabrik befanden, wurden
über die Böschung hinabgeworfen. Auch
an dem Bahnhofsgebäude wurde beträcht
licher Schaden angerichtet. Das Schiefer-
back desselben wurde vollständig abgedeckt.
Caffel, 30. Juli. In Cörbecke bei War
burg wüthete ein schreckliches Unwetter.
Infolge Blitzschlages wurden sechs Häuser,
darunter das Schulgebäude, eingeäschert.
Auch mehrere Personen wurden vom Blitz
getroffen und schwer verletzt.
önigsbcrg i. Pr., 30. Juli. In dem
Fremdenzimmer eines hiesigen Hotels ist,
wie der „Lok. Anz." meldet, ein Mord und
Selbstmord verübt worden. Nachdem man
mehrere Schüsse vernommen, wurde die
Thür gewaltsam geöffnet. Man fand einen
Militäranwärter und ein junges Mädchen
erschossen vor. Wahrscheinlich hat jener
erst das Mädchen, dann sich selbst gelobtet
Man vermuthet eine Liebestragödie.
Kopenhagen, 30. Juli. Der geflüchtete
Großhändler Martin Sachs ist in Brindisi
verhaftet worden, gerade als er sich nach
Alexandria einschiffen wollte.
Paris, 30. Juli. In dem Departement
Haute-Marne gingen gestern furchtbare
Gewitter nieder. Viele Dörfer und zahl-
reiche Gemeinden wurden schwer heimge
sucht. Die Felder sind durch Hagelschlag
vernichtet. Der Präsect des Departements
forderte vom Minister des Innern sofortige
staatliche Unterstützung der von dem Un-
weiter Belroffene».
Kammersitzung erklärte der Sozialist
Defuiffeaux Namens ver Linken, wenn die
Mehrheit des Hauses das Schulgesetz
durch bringe, so werde sie die Revolution
rechtfertigen. Wenn der König das Ge
setz sanktionire, werde sich das Volk er
heben. Dann werde der König sagen
können, daß er durch den Fanatismus
seiner Minister um Land und Krone ge-
bracht worden sei. (Entrüstungssturm
rechts) Ministerpräsident Deburlet er
wiederte, die Rede des Abgeordneten
Defuiffeaux müsse als kindische Naivität
angesehen werden. Die Regierung werde
derselben keine Rechnung tragen. Hierauf
erklärte Defuiffeaux, in diesem Falle werde
die Opposition wahrscheinlich nicht mehr
über das Gesetz berathen. — Die Tribünen
sind überfüllt, es herrscht große Erregung
im Hause.
Älhku, 31. Juli. Bei der Explosion
einer Cariouchefabrik wurden sechs Per
sonen getödtet und viele verstümmelt. Der
Schaden ist enorm.
London, 31. Juli. Der zum Geographen-
kongreß hier weilende Professor Reclus
aus Brüssel hielt gestern vor einer unge-
heuren Menschenmenge einen anarchistischen
Vortrag.
Sofia, 31. Juli. Stoilow gab mehreren
Journalisten die Versicherung, daß er die
Mörder Stambulows kenne; es seien drei
Personen, welche demselben am Grabe
Panitzas Rache geschworen hätten und
deren Verhaftung bevorstehe.
Berlin, 31. Juli. Zu den diesjährigen
Kriegs - Erinnerungs - Feiern
treffen außer der schon angekündigten
Fahrt von Veteranen auch aus Chicago
zahlreiche Veteranen aus den deutschen
Kriegenein. Der Kriegerverein in Chicago
hat die Sache in die Hand genommen
und den Dampfer des Norddeutschen Lloyd
„Fulda" für diese Fahrt gechartert. Die
Abreise von Chicago wird am 15 August
stattfinden, von New-Aork am 17., ver-
muthliche Ankunft in Bremen am 27. oder
28. August. Dann wird eine Huldigungs-
sahrt zum Fürsten Bismarck geplant. Der
feierliche Einzug in geschloffener Kolonne
und gleichartiger Ausrüstung in Berlin
soll am 1. September durch das Branden
burger Thor mit Musik usw. stattfinden.
Bis zum 6. September ist der Aufenthalt
in Berlin auf dem Programm verzeichnet.
Dann geht es auf Einladung der Leipziger
Vereine, nach Leipzig, wo eine große
eine Betheiligung an §cm ^den
Reichslanden auf dem Programm.
Ausland.
Spanien.
Madrid, 29. Juli. Die „Gaceta de
Madrid" veröffentlicht ein Decret, wodurch
die Reserve des Jahrganges 1891 einbe
rufen wird. — Eine amtliche Depesche
aus Manilla meldet: Die Mauren von
Cabagan, Provinz Cagayan, hatten einen
spanischen Posten verrätyerisch überfallen,
worauf die Colonne des Generals Rio
Cabagan zerstörte und dabei 16 Mauren
tödtete. Auf spanischer Seite wurden ein
Capitain und fünf Soldaten getödtet, gegen
40 Mann verwundet.
stauen.
In Tricarico tödtete ein Mäd
ch e n mit zwei Revolverschüssen ihren Ver
führer, einen verheiratheten Mann, der
sich geweigert hatte, für sie zu sorgen. Dar
aus stellte sie sich selbst der Polizei.
Rumänien.
Bukarest, 30. Juli. Die Regierung er
griff energische Maßregeln, um die Agita-
tion Fremder zu Gunsten der macedonischen
Bewegung zu unterdrücken. Gegen einen
gewissen Spiru Jvanoc, welcher Freiwil
lige angeworben hat nnd darauf geflüchtet
ist, ist ein Steckbrief erlassen worden. Jede
Werbung und Sammlung von Geldern
wird gerichtlich bestraft.
Belgien.
Brüssel, 30. Juli. Es verlautet, daß
im gestrigen Ministerrath beschlossen wurde,
das Schulgesetz dahin abzuändern, daß der
Religionsunterricht in den Schulplan nicht
als obligatorischer Lehrgegenstand aufge
nommen werden soll. — Die liberalen und
sozialistischen Abgeordneten hielten heute
eine Versammlung ab und verständigten
sich dahin, an den weiteren Berathungen
über das Schulgesetz nicht mehr Theil zu
nehmen.
Rntzland.
Der Lustschiffer D r e w n i tz k i aus
Warschau ist in Witebsk verunglückt. Der
Ballon verwickelte sich in den Leitungs
pfählen und wurde von dem heftigen Winde
an das nächste Gebäude geschleudert. Der
Luftschiffer stürzte zur Erde und starb nach
wenigen Minuten.
Frankreich
Eine gräßliche That wird aus Montan-
ban berichtet: Der dortige Oekonom La-
gleichlitt t"Qè Ä fefüs ", Mnurzm--bei - ME; e
in den Brunnen. Seine Enkel hatte er
zuvor in das Haus gesperrt. Er selbst
machte seinem Leben durch den Strick ein
Ende; man fand ihn an einem nahen
Baume hängen. Während der Geschehnisse
wüthete ein furchtbarer Orkan, dessen Toben
die Geistesverwirrung des Greises zum
Ausbruch gebracht haben soll.
Wegen eines grauenvollen Mor
des hatten sich, so wird aus Paris ge
schrieben, vor dem Schwurgericht des Gers-
Departemenrs Laon Molas und Marie
Saintis zu verantworten. Marie Bordee,
ein Mädchen von notorisch schlechtem Ruse
aus Cöran, hatte sich im Mai d. I. mit
Jean Saintis verheirathet. Trotzdem setzte
sie ihre ehebrecherischen Beziehungen zu
Leon Molas, einem achtzehnjährigen Bur
schen, fort und machte ihm von dem Ekel
Mittheilung, den ihr der an Händen und
Füßen verstümmelte Gatte einflößte. Sie
wußte M. zu bereden, ihren Gatten zu
tödten. Die Vorkehrungen dazu wurden
von ihnen gemeinschaftlich getroffen. Es
war verabredet worden, daß Saintis am
1. Juni, dem Tage der Vermählung, in
der Kirche ermordet werden sollte. In der
That sagte Marie an diesem Tage beim
Schlafengehen zu Saintis, sie habe auf der
Hecke aufgehängte Wäsche vergessen und
bat ihn, diese mit ihr zusammen zu holen.
Die Wäsche sollte nämlich dem Molas als
Zeichen dienen, sich bereit zu halten.
Saintis ging seiner Frau voraus und
während sich diese hinter einer Mauer ver
steckte, nahm er die Wäsche und brachte sie
ihr. Marie machte ihm darauf bemerklich,
daß ein Paar Strümpfe fehle, und Sain
tis machte sich auf, um sie zu holen.
Molas, der zwei bis drei Meter hinter
der Hecke lauerte und bisher auf Saintis
nicht hatte schießen können, weil er nur
den Arm desselben gesehen hatte, feuerte
nun, als er sich gerade ihm gegenüber sah,
die Flinte auf ihn ab und streckte ihn todt
nieder. Darauf schleppte er mit dem ent
menschten Weibe die Leiche in eine Pfütze,
um sic daselbst zu versenken. Die Misse
that wurde bald entdeckt und mit ihr die
beiden Schuldigen, die denn auch das Ver
brechen cynisch gestanden. Sie Ivurden
beide zu lebenslänglicher Zwangsarbeit
verurtheilt.
Eine in ihren Einzelheiten wohl uner
hört dastehende Schreckensthat hat
die Bewohner des kleinen Dorfes Royallierk:
&CÌ.ha.
wcbel Mignard kehrte gestern Nachmittag
in das Haus seines Sohnes, bei dem er
wohnt, zurück und überraschte dort seine
27jährige Schwiegertochter, geb. Josephine
Perriau, mit einem Nachbarn, dem pen--
sionirten 75jährigen Thioux. Ein lebhafter
Streit brach sofort zwischen den beiden
Männern aus und führte zu Thätlichkeiten.
Thioux schlug mit Hilfe seiner Geliebten
den unglücklichen Mignard nieder und hieb
auf ihn ein, bis er kein Lebenszeichen
mehr von sich gab, dann schleppten die
Beiden den Leichnam in den Stall. Nach
dem Verbrechen wurden sie von der Furcht
vor der Strafe ersaßt und vergifteten sich
mit Strychnin. Die drei Leichen wurden
am Abend von den Nachbarn entdeckt.
Paris. 30. Juli. Sonntag, 28. Juli,
fand in ganz Frankreich, außer Paris, die
von der Verfassung vorgeschriebene drei
jährige Erneuerung eines Drittels
6)
Im Laittit alter Şdinl'it.
Roman von Gufiiav Höcker.
V.
„Es darf Sie nicht genieren, Herr Ba
ron, wenn unsere Fahrt uns in Geschäfts-
lokalc führt, die ei» anständiger Mann nur
höchst ungern betritt."
„Und wohin fahren wir?"
Wir machen die Runde bei verschiedenen
Pfandleihern, die mehr oder weniger im
Verdacht der Hehlerei stehen. Wenn wir
Glück haben, so finden wir Uhr oder Kette
oder beides bei einem derselben."
Dieses Gespräch fand in einer Drosch-
stait, in welcher der Baron von Sturen
mil einem in Civil gekleideten Kriminal
beamten saß.
Cr hatte den an ihm verübten Diebstahl
der Kriminalpolizei gemeldet und eine ge
naue Beschreibung der vermißten Gegen
stände zu Proiokoll gegeben. Daraufhin
wurde einer der Beamten beauftragt, den
gestohlenen Gegenständen nachzuforschen,
und dem Baron anheimgestellt, ihn zu be
gleiten, um günstigen Falles sein Eigen-
ihnm sogleich recognoscirm zu können.
„Wird ein Geschäftsmann aber Werth-
sachen, die er mit seinem Gelde belichen
oder gekauft hat, gutwillig heraus geben?"
fragte Wolfgang den Beamten während
der Weiterfahrt.
„Vor der Kriminalpolizei streckt jeder
Pfandleiher ohne Weiteres die Waffen.
Buch wird er sich wohl hüten, auf einen
Gegenstand von größerem Werthe Geld
herauszurücken, wenn er es nicht mit einem
ganz vertrauenswürdigen Kunden zu thun
hat. Erscheint ihm dieser verdächtig, io giebt
er keinen Heller her, bis der Gegenstand in
andere Hände gewandert ist. Oft sind die
gestohlenen Sachen, noch ehe die Polizei
vom Diebstähle Kenntniß hat, schon wohl-
vcrpackt auf dem Wege zu einem auswär
tigen Trödler. Hätten Sie uns gleich gestern
Abend von dem Diebstahle Anzeige gemacht,
Herr Baron, so konnten wir sofort Nach
forschungen in den Berbrcchcrklappen an
stellen und jeden durchsuchen, den wir dort
fanden."
„Man sagte mir, die Bureaus der
Kriminalpolizei seien bereits geschlossen,"
cntgegncîe der Baron, „doch würde ich . . ."
„Wir sind zu jeder Stunde der Nacht
zu haben," unterbrach ihn der Beamte
lächelnd.
„Doch würde ich in einem gewissen
Weinlokale den Kriminalcommissar Nuglisch
treffen."
„Nuglisch?" fiel ihm der Beamte wieder
ins Wort. „Es giebt in ganz Berlin
keinen einzigen Kriminalbeamten, der Nw
glisch heißt. Wer hat Ihnen so etwas ge
sagt, Herr Baron?"
Wolfgang erzählte die Begegnung mit
dem Assessor, und da sein Begleiter ihm
immer neue Fragen vorlegte, so berichtete
er nach und nach Alles, was sich in der
Weinstube zugetragen hatte. Auch das
Kartenspiel, an welchem er thcilgenommcn
hatte, mußte er genau beschreiben.
Der Beamte hörte aufmerksam zu, ohne
mit einer Miene zu zucken. Dann sagte er:
„Herr Baron! Sic sind von einem L-pitz-
bubcn an den andern gerathen. Der junge
gefällige Mann, der sich Ihrer so hilfreich
annahm, war ein abgefeimter Gauner, so
gut wie jener, der Ihnen *Uhr und Kette
abnahm. Haben Sic noch nie von den Ber
liner „Bauernfängern" gehört?"
Der Baron fuhr betroffen zurück. „Oil
genug schon. Aber wäre es denkbar, daß . . ."
„An solche sind Sie leider gerathen,"
fuhr der Beamte fort. „Jener angebliche
Assessor war ein sogenannter „Schlepper",
dessen Aufgabe es ist, auf geeignete Opfer
zu fahnden und diese unter plausiblem Vor
wand in das Nest der „Habsburger" zu
schleppen. Die drei würdigen Herren waren
seine guten Freunde.
„Da habe ich freilich ein etwas
hohes Entrèe für eine gut gespielte Ko
mödie bezahlt," lächelte Wolfgang, mehr
über sich selbst belustigt als ärgerlich. „Und
wie mag wohl dieses famose Spiel heißen?"
„Sie haben mit jenen Herren „Kümmcl-
blöttchen gespielt, Herr Baron. Doch da
sind wir bei unserer ersten Etappe ange
langt."
Er klopfte an das Fenster hinter dem
Kutscher. Die Droschke hielt.
„Stückkaufsgeschäft von ©. Friedländer,"
lautete die verwitterte Firma über einer un
scheinbaren schmalen Ladenthür.
Der Baron trat mit seinem Begleiter
ein.
Friedländer war ein hagerer Mann mit
dunklen glänzenden Augen und einem Voll
barte. Als er den ihm wohlbekannten Kri
minalbeamten erblickte, zeigte seine Miene
Ueberraschung und Mißbehagen.
„Na, Friedländer", redete ihn in cordia
lern Ton der Beamte an, der einen scharfen
Blick auf ihn geworfen hatte, „Ihr habt
etwas für mich. Soll ich rathen? Eine
goldene Uhr etwa?" Das Wort traf den
Pfandleiher wie ein Hieb.
„Eine goldene Uhr?" widerholtc er in
einem schmerzlich vorwurfsvollem Tone,
daß der Beamte sich gleich so hoch versteige,
„An einer schweren goldenen Kette," rieth
der Ändere weiter.
„Ich habe keine goldene Kette verwahrte
sich Friedländer in festem Ton.
„Nun, der Herr Baron hier ist schon
mit der Uhr zufrieden. Zeigt sic her."
Friedländer wandte sich jetzt an Wolf
gang.
„Wie soll die Uhr aussehen?" fragttWD
diesen mißtrauisch.
Der Baron beschrieb Gehäuse nnd die
Art der Arbeit aufs Genaueste. Friedländer
stich einen Seufzer aus, dann ging er nach
einem kleinen Hinterzimmer.
„Wir können von Glück sagen, Herr-
Baron, daß wir gleich auf den ersten Wurf
gcttoffcn haben," bemerkte der Beamte,
„und daß die kostbare Uhr noch nicht auf
dem Wege nach Hamburg oder Leipzig ist."
Es währte eine gute Weile, bis der
Pfandleiher mit der Uhr zurückkam, in wel
cher Wolfgang sein prachtvolles Erbstück
wieder erkannte.
„Wollen der Herr Baron nicht die Ge
fälligkeit haben," sagte Friedländer mit vcr-
bindlichem Lächeln, „mir Ihre Adresse zu
rückzulassen. Dian kann nicht wissen, ob
nicht auch noch einer mit der goldenen
Uhrkette kommt. Ich könnte dann den Herrn
Baron sogleich benachrichtigen."
Wolfgang nannte ihm seinen Namen
und sein Hotel, worauf der Pfandleiher
seine beiden Besucher mit außerordentlicher
Höflichkeit bis an die Droschke begleitete.
„Friedländer wird sich jedenfalls bei
Ihnen einfinden," sagte der Kriminalbeamte
während der Fahrt, um Ihnen vorzuspiegeln,
er habe an der Uhr viel Geld verloren.
Lassen Sie sich nicht brcitschlagen, Herr
Baron!"
VI.
Als Wolfgang einige Stunden später in
seinem Zimmer beschäftigt war, die Berichte
seiner beiden Gutsvcrwalter zu lesen, klopfte
cs leise an seine Thür.
„Herein!" rief er.
Der Eintretende war Friedländer.
„Nun, Herr Friedländer," empfing ihn
Wolfgang lächelnd, „ist Ihnen etwa schon
die goldene Uhrkettc ins Revier gelanfcn?"
„Nein, Herr Baron, cs ist noch keiner mit
der Kette gekommen und cs wird auch keiner
mehr kommen."
Wolfgang wollte den Besuch des Pfand
leihers möglichst abkürzen und sich und ihm
eine weitläufige Einleitung ersparen.
„So sind Sie gewiß gekommen," sagte er,
„um mir mitzutheilen, daß Ihnen durch die
Herausgabe meiner Uhr ein Verlust erwachsen
ist."
Friedländer schüttelte mit ruhiger Würde
den Kopf. „Nein, Herr Baron, deshalb bin
ich nicht gekommen," cntgegnete er. dann zog
er mit einer gewissen Feierlichkeit ein Etui
von Maroquin aus seiner Brusttasche, legte
es geöffnet ans den Tisch, an welchem der
Baron saß, und zeigte auf ein Paar sehr
schöner Brillantohrringe. Seine Augen strahl
ten vor Vergnügen, während sie bald ans
dem Schmucke, bald aus dem verwunderten
jungen Mann weilten.
„Sehr schön," sagte dieser, „in der That