Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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87fict Jahrgang. <^- 
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Mo. > 72. 
Mittwoch, den 25. Zuli 
1894. 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 25. Juli. Prinz Friedrich 
Leopold reiste heute früh in Vertretung 
des Kaisers nach Königsberg i. Pr., um 
der dortigen Feier des 350jährigen Be> 
stehens der Königlichen Albertus-Universität 
beizuwohnen. 
Herbcrthal, 25. Juli, hier brannten 
gestern 5 große Gebäude, darunter 2 Ge 
höfte vollständig nieder. Einiges Vieh 
kam in den Flammen um. Ein Lösch 
arbeiter wurde schwer verletzt. 
Wien, 25. Juli. Wie eine der „Pvl. 
Corr." aus Stockholm zugegangene Meldung 
besagt, läßt die schwedische Regierung an 
der Ostseeküste auf den Scheeren hohe 
Wartthürme errichten, die telegraphisch mit 
dem Festlande verbunden werden und in 
Kriegszeiten rechtzeitig das Herannahen der 
feindlichen Schiffe signalisiren sollen. 
Petersburg, 25. Juli. In den letzten 
Tagen haben hier mehrere Verhaftungen 
wegen nihilistischer Umtriebe stattgefunden. 
Petersburg, 25. Juli. Die Vermählung 
des Czarewitsch mit der Prinzessin Alice 
von Hessen wurde nunmehr definitiv bis 
zum Januar 1895 verschoben. 
London, 25. Juli. Aus Shanghai wird 
telegraphisch nach hier gemeldet: Ein 
japanesischcs Geschwader bombardirte einen 
koreanischen Hafen. Die korreanischen 
Landbatterien gaben ebenfalls Feuer. Einen 
Landungsversuch haben die Japaner noch 
nicht unternommen. 
London, 25. Juli. Wie aus Bombay 
gemeldet wird, hat der Orkan im Westen 
Indiens ungeheure Verwüstungen ange 
richtet. Die Ernte ist fast total vernichtet. 
Der Eisenbahnverkehr stockt vollständig, da 
weilenweite Landstrecken überschwemmt sind. 
In verschiedenen Orten kamen Menschen 
run's Leben. 
London, 25. Juli. In Folge des Ge- 
rüchts, daß chinesische Truppen in Korea 
gelandet seien, sandte die englische Regie- 
rung Depeschen nach Peking und Tokio, 
in welchen sie die chinesische und japanische 
Regierung auf die Folgen, welche die 
Hebelgriffe nach sich ziehen könnten, auf- 
merksam macht und um die Beilegung der 
Feindseligkeiten ersucht. 
Paris, 25. Juli. Die Polizei verhaftete 
heute den Sohn des Direktors der „Revue 
Nuanciere", welcher einen Stein durch das 
Fenster eines großen Magazins in der 
Avenue de l'Opera geworfen hatte und 
sich als Anarchist bekannte. 
Toulon, 25. Juli. Die Angriffe auf 
den Posten am Pulvermagazin wiederholten 
'ich in voriger Nacht. Von einem Hügel 
aus wurde der Wachtposten mit Steinen 
traktirt. Der Urheber des Unfugs konnte 
trotz eifriger Nachforschungen noch nicht 
ermittelt werden. 
Belgrad, 25. Juli. Zwei belgische Po- 
lizeibeamte trafen hier ein behufs Fest- 
'tellung der Identität des in Risch ver 
hafteten Anarchisten mit dem Baron Ungern- 
Sternberg. 
Ncwyork, 25. Juli. In Birmingham, 
Alabama, hat eine verheerende Feuers 
brunst eine Menge Geschäftshäuser, dar- 
unter das Caldwell-Haus, die Zierde der 
Stadt, eingeäschert. Das Feuer wüthet 
noch immer. Der Verlust beträgt jetzt 
schon 1 000 000 Dollar. Die Feuerwehr 
der Nachbarstädte ist requirirt worden. 
Ncwyork, 25. Juli. Der Central- 
markt von Minneapolis ist abgebrannt 
Der Schaden wird auf 500 000 Dollar- 
geschätzt. 
Calcutta, 25. Juli. Starke lieber 
schwemmungen sind in Ober-Bolau 
eingetreten, welche auch die Eisenbahnen 
bedeutend beschädigt haben. Der Verkehr 
zwischen Calcutta und Bombay stockt. Der 
Ghona-See steigt jetzt schneller, steht aber 
noch immer 131 Fuß unter dem Damm. 
Man berechnet, daß 1320 Cubikfuß Wasser 
jede Sekunde in den See fließen, während 
160 Cubikfuß in das Erdreich sickern. 
Der Damm ist schon völlig durchtränkt 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Am 4. Juli, so wird vom 13. desselben 
Monats aus Honolulu gemeloet, wurde 
die Republik Hawaii proklamirt und 
die neue Verfassung in Kraft gesetzt 
Dole, der Vorsitzende der provisorischen 
Regierung, wurde ans 6 Jahre zum Präsi 
denten gewählt. Die Minister sind die 
bisherigen geblieben. Das Kabinet besteht 
aus den Herren Hatch, King, Damon und 
Smith. Die Royalisten haben ein großes 
Protestmceting abgehalten, und die Königin 
sendet eine Abordnung nach Washington, 
um die Regierung der Vereinigten Staaten 
zu ersuchen, endlich ihre Eingaben zu be 
antworten und ihr endgültig über die künf 
tige Haltung der amerikanischen Regierung 
Aufschluß zu geben. Auf der ganzen 
Inselgruppe herrscht Ruhe. 
Das Renter'sche Bureau meldet aus 
Chemulpo vom Montag, die koreanische 
Regierung zog auf das Anrathen Chinas 
das Japan gemachte Versprechen von 
inneren Reformen zurück. Ein Conflict 
zwischen Japan und Korea scheint 
in Seul unvermeidlich. 
Eine Reutermeldung aus Shanghai von 
heute besagt: Eine aus Nagasaki einge 
troffene Depesche meldet, daß die korea 
nischen Truppen, aufgereizt durch den 
chinesischen Residenten, die japanische 
Garnison von Seul angegriffen 
haben, aber zurückgetrieben wurden. Eine 
weitere Depesche meldet, daß ein japanischer 
Kreuzer ein chinesisches Transportschiff in 
den Grund bohrte. 
Nach einer Meldung des Reuter'schen 
Bureaus aus Tanger ist der Sulton Abdul 
Asis am 21. d Mts. an der Spitze des 
Heeres und unter dem Jubel der Bevölkerung 
in Fes eingezogen. Sämmtliche Stämme 
sind ruhig und dem Sultan ergeben. 
Die britische südafrikanische Gesellschaft 
hat dem Reuter'schen Bureau das folgende 
Telegramm mitgetheilt: „Capstadt, den 
21. Juli. Der Ingenieur Hammond wird 
sich am Sonntag im Auftrag der Gesell 
schaft nach dem Matabeleland und dem 
Maschonaland begeben, um diese Land 
schaften in geognostischer Hinsicht zu unter 
suchen. Im District Victoria ist eine 
reiche Goldader entdeckt worden. 70 
chürfrechte sind schon eingetragen worden. 
Die Einnahmen der Beira-Eisenbahn mehren 
sich erfreulich. Die Johnson'sche Erz- 
stampf-Gesellschaft hat das Stampfen der 
Erze der „Matchleß"- und der „Inez 
Grube begonnen. In dem Lippert'schen 
Revier bei Umzwezwe sind vier sich zahlende 
Goldadern aufgefunden worden. Im 
District Buluwayo sind 12 000 Schürf 
rechte eingetragen worden. Die Erze der 
Gesellschaft Sir John Willoughby's und 
der Betschuanaland-Erforschungs-Gesellschaft 
sind ausgezeichnet." 
Spanien. 
Barcelona, 24. Juli. Ein tragisches 
Ereigniß hat hier stattgefunden. In einem 
Schlafzimmer einer herrschaftlichenWohnung 
brach Feuer aus. Es gelang dasselbe sofort 
zu löschen, allein man entdeckte dennoch in 
einem Bette zwei halbverkohlte 
Leichen. Es waren die Ueberreste der 
jungen Hausfrau und ihresZimmermädchens. 
Ein von der Dame selbst geschriebener Brief 
gab Aufschluß über das Geschehene: sie 
habe in Erfahrung gebracht, daß ihr Mann 
mit dem Zimmermädchen ein Verhältniß 
habe, und deshalb habe sie beschlossen, das 
Mädchen zu sich in's Bett zu rufen, das 
Bett mit einigen Litern Weingeist zu über- 
schütten und sich sammt dem Mädchen zu 
verbrennen. Die Dame hat ihren Plan 
ausgeführt. 
Italien. 
Rom, 24. Juli. Der „Agenzia Ste- 
sani" wird über Massauah aus Kassala 
vom 21. d. M. gemeldet: Die Verwunde- 
ten wurden nach Keren geschafft. Das 'zur 
Verfolgung der Derwische ausgeschickte Ba 
taillon ist hierher zurückgekehrt. Viele 
Derwische wurden gefangen genommen. 
Sie berichten von der Nothlage ihrer in 
den Sümpfen bei Atbara versprengten Ge 
nossen. Die Italiener erbeuteten bei Kas 
sala 46 Fahnen. 
Frankreich. 
Paris, 24. Juli. In Fortsetzung der 
Berathung des Gesetzentwurfes zur Be- 
kämpfung anarchistischer Umtriebe wurde 
nach Verwerfung zweier Abänderungsan 
träge Artikel 4, wonach die Verurtheilten 
die Strafen in Einzelhaft verbüßen sollen, 
mit 325 gegen 151 Stimmen angenommen. 
Artikel 5 des Anarchistengesetzes verbietet 
die Reproduktion von Gerichtsdebatten. 
Denecheau bemerkte, die auswärtigen Blätter 
würden die Verhandlungen wiedergeben. 
Der Justizminister entgegnete, der Verkauf 
solcher Blätter würde gerichtlich verfolgt 
werden. Der Artikel solle die Reproduk 
tionen der Theorien verhindern, die die 
Anarchisten in den Gerichtsverhandlungen 
darzulegen Pflegen. Der Ministerpräsident 
wies darauf hin, der Minister des Innern 
habe die Befugniß, den Eingang auslän- 
bischer Zeitungen nach Frankreich zu ver- 
bieteu. Lockroy trat für die Preßfreiheit 
ein. Ein Deputirter fragte, warum die 
Presse ein priviligirter Geschäftszweig sein 
solle! (Lärm au der Journalistentribüne.) 
Der Präsident läßt die Tribüne räumen, 
Die Sitzung wird unterbrochen. Die Huis- 
siers entfernen zunächst die Vertreter der 
auswärtigen unv sodann die der Departe 
ments-Presse, schließlich auch die der Pa 
riser Presse. Die Journalisten protestiren 
lebhaft, mehrere werden mit Gewalt ent 
fernt. Die Kammer weigert sich, die 
Sitzung zu unterbrechen. Bald darauf ge 
stattet der Präsident den Wiedereintritt der 
Presse, die Journalisten weigern sich aber 
zur Einreichung eines Protestes. Deramel 
bekämpft den Artikel 5, mehrere Amende 
ments werden abgelehnt. Der § 1 des 
Artikels 5 wird angenommen, nachdem der 
Justizminister erklärt hat, die Urtheile der 
Anarchisten-Prozesse könnten veröffentliA 
werden. -s» 
Der Mörder Caserio wurde am 
Sonnabend von dem Gerichtspräsidenten 
Breuillac, der die Schwurgerichtsverhand- 
lungen vom 27. und 28. Juli gegen 
Caserio in Lyon leiten wird, in seiner 
Zelle aufgesucht. Der Präsident fragte den 
Mörder zuerst, ob er irgend welche neue 
Erklärungen abzugeben hätte. „Keine", 
entgegnete Caserio, „ich habe es bereits 
dem Untersuchungsrichter gesagt. Ich wieder 
hole es Ihnen, daß ich nur vor den 
Geschworenen reden werde." — „Hat man 
Ihnen den Erlaß mitgetheilt, der Sie vor 
das Schwurgericht verweist?" — „Ich habe 
gestern die Aktenstücke erhalten", erwiderte 
Caserio gleichgiltig. „Ich weiß nicht, ob 
etwas fehlt, denn ich kenne nicht das Gesetz. 
Uebrigens kümmere ich mich garnicht darum. 
Ich bin Anarchist und erkenne das Gesetz 
nicht an." — Der Präsident drang nicht 
weiter in ihn und fragte nur, ob er gegen 
die Verweisung vor das Schwurgericht 
Berufung einlegen wolle, was Caserio 
entschieden verneinte, da er mit Ungeduld 
dem Prozesse entgegensähe. — Auf die 
Frage, ob er einen Advokaten gewählt 
habe, entgegnete Caserio, er habe keinen 
Vertheidiger nöthig, ziehe aber, da das 
Gesetz einen solchen erheische, einen 
französischen Advokaten vor. Als solcher 
wurde der Stabträger des Lyoner Barreau, 
Mr. Dubrenil, von dem Präsidenten 
bestellt, bis der italienische Advokat Pod- 
reider seinen endgültigen Entschluß mit 
getheilt hat. 
Die Gerichtsverhandlung gegen 
Carnots Mörder wird demnächst in 
Lyon stattfinden. Außerordentliche Vor 
sichtsmaßregeln sind getroffen worden. 
Caserio wird am Freitag früh 7 Uhr in 
einem Gefangenenwagen, den 12 berittene 
Gendarmen begleiten, vom Gefängniß nach 
dem Gerichtsgebäude gebracht, das unter 
den Schutz eines Bataillons Infanterie 
gestellt ist. Alle seine Eingänge werden 
mit Schutzleuten und Sicherheitsbeamten 
besetzt. Der Zutritt ist nur gegen be 
sondere Erlaubniß gestattet. In dem 
Wartesaale findet eine Compagnie Infanterie 
und ein starkes Pikett von Schutzleuten 
Aufstellung. Caserio wird Freitag Abend 
nach dem Gefängniß zurückgebracht. Er 
nimmt während der Verhandlung nicht 
den gewöhnlichen Platz der Angeklagten, 
sondern einen Platz vor der Advokaten 
bank ein. Diese Veränderung ist dadurch 
Man sagt. 
Roman von E. von Wald-Zedtwitz. 
Das Glas des Hofmarschalls richtete sich, 
so oft es, ohne Aufsehen zu erregen, geschehen 
konnte, auf die Baronin Römhild und den 
jungen Herrn. War dieser gemeinsame 
Thcaterbeftlch verabredet? Hatten sie die Plätze 
absichtlich so gewählt? — 
„Wie meinen Sie?" So fuhr Herr von 
Maurer bei einer Frage auf, welche der in 
zwischen gleichfalls in der Hofloge erschienene 
Flügcladjntant an ihn stellte. 
„Ei — ei — Exccllenzchen — auf Ab 
wegen? — Wie? — Ganz Auge für die 
schöne Fremde da drüben?" Garnicht 
Ohr für die alten Freundes" 
„O, mein alter Sohn -— ich war nur ." 
„■3o, ja — Exccllenzchen waren ■ ~ 
das ist cs ja eben — Exeüenzchen waren im 
siebenten Himmel. Aber der Himmel ist schön, 
das muß ich sagen." 
„Mein guter Vogelfang, Sie schließen stets 
von sich auf Andere. Nehmen Sic sich in 
Acht, sehen Sie nicht zu sehr da hinüber 
die gnädigste Frau Gemahlin — — 
Herr von Vogelsang ließ mit tragikomischem 
Lächeln das Opernglas sinken. „O, Excellenz, 
)r>ie grausamer Herr, müssen Sie mich denn 
immer daran erinnern, daß Ihre verehrte 
ftrau Nichte, meine süße Clementine cifersüch- 
l, 9 ist und daß ich ." 
„Ein Windbeutel bin —■ ha — ha — ha — 
„Still — Zeuge» — wir müssen uns 
sonst noch schießen," scherzte der Flügel- 
adjutant und wandte sich um, um den eben 
eintretenden Kamnierherrn der Fürstin und 
dm Hofstallmeister des Fürsten, Major von 
Riischmhauscn, zu begrüßen. 
Die Hofmittclloge mit dm Adjutanten in 
ihren reich mit Silber gestickten und mit 
Fangschnüren verbrämten Uniformen und den 
Kammerherren im Hofsrack mit Ordensstern 
bot einen glänzenden, vornehmen Anblick, und 
mehrere der Lieutenants, die im Parquet 
Platz genommen hatten, warfen sehnsüchtige 
Blicke hinauf, in der Stille hoffend, einstens 
auch dem Hofstaate Serenissimi einverleibt 
zu werden. — Das Theater hatte sich in 
zwischen gefüllt, kein Platz war unbesetzt, und 
wie Bertha es vermuthet hatte, schenkte man 
ihr mehr Aufmerksamkeit, als ihr lieb war, 
was sie veranlaßte, sich desto lebhafter mit 
Königshofen zu unterhalten. 
Plötzlich trat Stille ein, der Kapellmeister 
vcrneigte sich nach der Frau von Römhilds 
platz schräg gegenüberliegenden kleinen Hof 
loge, welche das Herrscherpaar- eben betreten 
; attc ' ķd in der nächsten Secunde rauschte 
die Musik durch den Raum. 
Bertha erröthete, Seine Durchlaucht über 
flog unt dem Opernglas die Ränge und ließ 
es einen Moment auf ihr ruhen. Herr von 
Maurer entging dies selbstredend nicht, jeder 
Zoll einen Hofmann, hatte er seinen gnädig 
sten Herrn seit Höchstscinem Eintritt nicht 
aus den Augen gelassen. Etwas wie Stolz 
schwellte seine Brust. Bertha, seine Freundin, 
mußte ja in ihrer klassischen Einfachheit, 
in ihrer absonderlichen Schönheit Gnade vor 
seinem gnädigsten Herrn finden. 
Das Vorspiel war beendet, der Vorhang 
ging in die Höhe, und die Vorstellung des 
Trauerspiels „Ronno und Julia" begann. 
Während Heinz den Blick gespannt nach dcr 
Bühne gerichtet hatte, studirte Bertha das 
Gesicht des jungen Königshofen. Wie hübsch 
war er. Mit welcher Aufmerksamkeit folgte 
er den Vorgängen auf der Bühne, welche 
Begeisterung malte sich auf seinen Zügen, 
wenn eine besonders schöne Stelle künstlerisch 
zum Ausdruck kam. Bertha fühlte, daß cr 
mit voller Seele bei der Sache war, und 
konnte kaum das Gefühl der Rührung über 
winden. Sic wußte, was sich jetzt in der 
Brust dieses Jünglings vollzog, welche Wünsche, 
welche Hoffnungen darin aufstiegen. Wie 
viele würde er zu Grabe tragen? Welcher 
Kummer, welche Enttäuschungen waren da 
oft unter dem schillernden Gewände, unter 
dcr Schminke und dem Puder verborgen? — 
Und sie nahm sich vor, ihn: mütterlich zur 
Seite zu stehen, ihn davor zu bewahren und 
ihm entschieden zu rathen, von dem Beruf 
als Schauspieler abzustehen, wenn nicht her 
vorragende Begabung ihn geradezu dazu be- 
stimmte. War sie das nicht seinem Vater- 
schuldig ? 
Jetzt fiel der Vorhang, und sie hörte, wie 
sich ein tiefer Seufzer Heinz' Brust entrang. 
„Wer so ein Romeo sein könnte. Wer so 
zu bezaubern verstände," sagte er leise, das 
verzückte Auge auf Frau von Römhild ge 
richtet. Bertha nickte stumm, und ihrer leb 
haften Einbildungskraft war es ein Leichtes, 
sich Heinz mit seiner kräftigen, schlanken Ge 
stalt/ seiner Jugend, dem nur mühsam ver 
haltenen Feuer, das seine Pulse schneller als 
die anderer Sterblichen schlagen ließ, gerade 
in dieser Rolle vorzustellen. — Er mußte 
ein schöner, ein wirklich verführerischer Romeo 
sein, und so sehr sie sich selbst darüber hin- 
wcgzuspotten versuchte, so stieg doch das Ver 
langen in ihr auf, noch einmal mit ihm die 
Julia zu spielen, die einst zu ihren hervor 
ragendsten Rollen zählte. 
„Den Romeo möchte ich spielen, ja den 
Romeo —“ flüsterte Heinz mit kaum zu 
unterdrückender Heftigkeit, „und wenn Sie 
die Julia — 
„Ich?" entfuhr es Bertha, „dazu wäre 
ich zu alt, setzte sie mit rauher Stimme hinzu, 
denn alt zu sein, war ein Gedanke, an den 
sich Frau von Römhild bis jetzt nun einmal 
noch nicht gewöhnt hatte. 
„Zu alt? — Sie? — Sie, gnädige Frau?!" 
„Gehen Sic, Sic Schmeichler," warf Bertha 
anscheinend scherzend hin, und dennoch durch- 
strömte ein eigenthümliches Etwas ihre Adern. 
Wie hatte er gesagt? Sie alt? — Sie? 
— Sie, gnädige Frau?!" Ja, so war es 
gewesen. 
Das war ehrlich gemeint; um als leere 
Höflichkeit gelten zu müssen, war es zu ur 
wüchsig über Heinz' Lippen gekommen, wenn 
auch vielleicht wankelmüthig, schnell entflammt, 
so empfand er's im Augenblick jedoch so, wie 
er es sagte. 
Er fand sie also nicht zu alt? Das be 
lebte ihre Wangen, das verlieh den Augen 
einen feuchten, warmen Glanz, ganz und 
gar dazu angethan, auch ein kühleres Männer 
herz zu entzünden, geschweige denn ein solches, 
wie es in Heinz Königshofen's Brust schlug. 
Sein Auge flammte ihr entgegen, doch ein 
gedenk der kürzlich empfangenen Zurückweisung 
gab er seinen Empfindungen keine Worte. 
„Als Romeo möchte ich zuerst die be 
deutungsvollen Bretter betreten," sagte er, das 
Gespräch wieder beginnend. 
„Gemach, junger Herr, mit Kleinem fängt 
man an." 
„Ich? Mit Kleinem? ! — Nie und 
nimmermehr! — Ich sollte mit einer Be- 
dientenrollc: „Die Pferde sind gesattelt," vor 
dic Lampen treten? Lieber garnicht!" 
Helle Gluth stieg in Heinz' Gesicht auf 
Seine Stimme zitterte vor Entrüstung. 
„Wenn auch dieses nicht, so doch in einer 
bescheidenen Rolle." 
„Nein, nein — groß, mit einem Schlage 
fertig — oder garnicht," entgegnete Heinz 
voller Bestimmtheit. 
Bertha senkte den Blick auf den Feder 
fächer, um nicht dem Heinz' zu begegnen. 
„Solche Naturen sind gefährlich, Herr Königs 
hofen, zum Glück sind sie nicht prädistinirt, 
besonders blüht es ihnen spärlich ans dem 
Lebenspfade, den Sie betreten wollen." 
Das klang weich, fast mitleidig, und Heinz 
hatte das Gefühl, als müsse er ihre Hand 
ergreifen und sie an seine Lippen Pressen. 
Wohlweislich unterließ er es. 
Das Glockenzeichen erklang, der Vorhang 
hob sich wieder, das Spiel begann, die Unter 
haltung zwischen Frau von Römhild und 
Heinz dadurch beendend. 
Während des folgenden Aktes schien die 
Aufmerksamkeit Herrn Königshofens nicht so 
ungetheilt wie vorher der Darstellung allein 
zu gelten. Bertha bemerkte mit einem gewissen 
Unwillen, daß seine Blicke zuweilen Fräulein 
Anna von Chlarn suchten und auch fanden. 
Gern wäre Herr von Maurer im Zwischen 
akt zu seiner Freundin gegangen und hätte 
diese begrüßt; die der Geselligkeit wenig 
günstige Bauart der Logen ließ cs jedoch 
nicht zu, ebenso wenig verlockten die mangel 
haften Wandelgänge zum Aufenthalt, und so 
blieb ihm nur übrig, seine Begrüßung bis 
zum Schluß der Vorstellung zu verschieben. 
Und dann — war sie nicht ausgezeichnet 
durch ihren Nachbarn unterhalten? — Es 
regte sich etwas ivie Eifersucht in der Brust 
des Hofmarschalls. 
>tock,, 
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