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2 Jê 15 Ķ „
für Auswärtige, durch die Po,t bezogen
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87fter Jahrgang.
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Wo. 169.
Sonnabend, den 21. ZnLi
1894.
Morgen-Depeschen.
Berlin. 21. Juli. Wie verlautet, soll
der Kaiser die Absicht hegen, im Laufe
des Monats August auch der Insel Helgo
land wieder einen Besuch zu machen.
Berlin, 21. Juli. Dem anarchistischen
Redakteur Landauew, welcher äugen-
dlicklich eine elfmonatliche Gefängnißstrafe
^bstßt, ist die Berechtigung zum einjährigen
"Militärdienst entzogen worden.
^ Berlin, 21. Juli. Die „Nordd. Allg.
i>tģ." wendet sich in einem längeren Leit-
° r tifel gegen Die Behauptung der „Hamb.
Ņachr.", daß aus einem früheren Artikel
der „Nordd. Allg. Ztg." hervorgehe, die
Regierung vermöge sich nicht zu einer ener
gischen Bekämpfung der socialistisch.anarchi
stischen Propaganda zu ermannen und
3 suche Deckung hinter dem Reichstage, wo
keine Mehrheit für scharfe gesetzliche Maß-
4 Uahnien zu finden sei. Diese Angabe, sagt
fz „Nordd. Allg. Ztg.", sei eine Entfiel-
jung des Sinnes ihrer Ausführungen. Es
fei nach genügenden Erfahrungen kein
Zweifel möglich, wie der Versuch zur @r.ļ
Neuerung des S-ocialistengesi tzes ausfallen^
tvürde, wofern die Verhältnisse innerhalb,
der positiven Parteien blieben, wie sie im
Augenblick liegen. Der gegenwärtige
Reichstag nehme ein Ausnahmegesetz nicht
an. Auch die schärfsten Ausnahmebestim-
uwngen gegen die Socialdemokratie würden
keinen Nutzen bringen, wenn ihnen nicht
firte Schaar von Parteien gegenüber stehe,
kn denen eine selbstlose patriotische Gesin
nung lebendig fei. Der Versuch, welchen
„Hamb. Nachr." von der Reichsregis-
ŗung zur Ergreifung schärferer Bestimmnn-
gen verlangt, könne nie zu einem Ziele
i fuhren, wenn die gegenwärtige innere
Zerrüttung der bürgerlichen Parteien, die
^en Mißerfolg -und nicht den Erfolg bei
Wahlen sicher stelle, nicht zuvor ihr Ende
finde.
Wiesbaden, 21. Juli. Die Gewitter
der letzten Tage haben im.Emsgebiet an
verschiedenen Stellen großen Schaden an
gerichtet. Bei Börger (Kreis Hümmling)
I schlug der Blitz in einen Schafstall und
tötete die in demselben befindlichen 140.
.Stück Schafe.
Frankfurt a. M. 21. Juli. In
àle Hilgers wurde nach der „Pf. V."
kin Muttermord verübt. Der unnatür-
uche Sohn hat unter Beihilfe feiner
beliebten seine eigene Mutter zu
erst erwürgt und dannaufgehängt.
^-ie Unglückliche hatte 900 Mark auf der
Sparkasse, wovon der Sohn 50 Mark heim,
lich geholt und mit seinem Mädchen ver>
geudet hatte. Als sie darüber mit Vor>
würfen bedacht wurden, begingen beide die
grausige That. Sie wurden gestern ver>
haftet.
Köln, 20. Juli.. Ein auf dem hiesigen
Postamte am 14. Juli aufgegebener Ein
schreibebrief, 30,000 Mark Werthpapiere
enthaltend, kam in Coblenz an, indeß waren
die Werthpapiere verschwunden.
Kopenhagen, 20. Juli. Der König be
gnadigte den zum Tode veru rtheilteņ
Jnstitutsvorsteher Wilhelm Möller zu
lebenslänglichem Zuchthaus.
Nizza, 21. Juli. Das hiesige Schwur
gericht verurtheilte gestern den italienischen
Arbeiter B o n a d o zu sechs Monaten Ge
fängniß, weil er sich über die Ermordung
Carnots dahin geäußert hatte, daß Caserio
richtig gehandelt habe, man solle alle
Gewalthaber, auch Crispi, todten.
Venedig, 21. Juli. Hier wüthete ein
heftiger Sturm, dent ein s ch re ck
licher Hagelschlag folgte. Alle
Straßen waren mit Hagelkörnern -weiß be-
deckt, wie nach einem Schneefalle. Der
Hagel erreichte an manchen Orten eine
Höhe von 30 Centimetern; man befürchtet,
daß sich in der Lagune Unglücksfälle er-,
eignet haben.
Cagliari, 21. Juli. Vor dem MWärş
gerichtsportal wurde eine mit Pulver und
Sprengstoffen gefüllte Bombe mit halb
abgebrannter Zündschnur aufgefunden.
Newhork, 21. Juli. Die in Mexik,
verspürten E r d st ö ß e wiederholten sich
in St. Louis, Kairo-Illinois, Fulton und
New-Madrid; Verluste an Menschenleben
find nirgends zu beklagen.
Anstand.
Außereuropäische Gebiete.
Newhork, 18. Juli. Ein sehr beliebtes
Mittel in amerikanischen gesetzgebenden
Versammlungen, um die Abstimmung über
nicht zusagende Gesetze zu hintertreiben,
besteht darin, die Verhandlungen durch
tagelange Reden in die Länge zu ziehen.
Von einem der letzten Verhandlungstage
im Bnndessenate entwirft ein Washingtoner
Correspondent die nachstehende Schilderung:
In einer Ecke erhebt sich ein kleines un
scheinbares Männchen, kahlköpfig, mit
Augen, die nach zwei Seiten zugleich sehen,
und rothem, fadenscheinigem, kurzgeschnittenen
Schnurrbart. Es ist Senator Quay.
Nichts wie ein weißes Hemd bedeckt das
bescheidene Spitzbäuchlein, graue Hose und
eine kurze, weite Jacke vollenden den An
zug. Der Mann setzt eine schwere goldene
Brille auf die Nase; neben ihm hat ein
müde aussehender junger Schreiber Platz
genommen, der einen Berg Papier vor sich
hat. Er schiebt das erste Blatt dem
Manne in die Hände, mechanisch wie die
Drucker die weißen Blätter in die Presse
schieben. Ebenso mechanisch ergreift der
kleine Mann das Papier und beginnt zu
lesen. Ein dünnes, gebrochenes und jer
brochenes Sümmchen, von dem man nicht
weiß, wo es herkommmt; niemand versteht
ein Wort, aber Blatt für Blatt wird in
die Maschine geschoben und abgeleiert wie
in einem zerbrochenen Phonographen. Die
Mitglieder des Senats flattern auseinander,
Cigarren und Limonade in den Vorzimmern,
Mint-.Julps und Erdbeerkuchen, kalter Lachs
und Champagner, gebratener Hummer und
Ale, Käsebrot und Bier im Restaurant,
kühlendes Bad oder Spaziergang, ein paar
Briefe dictiren oder Bekannte empfangen,
alles Mögliche, nur nicht im Senat bleiben.
Die Preßgalerie ist leer und der letzte Be
sucher in den anderen Galerien ist einge
schlafen. Der Mann im kurzen Sommer-
jäckchen liest immer weiter. Der Vice-
präsident läßt sich ablösen und macht es
wie alle anderen. Senator Pfeffer, der
alles mit anhört, unterbricht eine Haupt
beschäftigung, das Streichen seines langen
Bartes, sieht nach der Uhr und geht nach
dem Restaurant, um eine Mahlzeit ein
zunehmen. Eine Anzahl Pagen hat sich
malerisch um den Stuhl des Thürhüters
Basset gruppirt, und alle halten ihren
Mittagsschlaf. Manchmal wandert ein
Senator in grau oder blau oder weiß in
den Saal und macht eine Bemerkung,
dann liest der Mann in der Sommerjacke
wieder weiter. Der Schreiber, der die
Blätter einschiebt, ist bei 110 angelangt
und kaut Gummi, um sich loach zu halten
Es wird 5 Uhr und der Mann liest noch.
Da wacht Senator Hoar, der abwechsend
Briefe geschrieben und geschlafen hat, auf,
sieht sich um und bemerkt, es sei Wohl
keine beschlußfähige Mitgliederzahl vor-
Handen; ein anderer Senator erwacht und
sagt, er hätte einige Bemerkungen
über Wolle zn machen. Der Mann in der
Sommerjacke vorbeugt sich und fällt in
seinen Stuhl. Senator Quay hat den
siebenten Abschnitt seiner großen Tarifrede
vollendet.
Malten.
Rom, 20. Juli. Prozeß Sega.
Der Staatsanwalt führte in seinem Plai-
doyer aus, daß nur Entartete und Ver
brecher dem Anarchismus angehören, der
die Zerstörung zum Ziel habe. Lega sei
ein geborener Verbrecher, er habe sich zu
der That kaltblütig entschlossen und die
Ausführung vorbereitet. Er kam von weit
her, sagte der Redner, um gegen Crispi,
der uns das Vaterland und die Freiheit
gegeben und der sich bemüht, uns das
Vaterland und die Freiheit zu erhalten,
den Streich zu führen. Der Staatsanwalt
appellirte endlich an das Gerechtigkeits-
gefühl der Geschworenen. Hierauf sprach
der Vertheidiger, welcher darauf hinwies,
daß die Verfolgungen der Polizei Lega zu
der That veranlaßt hätten. Das bereits
gemeldete Urtheil wurde in später Abende
stunde verkündigt.
Aus Rom berichtet der „Lokalanzeiger":
Die Ausnahmegesetze gegen die Anar
chisten sind gestern veröffentlicht worden.
Wiederum wurden zahlreiche Anarchisten
verhaftet. Zwei in Lugo verhaftete
Anarchisten sind aus dem Gefängniß ent
flohen. — Während des Prozesses gegen
den Attentäter Lega ist Nachmittags vor
dem Tribunal ein anderer Anarchist festge-
nommen worden, der ein Packet roth ge
druckter Manifeste bei sich trug.
Serbien.
Das M u st e r - E h e l e b e n, das die
Eltern des jungen Königs von Serbien —
nach ihrer Aussöhnung führen, stellt die
„Allg. Ztg." als leuchtendes Vorbild hin.
Sorgsamer können Mann und Frau nicht
Alles vermeiden, was in die so glücklich
wiederhergestellte Eintracht irgend einen
Mißton bringen könnte. Der Vcrsöhnungs
akt war eben erst unterschrieben, als Milan
mit der ganzen Sehnsucht der zweiten
Flitterwochen nach Biarritz eilte, um zwei
Stunden lang bei der wiedergefundenen
Gattin zu weilen, und dann ohne dieselbe
in einsamer Trauer die Hochzeitsreise nach Pa-
ris anzutreten: nie seitdem sind beide wie
der zusammengetroffen. Wohl ist ab und
zu die Rede davon, gleich Milan würde
auch Natalie ihren königlichen Sohn in
Belgrad begrüßen wollen, aber Thatsache
ist, daß, während Milan dort in seiner Ma
nier Ordnung machte, Natalie in Paris
blieb, und wenn sie einmal den jungen
Alexander an das Mutterherz drückt, so ist
sicher Milan „fern von Madrid." In
dieser Weise spricht der neu geschlossene
Liebesbund ebensoviel Festigkeit als Dauer:
jeder der beiden Gatten thut das Seine,
auf daß der schwer errungene eheliche Friede
nicht abermals eine Trübung erfahre, dem
anderen soweit als möglich als dem Wege
zu gehen und unter allen Umständen jeder
Begegnung auszuweichen.
Belgien.
Mons, 18. Juli. Vermummte Räuber
drangen in das Haus des Ehepaares
Glaube, ermordeten dieses und steckten
dann das Haus in Brand. Ein kleines
Kind, das die Verbrecher nicht bemerkten,
fand den Tod in den Flammen. Der
Anführer der Mörderbande wurde verhaftet.
Frankretür.
Paris, 20. Juli. Der Vertheidiger von
Cornelius Herz theilte dem Gericht
mit, daß Cornelius Herz, falls er sich
wohl genug fühlen werde, zu dem für den
27. Juli gegen ihn angesetzten Termin
persönlich erscheinen werde.
Wie die „Voss. Ztg." aus Paris meldet,
wurden heute Nacht dort viele a n a r-
chistische Maueranschläge ange
klebt, welche die Bürger mit Dolch, Dynamit
und Brand bedrohen, da sie es den Anar
chisten durch Schließung ihrer Versammlungs
räume und die Unterdückung ihrer Zeitungen
unmöglich machen, für ihre Gedanken durch
das Wort zu wirken.
In einem Eisenbahn zuge von
Newers nach Gien hatte eine Frau i h r
Kind, einen Säugling, neben sichge<
legt und war eingeschlafen. Als sie er
wachte, sand sie zu ihrem Entsetzen den
Säugling todt. Ihr Nachbar, ein Ge
schäftsreisender, hatte ihn im Schlafe
erdrückt.
Paris, 20. Juli. Schon seit geraumer
Zeit waren bei der Sicherheitsbehörde un
zählige Klagen über Taschendieb-
st ä h l e eingelaufen, welche in gewissen
Zeitabschnitten auf den Bahnhöfen,
in den Kirchen, überhaupt bei starken
Menschenansammlungen verübt worden
waren. Trotz den eifrigen Nachforschun
gen konnten die gewandten Diebe nicht
ertappt werden. Bor einigen Tagen ge
wahrte nun ein Geheimpolizist des Lyoner
Bahnhofs eine Frau, welche sehr geschickt
die Tasche eines Reisenden leerte, indeß
drei andere Frauen die „Mauer" machten
und ein Mann den Aufpasser spielte. Die
ganze Gesellschaft wurde festgenommen und
nach der Polizeistation gebracht. Hier
wurden zahlreiche leere Geldtäschchen, eine
Menge Schmuck und ein Betrag von mehr
Man sagt.
Roman von E. von Wald-Zedtwitz.
„Ich will schon Hahn im Korbe bei ihr
iverdcn," dachte Lieutenant Mohrberq —
-Eine Tochter hat der Engel auch, natürlich
'st diese selbst ein Engel — j« __ t a J_
h» — ha." Der lustige Hans.lachte manch
mal ans purem Uebcrmuth hell auf, um wie
Heller jetzt, wo er sich schon, .wenn auch
Mcht als ganzer, so doch als angehender
Schwiegersohn der Millionärin träumte.
Vorläufig wollte er es doch mit Fenster-
hchinenaden versuchen. — © konnte ja gar-
Mcht auffallen, wenn er plötzlich Lust in sich
.erspürte, recht fleißig spazieren zu gehen,
selbstredend in seinen! wohlhabenden Pelz-
'»antel. in dem er des Eindruckes sicher war.
, H<chs Mohrberg machte sich auf den Weg
ans dîî ber ^ au Bon Römhild und sah
aus der Ferne zu seine.,, Staunen und Aerger.
w'e sein Freund Heinz Königshofen dort auf
"ad ab ging.
selb^Oķ und Doria! - Sollte der die
sen Absichten haben?
şiwşi das Blut jäh zu Kops, das
ja ņ^ch besser, wenn dieser — dieser —
er '___ aS Mar er denn nur? '— nichts war
fctw ~~~ îhm feine Braut vor der Nase weg
in h'ŗ Cn Mollte. Hans Mohrbcrg fühlte sich
stehlin» Augenblick, von seiner Unwider
lich 9 an S unb 9 ar durchdrungen, wirk-
p 011 â Verlobter von Fräulein von
fefw, V b , bie ec "och niemals tut Leben qe-
,c "ert hatte.
ib» àhend stürmte er vorwärts, da erblickte
(" Heinz, welcher die Steinstufen des Land
hauses emporeilte.
Lieutenant Mohrberg stand da, wie ver
steinert, und traute nvch immer seinen Augen
nicht, als Heinz hinter der Hausthür ver
schwunden war.
„Der Kerl ist nur hergekommen, um mir
meine Millionen vorder Nascwcgzuschnappen,"
murmelte Hans zwischen den Zähnen, ent
fernte sich langsam von dem Trümmerhaufen
seines erträumten Glückes, um sich trotz seines
wohlhabenden Pelzes doch entsetzlich pauvre
vorzukommen, und vertiefte sich mit Schrecken
in dem Gedanken, daß er gezwungen sei, heute
wieder, wie schon so oft, bei der Tischkasse
Ane kleine Anleihe zu machen. —
In den kahlen Aesten der Bäume des
Parkes rauschte es geheimnißvoll. Hans blieb
^ehen und lauschte den melancholischen Tönen
„Gluck und Glas, wie bald bricht das —
— mosten wir uns mit einem Frühschoppen
he. Freund Schunk."
Hans führte seinen Vorsatz aus — und
— wunderbar, glückliches Vorrecht der Jugend
mit dem zweiten Glase Aldegund er war
sein Kummer schon hinuntergespült —
„Herr Heinz Königshofen!" meldete Marie
ihrer Herrin.
Trotzdem Frau von Römhild wußte, wann
Hàz sich einstellen würde, obgleich sic ihn
schau längst atu Gartenzaum auf und ab
gehen sah, trotzdem sie seine Schritte vernahni,
als er in den Hausflur trat, zuckte sie doch
bei Nennung seines Namens zusammen.
Ein Etwas erhob sich in ihrem Innern,
welches sie vor diesem Zusammenkommen
warnte, welches in ihr das dumpfe Ahnen er
weckte,/ als sei es von einschneidender Be
deutung, nicht nur für seine, sondern auch
ihre Zukunft. — Unschlüssig sah sie ihre
Zofe an. Diese glaubte, die Frau Baronin
hätte sie nicht verstanden.
„Herr Heinz Königshofen wünscht der
gnädigen Frau seine Aufwartung zu machen,"
wiederholte sie deshalb.
„Ja — ja. Ich habe Dich verstanden
— ich möchte eigentlich, cs paßt mir gerade-
heute —
„Der Herr meinte, die Frau Baronin
wüßten schon —
„Freilich - nun, führe ihn in den Salon."
Marie verschwand, und ihre Herrin hatte
das Gefühl, als wenn sic dieselbe wieder
zurückrufen müsse. — Es war zu spät, sic
hörte, wie Heinz schon in das nebenan ge
legene Zimmer trat. Dort, in ihrem aus
gesprochenen Empfangsraum, nicht etwa in
ihrem traulichen Stübchen, mußte ihn Bertha
empfangen, ihn einer Prüfung unterziehen
und ihr Urtheil sprechen. War das erfolgt,
so waren damit ihre Beziehungen zu dem
jungen Königshofen, dessen Nahe in der Er
innerung an seinen Vater ihre Nerven und
ihr Gemüth nun einmal so erregten, abge
brochen. Allen Freundschaftsbeweisen des
Hofmarsch alls gegenüber konnte sie ja seinen
Schützling garnicht abweisen. Mit diesen
Vorsätzen wahrhaft gestählt, öffnete sie fester
Hand die Thür und trat Heinz Königshofen
gegenüber.
Einen Augenblick blieb Frau von Rönihild
auf der Schwelle stehen und betrachtete die
schlanke, elegante Gestalt des jungen Mannes,
dessen Gesicht ein bleicher Schatten überflog
und der sich tief vor ihr verbeugte. — Die
Achnlichkeit mit seinem Vater im Acußeren
sowohl als in seinem Wesen war eine geradezu
merkwürdige.
Ich freue mich, Sie zu sehen, Herr
Königshofen," begrüßte ihn Bertha möglichst
kühl, „bitte, nehmen Sie Platz."
Frau von Rönihild ließ sich auf eine der
vielen kleinen Causenscn nieder, während sich
Heinz in den Armstuhl ihr gegenüber setzte,
dm glänzend schwarzen Cylinder in der Hand
behaltend. Bertha forderte ihn nicht auf,
denselben abzulegen, dieser Besuch sollte so
förmlich als möglich verlaufen, damit der
junge Herr garnicht auf den Gedanken kam
denselben gelegentlich zu wiederholen.
„Ich bin glücklich, mente gnädigste Frau
daß es mir vergönnt ist, heute mit Ihrer
Genehmigung dieses reizende Grundstück wieder
zu betreten, welches ich neulich — —
O bitte, bitte. Sie haben die Absicht,
sich der Bühne zu widmen?" unterbrach
Bertha ihn kurz, worauf Heinz schwieg, um
nur mit einem tiefen Seufzer und einem halb
verzückten, halb bangen Augcnanfschlag
antworten.
„Ganz wie sein Vater," dachte Bertha,
i nur mit Mühe zurückhaltend, um ihren
Gedanken nicht durch Worte Ausdruck
verleihen.
„Von ihrem Worte, meine Gnädigste, wird
es abhängen, ob sich mir die geweihten Pfor
ten Thaliens öffnen werden, oder nicht,
antwortete er endlich, den blonden, krausen
Lockenkopf demüthig beugend.
Bertha senkte dm Blick auf dm Teppich,
als ob sic an dem bunten Muster desselben
besonderes Gefallen fände, und spielte mccha
nisch mit der Quaste ihres Sessels. „Diese
Verantwortung, Herr Königshofen, könnte
ich unter keinen Umständen übernehmen.
Weder von Ihnen, noch von Excellenz Maurer
darf mein Urtheil als eine endgültige Ent-
cheidung, sondern nur als wohlgemeinter
Rathschlag aufgefaßt werden, sonst sehe ich
mich gezwungen, ganz davon abzustehen."
„Wessen Urtheil wäre maßgebender, als
das Ihrige, gnädige Frau?"
„Man täuscht sich nirgend leichter, als bei
der Beurtheilung des Grades künstlerischer
Begabung, vorausgesetzt, daß überhaupt Talent
vorhanden ist. Glauben Sic mir das, Herr
Königshofen."
„Nun gut, gnädige Frau, also geben Sic
mir Ihren guten Rath, ich bin fest überzeugt,
daß cs der beste ist, und ich bitte Sic herz
lich um denselben."
Diese Stimme hatte für Bertha so etwas
Bekanntes und dabei etwas so zu Herzen
sprechendes, daß sie derselben andächtig lauschte.
Gut, wie Sie wünschen, Herr Königs
hofen." Bertha griff nach einem Buch, welches
ihr gerade zur Hand lag, doch legte sie es
zögernd wieder bei Seite. „Nachher, gewöhnen
Sie sich erst ein wenig an mich und meine
Umgebung, Sie werden dann weniger befangen
sein."
Heinz erhob sich itnd trat nahe an Frau
von Römhilds Platz. „Befangen? Nein,
gnädige Frau, fürchten Sie das nicht. Ver
zeihen Sie mir ein offenes Wort, aber es liegt
etwas in Ihnen, was mir so bekannt erscheint
und so vertrauenerweckend auf mich wirkt, ja,
was mich zu Ihnen zieht, als sähen wir uns
heute nicht zum zweiten Mal ini Leben,
andern erneuten nur eine alte Bekanntschaft."
Heinz hatte mit Feuer gesprochen, man
ah cs ihm an, hörte es ans der stetigen
Steigerung seiner Rede, wie sehr er von dem
durchdrungen war, was er sagte.
Bertha sah lächelnd in sein hübsches, halb
mädchenhaftes, halb keckes Angesicht.
„Das ist die alte Lehre von der Sym
pathie und Antipathie, Herr Königshofen. —
Nun, das ist mir lieb für Sie. — Aber"