Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

— Dem Exjesuiten Grafen Pau. 
H o e n s b r o e ch gibt die „Kreuzztg." das 
Wort zu einem spaltenlangen Gejammer 
in einem Leitartikel über Dies nefasti 
Als Dies nefasti werden die Reichstags 
fitzuugen vom 6., 15. und 17. December 
mit den bekannten Vorgängen bezeichnet 
Der Exjesuit scheint sich jetzt höhere 
Orts an schmeicheln zu wollen 
Es lohnt nicht, auf das Geschreibsel des 
Exjesuiten einzugehen, der offenbar mit 
sich selbst noch nicht endgiltig ins Klare 
gekommen ist. Sonderbar aber ist es, 
wie die Redaktion der „Kreuzztg." sich 
durch die Aufnahme eines solchen Artikels 
mit sich selbst in Widerspruch setzt. Der 
Exjesuit meint, es sei eine „ewige Be 
s ch ä m u n g aller staatserhaltenden Par- 
teien, daß die Mehrzahl der Volksvertreter 
es nicht für der Mühe werth gehalten 
habe, an dem hochwichtigen Tage der ersten 
Berathung der Umsturzvorlage ihrer Pflicht 
als Abgeordnete überhaupt nur eingedenk 
zu sein". Nur mit brennendem Schamge- 
fühl könne man an jene Tage zurückdenken. 
— Bekanntlich fehlte aber von den 
Mitgliedern der konservativen Par- 
leien, welche den Kampf für Religion 
Sitte und Ordnung stets im Munde süh 
ren, an dem gedachten Tage mehr al 
die Hälfte der Mitglieder. Eine 
große Zahl der Fehlenden hatte es vorge- 
zogen, statt für Religion, Sitte und Ord 
nung zu kämpfen, auf die Hasenjag 
zu gehen. Dem entsprechend nahm die 
„Kreuzztg." die Konstatirung der Beschluß^ 
Unfähigkeit auch sehr leicht. Jetzt aber 
wird diese Beschlußunfähigkeit in d e m- 
selben Blatt als eine Thatsache be 
zeichnet, die zur ewigen Beschäm 
u n g gereiche, und an die man nur mit 
brennendem Schamgefühl zurückdenken könne 
— Falsche Auskunft seitens eines Aus 
kunslsbureaus hatte zu einer Schadens 
ersatzklage geführt, die in letzter Instanz 
mit einer Verurtheilung des Aus 
kunslsbureaus geendet hat. Das 
Reichsgericht hat bei dieser Gelegenheit 
einmal die Frage näher erörtert, welche 
Zwecke im Handelsverkehre niit der Er- 
richtung und Inanspruchnahme von Aus- 
kunftsbureaus verfolgt werden, was diese 
Anstalten zu leisten im Stande sind und 
was der Auftragende von ihnen erwarten 
darf. Volle Sicherheit, so sagt das Reichs 
gcrickt, können sie nicht gewähren, jeden 
falls sind sie aber nicht dazu bestimmt, 
Auftragende durch Unwahrheiten, sei es 
böswillig oder in unverantwortlicher L e i ch t- 
fertig feit irre zu führen. Die An- 
Wendung der Sorgfalt eines ordentlichen 
Kaufmanns weist auch diesen Anstalten 
den richtigen Weg — Gewissenhaftigkeit 
in der Erforschung und Gewissenhaftig 
keit in der Mittheilung. Der sorgfältige 
Kaufmann wird auch die Verläßlichkeit 
der Quelle prüfen und unsichere Ergebnisse 
nach ihrem Werthe und nicht als sichere 
Thatsachen berichten. Auf Erfüllung dieser 
Psticht kann und muß der Anfragende 
rechnen. Verläßt er sich hierauf und richtet 
hiernach seine Schritte ein, so begeht er 
keine Leichtfertigkeit. Die Folgen einer 
Täuschung fallen demgemäß dem Auskunft 
ertheiler zur Last, der seine Pflicht gröb 
lich verletzt hat. 
— Ueber die Spannung zwischen 
Berlin und Stuttgart wird von unter 
richteter Seite weiter berichtet, man sei in 
Stuttgart über die Art und Weise ärger 
lich, in der die Militärkonvention gehand 
habt wird. In der Zuschrift wird dazu 
weiter ausgeführte „Zur Zeit sind nach 
Preußen kommandirt 4 würltembergische 
Generale, 8 Stabsoffiziere und 50 Haupt 
lerne, sowie Subalternossiziere. Wie ist 
nun dieses Verbältniß „ausgeglichen" wor 
den? Preußische Hauptleute und Ritt 
meister giebt's in Württemberg fast gar 
keine, wohl aber 2 Generallieutenants, 5 
Generalmajore und 18 Stabsoffiziere. Vor 
5 Jahren wurde das Württembergische Ar 
von meiner Verlobung nichts wußten, Herr 
Gras und ich hoffe, daß Sie eines Tages 
ein liebenswerthes Mädchen finden werden, 
welches Ihrer in jeder Hinsicht würdig ist." 
Er antwortete nur mit einem Kopfschüb 
lein: „Ich werde vielleicht nie hcirathen. Ge- 
fchicht es doch, so werde ich nur ein Mäd 
chen wählen, welches Ihnen ähnlich ist, denn 
Sic haben mir gezeigt, welcher Art die Le 
bensgefährtin eines Mannes sein sollte, da 
mit beide in ihrer Liebe und Lebensgemein 
schaft volles, ungetrübtes Glück finden. Doch 
nun leben Sie wohl, Cäcilie, — ich darf 
Sie doch wohl wenigstens dieses eine Mal 
Cäcilie nennen?" 
„Gewiß", antwortete sie, aber weshalb 
„Leben Sie wohl?" 
„Weil ich morgen eine langjährige Reise 
ins Ausland antreten werde. Es ist wirklich 
das Beste. Nur das eine erbitte ich noch von 
Ihnen, — lassen Sie mich stets Ihr Freund 
bleiben, — und in Zukunft auch Freund des 
Mannes sein, dem Sie Ihre Liebe schenkten." 
„Ja", erwiderte sie, „wir werden Sie stets 
als unseren Freund betrachten." 
Stumm erhob er sich, und Cäcilie reichte 
ihm ihre Hand, die er langsam, ehrfurchtsvoll 
mid zärtlich an seine Lippen führte. „Leben 
Sie wohl", flüsterte er dann und verließ eilig 
das Zimmer. 
(Fortsetzung folgt.) 
meekorps durch den preußischen General 
v. Alvensleber kommandirt, der seiner Un 
Popularität und seines unleidlichen Ber- 
hältnisses zum damaligen Thronfolger we- 
gen abberufen und durch einen Württem 
beiger ersetzt wurde. Außerdem befand 
sich damals in höherer Stellung noch ein 
preußischer Brigadekommandeur in Würt 
temberg. Heute aber werden beide Di 
visionen von preußischen Offizieren kom- 
mandirt, von vier Jnfanteriebrigaden 3, 
beide Kavalleriebrigaden und endlich noch 
die Artilleriebrigade, abgesehen vom Korps- 
kommandeur sind also mit einer Ausnahme 
alle höheren Stellen durch preußische Os- 
fiziere besetzt. 
— Zur Entwickelung des Geschäfts, 
antisemitism us veröffentlicht die „Brest. 
Ztg" einen bezeichnenden Beitrag. Der 
Vorsitzende des deutsch-sozialen Vereins in 
Strehlen in Schlesien hat ein Rundschreiben 
an sämmtliche Vorstände der deutsch-sozi- 
alen Reformpartei versandt, in welchem er 
sie auffordert,dieLeb ensversicherungen 
zu benutzen, um den antisemitischen Agi- 
tationsfonds zu größerer Leistungsfähigkeit 
anzufachen. Er will das in der Weise 
machen, daß der jedesmalige Vorsitzende 
des antisemitischen Vereins einer Stadt 
eine Versicherungsagentur übernehmen und 
die Hälfte der Versicherungsprovision an 
die Vereinskasse abführen soll. Die Tendenz 
dieser Aufforderung wird besonders dadurch 
ersichtlich, daß ihr Urheber die Angezogenen 
auffordert, falls sie bereits eine Lebens- 
Versicherung vertreten, ihre bisherige Agentur 
aufzugeben und eine Agentur derjenigen 
Gesellschaft zu übernehmen, welche der 
Versender des Schreibens vertritt, und 
welcher er nachrühmt, daß es eine rein 
christliche Gesellschaft sei. Es handelt sich 
also hier um weiter nichts als um den 
Versuch der betreffenden ehrenwerthen 
Lebensversicherungs-Gesellschaft, den Anti- 
semitismus in ihrem Geschäftsinteresse aus- 
zubeuten. Ob freilich viele Gimpel auf 
diesen Leim gehen werden, das ist eine 
andere Frage. 
- Zum Nachfolger des im Sommer 
verstorbenen Professors der alttestament- 
lichen Theologie Willmann war bekannt 
lich der Professor Graf B a u d i s s i n 
aus Marburg berufen worden. Seine Er 
nennung stand bereits im „Staatsanz." 
Sein Amtsantritt war für Ostern festge 
setzt und zu seinem Nachfolger in Mar- 
bürg war Professor Bäthgen ans 
Geifswald ernannt. Wie die „Kreuzztg." 
hört, bleibt Baudissin auf seinem Posten 
in Marburg und Bäthgen wird die Ber- 
liner Professur übernehmen. 
- Ein eigenartiger Fall der S t ö r u n g 
des Gottesdienstes und ein treffendes 
Urtheil hat kürzlich nach der „Juristischen 
Wochenschrift" das Reichspericht beschäftigt 
In einer Dorfkirche war die Empore für 
eine bestimmte Art der Kirchenbesucher 
reservirt. Eines Sonntags sah der Pre 
diger, als er vor dem Altar stand, daß 
mehrere unbefugte Personen auf der Em 
pore Platz genommen hatten. Er richtete 
an dieselben die Aufforderung, den Platz 
zu verlassen, widrigenfalls er sie 
herunterholen würde. Die Aufge- 
-orderten leisteten keine Folge, worauf der 
Prediger sich vom Altar weg in Begleitung 
des Schulzen nach der Empore begab, wo 
der Letztere die Aufforderung wiederholte, 
der nun auch Folge gegeben' wurde. Die 
betreffenden Personen wurden wegen Stör 
ung des Gottesdienstes unter Anklage ge- 
'tellt und von der ersten Instanz auch ver- 
urtheilt. Auf die eingelegte Revision hob 
das Reichsgericht das erste Urtheil am 
unter folgender Begründung: Nach den 
Feststellungen der Strafkammer sind es 
die Handlungen des Pfarrers, bez 
des Schulzen, die die Störungen des 
Gottesdienstes verursacht haben, nicht an 
und für sich . und unmittelbar die That- 
ache, daß die Angeklagten ungehöriger 
Weise die Plätze auf der Empore einge 
nommen haben. 
Berlin, 29. Dec. Mit dem Beschlusse 
der gestrigen 16 Volksversammlungen ist 
ein großer Theil der B r a u e r e i a rbei- 
er nicht einverstanden; diese beabsichtigen, 
Protestversammlungen einzuberufen und 
den Beschluß eventuell umzustoßen. 
Berlin, 28. Decbr. Kehrichtbauern ent 
deckten beim Entleeren eines Kehrichtkastens 
in der Rinnstraße Nr. 5 die angekohlte 
Leiche eines Kindes. Der Kopf war 
abgehackt, die Beine lagen zerstückt neben 
dem Körper. Die Polizei nahm die Sei 
chentheile in Beschlag. 
— Ueber einen frechen, auf die Mild 
herzigkeit berechneten Schwindel 
wird der „Voss. Ztg." von einem Augen- 
zeugen geschrieben: Als ich am Weihnachts- 
Heiligabend die Chausseestraße entlang 
ging, sah ich einen kleinen Auflauf und 
gewahrte darin einen etwa achtjährigen 
Knaben, der laut weinte und dabei etwas 
Verlorenes zu suchen schien. Auf die von 
einem Herrn an den Knaben gerichtete 
Frage, was ihm fehle, entgegnete er wei 
nend, er sei von seiner Mutter, einer ar 
men Witwe, fortgeschickt worden, um ein 
Brot vom Bäcker zu holen, und habe nur 
die Mark, das letzte Geld der Mutter 
verloren. Kaum hatte der Knabe diese 
Leidensgeschichte erzählt, da trat ein seiner 
Kleidung nach dem Arbeiterstande angehöri- 
ger Mann zu dem Knaben mit den Wor 
ten: „Junge, weene man nich; ick bin 
zwar nur 'n Arbeiter un habe fünf Kinder 
zu Hause, aber vor 'ne arme Witwe habe 
ick doch een par Nickel übrig; halt mal 
Deinen Hut her!" Mit diesen Worten 
warf der Arbeiter zwanzig Pfennige in 
den vorgehaltenen Hut; die Umstehenden 
wollten sich von dem biederen Arbeiter 
nicht beschämen lassen, und von allen Sei- 
ten flogen Nickel und wohl auch Silber- 
stücke in den Hut des Knaben. Auch ich 
opferte eine Gabe, und noch lange dachte 
ich an das brave Herz, das unter dem 
Kittel des Arbeiters schlug. Einige Stun 
den später kam ich in die Nähe des Rosen 
thaler Thors. Auch hier war ein Auf 
lauf; ich sah wieder den Knaben, der nach 
dem verlorenen Markstück suchte, und bald 
tauchte auch aus der Menge wieder der 
Arbeiter auf, der trotz seiner fünf Kinder 
einige Nickel für den armen Knaben übrig 
hatte. Ich war um eine bittere Täusch 
ung reicher; es bedurfte kaum eines wei 
teren Nachdenkens, daß hier Vater und 
Sohn gemeinsam das gutherzige Publikum 
betrogen und es jedenfalls anderswo noch 
weiter betrogen haben. 
Crefeld, 27. Dec. Der P r o z e ß Stock- 
dick — St. war bekanntlich des Lust- 
mordes an der kleinen Maria Neß zu Neuß 
angeklagt — endete seiner Zeit nach langen 
Verhandlungen mit der Freisprechung des 
Angeklagten. Jetzt wird der Prozeß eine 
neue Auflage erleben. Während der Vor 
untersuchung gegen Stockdick hatte der 
Maurermeister Dickschen in Benrath dem 
dortigen Bürgermeister die Anzeige ge 
macht, daß auf den von ihm beschäftigten 
Arbeiter Boehn das Signalement des ge- 
suchten Mörders passe. Als diese Anzeige 
erfolgte, war Stockdick bereits verhaftet 
und man gab ihr keine weitere Folge. 
Jetzt ist Boehn in Stolberg im Harze ver- 
haftet worden. Seine Aehnlichkeit mit 
Stockdick soll ganz auffallend sein. 
Hanau, 27. Dec. Die Entziehung des 
Erziehungsrechtes, welche der Amts- 
richter Spindler in Langenselbold über 
verschiedene Väter in einigen Orten unseres 
Wahlkreeises verhängte, und für deren 
Söhne Vormünder einsetzte, welche die 
jungen Leute zwingen sollten, aus dem 
Turn- oder Arbeiterschutzvereine auszu- 
treten, weil denselben Sozialdemokraten 
angehören, ist der „Bolksstimme" zufolge 
durch Erkenntniß des Oberlandesgerichts 
zu Kassel vom 22. December aufge 
hoben worden. Die Väter werden da- 
mit zugleich in ihre Rechte wieder einge- 
letzt unv die Vormundschaft aufgehoben. 
München, 28. Dec. Das Schöffengericht 
lehnte im Prozeß gegen die anläßlich 
der F u ch s m ü h l e r V o r g ä n g e an 
geklagten 6 Redakteure den Antrag des 
Amtsanwalts ab, hinsichtlich der Fuchs 
mühler Vorgänge selbst keinerlei Zeugen 
verhör vorzunehmen, sondern nur die Frage, 
ob Unfug vorliege, festzustellen. Der erste 
Zeuge, Premierlieutenant Mayer-Amberg 
konstatirte die für Fuchsmühl auserlesene 
Mannschaft sei auf das Strengste vorher 
instruirt worden, den Gebrauch der Waffen 
thunlichst zu vermeiden. Die Fuchsmühler 
hätten zweifellos Widerstand verabredet 
8 derselben seien Reservisten gewesen, sie 
hätten Militärmützen getragen und die 
übrigen Betheiligten aufgereizt. 25 Sol 
daten hätten aktiven Widerstand gefunden. 
Die Zeitungsberichte seien größtentheils 
unzutreffend. Der Amtsanwalt wies in 
in seinem Plaidoyer nach, daß das Ver 
halten des Militärs ein correctes gewesen 
sei, nicht das Recht der Kritik, wohl aber 
die Art derselben sei zu verurtheilen. Der 
Amtsanwalt beantragte Geldstrafen von 
30 bis 300 Mark. Der Vertheidiger 
tadelte die Berufung des Militärs sowie 
das Verhalten desselben; man hätte das 
Militär anstatt aus Amberg aus München 
entsenden sollen; er beantragte Freisprechung. 
Das Urtheil wurde noch heute Abend ge 
fällt. Es lautet gegen Redakteur Franta 
auf 50, gegen Rost auf 30, gegen Schmidt 
und Schreiber auf 20, gegen Schwab auf 
15 und gegen Morgenstern auf 12 Mark 
Geldstrafe; die Motive besagen, der That- 
bestand des groben Unfugs sei vollständig 
erschöpfend nachgewiesen und ebenso die 
Loyalität des Einschreitens des Militärs 
Der Eisenbahn-Fortschritt in 
Württemberg macht sich bezahlt. Mit 
kühnem Griff führte Württemberg die 
zehntägige Gültigkeit der Rückfahrkarten, 
die Fahrscheinhefte und vierzehntägigen 
Passepartout-Karten ein. Es stellte sich 
heraus, daß dadurch die Einnahmen sich 
weigerten, die Eisenbahn-Hauptkasse einen 
günstigeren Abschluß machen kaun, als im 
Vorjahre. 
Sprottau, 31. Dec. In Klein-Gläsers 
dorf bei Lüben steht das Schloß des 
Grafen Collin in Flammen. Die be- 
nachbarten Feuerwehren kämpften mit allen 
Kräften gegen das entfesselte Element an, 
das bereits in der vergangenen Nacht aus- 
gebrochen war. Die gräfliche Familie be- 
tndet sich auf Reisen. 
Im Oberharz sind in den höheren Lagen 
des Gebirges, etwa von 300 Meter Meeres- 
höhe ab beginnend, enorme Schnee 
massen niedergegangen. Die Schneedecke 
liegt in Clausthal und St. Andreasberg 
über V 2 Meter hoch, erreicht auf dem 
Bruchberg und im Brockenfelde aber 
Meter Höhe. Ganz auffallend ist diese 
Winterlandschaft gegenüber dem Unter- und 
Borharz, wo keine Spur von Schnee zu 
sehen ist. Die Posten müssen mit Räder 
schlitten verkehren, weil oben kein Wagen, 
unten kein Schlitten durchzubringen ist. 
In Eisleben haben dieser Tage wiederum 
Erderschütterungen stattgefunden, einige so 
stark, daß Fenster, Thüren, Oefen 
usw. wankten. Die Zerstörungen an den 
Häusern schreiten unablässig fort. 
In der Umgegend von Gelsenkirchen hat 
sich die Sitte eingebürgert, daß jedes Dorf 
sowohl als jede Stadt fast allsonntäglich 
ihren Festzug, manchmal sogar deren 
mehrere zu gleicher Zeit hat. Um dem zu 
steuern, war seitens der städtischen Ver 
waltung in Gelsenkirchen vorgeschlagen 
worden, für einen solchen Festzug oder 
öffentlichen Aufzug mit Musik, für je 
den Meter der durchzogenen 
Straßen st recke einen Pfennig 
zu erheben. Nach einer heiteren 
Debatte, bei welcher sich einer der Stadt- 
verordneten einen Ordnungsruf zuzog, weil 
er bemerkte, daß solche Vorschläge in ein 
verständiges Gehirn überhaupt nicht hin 
eingingen, wurde beschlossen, für jeden 
Aufzug mit Rücksicht auf die Länge des 
Zuges, 10 Mk. zu erheben. 
Bei einem Streite mit ihrem Manne 
warf am Donnerstag Nachmittag in Frank- 
urt a. M. eine Frau ihren Mann 
aus einem offen stehenden Fenster des 
ersten Stockes. Der Mann, der eine Hirn- 
erschütterung und einen Beinbruch davon- 
trug, wurde in das Hospital gebracht. 
In einem Anfall von Geistesstörung 
hat sich in Gumbinnen am Dienstag der 
frühere Landrath, jetzige Verwaltungsge- 
richts-Direktor Burchard erhängt. 
Zwischen Lübeck und Schönberg wurde 
der Zug durch die Nothleine von Reisen- 
den der vierten Wagenklasse zum Stehen 
gebracht, weil sie durch den Kohlendampf 
aus dem Ofen zu ersticken drohten. 
Hamburg, 29. Dez. Auf einem mit 
8 Pferden bespannten Kesselwagen wurde 
heute Nachmittag um 4 Uhr ein Walfisch 
dem Ludwig'schen Concertgarten zugeführt. 
Eine enorme Menschenmenge folgte dem 
-eltsamen Zuge. 
Der Walfisch ist am 22. Dez. im At- 
lantischen Ocean bei der norwegischen 
Küste erlegt worden. Das Thier befand 
vermuthlich auf der Verfolgung von 
Heringsdiemen und wurde von norwegischen 
Fischer bemerkt. Von Marstrand wurde 
ein Dampfer ausgesandt, der das Thier, 
nachdem es glücklich erlegt war, nach 
Gothenburg brachke. Der Fisch ist von 
einem schwedischen Consortium erworben 
worden und soll in Paris ausgestellt wer 
den. In Hamburg wird er' nur kurze 
Zeit bleiben. Man hat es hier mit einem 
Bartenwal (Weibchen) zu thun, dessen 
Körper außerordentlich gut erhalten ist 
und der daher besonderes Interesse er 
wecken dürfte. Die Länge des Thieres 
beträgt 31 Fuß, der Umfang ungefähr 
20 Fuß, das Gewicht 30 000 Pfd. 
Währen des Hebens des schweren Wal 
fisches, der in Hamburg ausgestellt wer 
den sollte, riß die dazu benutzte Kette; 
der Walfisch fiel auf zwei Arbeiter, von 
denen der eine sofort getödtet, der andere 
schwer verletzt wurde. 
Hamburg, 27. Dec. Ende vorigen Jahres 
machten die sog. „Geldspindknacker", die 
in verschiedenen Kontoren Geldschränke er 
brachen und beraubten, Aufsehen. Einer 
dieser Thäter, Carl Christian Kröger, be 
reits im Jahre 1882 mit 10 Jahren Zucht 
haus bestraft, wurde trotz allen Leugnens 
überführt und erhielt aufs Neue 15 Jahre 
Zuchthaus. 
Die Schlußvertheilung in Sachen des 
Konkurses der minderjährigen Erben des 
verstorbenen Restaurateurs Hornhardt, 
früher Hornhardt's Conzertgarten, Ham 
burg, ergiebt, daß nur 7100 Mk. Masse 
verfügbar sind. Nach dem amtlich nieder- 
gelegten Verzeichniß sind Mk. 430 957,16 
nicht bevorberechtigte Konkursforderungen 
zu berücksichtigen. 
Mit Ende dieses Jahres werden in 
Hamburg neun Friedhöfe, welche 
vor dem Dammthor belegen sind, für Be 
erdigungen geschlossen, da man solche 
nicht länger in der Nähe der Stadt dulden 
will. Die sämmtlichen Friedhöfe wurden 
Anfangs dieses Jahrhunderts eingerichtet. 
Für die noch unbenutzten Erbbegräbnisse 
werden den Berechtigten neue Plätze auf 
dem Centralfriedhof in Ohlsdorf ange 
wiesen. 
Brod inzielles. 
Vor mehreren Wochen verschwand in 
Chicago der dortige Vertreter einer be 
kannten Nähmaschinenfabrik unter Mit 
nahme von 40 000 Dollars, die er seinem 
Chef unterschlagen hatte. Der Defraudant 
wurde verfolgt, doch blieb seine Spur ver- 
chwunden, bis man sich an die Altonaer 
Criminalpolizei wandte. Es war den Be- 
itzern der Nähmaschinenfabrik bekannt, daß 
der Unredliche in Altona Verwandte hatte, 
mit denen er in regem Verkehr stand. Der 
von dieser Sachlage in Kenntniß gesetzten 
Polizei gelang es, den Durchbrenner in 
der, in der Schuhmacherstraße belcgeneii 
Wohnung seines Schwagers festzunehmen. 
Der Rechtsanwalt v. Alten in Blanke- 
nese, welcher vom Landgericht Altona zu 
4 Monaten Gefängniß wegen Unterschla- 
gung verurtbeilt worden ist, sollte vor 
Weihnachten verhaftet werden. Auf Ber- 
sügung des Justizministers ist die Ber- 
Haftung aufgehoben worden, bis über die 
eventuelle Wiederaufnabme des Verfahrens 
entschieden ist. Außerdem liegt dem Kaiser 
ein Gnadengesuch von dritten Personen 
vor. Die ganze Gerichtsverhandlung be- 
wies, daß es sich vielleicht weniger um 
eine Unterschlagung als um eine konfuse 
Verwaltung des Rechtsanwalts handelte. 
Kiel,28.Dez. Sein fünfund;wanzig- 
jähriges Jubiläum als verantwort- 
licher Leiter der „Kieler Zeitung" begeht 
hier am bevorstehenden Neujahrstage der 
Chefredakteur und Studtverordnetenvor- 
teher Ale xander Niepa. Bon Anfang 
1864 bis zum 15. August 1866 im ver- 
trauten Dienst des Herzogs Friedricb von 
Augustenburg, trat Niepa 5 Tage später 
in die Redaktion der damals noch in den 
ersten Jugendjahren stehenden „Kieler 
Zeitung" ein und that damit einen für 
die eigene wie für des Blattes Zukunft 
bedeutungsvollen Schritt. Seitdem er am 
1. Januar 1870 zum ersten Mal als ver 
antwortlicher Redakteur gezeichnet, hat er 
neben der politischen Arbeit die Förderung 
communaler Interessen nicht zum wenigsten 
Aufgabe der Zeitung sein lassen, und daß 
die Einwohnerschaft Kiels dafür nicht 
blind gewesen, geht daraus hervor, daß 
der Jubilar 1899 in das Stadtverord 
netenkollegium gewählt wurde, mit dessen 
Führerschaft als Bürgerworthalter er seit 
drei Jahren betraut ist. Die angesehene 
Stellung als Journalist und Bürger, 
deren sich Niepa überall erfreut, machte 
es selbstverständlich, daß der im vorigen 
Jahr begründete Schriftsteller- und Jour- 
nalisten-Verein in Kiel" ihn zu seinem 
ersten Vorsitzenden erwählte. 
Elmshorn, 29. Decbr. Wie verlautet, 
soll seitens der Bierbrauer, Bierverleger 
und Wirthe hier am Ort eine Petition 
gegen die B i e r st e u e r an die Königliche 
Regierung geschickt werden. 
Neumünster, 29. Dez. Nach dem in 
der Sitzung der städtischen Collegien vom 
27. d. Mts. angenommenen neuen kom 
munalen Wahl-Census werden von 
den annähernd 1900 Wahlberechtigten der 
letzten Wahlliste ca. 800 des Kommunal- 
Wahlrechts verlustig gehen. 
In Husum haben auf ihr motivirtes 
Gesuch der Stadtverordneten-Borsteher Kay 
und Stadtverordneter Schumann ihre 
Entlassung aus dem kommunalen Dienste 
erhalten. 
In Schleswig schlich sich kurz vor Weih- 
nachten bei einer Wittwe neben der Dom- 
kirche ein frecher Mensch ein, ver unter 
Bedrohungen mit einem Messer von ihr 
eine Geldsumme von 10 Mark erpreßte, 
ohne in die Hände der Polizei gefallen zu 
sein. — Am ersten Feiertage entsprang 
aus dem hiesigen Amtsgesängnisse der 
Zuchthauskandidat August Rössel, 18 Jahre 
alt, welcher sich bisher noch seiner Freiheit 
erfreut. 
Amrum, 28. Dez. Der schwere Sturm, 
der die Meereswogen zu ganz enormer 
Höhe hinauftrieb, hat die Fluchen bis 
3,50 m über normale Höhe, über das 
Dach der Strandhalle hinweggeschleudert. 
Glücklicherweise hat aber das Bad Wittdün 
nur wenig Schaden gelitten. Am ärgsten 
hauste der Sturm auf Kniepsand, wo die 
wildbrandende See so recht freien Spiel 
raum für ihr Zerstörungswerk hat. Die 
große Halle verschwand gänzlich in den 
sich hoch thürmenden Wogen. Weniger 
schadenlos ist indessen die Gesellschaft 
„Satteldüne" davongekommen, indem ihre 
ebenfalls auf Kniepsand erbaute Strand 
halle vollständig zertrümmert worden ist; 
auch dem christlichen Seehospiz im Norden 
der Insel ist ein großer Schaden nicht er 
spart geblieben. Es sind dort etwa 30 
Meter vom Dünenufer weggerissen worden. 
Den größten Verlust hat die Gesellschaft 
zur Rettung Schiffbrüchiger erlitten, indem 
das erst vor kurzer Zeit neu erbaute Boots- 
Haus vollständig demolirt worden ist. 
Die sämmtlichen großen Hotels und 
Logirhäuser des Nordseebades Wittdün. die 
ungefähr 70 Fuß über dem Meeresspiegel 
liegen, sind ohne Schaden davongekommen; 
ebenfalls hat die große bei Wittdün ge 
baute Seelaudungsbrücke Wind und Wellen 
erfolgreich Trotz geboten. 
Sylt, 27. Dec. Bei dem Badestrande 
von Westerland wimmelte es am Weih- 
nachtsfeste von Menschen fast wie zur 
Hochsaison; es sind aber keine munteren 
Gäste, die man findet, sondern ernst drein 
schauende Insulaner, welche hergekommen 
ind, um sich das schreckliche Zerstörungs- 
werk des letzten Sturmes anzusehen. Es 
ist wahrlich ein trauriger Anblick, der sich 
dem Beobachter darbietet. Der ganze 
Stand ist bedeckt mit abgebrochenen Bret 
tern, Planken und Balken. Die ganze 
Promenade vom Herrenstrand bis 
zum Damenbad ist fast spurlos verschwun 
den; nur hier und da steht ein abge- 
brochener Balken, welcher den gewaltigen 
Wellen Trotz zu bieten vermochte. Wie 
bedeutend der Schaden ist, den die Ge- 
meinde dadurch erleidet, erkennt man, 
wenn man bedenkt, daß das laufende
	        
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