— Dem Exjesuiten Grafen Pau.
H o e n s b r o e ch gibt die „Kreuzztg." das
Wort zu einem spaltenlangen Gejammer
in einem Leitartikel über Dies nefasti
Als Dies nefasti werden die Reichstags
fitzuugen vom 6., 15. und 17. December
mit den bekannten Vorgängen bezeichnet
Der Exjesuit scheint sich jetzt höhere
Orts an schmeicheln zu wollen
Es lohnt nicht, auf das Geschreibsel des
Exjesuiten einzugehen, der offenbar mit
sich selbst noch nicht endgiltig ins Klare
gekommen ist. Sonderbar aber ist es,
wie die Redaktion der „Kreuzztg." sich
durch die Aufnahme eines solchen Artikels
mit sich selbst in Widerspruch setzt. Der
Exjesuit meint, es sei eine „ewige Be
s ch ä m u n g aller staatserhaltenden Par-
teien, daß die Mehrzahl der Volksvertreter
es nicht für der Mühe werth gehalten
habe, an dem hochwichtigen Tage der ersten
Berathung der Umsturzvorlage ihrer Pflicht
als Abgeordnete überhaupt nur eingedenk
zu sein". Nur mit brennendem Schamge-
fühl könne man an jene Tage zurückdenken.
— Bekanntlich fehlte aber von den
Mitgliedern der konservativen Par-
leien, welche den Kampf für Religion
Sitte und Ordnung stets im Munde süh
ren, an dem gedachten Tage mehr al
die Hälfte der Mitglieder. Eine
große Zahl der Fehlenden hatte es vorge-
zogen, statt für Religion, Sitte und Ord
nung zu kämpfen, auf die Hasenjag
zu gehen. Dem entsprechend nahm die
„Kreuzztg." die Konstatirung der Beschluß^
Unfähigkeit auch sehr leicht. Jetzt aber
wird diese Beschlußunfähigkeit in d e m-
selben Blatt als eine Thatsache be
zeichnet, die zur ewigen Beschäm
u n g gereiche, und an die man nur mit
brennendem Schamgefühl zurückdenken könne
— Falsche Auskunft seitens eines Aus
kunslsbureaus hatte zu einer Schadens
ersatzklage geführt, die in letzter Instanz
mit einer Verurtheilung des Aus
kunslsbureaus geendet hat. Das
Reichsgericht hat bei dieser Gelegenheit
einmal die Frage näher erörtert, welche
Zwecke im Handelsverkehre niit der Er-
richtung und Inanspruchnahme von Aus-
kunftsbureaus verfolgt werden, was diese
Anstalten zu leisten im Stande sind und
was der Auftragende von ihnen erwarten
darf. Volle Sicherheit, so sagt das Reichs
gcrickt, können sie nicht gewähren, jeden
falls sind sie aber nicht dazu bestimmt,
Auftragende durch Unwahrheiten, sei es
böswillig oder in unverantwortlicher L e i ch t-
fertig feit irre zu führen. Die An-
Wendung der Sorgfalt eines ordentlichen
Kaufmanns weist auch diesen Anstalten
den richtigen Weg — Gewissenhaftigkeit
in der Erforschung und Gewissenhaftig
keit in der Mittheilung. Der sorgfältige
Kaufmann wird auch die Verläßlichkeit
der Quelle prüfen und unsichere Ergebnisse
nach ihrem Werthe und nicht als sichere
Thatsachen berichten. Auf Erfüllung dieser
Psticht kann und muß der Anfragende
rechnen. Verläßt er sich hierauf und richtet
hiernach seine Schritte ein, so begeht er
keine Leichtfertigkeit. Die Folgen einer
Täuschung fallen demgemäß dem Auskunft
ertheiler zur Last, der seine Pflicht gröb
lich verletzt hat.
— Ueber die Spannung zwischen
Berlin und Stuttgart wird von unter
richteter Seite weiter berichtet, man sei in
Stuttgart über die Art und Weise ärger
lich, in der die Militärkonvention gehand
habt wird. In der Zuschrift wird dazu
weiter ausgeführte „Zur Zeit sind nach
Preußen kommandirt 4 würltembergische
Generale, 8 Stabsoffiziere und 50 Haupt
lerne, sowie Subalternossiziere. Wie ist
nun dieses Verbältniß „ausgeglichen" wor
den? Preußische Hauptleute und Ritt
meister giebt's in Württemberg fast gar
keine, wohl aber 2 Generallieutenants, 5
Generalmajore und 18 Stabsoffiziere. Vor
5 Jahren wurde das Württembergische Ar
von meiner Verlobung nichts wußten, Herr
Gras und ich hoffe, daß Sie eines Tages
ein liebenswerthes Mädchen finden werden,
welches Ihrer in jeder Hinsicht würdig ist."
Er antwortete nur mit einem Kopfschüb
lein: „Ich werde vielleicht nie hcirathen. Ge-
fchicht es doch, so werde ich nur ein Mäd
chen wählen, welches Ihnen ähnlich ist, denn
Sic haben mir gezeigt, welcher Art die Le
bensgefährtin eines Mannes sein sollte, da
mit beide in ihrer Liebe und Lebensgemein
schaft volles, ungetrübtes Glück finden. Doch
nun leben Sie wohl, Cäcilie, — ich darf
Sie doch wohl wenigstens dieses eine Mal
Cäcilie nennen?"
„Gewiß", antwortete sie, aber weshalb
„Leben Sie wohl?"
„Weil ich morgen eine langjährige Reise
ins Ausland antreten werde. Es ist wirklich
das Beste. Nur das eine erbitte ich noch von
Ihnen, — lassen Sie mich stets Ihr Freund
bleiben, — und in Zukunft auch Freund des
Mannes sein, dem Sie Ihre Liebe schenkten."
„Ja", erwiderte sie, „wir werden Sie stets
als unseren Freund betrachten."
Stumm erhob er sich, und Cäcilie reichte
ihm ihre Hand, die er langsam, ehrfurchtsvoll
mid zärtlich an seine Lippen führte. „Leben
Sie wohl", flüsterte er dann und verließ eilig
das Zimmer.
(Fortsetzung folgt.)
meekorps durch den preußischen General
v. Alvensleber kommandirt, der seiner Un
Popularität und seines unleidlichen Ber-
hältnisses zum damaligen Thronfolger we-
gen abberufen und durch einen Württem
beiger ersetzt wurde. Außerdem befand
sich damals in höherer Stellung noch ein
preußischer Brigadekommandeur in Würt
temberg. Heute aber werden beide Di
visionen von preußischen Offizieren kom-
mandirt, von vier Jnfanteriebrigaden 3,
beide Kavalleriebrigaden und endlich noch
die Artilleriebrigade, abgesehen vom Korps-
kommandeur sind also mit einer Ausnahme
alle höheren Stellen durch preußische Os-
fiziere besetzt.
— Zur Entwickelung des Geschäfts,
antisemitism us veröffentlicht die „Brest.
Ztg" einen bezeichnenden Beitrag. Der
Vorsitzende des deutsch-sozialen Vereins in
Strehlen in Schlesien hat ein Rundschreiben
an sämmtliche Vorstände der deutsch-sozi-
alen Reformpartei versandt, in welchem er
sie auffordert,dieLeb ensversicherungen
zu benutzen, um den antisemitischen Agi-
tationsfonds zu größerer Leistungsfähigkeit
anzufachen. Er will das in der Weise
machen, daß der jedesmalige Vorsitzende
des antisemitischen Vereins einer Stadt
eine Versicherungsagentur übernehmen und
die Hälfte der Versicherungsprovision an
die Vereinskasse abführen soll. Die Tendenz
dieser Aufforderung wird besonders dadurch
ersichtlich, daß ihr Urheber die Angezogenen
auffordert, falls sie bereits eine Lebens-
Versicherung vertreten, ihre bisherige Agentur
aufzugeben und eine Agentur derjenigen
Gesellschaft zu übernehmen, welche der
Versender des Schreibens vertritt, und
welcher er nachrühmt, daß es eine rein
christliche Gesellschaft sei. Es handelt sich
also hier um weiter nichts als um den
Versuch der betreffenden ehrenwerthen
Lebensversicherungs-Gesellschaft, den Anti-
semitismus in ihrem Geschäftsinteresse aus-
zubeuten. Ob freilich viele Gimpel auf
diesen Leim gehen werden, das ist eine
andere Frage.
- Zum Nachfolger des im Sommer
verstorbenen Professors der alttestament-
lichen Theologie Willmann war bekannt
lich der Professor Graf B a u d i s s i n
aus Marburg berufen worden. Seine Er
nennung stand bereits im „Staatsanz."
Sein Amtsantritt war für Ostern festge
setzt und zu seinem Nachfolger in Mar-
bürg war Professor Bäthgen ans
Geifswald ernannt. Wie die „Kreuzztg."
hört, bleibt Baudissin auf seinem Posten
in Marburg und Bäthgen wird die Ber-
liner Professur übernehmen.
- Ein eigenartiger Fall der S t ö r u n g
des Gottesdienstes und ein treffendes
Urtheil hat kürzlich nach der „Juristischen
Wochenschrift" das Reichspericht beschäftigt
In einer Dorfkirche war die Empore für
eine bestimmte Art der Kirchenbesucher
reservirt. Eines Sonntags sah der Pre
diger, als er vor dem Altar stand, daß
mehrere unbefugte Personen auf der Em
pore Platz genommen hatten. Er richtete
an dieselben die Aufforderung, den Platz
zu verlassen, widrigenfalls er sie
herunterholen würde. Die Aufge-
-orderten leisteten keine Folge, worauf der
Prediger sich vom Altar weg in Begleitung
des Schulzen nach der Empore begab, wo
der Letztere die Aufforderung wiederholte,
der nun auch Folge gegeben' wurde. Die
betreffenden Personen wurden wegen Stör
ung des Gottesdienstes unter Anklage ge-
'tellt und von der ersten Instanz auch ver-
urtheilt. Auf die eingelegte Revision hob
das Reichsgericht das erste Urtheil am
unter folgender Begründung: Nach den
Feststellungen der Strafkammer sind es
die Handlungen des Pfarrers, bez
des Schulzen, die die Störungen des
Gottesdienstes verursacht haben, nicht an
und für sich . und unmittelbar die That-
ache, daß die Angeklagten ungehöriger
Weise die Plätze auf der Empore einge
nommen haben.
Berlin, 29. Dec. Mit dem Beschlusse
der gestrigen 16 Volksversammlungen ist
ein großer Theil der B r a u e r e i a rbei-
er nicht einverstanden; diese beabsichtigen,
Protestversammlungen einzuberufen und
den Beschluß eventuell umzustoßen.
Berlin, 28. Decbr. Kehrichtbauern ent
deckten beim Entleeren eines Kehrichtkastens
in der Rinnstraße Nr. 5 die angekohlte
Leiche eines Kindes. Der Kopf war
abgehackt, die Beine lagen zerstückt neben
dem Körper. Die Polizei nahm die Sei
chentheile in Beschlag.
— Ueber einen frechen, auf die Mild
herzigkeit berechneten Schwindel
wird der „Voss. Ztg." von einem Augen-
zeugen geschrieben: Als ich am Weihnachts-
Heiligabend die Chausseestraße entlang
ging, sah ich einen kleinen Auflauf und
gewahrte darin einen etwa achtjährigen
Knaben, der laut weinte und dabei etwas
Verlorenes zu suchen schien. Auf die von
einem Herrn an den Knaben gerichtete
Frage, was ihm fehle, entgegnete er wei
nend, er sei von seiner Mutter, einer ar
men Witwe, fortgeschickt worden, um ein
Brot vom Bäcker zu holen, und habe nur
die Mark, das letzte Geld der Mutter
verloren. Kaum hatte der Knabe diese
Leidensgeschichte erzählt, da trat ein seiner
Kleidung nach dem Arbeiterstande angehöri-
ger Mann zu dem Knaben mit den Wor
ten: „Junge, weene man nich; ick bin
zwar nur 'n Arbeiter un habe fünf Kinder
zu Hause, aber vor 'ne arme Witwe habe
ick doch een par Nickel übrig; halt mal
Deinen Hut her!" Mit diesen Worten
warf der Arbeiter zwanzig Pfennige in
den vorgehaltenen Hut; die Umstehenden
wollten sich von dem biederen Arbeiter
nicht beschämen lassen, und von allen Sei-
ten flogen Nickel und wohl auch Silber-
stücke in den Hut des Knaben. Auch ich
opferte eine Gabe, und noch lange dachte
ich an das brave Herz, das unter dem
Kittel des Arbeiters schlug. Einige Stun
den später kam ich in die Nähe des Rosen
thaler Thors. Auch hier war ein Auf
lauf; ich sah wieder den Knaben, der nach
dem verlorenen Markstück suchte, und bald
tauchte auch aus der Menge wieder der
Arbeiter auf, der trotz seiner fünf Kinder
einige Nickel für den armen Knaben übrig
hatte. Ich war um eine bittere Täusch
ung reicher; es bedurfte kaum eines wei
teren Nachdenkens, daß hier Vater und
Sohn gemeinsam das gutherzige Publikum
betrogen und es jedenfalls anderswo noch
weiter betrogen haben.
Crefeld, 27. Dec. Der P r o z e ß Stock-
dick — St. war bekanntlich des Lust-
mordes an der kleinen Maria Neß zu Neuß
angeklagt — endete seiner Zeit nach langen
Verhandlungen mit der Freisprechung des
Angeklagten. Jetzt wird der Prozeß eine
neue Auflage erleben. Während der Vor
untersuchung gegen Stockdick hatte der
Maurermeister Dickschen in Benrath dem
dortigen Bürgermeister die Anzeige ge
macht, daß auf den von ihm beschäftigten
Arbeiter Boehn das Signalement des ge-
suchten Mörders passe. Als diese Anzeige
erfolgte, war Stockdick bereits verhaftet
und man gab ihr keine weitere Folge.
Jetzt ist Boehn in Stolberg im Harze ver-
haftet worden. Seine Aehnlichkeit mit
Stockdick soll ganz auffallend sein.
Hanau, 27. Dec. Die Entziehung des
Erziehungsrechtes, welche der Amts-
richter Spindler in Langenselbold über
verschiedene Väter in einigen Orten unseres
Wahlkreeises verhängte, und für deren
Söhne Vormünder einsetzte, welche die
jungen Leute zwingen sollten, aus dem
Turn- oder Arbeiterschutzvereine auszu-
treten, weil denselben Sozialdemokraten
angehören, ist der „Bolksstimme" zufolge
durch Erkenntniß des Oberlandesgerichts
zu Kassel vom 22. December aufge
hoben worden. Die Väter werden da-
mit zugleich in ihre Rechte wieder einge-
letzt unv die Vormundschaft aufgehoben.
München, 28. Dec. Das Schöffengericht
lehnte im Prozeß gegen die anläßlich
der F u ch s m ü h l e r V o r g ä n g e an
geklagten 6 Redakteure den Antrag des
Amtsanwalts ab, hinsichtlich der Fuchs
mühler Vorgänge selbst keinerlei Zeugen
verhör vorzunehmen, sondern nur die Frage,
ob Unfug vorliege, festzustellen. Der erste
Zeuge, Premierlieutenant Mayer-Amberg
konstatirte die für Fuchsmühl auserlesene
Mannschaft sei auf das Strengste vorher
instruirt worden, den Gebrauch der Waffen
thunlichst zu vermeiden. Die Fuchsmühler
hätten zweifellos Widerstand verabredet
8 derselben seien Reservisten gewesen, sie
hätten Militärmützen getragen und die
übrigen Betheiligten aufgereizt. 25 Sol
daten hätten aktiven Widerstand gefunden.
Die Zeitungsberichte seien größtentheils
unzutreffend. Der Amtsanwalt wies in
in seinem Plaidoyer nach, daß das Ver
halten des Militärs ein correctes gewesen
sei, nicht das Recht der Kritik, wohl aber
die Art derselben sei zu verurtheilen. Der
Amtsanwalt beantragte Geldstrafen von
30 bis 300 Mark. Der Vertheidiger
tadelte die Berufung des Militärs sowie
das Verhalten desselben; man hätte das
Militär anstatt aus Amberg aus München
entsenden sollen; er beantragte Freisprechung.
Das Urtheil wurde noch heute Abend ge
fällt. Es lautet gegen Redakteur Franta
auf 50, gegen Rost auf 30, gegen Schmidt
und Schreiber auf 20, gegen Schwab auf
15 und gegen Morgenstern auf 12 Mark
Geldstrafe; die Motive besagen, der That-
bestand des groben Unfugs sei vollständig
erschöpfend nachgewiesen und ebenso die
Loyalität des Einschreitens des Militärs
Der Eisenbahn-Fortschritt in
Württemberg macht sich bezahlt. Mit
kühnem Griff führte Württemberg die
zehntägige Gültigkeit der Rückfahrkarten,
die Fahrscheinhefte und vierzehntägigen
Passepartout-Karten ein. Es stellte sich
heraus, daß dadurch die Einnahmen sich
weigerten, die Eisenbahn-Hauptkasse einen
günstigeren Abschluß machen kaun, als im
Vorjahre.
Sprottau, 31. Dec. In Klein-Gläsers
dorf bei Lüben steht das Schloß des
Grafen Collin in Flammen. Die be-
nachbarten Feuerwehren kämpften mit allen
Kräften gegen das entfesselte Element an,
das bereits in der vergangenen Nacht aus-
gebrochen war. Die gräfliche Familie be-
tndet sich auf Reisen.
Im Oberharz sind in den höheren Lagen
des Gebirges, etwa von 300 Meter Meeres-
höhe ab beginnend, enorme Schnee
massen niedergegangen. Die Schneedecke
liegt in Clausthal und St. Andreasberg
über V 2 Meter hoch, erreicht auf dem
Bruchberg und im Brockenfelde aber
Meter Höhe. Ganz auffallend ist diese
Winterlandschaft gegenüber dem Unter- und
Borharz, wo keine Spur von Schnee zu
sehen ist. Die Posten müssen mit Räder
schlitten verkehren, weil oben kein Wagen,
unten kein Schlitten durchzubringen ist.
In Eisleben haben dieser Tage wiederum
Erderschütterungen stattgefunden, einige so
stark, daß Fenster, Thüren, Oefen
usw. wankten. Die Zerstörungen an den
Häusern schreiten unablässig fort.
In der Umgegend von Gelsenkirchen hat
sich die Sitte eingebürgert, daß jedes Dorf
sowohl als jede Stadt fast allsonntäglich
ihren Festzug, manchmal sogar deren
mehrere zu gleicher Zeit hat. Um dem zu
steuern, war seitens der städtischen Ver
waltung in Gelsenkirchen vorgeschlagen
worden, für einen solchen Festzug oder
öffentlichen Aufzug mit Musik, für je
den Meter der durchzogenen
Straßen st recke einen Pfennig
zu erheben. Nach einer heiteren
Debatte, bei welcher sich einer der Stadt-
verordneten einen Ordnungsruf zuzog, weil
er bemerkte, daß solche Vorschläge in ein
verständiges Gehirn überhaupt nicht hin
eingingen, wurde beschlossen, für jeden
Aufzug mit Rücksicht auf die Länge des
Zuges, 10 Mk. zu erheben.
Bei einem Streite mit ihrem Manne
warf am Donnerstag Nachmittag in Frank-
urt a. M. eine Frau ihren Mann
aus einem offen stehenden Fenster des
ersten Stockes. Der Mann, der eine Hirn-
erschütterung und einen Beinbruch davon-
trug, wurde in das Hospital gebracht.
In einem Anfall von Geistesstörung
hat sich in Gumbinnen am Dienstag der
frühere Landrath, jetzige Verwaltungsge-
richts-Direktor Burchard erhängt.
Zwischen Lübeck und Schönberg wurde
der Zug durch die Nothleine von Reisen-
den der vierten Wagenklasse zum Stehen
gebracht, weil sie durch den Kohlendampf
aus dem Ofen zu ersticken drohten.
Hamburg, 29. Dez. Auf einem mit
8 Pferden bespannten Kesselwagen wurde
heute Nachmittag um 4 Uhr ein Walfisch
dem Ludwig'schen Concertgarten zugeführt.
Eine enorme Menschenmenge folgte dem
-eltsamen Zuge.
Der Walfisch ist am 22. Dez. im At-
lantischen Ocean bei der norwegischen
Küste erlegt worden. Das Thier befand
vermuthlich auf der Verfolgung von
Heringsdiemen und wurde von norwegischen
Fischer bemerkt. Von Marstrand wurde
ein Dampfer ausgesandt, der das Thier,
nachdem es glücklich erlegt war, nach
Gothenburg brachke. Der Fisch ist von
einem schwedischen Consortium erworben
worden und soll in Paris ausgestellt wer
den. In Hamburg wird er' nur kurze
Zeit bleiben. Man hat es hier mit einem
Bartenwal (Weibchen) zu thun, dessen
Körper außerordentlich gut erhalten ist
und der daher besonderes Interesse er
wecken dürfte. Die Länge des Thieres
beträgt 31 Fuß, der Umfang ungefähr
20 Fuß, das Gewicht 30 000 Pfd.
Währen des Hebens des schweren Wal
fisches, der in Hamburg ausgestellt wer
den sollte, riß die dazu benutzte Kette;
der Walfisch fiel auf zwei Arbeiter, von
denen der eine sofort getödtet, der andere
schwer verletzt wurde.
Hamburg, 27. Dec. Ende vorigen Jahres
machten die sog. „Geldspindknacker", die
in verschiedenen Kontoren Geldschränke er
brachen und beraubten, Aufsehen. Einer
dieser Thäter, Carl Christian Kröger, be
reits im Jahre 1882 mit 10 Jahren Zucht
haus bestraft, wurde trotz allen Leugnens
überführt und erhielt aufs Neue 15 Jahre
Zuchthaus.
Die Schlußvertheilung in Sachen des
Konkurses der minderjährigen Erben des
verstorbenen Restaurateurs Hornhardt,
früher Hornhardt's Conzertgarten, Ham
burg, ergiebt, daß nur 7100 Mk. Masse
verfügbar sind. Nach dem amtlich nieder-
gelegten Verzeichniß sind Mk. 430 957,16
nicht bevorberechtigte Konkursforderungen
zu berücksichtigen.
Mit Ende dieses Jahres werden in
Hamburg neun Friedhöfe, welche
vor dem Dammthor belegen sind, für Be
erdigungen geschlossen, da man solche
nicht länger in der Nähe der Stadt dulden
will. Die sämmtlichen Friedhöfe wurden
Anfangs dieses Jahrhunderts eingerichtet.
Für die noch unbenutzten Erbbegräbnisse
werden den Berechtigten neue Plätze auf
dem Centralfriedhof in Ohlsdorf ange
wiesen.
Brod inzielles.
Vor mehreren Wochen verschwand in
Chicago der dortige Vertreter einer be
kannten Nähmaschinenfabrik unter Mit
nahme von 40 000 Dollars, die er seinem
Chef unterschlagen hatte. Der Defraudant
wurde verfolgt, doch blieb seine Spur ver-
chwunden, bis man sich an die Altonaer
Criminalpolizei wandte. Es war den Be-
itzern der Nähmaschinenfabrik bekannt, daß
der Unredliche in Altona Verwandte hatte,
mit denen er in regem Verkehr stand. Der
von dieser Sachlage in Kenntniß gesetzten
Polizei gelang es, den Durchbrenner in
der, in der Schuhmacherstraße belcgeneii
Wohnung seines Schwagers festzunehmen.
Der Rechtsanwalt v. Alten in Blanke-
nese, welcher vom Landgericht Altona zu
4 Monaten Gefängniß wegen Unterschla-
gung verurtbeilt worden ist, sollte vor
Weihnachten verhaftet werden. Auf Ber-
sügung des Justizministers ist die Ber-
Haftung aufgehoben worden, bis über die
eventuelle Wiederaufnabme des Verfahrens
entschieden ist. Außerdem liegt dem Kaiser
ein Gnadengesuch von dritten Personen
vor. Die ganze Gerichtsverhandlung be-
wies, daß es sich vielleicht weniger um
eine Unterschlagung als um eine konfuse
Verwaltung des Rechtsanwalts handelte.
Kiel,28.Dez. Sein fünfund;wanzig-
jähriges Jubiläum als verantwort-
licher Leiter der „Kieler Zeitung" begeht
hier am bevorstehenden Neujahrstage der
Chefredakteur und Studtverordnetenvor-
teher Ale xander Niepa. Bon Anfang
1864 bis zum 15. August 1866 im ver-
trauten Dienst des Herzogs Friedricb von
Augustenburg, trat Niepa 5 Tage später
in die Redaktion der damals noch in den
ersten Jugendjahren stehenden „Kieler
Zeitung" ein und that damit einen für
die eigene wie für des Blattes Zukunft
bedeutungsvollen Schritt. Seitdem er am
1. Januar 1870 zum ersten Mal als ver
antwortlicher Redakteur gezeichnet, hat er
neben der politischen Arbeit die Förderung
communaler Interessen nicht zum wenigsten
Aufgabe der Zeitung sein lassen, und daß
die Einwohnerschaft Kiels dafür nicht
blind gewesen, geht daraus hervor, daß
der Jubilar 1899 in das Stadtverord
netenkollegium gewählt wurde, mit dessen
Führerschaft als Bürgerworthalter er seit
drei Jahren betraut ist. Die angesehene
Stellung als Journalist und Bürger,
deren sich Niepa überall erfreut, machte
es selbstverständlich, daß der im vorigen
Jahr begründete Schriftsteller- und Jour-
nalisten-Verein in Kiel" ihn zu seinem
ersten Vorsitzenden erwählte.
Elmshorn, 29. Decbr. Wie verlautet,
soll seitens der Bierbrauer, Bierverleger
und Wirthe hier am Ort eine Petition
gegen die B i e r st e u e r an die Königliche
Regierung geschickt werden.
Neumünster, 29. Dez. Nach dem in
der Sitzung der städtischen Collegien vom
27. d. Mts. angenommenen neuen kom
munalen Wahl-Census werden von
den annähernd 1900 Wahlberechtigten der
letzten Wahlliste ca. 800 des Kommunal-
Wahlrechts verlustig gehen.
In Husum haben auf ihr motivirtes
Gesuch der Stadtverordneten-Borsteher Kay
und Stadtverordneter Schumann ihre
Entlassung aus dem kommunalen Dienste
erhalten.
In Schleswig schlich sich kurz vor Weih-
nachten bei einer Wittwe neben der Dom-
kirche ein frecher Mensch ein, ver unter
Bedrohungen mit einem Messer von ihr
eine Geldsumme von 10 Mark erpreßte,
ohne in die Hände der Polizei gefallen zu
sein. — Am ersten Feiertage entsprang
aus dem hiesigen Amtsgesängnisse der
Zuchthauskandidat August Rössel, 18 Jahre
alt, welcher sich bisher noch seiner Freiheit
erfreut.
Amrum, 28. Dez. Der schwere Sturm,
der die Meereswogen zu ganz enormer
Höhe hinauftrieb, hat die Fluchen bis
3,50 m über normale Höhe, über das
Dach der Strandhalle hinweggeschleudert.
Glücklicherweise hat aber das Bad Wittdün
nur wenig Schaden gelitten. Am ärgsten
hauste der Sturm auf Kniepsand, wo die
wildbrandende See so recht freien Spiel
raum für ihr Zerstörungswerk hat. Die
große Halle verschwand gänzlich in den
sich hoch thürmenden Wogen. Weniger
schadenlos ist indessen die Gesellschaft
„Satteldüne" davongekommen, indem ihre
ebenfalls auf Kniepsand erbaute Strand
halle vollständig zertrümmert worden ist;
auch dem christlichen Seehospiz im Norden
der Insel ist ein großer Schaden nicht er
spart geblieben. Es sind dort etwa 30
Meter vom Dünenufer weggerissen worden.
Den größten Verlust hat die Gesellschaft
zur Rettung Schiffbrüchiger erlitten, indem
das erst vor kurzer Zeit neu erbaute Boots-
Haus vollständig demolirt worden ist.
Die sämmtlichen großen Hotels und
Logirhäuser des Nordseebades Wittdün. die
ungefähr 70 Fuß über dem Meeresspiegel
liegen, sind ohne Schaden davongekommen;
ebenfalls hat die große bei Wittdün ge
baute Seelaudungsbrücke Wind und Wellen
erfolgreich Trotz geboten.
Sylt, 27. Dec. Bei dem Badestrande
von Westerland wimmelte es am Weih-
nachtsfeste von Menschen fast wie zur
Hochsaison; es sind aber keine munteren
Gäste, die man findet, sondern ernst drein
schauende Insulaner, welche hergekommen
ind, um sich das schreckliche Zerstörungs-
werk des letzten Sturmes anzusehen. Es
ist wahrlich ein trauriger Anblick, der sich
dem Beobachter darbietet. Der ganze
Stand ist bedeckt mit abgebrochenen Bret
tern, Planken und Balken. Die ganze
Promenade vom Herrenstrand bis
zum Damenbad ist fast spurlos verschwun
den; nur hier und da steht ein abge-
brochener Balken, welcher den gewaltigen
Wellen Trotz zu bieten vermochte. Wie
bedeutend der Schaden ist, den die Ge-
meinde dadurch erleidet, erkennt man,
wenn man bedenkt, daß das laufende