Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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No. 804. 
SonncrbenÄ. ben 29 December 
1894. 
Morflen-Depeschen. 
Berlin, 29. Dec. Die Einberufung der 
beiden Häuser des Landtags zum 15. Ja 
nuar k. I. ist nunmehr erfolgt, die amt 
liche Bekanntmachung steht unmittelbar 
bevor. 
Berlin, 27. Dec. Wie die „Kreuz.-Ztg." 
hört, steht Graf Paul Hoensbroeck, 
dessen Austritt aus dem Jesuiten-Orden 
seiner Zeit so großes Aufsehen machte, im 
Begriff, zur evangelischen Kirche überzu 
treten. 
Berlin, 29. Dec. Die offizielle „Ber 
liner Korrespondenz" schreibt: „Bereits seit 
einigen Wochen und insbesondere in der 
am 21. December ds. Js. erschienenen 
Nummer des „Vorwärts" werden der 
Bauverwaltung des Königlichen Schlosses 
in gehässiger Weise Vorwürfe darüber ge 
macht, daß die Maurer zur Leistung von 
Ueberstunden gezwungen worden und an 
dererseits wiederum ungerechtfertigte Ar 
beiterentlassungen vorgekommen seien. Hierzu 
ist Folgendes zu bemerken: Es ist unwahr, 
daß die Maurer Ueberstunden machen 
mußten. Niemand ist dazu gezwungen 
worden, ja es lag nicht einmal zur Aus 
übung eines Zwanges eine Veranlassung 
vor, da die Arbeiter sich Ueberstunden 
freiwillig erbaten und auf deren Be 
willigung geradezu hindrängten. Um einer 
durch die Ueberstunden hervorgerufenen 
übermäßigen Anspannung der Arbeitskraft 
vorzubeugen, sah sich die Schloßbauver 
waltung sogar veranlaßt, ein äußerstes 
Maß von Arbeitsstunden überhaupt festzu 
setzen. Man kann sonach nur annehmen, 
daß die Mittheilungen des „Vorwärts" 
aus den Kreisen solcher Arbeiter hervorge 
gangen sind, denen daran lag, gegen den 
fleißigen und eifrigen Arbeiterstamm im 
Schlosse einen Terrorismus auszuüben. 
Was im Uebrigen die Entlassung von Ar 
beitern anbetrifft, so liegt es in der Natur 
der Sache, daß bei einem Bau, welcher 
sich seinem Ende nähert, überflüssige Ar 
beiter allmählich entlassen werden müssen. 
Graz, 28. Decbr. Die halbamtliche 
„Morgenpost" bespricht in einem anschei 
nend inspirirten. in scharfen Worten ge- 
haltenen Artikel das Vorhaben der Grazer 
Deutschnationalen, anläßlich des achtzigsten 
Geburtstages des Fürsten Bismarck in 
Steiermark eine Feier zu veranstalten. 
Das Blatt weist auf die Wunden hin, die 
Bismarck auş dem Schlachtfelde und auf 
wirthschaftlichem Gebiete Oesterreich ge- 
chlagen habe. Die Deutsch-Oesterreicher - 
würden durch solche Feier ihre eigene 
Würde und ihren Bürgerstolz verleugnen, 
denn Fürst Bismarck habe wiederholt seine 
österreichischen Anbeter und ihre auf 
dringlichen Liebesdienste mit Fuß 
tritten zurückgewiesen. 
Newyork, 29. Dec. Wie aus New 
foundland gemeldet wird, sind der Prä 
sident und vier Mitglieder einer großen 
Bank gestern verhaftet worden, weil sie 
im Juli dieses Jahres den Aktionären 
eine falsche Bilanz vorgelegt hatten. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Der „Times" wird aus Kobe von ge 
stern gemeldet, daß die Tonghaks, die 
kürzlich eine koreanische Garnison in der 
Provinz Tschallado vertrieben hatten, ge 
schlagen sind. Eine Abtheilung japanischer 
Truppen, die zur Unterdrückung des Auf 
standes in der Provinz Hwanghaido ent 
sandt waren, stieß am 23. ds. auf fast 
6000 Tonghaks und zerstreute sie nach 
vierstündigem Kampfe. 
Japan. Am Hofe von Tokio, wo 
man sich mehr als jemals ganz nach euro 
päischem Muster eingerichtet hat, denkt 
man ernstlich daran, für den Prinzen-Nach- 
solger um die Hand einer königlichen Prin 
zessin europäischer „Rasse" zu bitten. Die 
verschiedenen japanischen Gesandtschaften in 
den Hauptstädten der alten Welt haben 
bereits darauf bezügliche Sonderweisungen 
erhalten. Nöthigenfalls würde man, wenn 
sich nicht eine einer solchen Verbindung 
geneigte Königliche Prinzessin finden würde, 
sich auch mit einer Jungfrau aus altem 
aristokratischen Hause zufrieden geben, und 
im äußersten Falle würde man sogar eine 
reiche amerikanische Erbin annehmen. Der 
Sohn des Kaisers, der junge Haron, das 
heißt „Frühlingszeit", ist siebzehn Jahre 
alt, sein Vater will ihn erst mit zwanzig 
Jahren verheiraten. Es wird hinzugefügt, 
daß der künftigen Kaiserin die größte reli 
giöse Freiheit gelassen werden soll. (Das 
japanische Herrschergeschlecht ist das älteste 
der gegenwärtigen Menschheit. Der Kaiser 
Mutsuhito aus dem Hause Arisugawa kann 
nachweisen, daß seine Dynastie ununter 
brochen 2554 Jahre in Japan herrscht, 
)aß seine Ahnen Zeitgenossen des bibli- 
chen Königs Salomo waren. Eine „Mes 
alliance" würde eine europäische Prinzessin 
also keinesfalls eingehen.) 
' Ein seltsamer Zufall ist cs, daß in 
Amerika zwei Criminalfälle zur Zeit großes 
Aufsehen erregen, bei deren Aburtheilung 
auch dort zum ersten Male der Hypno 
tismus die Gerichte beschäftigen wird. 
Wir lesen in New-Uorker Blättern darüber 
Folgendes: Eine hier ansässige Frau ver 
giftete einen ihr bekannten Herrn. Die 
Frau will von ihrem Manne in Hypnose 
versetzt worden sein und in diesem Zu 
stande das Verbrechen verübt haben; sie 
giebt an, daß ihr Mann es auf die Le 
bensversicherung des Getödteten abgesehen 
hatte. — Der zweite Fall spielt in Eau- 
Claire, der Hauptstadt der gleichnamigen 
Grafschaft im Staate Wisconsin. Dort 
sind zwei junge Mädchen wegen eines 
Verbrechens verhaftet worden, das sie im 
Zustande der Hyfmose begangen haben 
wollen, in den sie angeblich von einem 
Arzt und dessen Sohn versetzt worden 
waren. Beide Männer wurden in Folge 
dessen ebenfalls verhaftet. 
Vor Kurzem erregte in Colombo die 
Ankunft eines Deutschen, der früher 
Offizier eines rheinischen Kavallerieregiments 
gewesen war nicht geringes Erstaunen. 
Wilhelm Böter geht nach dem Vorbilde 
des Malers Diefenbach barfuß und bar 
häuptig mit langem wallenden Haarschmuck. 
Besonders wurde seine außerordentlich 
weiße und zarte Hautfarbe bewundert. 
Böter ist unter dem Namen „Fruchtesser" 
bekannt und will seit 1 '/„ Jahren nur von 
Früchten, denen er eine geheimnißvolle, 
wunderbare Wirkung zuschreibt, gelebt 
haben. Eine langwierige Magenkrankheit 
brachte thn zuerst zur Fruchlviät. Früchte 
bilden für Böter Speise und Trank, ob 
wohl böse Zungen behaupten, daß er im 
Kreise deutscher Freunde heimischen Gersten- 
und Traubensaft gerade nicht verschmäht 
hat. Doch könnte dies, streng genommen, 
auch zu den Früchten im weiteren Sinne 
gezählt Iverden. Böter hat die Absicht, 
Ceylon zu Fuße zu umwandern und alle 
genießbaren und ungenießbaren Früchte zu 
studiren. Zugleich sucht er einen geeigneten 
Platz, um eine Kolonie von gleichgesinnten 
Fruchtessern zu bilden. Böter hat schon die 
Sandwich-Inseln, Samoa, die Fidschi- und 
Tonga-Inseln nach wohlschmeckenden, alle 
Leiden der Menschheit heilenden Früchten 
abgesucht, scheint aber in Ceylon das 
wahre Paradies der Frnchtesser gefunden 
zu haben. 
Italien. 
Rom, 27. Dez. Die „Riforma" weist 
in einem ruhig und sachlich gehaltenen 
Leitartikel Punkt für Punkt alle Anklagen 
Cavallottis zurück. Hinsichtlich der Affaire 
Herz erklärt sie, Crispi habe, als über 
Herz aus Paris ungünstige Nachrichten 
Nachrichten kamen, das Ordensdekret 
mit seinen eigenen Händen zerrissen. 
Cavallottis ganzer Haß sei lediglich dem 
Umstande zuzuschreiben, daß Crispi weder 
ihn noch einen seiner Parteigenossen ins 
Kabinet ausgenommen habe. An einer 
anderen gleichfalls hervorragenden Stelle 
bringt die „Riforma" eine scharfe politische 
Biographie Cavallottis. Die heutigen 
Abendblätter bedauern allgemein die pein 
liche Wendung, welche der heißblütige 
Radikale Cavallotti durch sein unüber 
legtes und gehässiges Manifest den Dingen 
gegeben hat. 
Rom, 28. Dec. Der König hat heute 
Rudini und Bought, die erbittertsten Gegner 
Crisp i's empfangen. Es scheint also, 
daß die Tage desselben als Ministerpräsi 
dent gezählt sind. 
Aus Mailand wird berichtet: Aus guter 
Quelle verlautet, Crispi habe die Zu 
stimmung der Krone zur Kammerauflösung 
bereits in Händen. Der Sessionsausschuß 
würde am 4. Januar sein, die Auflösung 
am 20. Januar, die Neuwahlen würden 
im April erfolgen. 
Monaco. 
Aus Monte Carlo wird berichtet: Aus 
dem Wege von Monaco nach Turbia 
wurde die Leiche eines elegant gekleideten 
Mannes aufgefunden, dessen Identität bis 
jetzt noch nicht festgestellt werden konnte. 
Der Selbstmörder hatte sich die Kehle mit 
einem Rasirmesser durchschnitten, das er in 
der rechten Hand hielt. Man fand bei 
ihm nur eine Eintrittskarte zum Spielsaale 
aus der der Name durchstrichen war. Geld 
wurde nicht vorgefunden. Nachdem die 
Leiche photographirt war, witrde sie auf dem 
Friedhofe von Monaco bestattet. 
Frankreich. 
Die Menukarten sind in den letzten 
Jahren in Paris so unmoralisch ge 
worden, daß besorgte Mütter, wenn sie 
mit ihren Töchtern bei großen Diners er 
schienen, noch vor der Suppe die Speise 
karte zu konfisziren pflegten. Die Menus 
waren eine Miniatur-Ausgabe des modernen 
Paris geworden, und die gewagtesten 
Pantomimen der Cafès ehantants fand 
man darauf verewigt. Nun aber soll auch 
das Menu geläutert werden, und man 
bringt uns für die neue Saison sehr solide 
graoirte Kärtchen mit wunderfeinen An 
sichten von Alt-Paris, dann mit Nachbil 
dung alter Wappen und Münzen, ferner 
mit historischen Bildchen und ethnographischen 
Zeichnungen. 
Holland. 
Schrecklich sind die Verwüstungen durch 
Wind und Wasser in Scheveniiigen; Tau 
sende begaben sich dorthin, um alles in 
Augenschein zu nehmen. An mehreren 
Orten wurde diese Nacht der Strand weg 
gerissen, und es blieben nur sechs Schiffe 
liegen; die andern wurden von ihren Be- 
sestigungen losgerissen und schwammen auf 
dem Meer umher. Auch wurden einige 
an der steinernen Kaimauer gänzlich zer 
schmettert, so daß der Schaden fast unbe 
rechenbar ist. Der Eingang des Kur- 
Hauses ist nicht mehr zu erkennen; die 
mit Statuen besetzten Treppen sind gänz- 
lich zerstört worden. 140 Schiffe lagen 
auf dem Strande. 
England. 
Aus London geht dem „L.-A." die Mel 
dung zu: Bei Bradford stießen zwei 
Extrazüge zusammen. Drei Wagen 
sind zertrümmert. 16 Personen wurden 
theilweise schwer verletzt. 
Rujtztand. 
In Odeffa ist eine ganze Compagnie 
von 83 Mann wegen In su b ordi n ati o n 
bestraft worden. Sie haben ihrem Haupt 
mann den Gehorsam verweigert, weil dieser 
ihnen nicht die Löhnung ausbezahlt habe. 
53 Mann sind in die Strafbataillone ein 
gereiht, 28 zu Festungsstrafe verurtheilk 
und 2 freigesprochen worden. Der Haupt 
mann wird vor ein Kriegsgericht gestellt 
iverden. Er hatte in den Büchern falsche 
Vermerke über die Zahlungen gemacht, die 
gar nicht erfolgt waren. 
Schweiz. 
Bern, 28. Dec. Letzthin machte an der 
Berner Hochschule ein russisches Ehepaar 
zusammen das Doktor-Examen in der 
Philosophie. Mann und Frau wurden 
gleichzeitig geprüft. Wird das eine philo- 
sophische Ehe werden! 
Inland. 
— Das Weihnachtsfest beim Kai» 
Prpaar vollzog sich in dem hergebrachten 
Rahmen. Um 4 Uhr fand am Montag 
ein größeres Diner bei dem Kaiser und 
der Kaiserin statt. Hieran schloß sich die 
„Ich hielt cs nur für wahrscheinlich, und 
ich sehe, ich hatte recht." 
„Gewiß, da sie selber eine Künstlerin war 
und von meiner Verlobung mit Hugo wußte, 
empfand sie wohl eine gewisse Theilnahme 
für ihn." 
„Jetzt fühlte Gillwaldt ganz entschieden, 
daß er sich auf dem richtigen Pfade befand, 
war sich aber auch zugleich bewußt, daß er 
doppelt vorsichtig und behutsam vorgehen 
mußte. Daher fragte er nur wie beiläufig: 
„Sprachen Sie denn nie von Herrn von 
Foerster, dessen Porträt sic gemalt hatte?" 
„Ich glaube nicht, daß sic seinen Namen 
auch nur ein einziges Mal erwähnte. 
„Ließ sic auch nie durch Andeutungen oder 
direkte Aeußerungen vcrmnthen, daß sie ihn 
früher gekannt hatte?" beharrte Gillwaldt. 
„Nie," antwortete Cäcilie, durch diese 
Frage nicht wenig überrascht. 
„Sie haben mir ihren Namen noch nicht 
genannt." 
„Fräulein Emilie Orlowsky." 
„Ich fühle so großes Interesse für sie, daß 
ich gern etwas mehr von ihren künstlerischen 
Leistungen und auch von ihr selber sehen 
möchte," meinte Gillwaldt trocken. „Wo ist 
sie zu finden?" 
„Ihr Atelier ist auch im Künstlerheim, 
Hugos Atelier gerade gegenüber " 
„Was! In so unmittelbarer Nähe des Herrn 
von Markwaldt? Dann kennen also die 
beiden einander?" rief er, und es war ihm, 
als ob ein plötzlicher Lichstrahl das Dunkel 
dieses gchcimnißvollen Verbrechens durchzuckte. 
„Ja, sie sind Nachbarn und mit einander 
befreundet," erwiderte Cäcilie, durch das 
triumphierende Aufleuchten seiner Augen etwas 
bcfrenidct. 
„Wie lange ist er denn schon mit ihn 
bekannt, gnädiges Fräulein?" 
„Ich denke, seit etwa sechs Monaten." 
„Und seit wann kennen Sie die Dame?" 
„Nur erst seit unserer Rückkehr von Italien,. 
Meine Tante wünschte, daß dies Porträt 
gemalt werden sollte, und gab Hugo den 
Auftrag, es anfertigen zu lassen. Er über 
wies die Bestellung an Fräulein Orlowsky, 
und so wurden wir mit ihr bekannt." 
„Gab Ihnen denn diese junge Dame an 
dem Tage der Gesellschaft eine Unterrichts 
stunde?" 
„Nein, sie kommt immer nur Montags 
und Freitags. Tantes Geburtstag war am 
Dienstag. Aber weshalb fragen Sie mich 
danach? Sie können doch unmöglich -—?" 
und hier verstummte sie, denn jetzt wurde ihr 
die ganze Bedeutung seiner Fragen klar, und 
ihre eigene, unausgesprochene Frage war ihr 
selber beantwortet, ehe sie sie beendet hatte. 
„Allerlei Vermutungen tauchen in dem 
Gehirn eines alten Kriminalisten aus, wie 
ich es bin," antwortete Gillwaldt, „und man 
hat nun einmal die Pflicht, jeder, auch der 
unwahrscheinlichsten Spur zu folgen, die 
möglicherweise zur Entdeckung des Schuldigen 
mhren könnte. Sagen Sic mir, ist sic seit 
dem nächtlichen Ucberfall wieder hier im Hause 
gewesen?" 
^ „Nein, ich schrieb ihr sofort und theilte ihr 
nnt, daß ich zu leidend wäre, um vorläufig 
die Malstundcn fortsetzen zu können, und so 
ist sie seitdem nicht gekommen." 
„Aber sie schrieb Ihnen vielleicht?" 
„Ja," antwortete Cäcilie, „ich erhielt 
einen sehr theilnahmsvollcn und netten Brief 
von ihr." 
„Darf ich denselben vielleicht sehen? Tra- 
ä0) Der Detectiv. 
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich. 
Einige Secunden lang dachte Gillwaldt 
stumm nach. Je mehr er den Fall erwog 
und durchforschte, desto geheimnißvoller wurde 
derselbe. Unter der Voraussetzung von Hu 
gos Unschuld würde wohl ein Durchschnitts 
polizist die Dienstboten beargwohnt haben, 
aber Gillwaldt ragte über das gewöhnliche 
Mittelmaß hinaus und war fest überzeugt, 
daß kein gewöhnlicher Dienstbote bei dieser 
That die Hand im Spiele gehabt haben 
könnte. Ihm stand es außer allem Zweifel, 
daß dieselbe Persönlichkeit Karl von Foerster 
ermordet und den Schmuck seiner Tante ge 
stohlen hatte — diese für ihn zweifellose That 
sache verlor er auch nicht eine Secunde lang 
aus den Augen. 
„Wie viele Personen wußten davon, daß 
die Brillanten aus dem Gcldschrank heraus 
genommen waren?" fragte, er dann Cäcilie, 
in der Hoffnung, auf diese Weise ihr Gedächt 
niß hinsichtlich der Personen, die im Laufe 
des Tages im Hause angekommen und ge 
gangen waren, besser anzuregen. 
„Der Diener und ich selber waren zugegen, 
als Tante ihn hcrausnahni. Ihre Kammer 
jungfer half ihr dann denselben anlegen, und 
natürlich mußten auch die andern Dienstboten 
davon gehört haben, daß sie den Schmuck 
an jenem Abend trug. Aber ich glaube nicht, 
daß irgend jemand im Hanse ihn gestohlen 
haben kann." 
„Wen beargwöhnen Sie denn?" fragte 
Gillwaldt scharf. 
„Niemand. Mir ist das Ganze ein un 
durchdringliches Geheimniß." 
„Ja, ein ebenso großes Geheimniß, wie 
die Ermordung des Herrn von Foerster," 
antwortete Gillwaldt. 
Während er dies sagte, erhob Cäcilie un 
willkürlich ihre Augen zu eincnl Oclgemälde, 
welches über dem Sopha hing. Gillwaldt 
folgte der Richtung ihres Blickes und sah 
das Porträt eines jungen Mannes mit 
blonden Haaren und blauen Augen. 
„Aber das ist ja Herr Karl van Foerster," 
sagte er dann nach einer Pause. 
„Kannten Sie ihn denn, Herr Gillwaldt?" 
„Nein, aber ich habe seine Photrgraphie 
gesehen." 
„Das Porträt ist auch erst nach seinem 
Tode nach einer Photographie gemalt." 
„Wirklich ?" meinte Gillwaldt, dem Gemälde 
gegenübertretend, uni es besser zu betrachten. 
„Aber vermuthlich hatte der Maler ihn früher 
persönlich gekannt?" 
„Nein," antwortete Cäcilie kurz. 
„Es ist doch wunderbar, daß ein so lebens 
wahres Porträt nach einer Photographie 
angefertigt werden konnte," bemerkte er nach 
denklich, denn, wie in den meisten Dingen 
bewandert, war er auch etwas kunstverständig. 
„Ja, das dachten wir auch alle." 
„Wirklich? Mir scheint es wie nach dem 
Leben gemalt," meinte er und starrte dabei 
Cäcilie, die jetzt an seine Seite getreten war, 
unverwandt an. 
„Ja, darin haben Sie recht." 
„Ein begabter Künstler," bemerkte er, denn 
jetzt empfand er einen, wenn auch noch un 
bestimmten Argwohn. 
„So begabt, daß meine Tante wünschte, 
ich sollte Stunden bei ihr nehmen," antwortete 
Cäcilie. 
Gillwaldt's Augenbrauen zuckten vor Span 
nung und ungeduldiger Erwartung, aber seine 
Stimme klang vollkommen ruhig und gleich 
gültig, als er wie in müssiger Neugier fragte: 
„Also eine Dame — und nahmen Sie denn 
diese Stunden, gnädiges Fräuleim?" 
„Ja, ich bin bereits seit mehreren Monaten 
ihre Schülerin." 
„Wo giebt sie denn die Stunden? fragte 
er, mit aller Macht bemüht, seine Stimme 
gleichgültig und thcilnahinlos klingen zu lassen, 
denn er wünschte nicht, daß das junge Mäd- 
chcn irgend etwas von der wachsenden Er 
regung bemerken sollte, mit der ihn das 
Auftauchen dieser Malerin erfüllte. 
„Sie komnit zweimal die Woche hierher", 
erwiderte Cäcilie, etwas verwundert, weshalb 
er so viel Interesse für Emilie Orlowsky 
zeigt--. 
„Zweimal die Woche", wiederholte Gill 
waldt. „Dann sind Sie also wohl sehr be 
freundet mit ihr geworden?" fügte er nach 
lässig hinzu. 
„Das doch kaum", erwiderte Cäcilie. 
„Aber doch gut bekannt — vertraut — 
rückhaltlos in Ihrer Unterhaltung?" 
„Sie hat mir viel aus ihrem eigenen Leben 
erzählt." 
„Und zur Erwiderung dessen erwartete sic 
natürlich, daß Sie ihr auch etwas aus Ihrem 
Leben erzählten?" 
„Das kann ich kaum sagen, sic schien vi.l- 
mehr alles, was mich betray bereits zu wissen." 
„Wie meinen Sie das?" 
„Sie ist von Natur klug und versteht zu 
beobachten und zu kombiniren." 
„Aber sie hat viel von Herrn von Mark 
wald gesprochen?" sagte Gillwaldt, jetzt etwas 
entschiedener auf sein Ziel losgchend. 
„Woher wissen Sie das?"
	        
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