Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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für Auswärtige, durch die P°,t bezogen 
2 ^ 25 
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Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Lieferung 
dieses Blattes vorbehalten. 
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werden dem Blatt „Der Landwirth" sowre da-s 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigcgeben. 
Georgen -Depeschen. 
Berlin, 19. Juli. Zur Erbauung eines 
Theaters großen Stils in der Gegend des 
hiesigen Zoologischen Gartens soll sich, dem 
Vernehmen nach, bereits eine Genossen 
schaft gebildet haben. Das Theater soll 
dem besseren Schauspiel und der Oper zu 
gleich gewidmet sein und Raum für 2000 
Sitzplätze bieten. 
Gotha, 19. Juli. In der großen 
Schweinezüchterei des Domänen- 
pachters Meyer in Friedrichswerth ist die 
Schweineseuche nnd Schweinepest 
ausgebrochen. 
Köln, 19. Juli. Eine der „Staatsb. 
Ztg." entnommene Notiz, wonach man in 
Xanten erzähle, die Verhandlungen in der 
Buschoff-Affäre seien wieder aufgenommen, 
macht auch durch die hiesigen Blätter die 
Runde. Der Hierselbst wohnhafte Buschoff 
versichert, ihm sei von einer neuen Ver 
handlung nichts bekannt. Daß man auch 
heute noch nach dem wahren Thäter forsche, 
wundere ihn nicht, da s. Zt. der Clever 
Staatsanwalt zu ihm geäußert, er werde 
nicht eher ruhen, bis Licht in die traurige 
Angelegenheit gebracht sei. 
Göppingen, 18. Juli. In Kleineislin- 
gen brach in voriger Nacht in der Schmiede- 
Werkstatt von Skitter's Maschinenfabrik ein 
Feuer aus, welches das ganze Gebäude bis 
aus die Umfassungsmauern einäscherte. Der 
Schaden ist beträchtlich. Es wird Brand- 
ffiftung vermuthet. 
. Norden, 19. Juli. Hier macht der 
Konkurs des in Haft genommenen 
Rechnungsstellcrs B. H. Müller großes 
Aufsehen. Derselbe bekleidete mehrere gut 
bezahlte Aeniter, u. a. war er Rendant 
der Norder Fehn-Gesellschaft, Rendant der 
Norder großen Sielacht u. s. w. Man 
spricht von großen Untersch lagungen 
von Mündelgeldern, welche ihm an- 
vertraut waren, und sonstigen Geldern, 
welche er für andere aus Hypotheken an- 
legen sollte. Sehr viele kleine Geschäfts- 
leute seien durch Müller geschädigt, Roch 
in den letzten Tagen habe er verschiedene 
seiner Mitbürger durch Unterschreibungen 
von Wechseln geprellt. 
Braunschweig, 19. Juli. Da der 
partielle Bierboykott erfolglos ge 
blieben ist, wurde in einer gestern Abend 
abgehaltenen sozialdemokratischen Versamm- 
lung der Beschluß gefaßt, den Boykott auf 
alle hiesigen Bierbrauereien aus 
zudehnen und ihn am Sonnabend in 
Kraft treten zu lassen. 
Wien, 19. Juli Ueber das am 10. d.l 
in Konstantinopel stattgefundene Erdbeben 
bericktet der Correspondent der militärischen 
„Reichswehr" aus Konstantinopel: Die 
am meisten beschädigten militärischen Ge- 
bäude sind: die Geschützgießerei und Pa 
tronenfabrik von Zeitin Burnu, das Seras- 
keriat (Kriegsministerium) und einige Ka 
sernen. An Todten hat die hiesige Garni- 
son, nach den bisher bekannten Mittheilun- 
gen, 20 Mann, an mehr oder weniger 
schwer Verwundeten ca. 100 Mann. Unter 
den Verunglückten ist ein Wachposten bei 
der Feuerwehrkaserne hervorzuheben, der 
auf seinem Posten pflichtgetreu ausharrte 
und durch das Herabfallen eines Stückes 
der Facade auf der Stelle getödtet wurde. 
Das historische Haus „Schneider" in San 
Stefano, in welchem 1878 der Friedens 
schluß zwischen den Russen und Türken 
unterzeichnet worden ist, ist durch das 
Erdbeben zerstört worden. 
Wien, 19. Juli. Der seit drei Tagen 
hier weilende Gras Catalani hat von 
Crispi den Befehl erhalten, auf seinen 
Posten nach Konstantinopel abzureisen. Da 
der Sultan bekanntlich der Wahl Catalani's 
zum Botschafter nicht sympathisch gegen 
übersteht, befürchten hiesige diplomatische 
Kreise einen Konflikt und halten es für 
möglich, daß der Sultan den lürkischen 
Botschafter vom Quirinal abberufen werde. 
Lüttich, 18. Juli. In dem Nachbar 
orte Hermalle sand heute Morgen ein 
Dynamitattentat statt. Vor dem 
Hause des Bürgermeisters Francotte war 
eine Bombe niedergelegt worden, welche 
explodirte und den Balken, die Hausthür 
soivie sämmtliche Fenster des Hauses zer 
störte. Der Bürgermeister war allein zu 
Hause; seine Familie befand sich auf einem 
nahe belegenen Schlosse. Ueber wie Mo 
tive des Attentats, dessen Urheber die 
Polizei bereits auf der Spur zu sein 
glaubt, ist nichts bekannt. 
Brüssel, 19. Juli. Die Polizei glaubt 
die Spur des Bankdiebes gefunden zu 
haben, welcher kürzlich in einem hiesigen 
Bankgeschäft 183 000 Franken gestohlen 
hatte. Der Betreffende stamme aus Köln 
und soll den Namen Koch führen. 
Ncwyork, 19. Juli, In Virginien ließen 
die Ausständischen 200 Ladungen Gruben- 
pulver zur Explosion gelangen. Infolge 
derselben wurden 20 Neger getödtet, über 
100 verletzt. 
Ncwyork, 19. Juli. Debbs und alle 
übrigen Führer der Ausständischen sind 
wegen Verletzung der Arbeitsfreiheit oer 
hastet worden. 
Ncwyork, 19. Juli. Im Südwesten 
Mexikos fanden vorgestern starke Erdbeben 
statt. Viele Häuser stürzten ein. Zahl 
reiche Personen wurden verletzt. Die Zahl 
der um's Leben gekommenen Menschen ist 
noch unbekannt. 
Paco d'Anos (Portugal), 19. Juli. Sechs 
junge Mädchen, welche mit ihren Eltern 
die Badesaison hier verbringen sollten, 
ertranken, da sie sich zu weit ins Meer 
gewagt und nicht schwimmen konnten. Ehe 
man ihnen zu Hilfe kommen konnte, hatten 
sie bereits ihre Unvorsichtigkeit mit dem 
Leben gebüßt. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Csikago, 17. Juli. Die Pullman 
Gesellschaft macht bekannt, daß sie 
den Streitern eine Woche Frist geben will, 
um wieder an die Arbeit zurückzukehren 
Der Führer der Pullman'schen Ausständi 
gen, Heathcote, sprach sich gestern wie folgt 
aus: „Ich weiß nicht, was meine Leute 
thun werden, wenn sich morgen die Fabrik 
thüren öffnen. Es hat schwere Mühe ge 
kostet, die Leute bis jetzt zurückzuhalten. 
Der Gewerkverein der Eisenbahn - Ange 
stellten hat unseren Leuten nicht mit einem 
Dollar ausgeholfen." Der Vorsitzende des 
Gewerkvereins der Eisenbahn-Angestellten, 
Debs, äußerte sich folgendermaßen: „Wenn 
die Pullman'schen Arbeiter wieder in ihr 
Sklavenjoch steigen, so beweist das nur, 
daß die Methoden der Pullman'schen Ge 
sellschaft sie entmannt haben. Das küm 
mert uns aber wenig. In dem allgemeinen 
Ausstand bedeutet die Pullman'sche Frage 
sehr wenig." 
Hazleton (Pennsylvanien), 17. Juli. 
Inmitten einer Gruppe Bergarbeiter explo 
dirte eine große Menge Minenpulvcr. 
Acht Arbeiter wurden getödtet, 150 Neger 
wurden schwer oder weniger schwer verletzt. 
Wie der „Voss. Ztg." aus Marokko 
vom 13. Juli telegraphirt wird, wurde 
eine Anzahl hoher maurischer Würden- 
träger am Sherisianischen Hofe, darunter 
der frühere Großvezir und der Kriegs 
minister, verhaftet, in Folge der Entdeckung 
eines Complotts, den Sultan abzu- 
etzeu oder zu ermorden. 
JtaUe«. 
Rom, 18. Juli. Die von der „Köln. 
Ztg." verleitete Nachricht über den Schwäche- 
zustand des Papstes sind völlig gründ 
los. Der Papst nährt sich keineswegs 
nur noch von Bouillon, sondern genießt 
täglich Fleisch. Ein römischer Marchese, 
ein hervorragendes Mitglied des päpstlichen 
Patriziats, der heute früh annähernd eine 
Stunde bei dem Papst weilte, erzählte dem 
Korrespondenten des „Berl. Tgbl.", daß 
der Papst während der ganzen Audienz 
unermüdlich, ja mit raschen Schritten 
auf und ab ging. Das Allgemeinbefin- 
den Sr. Heiligkeit ist in jeder Hinsicht be 
friedigend. — Nun hat wieder die „Köln. 
Ztg." das Wort. 
Aus Rom geht dem „B. T." die Mel 
dung zu: Auf Grund des Anarchisten 
gesetzes wurden zwei sozialistische Redakteure 
aus Rom ausgewiesen. 
Rom, 17. Juli. Aus Florenz, Lucca 
und anderen Städten beginnt bereits der 
Exodus der Anarchisten, die sich, um 
dem Ausnahmegesetze und dem Zwangs 
domizil zu entgehen, nach Brasilien ein 
schiffen. Von dem Ausnahmegesetz können 
übrigens mehrere Tausend Individuen be 
troffen werden, von denen auch schon eine 
Liste im Ministerium aufgestellt ist. 
Man meldet aus Novcnta bei Vicenza, 
daß am Freitag der Thierhändiger Bauer 
aus Weilheim in Württemberg von seinem 
Elephanten getödtet worden sei. Bauer 
bezog mit seinem „Joli" die Messen und 
Märkte, wo das riesenhafte, gut dressirte 
Thier stets zahlreiche Zuschauer anzog. Am 
Freitag früh 6 Uhr, als sich Bauer um 
den Elephanten zu schaffen machte, wurde 
das Thier plötzlich wild, drang auf seinen 
Herrn einund zerstieß und zertrat den Unglück 
lichen. Auf die Hülferufe Bauer's eilten 
rasch viele Leute herbei; nicht einmal die 
Gehülfen Bauer's wagten sich dem Ele- 
phanten zu nähern, der stets nur der 
Stimme seines Herrn gehorcht hatte. Da 
das rasende Thier sich durchaus nicht be 
ruhigen wollte, so telegraphirte der Sindaco 
von Noventa um Rath nach Vicenza. 
Man empfahl ihm, den Elephanten mit 
Strychnin zu vergiften. Das Gist war 
rasch herbeigeschafft. Man mischte es unter 
die Nahrung des Elephanten, der es arg 
los fraß und nach 2 Stunden verendete. 
Ararrkrerctz. 
In Montpellier wurde der russische 
Student Margulis verhaftet, weil er 
öffentlich anarchistsche Ideen ver 
focht. Derselbe stand im Begriff ausge 
wiesen zu werden. — In Villeneuve bei 
Avignon verhaftete diePolizei den italienischen 
Schuster und Anarchisten Vignola und 
fand anarchistische Schriften. — In Beziers 
wurde ein Soldat des 81. Regiments ver 
haftet, weil er „Vivo l'anarellie!" ge 
schrien hatte. Aus Furcht vor Strafe er- 
hängte er sich im Gefängnisse. 
Belgien. 
Im Nonnenkloster Melsbroek bei Brüssel 
wurde eine Frauenleiche im Keller ge 
funden. Ein Arbeiter, der verdächtig ist, 
die Nonne ermordet zu haben, wurde ver 
haftet. 
Rußland. 
Petersburg, 17. Juli. Die Cholera 
nimmt schreckenerregend zu. Die russische 
Presse ist sehr ungehalten über die mangel 
haften, durchaus ungenügenden Maßnahmen 
zur Bekämpfung der Seuche. Die „Nowoje 
Wremja" sagt, noch wenige Tage, und wir 
haben hier dieselben Zustände wie 1892 
in Hamburg. Der allgemeine Wunsch 
ist, Stadthauptmann von Wahl und dessen 
Chefarzt Batalin möchte die Leitung der 
sanitären Maßregeln der unschlüssigen bis 
herigen Leitung durch die städtischen Medi- 
zinalkommisston entziehen nnd selbst in die 
Hand nehmen, wodurch eine größere Ein 
heitlichkeit und energischere Durchführung 
der für gut befundenen Anordnungen ge 
währleistet sein würde. Im Lager von 
Krasnoje Selo ist die Seuche gleichfalls 
seit mehreren Tagen sehr heftig ausge- 
krochen. 
Eine seltene Teniperenzgesellschaft existirt 
in Sibirien, und zwar in Ashlika. All 
jährlich im September kommt die Ge 
meinde in der Kirche zusammen und jeder 
schwört, „von morgen ab" ein ganzes Jahr 
lang keinen Wein und keinen Schnaps zu 
trinken. Darauf geht ein Zechgelage an, 
nach welchem weder Mann noch Weib auf 
den Füßen stehen kaun und viele Tage lang 
besinnungslos liegen bleiben, um dann auf 
ein ganzes Jahr Muster des Fleißes und 
der Nüchternheit zu werden. 
Ein einziger Klub in Kischnicw verschrieb' 
zu Anfang dieses Jahres 4400 Karten 
spiele; im Mai war der Vorrath bereits 
ausgegangen, sodaß sich der Klub zur Ver 
schreibung tveiterer 5828 Spiele genöthigt 
sah. Das ist Spielwuth in Rußland. 
Oesterreich. 
Wien, 18. Juli. Professor Hyrtl 
hinterließ ein Vermögen von 300 000 
Gulden. Universalerbe ist das Perchtols- 
dorfer Waisenhaus. Die Wittwe bezieht 
den Zinsgenuß bis zu ihrem Ableben. 
12) 
Man sagt. 
Roman von E. von Wald-Zedtwitz. 
Frau von Römhild sprach von den. All 
täglichsten. — Sie mußte einen Kutscher nnd 
einen Stalljungen haben, denn ihre Pferde 
sollten nun auch bald eintreffen. Der Stall 
bedurfte noch einige Veränderungen. Bertha 
hatte Herrn von Maurer richtig beurtheilt, 
diese Gespräche beruhigten allmählig ferne auf 
geregten Nerven. ... . , 
„Hühner nnd Tauben will ich mir gl«ch- 
şalls anschaffen." 
„Ich besorge Ihnen Beides." _ 
„Gute Eierleger und gleichzeitig sur den 
Kochtopf geeignet." 
„Ha, ha — ha." Lorenz lachte unge 
zwungen. „Welche erstaunliche Praxis." 
„Dann will ich die Quelle, welche an der 
obersten Terrasse entspringt, geschmackvoll fassen 
lassen." 
„Ich werde Ihnen einen stylvollcn Ent 
Wurf zeichnen.'' 
„Wie gütig Sie immer sind, Lorenz! Wenn 
lch Ihnen nur einmal eine Gefälligkeit er 
weisen könnte." 
„Das können Sie, theure Freundin — 
ich kam ja — es fällt mir jetzt ein — mit 
finer Bitte auf dem Herzen zu Ihnen." 
„Und so lange verschwiegen Sic dieselbe, 
daß Sie Gefahr liefen, dieselbe unausgesprochen 
Wieder mit nach Hause zu nehmen?" 
„Sie entsinnen sich der neulichen Begeg 
nung mit dem jungen, angenehmen Mann 
oben in der Laube." 
Bertha hatte sich tiefer in die Kissen ihres 
Kanapees zurückgelehnt, die Lampe stand hinter 
ihr, so daß ihr Gesicht im Schatten lag und 
Herr von Maurer die Veränderung, welche 
sich aus demselben vollzog, so nicht bemerkte. 
„Natürlich," antwortete sie endlich. 
„Nun, dieserHerr Könighofen" ■— Bertha's 
Wangen färbten sich bei Nennung dieses 
Namens um einen Grad höher — „war bei 
mir, vertraute mir an, daß er sich der Bühne 
widmen wolle und bat mich um meine Für 
sprache bei Seiner Durchlaucht, daß er seinen 
Eintritt als Eleve bei der fürstlichen Truppe 
verfüge." 
„So — so —. Also Künstlcrblut steckt 
in ihm?" 
„Darum handelt es sich eben, dieses fest 
zustellen, vcrehrteste Freundin, denn ein talent 
loser Künstler ist ja das beklagenswertheste 
Geschöpf der Welt." 
„Da haben Sie Recht, nun errathe ich 
Ihren Wunsch: Ich den jungen Mann 
prüfen und davon —•" 
„Soll die Entscheidung abhängen, ob ich 
ihn Seiner Durchlaucht empfehle oder nicht. 
So ist es, meine Gnädigste." 
Bertha schwieg, dann erhob sie sich, ging 
einige Male im Zimmer auf und ab, und 
Herr von Maurer glaubte eine Erregung an 
ihr zu bemerken, welche ihn einigermaßen 
befremdete. Jetzt blieb sie vor ihm stehen. 
Merkwürdig. Wir schwören, der Freund 
schaft alle Opfer bringen zu wollen, der 
Freund spricht endlich emmal eme Btt e aus 
5. und dann, lächerlich dann ist man 
in Versuchung, zu antworten: „Alles Andere 
will ich unbedingt erfüllen - aber gerade 
diese Bitte — —•" . ™ ... 
„Sie wollen ihn also nicht einer Prüfung 
unterziehen?" ,, „ . 
„Eigentlich möchte ich's nicht thun. Das 
Schicksal des jungen Menschen wäre sonnt 
in meine Hand gegeben — ich kann mich 
täuschen — entweder ein zu günstiges, oder 
zu ungünstiges Urtheil füllen. In ersterem 
Falle erwecke ich Hoffnungen in ihm, die sich 
nachher nicht erfüllen, im anderen ersticke ich 
ein aufstrebcndcs Talent im Keimen — m 
beiden aber — würde ich ihn unglücklich 
machen." 
Frau von Römhilds Erregung stieg bei 
jenem Worte. 
„Ich glaube, Sie fassen die ganze Ange 
legenheit zu tragisch auf, beste Frau." 
„Wo es sich um ein ganzes Leben handelt, 
kann man in seiner Auffassung nicht tragisch 
genug sein! — Aber — ich werde mit mir 
zu Rathe gehen, sagen Sie ihrem Schützling 
noch nichts, ich werde Sie meinen Entschluß 
wissen lassen." 
Herr von Maurer mckte zustimmend, ging 
dann gesprächsweise auf etwas Anderes über 
und erhob sich, als vom Thurme der Stadt 
kirche die zehnte Stunde des Abends hcrüber- 
ttm jģ hatte geschneit, der Mondschein lag 
versilbernd auf der weißen Schnceflnchc, beide 
hatten sich vereint, um die Berge, den Schloß 
park, das ganze Thal in ein winterliches 
Paradies zu verwandeln. 
Herr von Maurer verließ das trauliche 
Heim seiner Freundin und wanderte langsam 
den beschneiten Pfad entlang. Ihm war es, 
als käme er von der Bestattung eines theuren 
Todten zurück, und sich umwendend, fandtc 
er einen langen, sehnsüchtigen Blick nach den 
hell erleuchteten Fenstern des Landhauses, wo 
er heute sein Lebensglück, seine Hoffnungen 
für diese Welt begraben hatte. 
Stand da nicht Bertha am Fenster und 
schaute ihm nach? Gewiß, diese dunkle Gestalt, 
welche sich von dem lichten Hintergrund abhob 
konnte nur die ihrige sein. Sic hatte fester 
Hand sein Glück eingesargt und dm Deckel 
darüber geschlossen, damit er niemals wieder 
gelüftet würde. Ohne Besinnen hatte sie es 
gethan, ohne bitteren Schmerz, ohne Erregung, 
nur eine sanfte Wehmuth hatte durch ihre 
Stimme gezittert und in ihren Augen gelegen 
lind sie wußte doch, daß es sein Lebens 
glück war, was sie begrub! Sie wußte, daß 
man damit nicht leichtfertig umgehen dürfe, 
das hatte sic ja bewiesen, als er sie bat, 
über Heinz Königshofen ihr künstlerisches 
Urtheil zu fällen. Warum auf der einen 
Seite so schnell in der Entscheidung, auf der 
anderen so zaghaft? Kam cs bei einem alten 
Leben, wie dem seinen nicht mehr so genau 
darauf an? — In Lorenz von Mäurer 
wallte es bitter auf, warum war er auch 
schon dem größten Menschenfeinde, dem un- 
erbittlichen Alter, verfallen? 
Aber es war nun einmal nicht zu ändern, 
und unzufrieden mit sich selbst, daß jetzt in 
seiner sonst so unparteiischen Brust ein ge 
wisses Gefühl der Abneigung gegen jenen 
unschuldigen jungen Menschen aufstieg, schritt 
er seiner Wohnung zu. 
„Ha — ha. Aber Mann Gottes, hören 
und sehen Sie denn gar nicht mehr? Sie 
stoßen mich ja beinahe um!" — Es war 
der Flügeladjutant des Fürsten, der an der 
Straßenecke beinahe mit ihm zusammenrannte 
und in diesen Ausruf ausbrach. 
„Ah — entschuldigen Sie — ich war so 
in Gedanken vertieft." 
„Ja, wie jetzt immer. Donnerwetter, 
Excellcnzchcn, seit acht Tagen ist der Stamm 
platz bei Schunk leer — uns Anderen schmeckt 
der Wein nickst mehr, und Sie sind daran 
schuld, daß uns, da uns Ihre liebenswürdige 
Unterhaltung und Ihr gutes Gesicht fehlt, der 
Aldcgunder nicht mehr wie sonst munden will!" 
„Aber, Verehrtester, das Gesundeste, was 
man trinken kann!" 
„Aber nur, wenn ihn uns der gute Hof- 
marschall versüßt. — Ich mache Ihnen einen 
Vorschlag, versuchen wir's jetzt noch einmal 
zusammen." 
„Jetzt?" 
„Ei, das klingt ja, als wenn Höchstdero 
Stimme aus dem Grabe käme." 
Herr von Mäurer konnte nach dem, was 
er heute erlebt hatte, doch noch nicht schlafen, 
und so ging er denn auf den Vorschlag des 
Flügeladjutantcn ein. 
„Recht so, was ein guter Hofstaat ist, 
muß sich ein wenig feucht halten, dann bleibt 
er jung und fröhlichen Herzens und verfällt 
vor lauter Langeweile und Uebermuth auf 
keine Kabalen," rief der Flügeladjutant, gut 
gelaunt wie immer, nahm den Arm des Hof 
marschalls und führte ihn dm bekannten Weg 
zu Schunk, wo beide Herren mit Jubel von 
der dort noch versammelten Gesellschaft cm- 
pfangen wurden. 
Die Schunk'sche Weinstube gehörte zu den 
gemüthlichsten Aufenthaltsorten der Residenz, 
wo sich die Hofherren, ältere Offiziere, 
höhere Civilbeamte und die ersten Künstler 
regelmäßig zu versammeln pflegten, und wo 
Herr Schunk, der joviale, gesellige Wirth, 
nach besten Kräften für gute Speisen nnd 
Getränke sorgte. 
So sehr sich auch Herr von Mäurer be 
mühte, seine alte heitere Stimmung wieder 
zu erlangen, so wollte cs ihm doch nicht ge 
lingen. Man rieth hin und her, wie es nur 
eigentlich zugehe.
	        
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