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-5* 87ster Jahrgang. <=s-
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Mo. 295.
Montag, den 17 December
1894.
Morgen-Depeschen.
Berlin, 16. Dec. Die „Berl. Corr.
schreibt: Hiesige und auswärtige Blätter
verbreiten die Nachricht, der Kaiser wies
dem Reichskanzler zum Ersatz seines
Verlustes, den er durch seine Berufung
nach Berlin in seinen Bezügen erlitt, eine
Entschädigung von 100,000 Mk. aus dem
allerhöchsten Dispositionsfonds an.
Diese Nachricht ist nur in soweit richtig,
als Se. Majestät diese Absicht kundgegeben
hat. Der Reichskanzler hat aber gebeten,
von diesem Gnadenbeweis Abstand zu
nehmen.
Berlin, 16. Dec. In dem Wucherpro
zesse Treuherz und Genossen wurde heute
das Urtheil gefällt. Treuherz erhielt drei
Jabre Gefängniß, 4500 Mark Geldstrafe
und fünf Jahre Ehrverlust, Spiegel zwei
Jahre Gefängniß, 3000 Mark Geldstrafe
und drei Jahre Ehrverlust, Bruck ein Jahr
Gefängniß, 900 Mark Geldstrafe und zwei
Jahre Ehrverlust, Winter zwei Monate
und Aufrichtig vierzehn Tage Gefängniß.
Wien, 16. Dec. In voriger Nacht
wurde in den Geschäftsräumen der Firma
Heinrich Klinger von unbekannten In
dividuen der Versuch gemacht, den eisernen
Geldschrank, in welchem 180,000 Gulden
in Werthpapieren aufbewahrt waren, zu
erbrecken. Der Versuch mißlang jedoch,
da der Schrank durch inehrere Panzer-
platten geschützt war.
Petersburg, 16. Dec. Am Namenstage
des Kaisers Nikolaus soll ein Ukas er
scheinen, welcher den Generalgouverueur
Gurko seines Postens enthebt und an seine
Stelle den Botsckafter Grafen Schuwalow
fetzt. Der gegenwärtige russische Botschafter
IN Konstantinopel Nelidow soll zum Bot
schafter in Rom ausersehen sein. Es ist
noch unbekannt, ob M u r a w i e f f oder
L o b a n o w zuni Botschafter in Berlin
designirt ist.
Petersburg, 16. Dec. Der Petersburger
Korrespondent der „Köln. Ztg." versichert,
daß der Zar Nikolaus allem Anscheine
nach in den höheren militärischen Stellungen
noch keine Veränderungen vornehmen
werde. Auffallend sei die wohlwollende
Haltung des Zaren gegenüber dem Groß
fürsten Nikolajewitsch, der sich von Seiten
des verstorbenen Zaren gerade keines be-
deutenden Wohlwollens zu erfreuen hatte.
Gegenüber den übertriebenen Behauptungen
über den neuen russischen Kurs versichert
ein guter Kenner der russischen Hofver
hältnisse, daß der Zar zwar gute Be
ziehungen zum deutschen Nachbar sehr hoch
schätze, aber an der für Rußland vortheil-
haften Stellung Frankreich gegenüber nichts
ändern werde.
Rom, 16. Dec. Infolge der Veröffent
lichung der Dokumente Giolitti's
erhob Crispi heute bei dem Untersuchungs
richter gegen die Deputirten Giolitti und
Mazzino sowie gegen Martuscelli, der die
Haussuchung bei der Banka Romana vor-
nahm, Anklage wegen Verläumdunq und
Fälschung.
Rom, 16. Dec. Die Abendblätter sagen,
die Dokumente Giolitti's enthalten mit
wenigen Ausnahmen nichts, was nicht be
reits durch den Bericht der palamentari-
schen Enquetekommission over die Akten des
Banca Romanaprozesses veröffentlicht wor
den sei. Der Versuch der Anschwärzung
Crispi's sei evident, wie auch durch die
künstliche und arglistige Art der Classi-
sizirung der Dokumente dargelegt sei.
Deutscher Reichstag.
7. Sitzung.
Berlin, l5. December
Das Haus tritt ein in den Bericht der
Geschäftsordnungs-Commission über das
Schreiben des Reichskanzlers, betreffend die Frage
der strafrechtlichen Verfolgung des Abgeordneten
Liebknecht wegen Majestätsbeleidigung.
Die Commission schlägt vor, die Genehmigung
nicht zu ertheilen. Hierzu liegt fein Antrag des
Abg. Adt (nat-lib.) vor, baldmöglichst eine
Aenderung der Geschäftsordnung in dem Sinne
einer angemessenen Verstärkung der Diziplinar-
gewalt des Reichstages und des Präsidenten
auszuarbeiten
Abg. Dr. Pieschel (uat.-lib.) berichtet als
Referent über die Verhandlung in der Geschästs-
ordnungskommission. Der Antrag des Staats
anwalts sei mit 9 gegen 4 Stimmen abaelehnt
worden und zwar ausdrücklich unter Berufung
auf Artikel 27 und 90 der Reichsverfassnng. Der
Antrag auf Verstärkung der Disciplinargewalt
des Reichstages und des Präsidenten sei auch in
der Commission gestellt, aber zurückgezogen
worden.
Abg. Roeren (Centr) Meine Partei ver-
urtheilt den Vorgang vom 6. December auf das
Entschiedenste. (Beifall.) Es ist aber durchaus
geboten, diese persönliche Empfindung bei der
Beschlußfassung im vorliegenden Falle zurück
zustellen und nicht Beschlüsse zu fassen, die für
die ganze constitutionelle Freiheit des Reichstages
und der Abgeordneten sehr verhängnißvoll sein
muß. (Beifall.) Wir müssen annehmen, daß der
Antrag das Werk des obersten Chefs, des Justiz-
ministers selbst ist: oas giebt dem Antrag seine
Bedeutung. Ausschlaggebend ist der Artikel 30,
der Antrag abgelehnt werden muß. Alle
bedeutenden Rechtsgelehrten verstehen nun unter
Aeußerungen nicht nur mündliche Aeußerungen
andern auch concludente Handlungen- also fällt
auch das Sitzenbleiben unter diese^ Aeußerungen
abgesehen davon, daß es noch streitig ist, ob ein
solches Sitzenbleiben eine Majestätsbeleidigung ist.
Der Sinn des Artikels 30 ist doch, den Abg in
Ausübung ihres Berufs volle Freiheit ' und
Sicherheit zu gewährleisten. Eine andere Frage
ist, ob wir nicht aus uns selbst heraus Mittel
und Wege finden, Ungehörigkeiten zu verhindern.
Aber wir dürfen niemals das Recht, Selbst-
diziplin hier im Hause zu üben, aufgeben. Wir
haben jetzt einen Versuch unsere Freiheit zu
beschränken, in einer Weise zurückzuweisen, daß
er nicht zum zweiten Male wiederholt wird.
Nehmen wir ihn an, so schaffen wir einen ganz
unhaltbaren Zustaud. Dann kann nach jeder
Sitzung ein Staatsanwalt oder sonst ein Organ
der Polizei sich hinsetzen, die Verhandlungen
durchlesen und wegen irgend einer ihm strafbar
erscheinenden Aeußerung Strafantrag erheben.
Die Resolution anzunehmen kann ich nicht em
pfehlen. Wenn meine Partei dennoch dafür
stimmen sollte, so verwahrt sie sich von vorne-
herein dagegen, daß sie es thut aus Anlaß des
staatsanwaltschaftlichen Antrages. Meiner Ansicht
nach würde es am besten sein, in dieser Ver
bindung nicht für die Resolution zu stimmen,
wenn ich auch eine Stärkung der Disciplinargewalt
für wünschenswerth halte.
Reichskanzler F ü r ft Hohenlohe: Dem Vor
redner bemerke ich auf meine Aeußerung, daß
nach Anr.ahine des Antrages jede Aeußerung im
Reichstage von irgend einem Staatsanwalt straf
rechtlich verfolgt werden könne, daß es sich hier
doch gar nicht um eine Aeußerung handelt, sondern
um eine Handlung. Die Sache liegt hier nun
folgendermaßen: Ein Theil der Sozialdemokraten
hat sich geweigert, aufzustehen und sich an dem
Hoch aus den Kaiser zu betheiligen. Diese
Demonstration hat die monarchischen Gefühle des
Reichstages verletzt. Gegenüber der allgemein
sich geltend machenden Entrüstung des Reichstages
war der Präsident, wie er selbst' erklärte, nicht in
der Lage, Abhülfe zu schaffen, es blieb also nichts
dnderes übrig, als die Hülfe des Gerichts in
Anspruch zu nehmen. (Gelächter links.) Der
Reichstag ist nun in die Lage versetzt, zu ent
scheiden, ob er die Verletzung seiner monarchischen
Gefühle ahnden will. Wie nian mir gesagt hat,
ist denSoziaidemokraten vorher mitg> theilt worden,
daß ein Hoch auf de» Kaiser ausgebracht werden
würde. jTrotzdeii, blieben die Sozialdemokraten
sitzen. Das ist doch eine absichtliche Verletzung
der monarchischen Gefühle des Reichstages. Nun
hat allerdings der Abg. Liebknecht gesagt, er sei
durch das Hoch überrascht worden und habe nicht
gewußt, daß ein solches hätte ausgebracht werden
sollen. Darum sei es keine beabsichtigte Demon
stration. Diese Worte des Abgeordneten will ich
nicht in Zweifel ziehen, aber ich möchte fragen,
warum denn der Abg. Singer mit einer solchen
Gehässigkeit das Sitzenbleiben motivirt hat? Wie
gesagt, der Reichstag ist jetzt in der Lage, sein
Urtheil abzugeben.
Abg. Graf Mirbach lcons.): Bei meiner Par
tei war gar kein Zweifel, daß wir dem Staats-
anwalt nicht die Genehmigung versagen könnten,
ferner, daß der Reichstag gar nicht zu prüfen
habe, ob der Thatbestand der Handlung des Herrn
Liebknecht zu einer Verurtheilung durch das Ge
richt führen würde. Aber die Praxis meiner
politischen Freunde geht stets dahin, daß, wenn
eme Majestätsbeleidigung in Frage steht, wir
das Verfahren nicht aufhalten wollen Wir
handeln also nur konsequent, wenn wir auch im
vorliegenden Falle bitten, die Genehmigung zur
Strafverfolgung zu ertheile». Die Sozialdemo
kraten treten im vorliegenden Falle aus dem
Rahmen der Staatsordnung heraus und zu
welchen Consequenzen das führen muß, ist klar
Der Resolution Adt können wir unsere Zustim-
mung nicht versagen, da auch wir eine Ver
stärkung der Disciplinargewalt für nothwendig
halten. Ich und meine Freunde fordern, wie
jeder, volle lknabhüngigkeit in unserer parla
mentarischen Thätigkeit. 'Wir verlangen, daß uns
gegenüber die Linie, die uns die Verfassung zieht,
vollkommen respektirt wird. Das legt uns aber
auch eine nobile officium gegenüber dem Sou
verän auf und wir werden in jedem Falle, wo
es sich um eine Ehrverletzung gegenüber dem
Fürsten handelt, unsere Zustimmung zur Ver
folgung ertheilen. (Beifall rechts.!
Abg. Singer: Der letzte Satz des Vorredners
beweist, daß Sie in dieser Richtung einen Ver
fassungsbruch für erlaubt halten. (Lärm rechts.)
Es handelt sich hier nicht um den Schutz eines
einzelnen Mitgliedes, sondern um den Schutz
der Verfassung. Die Consequenz der Auffassung
des Reichskanzlers über den Vorfall wäre, daß
er einen Gensdarm hierher kommen ließe, der in
allen Fällen, wo der Präsident auf Grund seiner
Disziplinargewalt dazu nicht im Stande ist, die
Ordnung im Reichstag zu überwachen hätte.
Offenbar soll dieser Anlaß benutzt werden, um
eine Haupt- und Staatsaction daraus zu machen
und sie politisch zu fructificiren. Auch Mitglieder
der ultramontanen Partei sind schon bei'Hochs
auf den Monarchen sitzen geblieben, so der Abg.
Ruland im bayrischen Landtage. Daher meine
ich doch, daß die Art, wie die Herren von der
Rechten des Hauses den Vorfall ausnutzen wollen,
geradezu beispiellos ist. Die Frage bekommt ja
noch durch die Darstellung der offiziösen Presse,
der „Nordd. Allg. Ztg." und der „Berliner Corre-
spondenz" ihre besondere Färbung.
Der Redner bekämpft schließlich auch die Re
solution Adt als einen Verfassungsbruch.
Minister v. Koeller führt aus, der Art. 30
müsse doch irgendwelchen Zweck haben. Er be
stimme, daß zur Verfolgung eines Abgeordneten
die Genehmigung des Reichstages erforderlich
sei, also setze er doch voraus, daß Abgeordnete
strafbar werden könnten. Die Regierung habe
garnicht gebeten, daß der Reichstag die Genehmi
gung ertheile. Lehne er den Antrag ab, na,
nun dann nicht! (Heiterkeit.) Ein Angriff in
die Immunität des Reichstages liege der Re
gierung fern, aber es sei doch streitig, wo die
Immunität beginne. (Lärm.) Doch nicht jede
strafbare im Reichstage begangene Handlung falle
unter die Immunität; die Grenze der Immunität
festzustellen, bezwecke der Antrag. Ob eine straf
bare Handlung vorliege, entscheide nicht die Re
gierung, sondern der Richte. Am Reichstage sei
es jetzt, zu entscheiden, ob eine Verfolgung so
fort eintreten solle.
Abg. Gamp <D. Reichsp.). tritt für die Ge
nehmigung ein, denn es bestehe kein Gesetz, das
Abgeordnete dem ordentlichen Gerichte entziehe.
Abg. v. Bennigsen erklärt, seine Freunde
würden dem Commissionsantragc zustimmen, sie
hätten gleichzeitig die Resolution Adt einge
bracht. Periculum iu mora sei im vorliegenden
Falle nicht vorhanden. Nach der Auffassung der
bekanntesten Staatsrechtslehrer fielen unter die
Immunität nicht bloß mündliche Aeußerungen,
sondern auch Thaten. Es handle sich also dar
um, ob das Sitzenbleiben Liebknechts als eine
Kundgebung der Gesinnung im Sinne des Ar
tikels 30 aufzufassen sei. Da werde man nicht
bestreiten dürfen, wohl aber empfehle sich eine
Verstärkung der Disciplinarerzeugnisse des Präsi
denten.
Abg. Richter (freis. Vksp.) Wenn man uns
den parlamentarischenEinrichtungen anderer Länder
geben will, dann wollen wir uns die diszi
plinarische Gewalt gefallen lassen. Wie lange ist
es denn her, daß Mitglieder des Hauses vom
Regierungstische hei beleidigt wurden, ohne daß
der Präsident dagegen einschreiün konnte? (Sehr
richtig!) Wirschließen uns im klebrigen ganz
den Ausführungen des Abg. Roeren an Nach
dem Jnslebentreten der Berliner Korrespondenz
nehme ich an, daß die Nordd. Allg. Ztg und die
Köln. Ztg. aufgehört haben, offiziös' zu sein.
Redner betont in seinen weiteren Ausführungen
das Ungerechtfertigte und Unzulässige des staats
anwaltlichen Antrages.
Preuß. Justizminister Schönstedt: Nach
den vorliegenden Reichsgerichtsentscheidungen ist
auf Grund des vorliegenden Thatbestandes eine
gerichtliche Verurtheilung mög ich. Es war
unsere Pflicht, da die Befugnisse des Herrn
Präsidenten nicht ausreichen, den Versuch zu
machen, ob die nöthigen Mittel zum Einschreiten
gegen solches Auftreten anderweit gegeben sind.
Dieser Versuch ist gemacht, die Entscheidung
darüber steht bei Ihnen! (Beifall).
Abg. Cegielski (Pole) stimmt Namens
seiner Freunde für den Commissionsantrag.
Abg Rickert jfrs. Vgg.) vergleicht die Aus
führungen des preuß. Justizministers mit dem
Verhalten des Grafen Lippe, der auch die Lücke
in den geset lichen Bestimmungen entdeckt habe.
Warum verschwieg der Minister, daß er den
Staatsanwalt erst angewiesen, den vorliegenden
Antrag zu stellen?
Minister v. Kö ller wiedergelegt, die Autori
tät der Regierung betonend, die Ausführungen
der Abg. Rickert und Richter.
Jusiizm'nister Schönstedt: Fragen über
Interna der Verwaltung pflegen weder gestellt
noch beantwortet zu werden. (Sehr gut! rechts)
Eine Lücke im Gesetz habe ich nicht gefunden.
Abg. Liebermann von Sonnenberg
tAntis.): Meine Freunde werden für den
Commissionsantrag stimmen, ich dagegen stimme
dem Antrage des Staatsanwalts zu. Es handelt
sich hier nicht blos um eine Majestätsbeleidigung,
sondern um Beleidigung des Reichstages.
Abg. von Buchka (tons.) bestreitet, daß nach
der ganzen Eigenartigkeit des Falles eine Jm-
munitätsverletzung vorliege.
Abg. Roeren (Ctr.) erklärt, daß seine Partei
nach den Ausführungen des Abg. v. Bennigsen
keineBedenkentrage, derResolutionAdt zuzustimmen.
Abg. Bebel (Soz.) schließt sich dem Urtheil
des Abg. Richter an, daß das Auftreten der
neuen Regierung kaum unglücklicher hätte sein
können. Etwas Oberflächlicheres als die heutigen
Reden vom Bundesrathstische sei kaum je hier
vorgebracht worden. Der Justizminister wolle
sich auf das Materielle der Frage nicht einlassen.
Hätte er aber wohl dem Vorgehen gegen Liebknecht
zugestimmt, wenn er sich nicht Erfolg davon ver
spräche? Lasse das nicht einen Rückschluß auf
seine Stellung zur Sache zu? Der Minister
des Inn rn dagegen verweist auf eine Lücke der
41)
Der Detectiv.
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich
„^öffentlich wird sie in: Stande fein, eine
so genaue Beschreibung von ihm zu geben,
daß Sie ihn auf Grund desselben entdecken,"
rief sie eifrig, in der Hoffnung, daß sich das
dunkle Geheimniß auf diese einfachste Weise
aufklären würde.
„Hält die Dame des Nachts ihre Thür
gewöhnlich verschlossen?"
„Ich glaube nicht."
„Ich werde jetzt nach unten gehen, die
Kammerjungfer verhören und das ganze Haus
untersuchen. Denn ich muß noch ermitteln,
dev Dieb hereingelangle," bemerkte der
Krinunalbeamte und verließ mit seinem Be-
gle-ter das Zinmier.
Ķ°"fmerjungfer der Frau von Foerstcr
hattc sich inzwischen von ihrem Schrecken
über den Zustand jhrev Herrin und ihrcr
nachherigen Angst über das Fehlen des
Schmuckes völlig erholt und kam sich jetzt
als eine höchst wichtige und bedeutende Per
sönlichkeit vor. Während sie eben den übrigen
Dienstboten umständlich Bericht über die Er
lebnisse des Morgens erstattete, wurde sie von
der Haushälterin unterbrochen, die sie in ihr
Zimmcr holte, um sie dort durch den Krimi
nalbeamten verhören zu lassen. Sie begann
ihre umständliche Erzählung von neuem, wurde
aber häufig von dem Beamten unterbrochen,
sobald sic auf ihre Empfindungen und Ge
fühle einzugehen begann, und auf bloße That
lachen beschränkt.
Nachdem der Beamte gehört hatte, daß
°as Zimmer ganz so gelassen war, wie sic
^ gefunden, und die Stellung der Möbel,
Tische und Stühle auch nicht im geringsten
verändert worden war, begann die Unter
suchung des Hauses. Aus Erfahrung wußte
er, daß solche Einbrüche gewöhnlich nicht
durch die Hausthür, sondern entweder durch
die Souterrainfenster, oder durch den Küchcn-
cingang erfolgen, da der Weg über das Dach
und den Boden, der sonst häufig den Ein
brechern dient, bei einer einzeln stehenden
Billa nicht gangbar war.
Aber er fand die eisernen Gitter, welche
die sanitlichcn Souterrainfenster schützten, in
völlig unberührtem Zustande und hörte dann
auch, daß die Köchin um sieben Uhr morgens
erst die Thür, welche aus der Küche nach
draußen führte, ausgeschlossen und aufgeriegelt
und dabei alles an derselben unberührt gefunden
hätte.
Dann gingen Beide nach dem Speise
zimmer im Erdgeschoß, dessen Fensterladen
von dem Diener kurz vor acht Uhr geöffnet
morden waren, und untersuchten die Fenster
aufs sorgfältigste, vermochten aber weder an
diesen, noch an dem Gesimsen die geringste
Spur zu entdecken. Die Fenster des An
richtezimmers und des Zimmers der Haus
hälterin, die sich gleichfalls noch im Erdgeschoß
befanden, waren gleichfalls unberührt und
ohne jede Spur eines gewaltsanien Eindringens.
Der Kriminalbeamte wurde etwas ärgerlich
und ungeduldig, denn er sagte sich, daß ein
Einbrecher durch die Fenster des ersten Stock
werkes unmöglich gekommen sein konnte, da
eine angelegte Leiter von der Straße sicher
bemerkt worden wäre, aber trotzdem untersuchte
er gleichfalls ohne jedes Resultat auch noch
die Fenster der Gesellschaftszimmer in ersten
Stockwerk. So gab er denn den Gedanken,
daß der Einbrecher gewallsam ins Haus
gedrungen wäre, gänzlich auf und gelangte
statt dessen zu einer anderen Vermuthung.
„Wahrscheinlich wird einer der Dienstboten
der Dieb sein," flüsterte er dem Wachtmeister zu.
„Das dachte ich gleich von Anfang an, "
meinte dieser.
„Warum haben Sic das denn nicht eher
gesagt?" fragte der Kriminalbeamte ärgerlich.
„Weil Sie doch nicht auf mich gehört
hätten."
„Gewiß ijt cs einer von den Dienstboten
gewesen, — mich wundert nur, daß sie nicht
irgendwo eine Glasscheibe eingeschlagen oder
eine Thür offen gelassen haben, um einen ans
die falsche Spur zu bringen."
„Wer den Diebstahl ausgeführt hat, wird
gewiß irgendwelchen Hinterhalt haben, von
dem wir noch nichts ahnen," meinte der
Wachtmeister.
„Freilich, wer schlau genug war, diesen
Diebstahl zu planen, ist auch schlau genug,
uns gehörig Arbeit zu machen. Wir wollen
jetzt zurückgehen."
Als sie nach unten in das Speisezimmer
kamen, fanden sie dort Frau Müller, die
Haushälterin, fassungslos in einem bequemen
Lehnstuhl sitzen, während Frau von Foerstcrs
Kammerjungfer und der Diener vor ihr standen.
Als die Beamten eintraten, verstummte der
Diener, welcher eben gesprochen hatte, und
in der Vermuthung, daß sich hier vielleicht
eine Spur finden ließe, wandte sich dcr
Kriminalbeamte an die Haushälterin mit der
Frage:
„Sind alle Dienstboten im Hause?"
In "
„vW,
„Ist irgend jemand von ihnen Ihres Wissens
heute Morgen schon aus dem Hanse gewesen?"
Nein, ganz gewiß nicht."
Die Kammerjungfer und der Diener
tauschten bedeutsame Blicke aus, die dem
Kriminalbeamten nicht entgingen, und so er
klärte er denn mit Nachdruck:
„Es ist unsere Pflicht, das ganze Haus
jetzt von oben bis unten zu durchsuchen,"
fand aber zu seinem Erstaunen, daß die
Haushälterin diese Erklärung gar nichl be
achtete, sondern nur den Diener anblickte, als
ob sie erwartete, daß derselbe sprechen sollte.
„Ich habe eben Frau Müller eine wichtige
Mittheilung gemacht," erklärte dieser mit
großem Selbstbewußtsein.
„Was ist cs?" fragte der Kriminalbeamte.
„Meines Erachtens ist der Schmuck von
jemand gestohlen, der die Nacht im Hause
war. Aber wir waren zu spät aufgestanden,
um ihn zu fangen."
Was meinen Sie?" fragte der Beamte
eifrig.
„Ich meine, daß, als ich heute Morgen
herunterkam, ich die Hausthür offen fand, —
die Sicherheitskette hing offen herunter, die
Riegel waren alle zurückgezogen, das Schloß
aufgeschlossen und die Thür nur von außen
eingeklinkt."
„War denn die Hausthür gestern Abend
fest verschloffen und verriegelt?"
„Allerdings."
„Von wem?"
„Von mir selber."
Der Kriminalbeamte empfing jedoch den
Eindruck, daß diese Angabe des Dieners nur
eine schlaue Lüge desselben wäre, dazu be
stimmt, den Verdacht von dem wirklichen
Thäter abzulenken und schritt demnach sofort
zur gründlichsten und eingehendsten Haus-
nchung, wobei er besonders alle Sachen dcr
Dicnstboten mit Hülfe des Wachtmeisters aufs
sorgsamste untersuchte, — freilich ganz ver
gebens, ohne auch nur die geringste Spur
von^ den gestohlenen Brillanten zu finden.
Diese Haussuchung war so gründlich, daß sie
bis gegen Mittag dauerte, und eben, als die
Beamten beinahe damit fertig waren, fuhr der
Hausarzt wieder vor und begab sich sofort
nach dem Schlafzimmer der Frau von Foer-
stcr, wo er Cäcilie noch immer neben dem
Bett sitzend fand. Als er eintrat, sprang sie
auf und eilte ihm mit den Worten entgegen:
„Es freut mich ungemein, Herr Geheimrath.
daß Sie endlich wiedergekommen sind."
„Weshalb? Es ist doch keine Verschlim
merung eingetreten?"
„Nein, ^— aber trotzdem ängstigt und er
schreckt mich ihr ununterbrochener, tiefer
Schlaf, — es ist mir ganz unheimlich, daß
Tante die vielen Stunden lang so regungslos
daliegt. Es ist fast, als ob sie nicht mehr
am Leben wäre."
Mein liebes, gnädiges Fräulein, Ihre
Nerven sind überreizt."
„Vielleicht Herr Gehcimrath. Aber sind Sie
sich auch ganz sicher, daß gar keine Gefahr
mehr besteht?"
Ohne zu antworten, beugte sich der Sani-
tütsrath über die Patientin, ergriff ihre eine
Hand, lauschte ans ihre Athemzüge und prüfte
dann auch ihren Herzschlag durch das Ste
thoskop. Cäcilie beobachtete ihn ängstlich und
fragte endlich: Nun?"
„Sie brauchen nichts zu ,fürchten. Die
Herzschläge sind ganz regelmäßig, die Ath-
mung natürlich, nur der Puls noch etwas
langsam. Wen» sie erwacht, wird sie ganz
wohl sein. Nur der Schreck und das Ent
setzen der Nacht wird noch eine Zeit lang
auf ihre Nerven nachwirken." (Forts, f.)