Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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Montag, den 17 December 
1894. 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 16. Dec. Die „Berl. Corr. 
schreibt: Hiesige und auswärtige Blätter 
verbreiten die Nachricht, der Kaiser wies 
dem Reichskanzler zum Ersatz seines 
Verlustes, den er durch seine Berufung 
nach Berlin in seinen Bezügen erlitt, eine 
Entschädigung von 100,000 Mk. aus dem 
allerhöchsten Dispositionsfonds an. 
Diese Nachricht ist nur in soweit richtig, 
als Se. Majestät diese Absicht kundgegeben 
hat. Der Reichskanzler hat aber gebeten, 
von diesem Gnadenbeweis Abstand zu 
nehmen. 
Berlin, 16. Dec. In dem Wucherpro 
zesse Treuherz und Genossen wurde heute 
das Urtheil gefällt. Treuherz erhielt drei 
Jabre Gefängniß, 4500 Mark Geldstrafe 
und fünf Jahre Ehrverlust, Spiegel zwei 
Jahre Gefängniß, 3000 Mark Geldstrafe 
und drei Jahre Ehrverlust, Bruck ein Jahr 
Gefängniß, 900 Mark Geldstrafe und zwei 
Jahre Ehrverlust, Winter zwei Monate 
und Aufrichtig vierzehn Tage Gefängniß. 
Wien, 16. Dec. In voriger Nacht 
wurde in den Geschäftsräumen der Firma 
Heinrich Klinger von unbekannten In 
dividuen der Versuch gemacht, den eisernen 
Geldschrank, in welchem 180,000 Gulden 
in Werthpapieren aufbewahrt waren, zu 
erbrecken. Der Versuch mißlang jedoch, 
da der Schrank durch inehrere Panzer- 
platten geschützt war. 
Petersburg, 16. Dec. Am Namenstage 
des Kaisers Nikolaus soll ein Ukas er 
scheinen, welcher den Generalgouverueur 
Gurko seines Postens enthebt und an seine 
Stelle den Botsckafter Grafen Schuwalow 
fetzt. Der gegenwärtige russische Botschafter 
IN Konstantinopel Nelidow soll zum Bot 
schafter in Rom ausersehen sein. Es ist 
noch unbekannt, ob M u r a w i e f f oder 
L o b a n o w zuni Botschafter in Berlin 
designirt ist. 
Petersburg, 16. Dec. Der Petersburger 
Korrespondent der „Köln. Ztg." versichert, 
daß der Zar Nikolaus allem Anscheine 
nach in den höheren militärischen Stellungen 
noch keine Veränderungen vornehmen 
werde. Auffallend sei die wohlwollende 
Haltung des Zaren gegenüber dem Groß 
fürsten Nikolajewitsch, der sich von Seiten 
des verstorbenen Zaren gerade keines be- 
deutenden Wohlwollens zu erfreuen hatte. 
Gegenüber den übertriebenen Behauptungen 
über den neuen russischen Kurs versichert 
ein guter Kenner der russischen Hofver 
hältnisse, daß der Zar zwar gute Be 
ziehungen zum deutschen Nachbar sehr hoch 
schätze, aber an der für Rußland vortheil- 
haften Stellung Frankreich gegenüber nichts 
ändern werde. 
Rom, 16. Dec. Infolge der Veröffent 
lichung der Dokumente Giolitti's 
erhob Crispi heute bei dem Untersuchungs 
richter gegen die Deputirten Giolitti und 
Mazzino sowie gegen Martuscelli, der die 
Haussuchung bei der Banka Romana vor- 
nahm, Anklage wegen Verläumdunq und 
Fälschung. 
Rom, 16. Dec. Die Abendblätter sagen, 
die Dokumente Giolitti's enthalten mit 
wenigen Ausnahmen nichts, was nicht be 
reits durch den Bericht der palamentari- 
schen Enquetekommission over die Akten des 
Banca Romanaprozesses veröffentlicht wor 
den sei. Der Versuch der Anschwärzung 
Crispi's sei evident, wie auch durch die 
künstliche und arglistige Art der Classi- 
sizirung der Dokumente dargelegt sei. 
Deutscher Reichstag. 
7. Sitzung. 
Berlin, l5. December 
Das Haus tritt ein in den Bericht der 
Geschäftsordnungs-Commission über das 
Schreiben des Reichskanzlers, betreffend die Frage 
der strafrechtlichen Verfolgung des Abgeordneten 
Liebknecht wegen Majestätsbeleidigung. 
Die Commission schlägt vor, die Genehmigung 
nicht zu ertheilen. Hierzu liegt fein Antrag des 
Abg. Adt (nat-lib.) vor, baldmöglichst eine 
Aenderung der Geschäftsordnung in dem Sinne 
einer angemessenen Verstärkung der Diziplinar- 
gewalt des Reichstages und des Präsidenten 
auszuarbeiten 
Abg. Dr. Pieschel (uat.-lib.) berichtet als 
Referent über die Verhandlung in der Geschästs- 
ordnungskommission. Der Antrag des Staats 
anwalts sei mit 9 gegen 4 Stimmen abaelehnt 
worden und zwar ausdrücklich unter Berufung 
auf Artikel 27 und 90 der Reichsverfassnng. Der 
Antrag auf Verstärkung der Disciplinargewalt 
des Reichstages und des Präsidenten sei auch in 
der Commission gestellt, aber zurückgezogen 
worden. 
Abg. Roeren (Centr) Meine Partei ver- 
urtheilt den Vorgang vom 6. December auf das 
Entschiedenste. (Beifall.) Es ist aber durchaus 
geboten, diese persönliche Empfindung bei der 
Beschlußfassung im vorliegenden Falle zurück 
zustellen und nicht Beschlüsse zu fassen, die für 
die ganze constitutionelle Freiheit des Reichstages 
und der Abgeordneten sehr verhängnißvoll sein 
muß. (Beifall.) Wir müssen annehmen, daß der 
Antrag das Werk des obersten Chefs, des Justiz- 
ministers selbst ist: oas giebt dem Antrag seine 
Bedeutung. Ausschlaggebend ist der Artikel 30, 
der Antrag abgelehnt werden muß. Alle 
bedeutenden Rechtsgelehrten verstehen nun unter 
Aeußerungen nicht nur mündliche Aeußerungen 
andern auch concludente Handlungen- also fällt 
auch das Sitzenbleiben unter diese^ Aeußerungen 
abgesehen davon, daß es noch streitig ist, ob ein 
solches Sitzenbleiben eine Majestätsbeleidigung ist. 
Der Sinn des Artikels 30 ist doch, den Abg in 
Ausübung ihres Berufs volle Freiheit ' und 
Sicherheit zu gewährleisten. Eine andere Frage 
ist, ob wir nicht aus uns selbst heraus Mittel 
und Wege finden, Ungehörigkeiten zu verhindern. 
Aber wir dürfen niemals das Recht, Selbst- 
diziplin hier im Hause zu üben, aufgeben. Wir 
haben jetzt einen Versuch unsere Freiheit zu 
beschränken, in einer Weise zurückzuweisen, daß 
er nicht zum zweiten Male wiederholt wird. 
Nehmen wir ihn an, so schaffen wir einen ganz 
unhaltbaren Zustaud. Dann kann nach jeder 
Sitzung ein Staatsanwalt oder sonst ein Organ 
der Polizei sich hinsetzen, die Verhandlungen 
durchlesen und wegen irgend einer ihm strafbar 
erscheinenden Aeußerung Strafantrag erheben. 
Die Resolution anzunehmen kann ich nicht em 
pfehlen. Wenn meine Partei dennoch dafür 
stimmen sollte, so verwahrt sie sich von vorne- 
herein dagegen, daß sie es thut aus Anlaß des 
staatsanwaltschaftlichen Antrages. Meiner Ansicht 
nach würde es am besten sein, in dieser Ver 
bindung nicht für die Resolution zu stimmen, 
wenn ich auch eine Stärkung der Disciplinargewalt 
für wünschenswerth halte. 
Reichskanzler F ü r ft Hohenlohe: Dem Vor 
redner bemerke ich auf meine Aeußerung, daß 
nach Anr.ahine des Antrages jede Aeußerung im 
Reichstage von irgend einem Staatsanwalt straf 
rechtlich verfolgt werden könne, daß es sich hier 
doch gar nicht um eine Aeußerung handelt, sondern 
um eine Handlung. Die Sache liegt hier nun 
folgendermaßen: Ein Theil der Sozialdemokraten 
hat sich geweigert, aufzustehen und sich an dem 
Hoch aus den Kaiser zu betheiligen. Diese 
Demonstration hat die monarchischen Gefühle des 
Reichstages verletzt. Gegenüber der allgemein 
sich geltend machenden Entrüstung des Reichstages 
war der Präsident, wie er selbst' erklärte, nicht in 
der Lage, Abhülfe zu schaffen, es blieb also nichts 
dnderes übrig, als die Hülfe des Gerichts in 
Anspruch zu nehmen. (Gelächter links.) Der 
Reichstag ist nun in die Lage versetzt, zu ent 
scheiden, ob er die Verletzung seiner monarchischen 
Gefühle ahnden will. Wie nian mir gesagt hat, 
ist denSoziaidemokraten vorher mitg> theilt worden, 
daß ein Hoch auf de» Kaiser ausgebracht werden 
würde. jTrotzdeii, blieben die Sozialdemokraten 
sitzen. Das ist doch eine absichtliche Verletzung 
der monarchischen Gefühle des Reichstages. Nun 
hat allerdings der Abg. Liebknecht gesagt, er sei 
durch das Hoch überrascht worden und habe nicht 
gewußt, daß ein solches hätte ausgebracht werden 
sollen. Darum sei es keine beabsichtigte Demon 
stration. Diese Worte des Abgeordneten will ich 
nicht in Zweifel ziehen, aber ich möchte fragen, 
warum denn der Abg. Singer mit einer solchen 
Gehässigkeit das Sitzenbleiben motivirt hat? Wie 
gesagt, der Reichstag ist jetzt in der Lage, sein 
Urtheil abzugeben. 
Abg. Graf Mirbach lcons.): Bei meiner Par 
tei war gar kein Zweifel, daß wir dem Staats- 
anwalt nicht die Genehmigung versagen könnten, 
ferner, daß der Reichstag gar nicht zu prüfen 
habe, ob der Thatbestand der Handlung des Herrn 
Liebknecht zu einer Verurtheilung durch das Ge 
richt führen würde. Aber die Praxis meiner 
politischen Freunde geht stets dahin, daß, wenn 
eme Majestätsbeleidigung in Frage steht, wir 
das Verfahren nicht aufhalten wollen Wir 
handeln also nur konsequent, wenn wir auch im 
vorliegenden Falle bitten, die Genehmigung zur 
Strafverfolgung zu ertheile». Die Sozialdemo 
kraten treten im vorliegenden Falle aus dem 
Rahmen der Staatsordnung heraus und zu 
welchen Consequenzen das führen muß, ist klar 
Der Resolution Adt können wir unsere Zustim- 
mung nicht versagen, da auch wir eine Ver 
stärkung der Disciplinargewalt für nothwendig 
halten. Ich und meine Freunde fordern, wie 
jeder, volle lknabhüngigkeit in unserer parla 
mentarischen Thätigkeit. 'Wir verlangen, daß uns 
gegenüber die Linie, die uns die Verfassung zieht, 
vollkommen respektirt wird. Das legt uns aber 
auch eine nobile officium gegenüber dem Sou 
verän auf und wir werden in jedem Falle, wo 
es sich um eine Ehrverletzung gegenüber dem 
Fürsten handelt, unsere Zustimmung zur Ver 
folgung ertheilen. (Beifall rechts.! 
Abg. Singer: Der letzte Satz des Vorredners 
beweist, daß Sie in dieser Richtung einen Ver 
fassungsbruch für erlaubt halten. (Lärm rechts.) 
Es handelt sich hier nicht um den Schutz eines 
einzelnen Mitgliedes, sondern um den Schutz 
der Verfassung. Die Consequenz der Auffassung 
des Reichskanzlers über den Vorfall wäre, daß 
er einen Gensdarm hierher kommen ließe, der in 
allen Fällen, wo der Präsident auf Grund seiner 
Disziplinargewalt dazu nicht im Stande ist, die 
Ordnung im Reichstag zu überwachen hätte. 
Offenbar soll dieser Anlaß benutzt werden, um 
eine Haupt- und Staatsaction daraus zu machen 
und sie politisch zu fructificiren. Auch Mitglieder 
der ultramontanen Partei sind schon bei'Hochs 
auf den Monarchen sitzen geblieben, so der Abg. 
Ruland im bayrischen Landtage. Daher meine 
ich doch, daß die Art, wie die Herren von der 
Rechten des Hauses den Vorfall ausnutzen wollen, 
geradezu beispiellos ist. Die Frage bekommt ja 
noch durch die Darstellung der offiziösen Presse, 
der „Nordd. Allg. Ztg." und der „Berliner Corre- 
spondenz" ihre besondere Färbung. 
Der Redner bekämpft schließlich auch die Re 
solution Adt als einen Verfassungsbruch. 
Minister v. Koeller führt aus, der Art. 30 
müsse doch irgendwelchen Zweck haben. Er be 
stimme, daß zur Verfolgung eines Abgeordneten 
die Genehmigung des Reichstages erforderlich 
sei, also setze er doch voraus, daß Abgeordnete 
strafbar werden könnten. Die Regierung habe 
garnicht gebeten, daß der Reichstag die Genehmi 
gung ertheile. Lehne er den Antrag ab, na, 
nun dann nicht! (Heiterkeit.) Ein Angriff in 
die Immunität des Reichstages liege der Re 
gierung fern, aber es sei doch streitig, wo die 
Immunität beginne. (Lärm.) Doch nicht jede 
strafbare im Reichstage begangene Handlung falle 
unter die Immunität; die Grenze der Immunität 
festzustellen, bezwecke der Antrag. Ob eine straf 
bare Handlung vorliege, entscheide nicht die Re 
gierung, sondern der Richte. Am Reichstage sei 
es jetzt, zu entscheiden, ob eine Verfolgung so 
fort eintreten solle. 
Abg. Gamp <D. Reichsp.). tritt für die Ge 
nehmigung ein, denn es bestehe kein Gesetz, das 
Abgeordnete dem ordentlichen Gerichte entziehe. 
Abg. v. Bennigsen erklärt, seine Freunde 
würden dem Commissionsantragc zustimmen, sie 
hätten gleichzeitig die Resolution Adt einge 
bracht. Periculum iu mora sei im vorliegenden 
Falle nicht vorhanden. Nach der Auffassung der 
bekanntesten Staatsrechtslehrer fielen unter die 
Immunität nicht bloß mündliche Aeußerungen, 
sondern auch Thaten. Es handle sich also dar 
um, ob das Sitzenbleiben Liebknechts als eine 
Kundgebung der Gesinnung im Sinne des Ar 
tikels 30 aufzufassen sei. Da werde man nicht 
bestreiten dürfen, wohl aber empfehle sich eine 
Verstärkung der Disciplinarerzeugnisse des Präsi 
denten. 
Abg. Richter (freis. Vksp.) Wenn man uns 
den parlamentarischenEinrichtungen anderer Länder 
geben will, dann wollen wir uns die diszi 
plinarische Gewalt gefallen lassen. Wie lange ist 
es denn her, daß Mitglieder des Hauses vom 
Regierungstische hei beleidigt wurden, ohne daß 
der Präsident dagegen einschreiün konnte? (Sehr 
richtig!) Wirschließen uns im klebrigen ganz 
den Ausführungen des Abg. Roeren an Nach 
dem Jnslebentreten der Berliner Korrespondenz 
nehme ich an, daß die Nordd. Allg. Ztg und die 
Köln. Ztg. aufgehört haben, offiziös' zu sein. 
Redner betont in seinen weiteren Ausführungen 
das Ungerechtfertigte und Unzulässige des staats 
anwaltlichen Antrages. 
Preuß. Justizminister Schönstedt: Nach 
den vorliegenden Reichsgerichtsentscheidungen ist 
auf Grund des vorliegenden Thatbestandes eine 
gerichtliche Verurtheilung mög ich. Es war 
unsere Pflicht, da die Befugnisse des Herrn 
Präsidenten nicht ausreichen, den Versuch zu 
machen, ob die nöthigen Mittel zum Einschreiten 
gegen solches Auftreten anderweit gegeben sind. 
Dieser Versuch ist gemacht, die Entscheidung 
darüber steht bei Ihnen! (Beifall). 
Abg. Cegielski (Pole) stimmt Namens 
seiner Freunde für den Commissionsantrag. 
Abg Rickert jfrs. Vgg.) vergleicht die Aus 
führungen des preuß. Justizministers mit dem 
Verhalten des Grafen Lippe, der auch die Lücke 
in den geset lichen Bestimmungen entdeckt habe. 
Warum verschwieg der Minister, daß er den 
Staatsanwalt erst angewiesen, den vorliegenden 
Antrag zu stellen? 
Minister v. Kö ller wiedergelegt, die Autori 
tät der Regierung betonend, die Ausführungen 
der Abg. Rickert und Richter. 
Jusiizm'nister Schönstedt: Fragen über 
Interna der Verwaltung pflegen weder gestellt 
noch beantwortet zu werden. (Sehr gut! rechts) 
Eine Lücke im Gesetz habe ich nicht gefunden. 
Abg. Liebermann von Sonnenberg 
tAntis.): Meine Freunde werden für den 
Commissionsantrag stimmen, ich dagegen stimme 
dem Antrage des Staatsanwalts zu. Es handelt 
sich hier nicht blos um eine Majestätsbeleidigung, 
sondern um Beleidigung des Reichstages. 
Abg. von Buchka (tons.) bestreitet, daß nach 
der ganzen Eigenartigkeit des Falles eine Jm- 
munitätsverletzung vorliege. 
Abg. Roeren (Ctr.) erklärt, daß seine Partei 
nach den Ausführungen des Abg. v. Bennigsen 
keineBedenkentrage, derResolutionAdt zuzustimmen. 
Abg. Bebel (Soz.) schließt sich dem Urtheil 
des Abg. Richter an, daß das Auftreten der 
neuen Regierung kaum unglücklicher hätte sein 
können. Etwas Oberflächlicheres als die heutigen 
Reden vom Bundesrathstische sei kaum je hier 
vorgebracht worden. Der Justizminister wolle 
sich auf das Materielle der Frage nicht einlassen. 
Hätte er aber wohl dem Vorgehen gegen Liebknecht 
zugestimmt, wenn er sich nicht Erfolg davon ver 
spräche? Lasse das nicht einen Rückschluß auf 
seine Stellung zur Sache zu? Der Minister 
des Inn rn dagegen verweist auf eine Lücke der 
41) 
Der Detectiv. 
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich 
„^öffentlich wird sie in: Stande fein, eine 
so genaue Beschreibung von ihm zu geben, 
daß Sie ihn auf Grund desselben entdecken," 
rief sie eifrig, in der Hoffnung, daß sich das 
dunkle Geheimniß auf diese einfachste Weise 
aufklären würde. 
„Hält die Dame des Nachts ihre Thür 
gewöhnlich verschlossen?" 
„Ich glaube nicht." 
„Ich werde jetzt nach unten gehen, die 
Kammerjungfer verhören und das ganze Haus 
untersuchen. Denn ich muß noch ermitteln, 
dev Dieb hereingelangle," bemerkte der 
Krinunalbeamte und verließ mit seinem Be- 
gle-ter das Zinmier. 
Ķ°"fmerjungfer der Frau von Foerstcr 
hattc sich inzwischen von ihrem Schrecken 
über den Zustand jhrev Herrin und ihrcr 
nachherigen Angst über das Fehlen des 
Schmuckes völlig erholt und kam sich jetzt 
als eine höchst wichtige und bedeutende Per 
sönlichkeit vor. Während sie eben den übrigen 
Dienstboten umständlich Bericht über die Er 
lebnisse des Morgens erstattete, wurde sie von 
der Haushälterin unterbrochen, die sie in ihr 
Zimmcr holte, um sie dort durch den Krimi 
nalbeamten verhören zu lassen. Sie begann 
ihre umständliche Erzählung von neuem, wurde 
aber häufig von dem Beamten unterbrochen, 
sobald sic auf ihre Empfindungen und Ge 
fühle einzugehen begann, und auf bloße That 
lachen beschränkt. 
Nachdem der Beamte gehört hatte, daß 
°as Zimmer ganz so gelassen war, wie sic 
^ gefunden, und die Stellung der Möbel, 
Tische und Stühle auch nicht im geringsten 
verändert worden war, begann die Unter 
suchung des Hauses. Aus Erfahrung wußte 
er, daß solche Einbrüche gewöhnlich nicht 
durch die Hausthür, sondern entweder durch 
die Souterrainfenster, oder durch den Küchcn- 
cingang erfolgen, da der Weg über das Dach 
und den Boden, der sonst häufig den Ein 
brechern dient, bei einer einzeln stehenden 
Billa nicht gangbar war. 
Aber er fand die eisernen Gitter, welche 
die sanitlichcn Souterrainfenster schützten, in 
völlig unberührtem Zustande und hörte dann 
auch, daß die Köchin um sieben Uhr morgens 
erst die Thür, welche aus der Küche nach 
draußen führte, ausgeschlossen und aufgeriegelt 
und dabei alles an derselben unberührt gefunden 
hätte. 
Dann gingen Beide nach dem Speise 
zimmer im Erdgeschoß, dessen Fensterladen 
von dem Diener kurz vor acht Uhr geöffnet 
morden waren, und untersuchten die Fenster 
aufs sorgfältigste, vermochten aber weder an 
diesen, noch an dem Gesimsen die geringste 
Spur zu entdecken. Die Fenster des An 
richtezimmers und des Zimmers der Haus 
hälterin, die sich gleichfalls noch im Erdgeschoß 
befanden, waren gleichfalls unberührt und 
ohne jede Spur eines gewaltsanien Eindringens. 
Der Kriminalbeamte wurde etwas ärgerlich 
und ungeduldig, denn er sagte sich, daß ein 
Einbrecher durch die Fenster des ersten Stock 
werkes unmöglich gekommen sein konnte, da 
eine angelegte Leiter von der Straße sicher 
bemerkt worden wäre, aber trotzdem untersuchte 
er gleichfalls ohne jedes Resultat auch noch 
die Fenster der Gesellschaftszimmer in ersten 
Stockwerk. So gab er denn den Gedanken, 
daß der Einbrecher gewallsam ins Haus 
gedrungen wäre, gänzlich auf und gelangte 
statt dessen zu einer anderen Vermuthung. 
„Wahrscheinlich wird einer der Dienstboten 
der Dieb sein," flüsterte er dem Wachtmeister zu. 
„Das dachte ich gleich von Anfang an, " 
meinte dieser. 
„Warum haben Sic das denn nicht eher 
gesagt?" fragte der Kriminalbeamte ärgerlich. 
„Weil Sie doch nicht auf mich gehört 
hätten." 
„Gewiß ijt cs einer von den Dienstboten 
gewesen, — mich wundert nur, daß sie nicht 
irgendwo eine Glasscheibe eingeschlagen oder 
eine Thür offen gelassen haben, um einen ans 
die falsche Spur zu bringen." 
„Wer den Diebstahl ausgeführt hat, wird 
gewiß irgendwelchen Hinterhalt haben, von 
dem wir noch nichts ahnen," meinte der 
Wachtmeister. 
„Freilich, wer schlau genug war, diesen 
Diebstahl zu planen, ist auch schlau genug, 
uns gehörig Arbeit zu machen. Wir wollen 
jetzt zurückgehen." 
Als sie nach unten in das Speisezimmer 
kamen, fanden sie dort Frau Müller, die 
Haushälterin, fassungslos in einem bequemen 
Lehnstuhl sitzen, während Frau von Foerstcrs 
Kammerjungfer und der Diener vor ihr standen. 
Als die Beamten eintraten, verstummte der 
Diener, welcher eben gesprochen hatte, und 
in der Vermuthung, daß sich hier vielleicht 
eine Spur finden ließe, wandte sich dcr 
Kriminalbeamte an die Haushälterin mit der 
Frage: 
„Sind alle Dienstboten im Hause?" 
In " 
„vW, 
„Ist irgend jemand von ihnen Ihres Wissens 
heute Morgen schon aus dem Hanse gewesen?" 
Nein, ganz gewiß nicht." 
Die Kammerjungfer und der Diener 
tauschten bedeutsame Blicke aus, die dem 
Kriminalbeamten nicht entgingen, und so er 
klärte er denn mit Nachdruck: 
„Es ist unsere Pflicht, das ganze Haus 
jetzt von oben bis unten zu durchsuchen," 
fand aber zu seinem Erstaunen, daß die 
Haushälterin diese Erklärung gar nichl be 
achtete, sondern nur den Diener anblickte, als 
ob sie erwartete, daß derselbe sprechen sollte. 
„Ich habe eben Frau Müller eine wichtige 
Mittheilung gemacht," erklärte dieser mit 
großem Selbstbewußtsein. 
„Was ist cs?" fragte der Kriminalbeamte. 
„Meines Erachtens ist der Schmuck von 
jemand gestohlen, der die Nacht im Hause 
war. Aber wir waren zu spät aufgestanden, 
um ihn zu fangen." 
Was meinen Sie?" fragte der Beamte 
eifrig. 
„Ich meine, daß, als ich heute Morgen 
herunterkam, ich die Hausthür offen fand, — 
die Sicherheitskette hing offen herunter, die 
Riegel waren alle zurückgezogen, das Schloß 
aufgeschlossen und die Thür nur von außen 
eingeklinkt." 
„War denn die Hausthür gestern Abend 
fest verschloffen und verriegelt?" 
„Allerdings." 
„Von wem?" 
„Von mir selber." 
Der Kriminalbeamte empfing jedoch den 
Eindruck, daß diese Angabe des Dieners nur 
eine schlaue Lüge desselben wäre, dazu be 
stimmt, den Verdacht von dem wirklichen 
Thäter abzulenken und schritt demnach sofort 
zur gründlichsten und eingehendsten Haus- 
nchung, wobei er besonders alle Sachen dcr 
Dicnstboten mit Hülfe des Wachtmeisters aufs 
sorgsamste untersuchte, — freilich ganz ver 
gebens, ohne auch nur die geringste Spur 
von^ den gestohlenen Brillanten zu finden. 
Diese Haussuchung war so gründlich, daß sie 
bis gegen Mittag dauerte, und eben, als die 
Beamten beinahe damit fertig waren, fuhr der 
Hausarzt wieder vor und begab sich sofort 
nach dem Schlafzimmer der Frau von Foer- 
stcr, wo er Cäcilie noch immer neben dem 
Bett sitzend fand. Als er eintrat, sprang sie 
auf und eilte ihm mit den Worten entgegen: 
„Es freut mich ungemein, Herr Geheimrath. 
daß Sie endlich wiedergekommen sind." 
„Weshalb? Es ist doch keine Verschlim 
merung eingetreten?" 
„Nein, ^— aber trotzdem ängstigt und er 
schreckt mich ihr ununterbrochener, tiefer 
Schlaf, — es ist mir ganz unheimlich, daß 
Tante die vielen Stunden lang so regungslos 
daliegt. Es ist fast, als ob sie nicht mehr 
am Leben wäre." 
Mein liebes, gnädiges Fräulein, Ihre 
Nerven sind überreizt." 
„Vielleicht Herr Gehcimrath. Aber sind Sie 
sich auch ganz sicher, daß gar keine Gefahr 
mehr besteht?" 
Ohne zu antworten, beugte sich der Sani- 
tütsrath über die Patientin, ergriff ihre eine 
Hand, lauschte ans ihre Athemzüge und prüfte 
dann auch ihren Herzschlag durch das Ste 
thoskop. Cäcilie beobachtete ihn ängstlich und 
fragte endlich: Nun?" 
„Sie brauchen nichts zu ,fürchten. Die 
Herzschläge sind ganz regelmäßig, die Ath- 
mung natürlich, nur der Puls noch etwas 
langsam. Wen» sie erwacht, wird sie ganz 
wohl sein. Nur der Schreck und das Ent 
setzen der Nacht wird noch eine Zeit lang 
auf ihre Nerven nachwirken." (Forts, f.)
	        
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