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87stee Jahrgang.
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Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben.
3000 Abonnenten.
Wo. 287.
Ireitog. öen 7. December
1804.
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Morgen -Depeschen.
Berlin, 7. Dec. Die „Nordd. Allg.
Ztg." schreibt offiziös: „Mit welchen Mit
teln in einzelnen deutschen Zeitungen Ver-
suche, das Auswärtige Amt herabzuwürdi-
gen, betrieben werden, dafür liegt ein
neues Beispiel in den „Hamburger Nach-
richten" vor. In einer Reihe unvoll-
ständiger oder unlvahrer Angaben über die
Preßbeziehungen, die das Auswärtige Amt
unter dem alten und dem neuen Kurse
unterhalten haben soll, wird der Berdacht
ausgesprochen, daß ein unfreundlicher Ar
tikel, den der Londoner „Standard" bei
dem Tode der Fürstin Bismarck gebracht
habe, auf offiziöse Einflüsse aus Berlin
zurückzuführen sei. Wir sind zu d.r Er-
klärung ermächtigt, daß diese unwürdige
Insinuation jeder Begründung entbehrt
und daß der einzige Artikel, der beim Tode
der Fürstin Bismarck auf Veranlassung
des Auswärtigen Amtes erschienen ist, der
Nachruf war, den die „Nordd. Allg. Ztg."
am 27. November Abends brachte."
Berlin, 7. Dec. Vor etwa 1000 Per
sonen aller Parteirichtungen sprach gestern
Abend in den „Concordia-Sälen" in einer
von der demokratischen Partei einberufenen
Versammlung der Münchener Professor
Dr. Quidde, der Verfasser der „Caligula "•
Broschüre, über das Thema: „Der Kampf
gegen den Umsturz und die Aufgaben der
Demokratie." Der Redner verbreitete sich
in ausführlicher Weise über die einzelnen
Paragraphen des neuen Umstnrzgesetz-Ent-
ivurfs und forderte zur allgemeinen Be
kämpfung desselben auf. Weiter besprach
er die Erlangung weiterer Volksrechte und
Freiheiten in Reformvorschlägen für die
demokratische Partei. Professor Quidde,
welcher stürmischen Beifall erntete, wird
noch in einigen Versammlungen in Berlin
sprechen.
Frankfurt a. M, 7. Dee. Entgegen
dem offiziösen Dementi kann der Belgrader
Correspondent der .„Franks. Ztg." auf das
Bestimmteste melden, daß der Exkönig
Milan morgen Abend Belgrad verläßt und
sich auf mehrere Wochen nach Paris be-
giebt. Vor seiner Abreise findet im könig-
lichen Palais ein Diner statt, zu welchem
von, diplomatischen Corps nur der deutsche
Gesandte und der Konsul Oberg geladen
werden.
Brüssel, 7. Dec. Anläßlich der Debatte
über die Civilliste fand gestern eine äußerst
erregte Kaminersitzung statt. Die sozialisti
schen Abgeordneten gaben wiederholt ihrer
republikanischen Gesinnung Ausdruck und
antworteten auf das vom Ministerpräsiden
ten de Burlet auf den König ausgebrachte
Hoch mit dem Rufe: „Es lebe das Volk!"
Morgen findet Fortsetzung der Debatte
statt.
Budapest, 7. Dec. Die politische Lage
ist nach wie vor kritisch. Die Demission
des gegenwärtigen Kabinets gilt als unver
meidlich. In liberalen Kreisen wird be
hauptet, der neue Kabinetschef werde eben
falls liberal sein; Wekerle habe bereits
zugesagt, das Finanzporteseuille zu be
halten.
Deutscher Reichstag.
2. Sitzung.
Berlin, 6. December.
Präsident Levetzow: Quod felix faustumque
sitü Meine Herrn! Ich eröffne die Sitzung im
neuen Hause.
Ein großartiger Bau, der seinesgleichen sucht,
weite Hallen, prächtige Säle, nicht die gewohnte
einfache Heimstätte, die wir wegen ihrer wohnlichen
.practischen Einrichtung, ihrer Bequemlichkeit noch
oft vermissen werden (Beifall), nimmt von heute
ab den Reichtag auf. Schon der Anblick so vieler
Herrlichkeiten, die deutsche Kunst, deutschesGewerbe,
deutsches Handwerk hier vereinigt haben, muß ein
deutsches Herz erheben und erfreuen, muß uns
dankbar stimmen für den genialen Baumeister
(lebhafter Beifall), der das Werk ersonnen und
errichtet hat. Ihm und seinen Gehülfen sei
unser Dank dargebracht. (Lebhafter Beifall).
In -dem Reichshause ist dem Vaterland; zum
Schutz und Frommen ein Bau errichtet, aus daß
hier ein dauernder Webstuhl stehe, bestimmt,
wesentlich mitzuwirken an den ferneren Geschicken
des Reichstages. Aber nicht nur für die Gegen
wart und Zukunft soll und wird dies Haus
dienen; es erinnert auch an eine große Zeit, an
Diejenigen, die für die Aufrichtung des Reiches
gekämpft und gearbeitet haben mit dem Schwerte
und mit dem Geiste, sie haben die Grundlegung
und die Mittel in schweren Tagen uns gewonnen,
nicht blos nach seiner eigentlichen Bestimmung
und nach seiner monumentalen Gestaltung, sondern
auch, weil es ein Denkmal ist jener Helden, eine
nationale Siegessäule, hat dieses Haus einen
hohen vaterländischen Werth. (Lebhafter Beifall.)
Diesen vaterländischen Werth zu erhalten, zu
pflegen und zu erhöhen wird die Aufgabe des
Reichstages sein. Diese Aufgabe kann und wird
nur gelöst werden, wenn wir und unsere Nach
kommen uns und alles was wir beschließen, ganz
und gar in den Dienst des Vaterlandes stellen
(Lebhafter Beifall), wenn wir nur dienen wollen
dem Kaiser, dem Reiche und dem Volke. Ihr
Wohl ist Zweck und Ziel dieses Hauses, die
suprema lex des Reichstages. Dem Kaiser als
dem Haupte, dem Reiche und dem Volke, auf daß
sie allezeit einig und vereint, stark und gesegnet
bleiben, gilt der Ruf, unter dem wir unser neues
Heim in Besitz nehmen, der Ruf: Se. Majestät
unser Kaiser, er lebe hoch, hoch, hoch !
Die Mitglieder erheben sich von den Plätzen
und stimmen dreimal in den Ruf ein. Die
Sozialdemokraten bleiben fitzen. -(Stürmische-Ent
rüstung, erregte Psui-Rufe rechts und bei den
Rationalliberalen. Minutenlang anhaltender Lärm,
aus dem die wiederholten Rufe: Raus, Unerhört!
und als Antwort der Sozialdemokraten: Schämt
Euch, frech! herauszuhören sind. Den Abg.
Liebknecht sieht man lebhaft gesticuliren. Die
Aufregung dauert fort, während der Schriftführer
geschäftliche Mittheilungen verliest.)
Hieraus tritt das Haus in die Tagesordnung
ein, deren erster Gegenstand die Wahl des
Präsidenten und der Schriftführer ist.
Abg. Graf Hompesch (Centr.) beantragt, den
bisherigen Präsidenten v. Levetzow für die Dauer
der Session als Präsident durch Zuruf wieder
zuwählen.
Präsident v. Levetzow eonstatirt unter dem
Beifalle des Hanfes, daß ein Widerspruch gegen
diesen Vorschlag nicht erfolgt sei und fährt dann
fort: Meine Herren, ich meine, Sie hätten viel
leicht gut gethan, wenn Sie dem neuen Hause
auch einen neuen, geschickteren Präsidenten geben
wollten. (Heiterkeit. Rufe: Rein, nein!) Vielleicht
wäre es auch für mich besser gewesen, wenn ich
mich mit der Ehre, überhaupt so lange Präsident
gewesen zu sein, begnügt und einer frischen Kraft
Platz gemacht hätte. Jede Zeit hat ihren Mann
und jeder Mann hat seine Zeit, und gefährlich
ist es für den Mann i>nd für die Zeit, den
richtigen Augenblik des Wechsels zu versäumen
Aber dieser neue Beweis für das alte Vertrauen
lockt mich doch, die sachlichen Erwägungen fallen
zu lassen. Deshalb nehme ich die Wahl zum
Präsidenten dankend an. (Lebhafter Beifall)
Abg. Frhr. v. Manteuffel (cons.) beantragt,
die bisherigen Vicepräsidenten v. Buol nnd Dr.
Bürklin durch Zuruf wiederzuwählen.
Ein Widerspruch hiergegen erfolgt nicht
Die beiden gewählten Herren nehmen das Amt
mit Dank und unter Versicherung, es nach besten
Kräften zu verwalten, an.
Die Wahl der 8 Schriftführer soll eine Zettel-
wahl sein und es find hierfür an die Mitglieder
des Hauses gedruckte Zettel vertheilt, auf denen
die Namen von acht Abgeordneten vorge
schlagen sind.
Abg. Singer (Socialdem) zur Geschäfts
ordnung: Ich gestatte mir ,an den Präsidenten
die Bitte zu richten, in Bezug auf die Wahl der
Schriftführer die zur Wahl vorgeschlagenen zu
verlesen nnd außerdem gestatte ich mir, dem
Hause für die Wahl zum Schriftführer vorzu
schlagen den Abg. Fischer.
Präsident v. Levetzow: Mir ist soeben ein
gedruckter Zettel zugegangen, der 9 Namen ent
hält; ob eine Verständigung über diese Namen
stattgesunden hat, weiß ich nicht — zu wählen
sind nur 8 Schriftführer.
Es erfolgt hierauf der Namensaufruf; nach
dessen Beendigung wird die Ermittelung des
Resultats unter Zustimmung des Hauses dem
Bureau übertragen.
Inzwischen fährt das Haus in der Erledigung
seiner Geschäfte fort.
Präs. v. Levetzow: Obgleich das Haus noch
nicht vollständig conslituiri ist, sehe ich mich doch
als gewählter Präsident zu meinem Leidwesen
veranlaßt, aus einen Vorgang zurückzukommen,
der sich zu Anfang der Sitzung hier ereignet hat.
Als das Hoch ans den Kaiser ausgebracht wurde,
md einige Mitglieder ans der äußersten Linken
dieses HauseS auf ihren Plätzen sitzen geblieben.
Das entspricht nicht der Sitte deutscher'Männer!
(Lebhafter Beifall.) Das entspricht nicht der
Gewohnheit dieses Hauses! (Erneuter Beifall.)
Das beleidigt das Gefühl der Mitglieder dieses
Hauses! (Lebhafter Beifall.) Ich bedanre, daß ich
keine Mittel habe, um ein derartiges Verfahren
gebührend zu rügen. (Lebhafter Beifall.)
Abg. Singer (fortfahrend): Ich füge mich
dem,' erkläre aber und zwar im Namen meiner
ganzen Fraction, daß gegenüber den Umständen,
wonach in Aussicht gestellt ist, die Soldaten müß
ten auf ihre Brüder schießen, daß gegenüber der
Thatsache der zu erwartenden Umsturzvorlage
wir es nicht mit unserer Würde und Ehre ver
einen können. (Großer Lärm und Psui-Rufe,
Raus!) in das Hoch einzustimmen.
Den 2. Punkt der T.-O. bildet die Erledigung
schleuniger Anträge wegen Einstellung von Straf
verfahren gegen Abgeordnete für die Dauer der
Session.
Der Antrag Auer u. Gen. auf Einstellung
des Strafverfahrens gegen den Abg. Schippel
wird ohne Debatte angenommen. Ein weiterer
Antrag Auer u. Gen. richtet sich auf Einstellimg
des Verfahrens gegen den Abg. Herbert.
Abg. Frhr. von Manteuffel (Eons.) bean
tragt Verweisung des Antrages an die Geschäfts
ordnungs-Commission.
Abg. Singer (Soc.-Dem.) Ich weiß nicht,
welche Gründe die Herren von den Rechten ver
anlassen, diesen Antrag zu stellen. Es scheint
mir, daß es geschieht, weil es sich um eine An
klage wegen Majestätsbeleidigung handelt und
ich ziehe es vor, diese Mittheilung gleich im
Plenum zu machen. Der Abg. Herbert ist wegen
Majestätsbeleidigung in erster Instanz mit der
niedrigsten Strafe, die auf diesem Delict steht,
bestraft worden und hat Revision dagegen einge
legt. Der Grund der Anklage ist in einer Notiz
des vom College» Herbert redigirten Blattes ent
halten, die derselbe aus anderen Blättern über
nommen hat und deren Ursprung zurückzuführen
ist auf die Mittheilung eines ultramontanen
Blattes. (Aus dein Centrum hört man den Ruf
„Oho". Große Heiterkeit.) jawohl, eines ultra-
montanen Blattes. In diesem Blatte wurde die
Notiz von der Absendung eines Offiziers an den
König von Sachsen besprochen. Die Sache ging
s. Z.. durch die Presse. Es handelte sich darum,
daß der Kaiser direct voin Exerzierplatz einen
Offieier mit einer Meldung an den König von
Sachsen schickte und der Offieier sofort abreisen
und seine Meldung überbringen mußte. Dem
fügte das ultramontane Blatt hiiizu, ob es denn
von Berlin nach Dresden keine Eisenbahn gebe?
In dieser Notiz wurde die Majestätsbeleidigung
gefunden. (Heiterkeit bei den Socialdemokraten.)
Die Notiz wurde dann von einer ganzen Anzahl
von Blättern nachgedruckt.
Für den Antrag Manteuffel tritt nur der
Abgeordnete v. Stumm ein, gegen ihn die Abge
ordneten Gröber, Rickert und Richter. Schließ
lich wird der Antrag Auer angenommen, der
Antrag Manteuffel abgelehnt.
Dienstag erste Lesung des Etats.
-Ausland.
Italien.
Der reichste Bürger Modenas, der 80
Jahre alte Ludovico Cavazza, wurde dieser
Tage in seiner Wohnung erdrosselt vorge
funden ; neben der Leiche lag eine leere
Brieftasche. Es liegt offenbar Raubmord
vor. Cavazza, der ein Vermögen von 5
Millionen Lire besaß, war in der ganzen
Umgegend als Geizhals und Sonderling
verschrieen. Als muthmaßlicher Mörder
wurde sein Kutscher in Haft genommen.
Ein gewandter Hoteldieb hat
in der Nacht zum Freitag in einem der
vornehmsten Hotels in Rom mit Erfolg
operirt. Er verschaffte sich des Nachts
Eingang in drei Hotelzimmer, betäubte die
Inhaber durch Chloroform und stahl ihnen
dann ihre Werthsachen. Dem Marchese
Ridolfi entwendete er 4700 Lire, dem
Marchese Pallavicini 1280 Lire, dem Ad
vokaten Gianpietri die goldene Uhr mit
Kette. Der Briestasche des Advokaten
hatte der Gauner nicht habhaft werden
können, da sie jener unter seinem Kopf
kissen verborgen hielt. Freitag Morgen 7
Uhr verließ der Gauner unbehelligt das
Hotel, während seine Opfer erst gegen 10
Uhr aus ihrer Betäubung erwachten. Der
Dieb wird als ein elegant gekleideter, blon
der Mensch im Alter von 30 Jahren ge
schildert. Er hatte sich ins Fremdenbuch
als Lorenzo Compodonico aus Alessandria
eingeschrieben.
Rutzlaud.
Die Mäuseplage in Rußland ist in
den mittleren und südwestlichen Gouver
nements sehr unangenehm geworden. Na
mentlich sind die Gouvernements Cherson,
Charkow, Kiew und Wolhynien davon
heimgesucht. Die Katzen fressen schon
lange keine Mänse mehr, weil sie sich über
sättigt haben. Die Thiere dringen in die
Speisekammern und fressen die Nahrungs
mittel auf. Aber auch Lichte, Seife, Schuh
werk und Kleider verschmähen sie nicht.
Wenn die Leute schlafen wollen, stellen sie
die Bettstellen mit den Füßen in mit
Wasser gefüllte Gefäße, die Kinder müssen
besonders geschützt werden. Das Getreide
in den Schobern ist zu Häcksel zerfressen,
auf den Speichern ist alles vernichtet. Wer
aufs Feld geht, kann Hunderte der Thiere
todtschlagen. Das Schlimmste aber ist,
daß die Mäuse die Wintersaaten vernichten,
so daß die Ernte für das nächste Jahr
bedroht ist. Der Minister der Landwirth-
schast hat den Prof. Dr. Mertzkowski in
die bedrohten Gegenden geschickt, um den
Löffler'schen Mäusebacillus zu erproben.
Die bakteriologische Abtheilung der land-
wirthschaftlichen Schule in Odessa wird sich
ebenfalls an dem Mäusekriege betheiligen.
Der Drtcctiv.
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich.
Die Stutzuhr schlug zehn, als er sich er
inattct und erschöpft, mehr infolge dcr
Spannung und Erregung, als infolge körper
licher Anstrengung in einen Lehnstuhl sinken
ließ. Nach kurzem Nachdenken fragte er
dann den Diener, während er ihm den Brief
Zeigte, dabei aber die Unterschrift versteckt
hielt: „Kennen Sie diese Handschrift?"
„Ja, das hat Stößer geschrieben."
„Sie kennen seine Handschrift also genau?"
„Ja, gut genug, um sie sofort zu er
kennen."
^ „Nun passen Sic genau auf, was ich sage.
Es ist recht wohl möglich, daß er nächstens
wieder an ihren Herrn schreibt, und wenn
L-ie nur seine» Brief bringen, oder wenn
Sie ihn auch nur öffnen und eine wörtliche
Abschrift davon anfertigen, dabei aber genau
darauf achten, daß Sie den Poststempel, die
Ortsangabe und das Datum richtig ab-
schreiben, so will ich Jhucn für eine» solchen
Brief oder die wörtliche Abschrift davon
tausend Mark bar geben."
„Tausend Mark!"
„Auf Heller und Pfennig. Sic haben
»leine Adresse. Falls ich verreise, werde ich
Sie benachrichtigen, wie Sie einen Brief
ssn mich adressieren sollen. Jetzt halten Sie
fihre Augen offen, falls Sie eine hübsche,
kleine Summe mit geringer Müh: zu ver
dienen wünschen."
„Aber dabei ist doch ein ganz gehöriges
Risiko s"
„Nicht das geringste für einen so geschickten
^hd gewandten Menschen wie Sie. Eines
Morgens finden Sie draußen im Kasten
einen Brief von Stößer und statt denselben
sofort Ihrem Herrn zu geben, stecken Sie ihii
einfach' in Ihre Tasche, nachher, wenn Sie
Zeit haben, halten Sic ihn über heißen
Dampf, öffnen dann das Kouvert, nehmen
den Inhalt heraus lind schreiben ihn ab, ■
aber vergessen Sie nicht, höchst sorgfältig und
genau, Wort für Wort, — stecken dann den
Brief wieder ei», hierauf kleben Sie das Kou-
vert wieder zu, plätten es mit einem heißen
Eisen, werfen ihn wieder in den Briefkasten
draußen an der Korridorthür, und die Sache
ist erledigt."
„Ich verstehe — tausend Mark."
„Ja, die sollen Sie haben, wenn Sie mir
die wörtliche, buchstäbliche Abschrift des Brie
fes bringen. Aber dieselbe muß Ort und
Adresse enthalten, sonst giebt es keine Be
zahlung, — vergessen L-ie das nicht! Denken
Sie auch ja daran, auf den Poststempel ge
nau zu achten. Wenn Sie nicht zu mir
kommen können, so schicken Sie ihn mir durch
die Rohrpost."
„Ich werde es nicht vergessen," betheuerte
der Diener.
„Da haben Sie Ihren Hundertmarkschein
für die Arbeit von heute Abend. Durch mich
können Sie ja schließlich noch reich werden,
— nun, das ist ja eben ihr Glück, — aber
sitzt geben Sie sich ordentlich Mühe, sich
desselben auch werth zu erzeigen. Kein Wort
davon, — zu Niemandem, — nicht einmal
zu Ihrer Braut, — und passen Sie ja auf,
daß Sie den Brief abfassen."
„Darauf können Sie sich verlassen," ries
der Diener.
Gillwaldt verließ ihn, ohne noch ein Wort
weiter zu sagen, murmelte aber, als er die
Treppe hinunterstieg, befriedigt vor sich hin:
„Ich denke, jetzt bin ich den Schurken erheb
lich näher gekommen. Aber Markwald werde
ich kein Wort davon sagen, denn schließlich
würde ich dadurch nur Hoffnungen in ihm
erwecken, die sich vielleicht nie verwirklichen.
Nein, es ist schon am besten, ich schweige."
Siebenundzwanzigstes Kapitel.
Die Fra« Gräfin ist zufriedengestellt.
Einige Tage nach ihrem Besuch im Atelier
saß Frau von Foerster allein in ihrem Salon,
den ihr angekündigten Besuch ihrer Frendin
erwartend. Cäcilie nahm eben ihre erste
Malstunde bei Fräulein Orlowsky, die, nach-
dem sie ihr erstes Bedenken überwunden hatte,
nicht nur eifrig bereit gewesen war, den Unter
richt zu ertheilen, sondern sich auch in einer
beinah auffälligen Weise um Cäciliens Freund
schaft und Vertrauen bemühte — allerdings
bisher ohne rechten Erfolg. Denn Cäcilie
war von Natur zurückhaltend und empfand
außerdem auch keine rechte Sympathie für
diese emanzipierte junge Dame.
Bald, nachdem die Kaminuhr vier geschlagen,
öffnete sich die Salonthür, und die beiden
Damen begrüßten einander herzlich. Die Frau
Gräfin von der Pforten war in tiefer Trauer,
begann aber sofort mit ihrer gewöhnlichen
Lebhaftigkeit:
„Mein Vater starb ungeführ einen Monat
nach meiner Ankunft, -— so lange hatte ich
ihn zu pflegen. Natürlich bin ich sehr betrübt
über seinen Verlust, dies ist aber denn doch
kein Grund, wichtige Dinge unerledigt zu
lassen. Deshalb kam ich, sobald ich nur
irgend konnte, mit meinem Jungen nach
Berlin, um diese Angelegenheit endlich zur
Erledigung zu bringen."
„Wie geht es denn Deinem Sohn?"
„Ganz ausgezeichnet, soweit es sich nur
um körperliche Gesundheit handelt, — aber
leider hat er ganz den Verstand verloren."
„Ich bitte Dich!" rief Frau von Foerster
erschreckt.
„Ich meine ans Liebe zu Cäcilie."
Fran von Foerster lächelte beruhigt, während
ihre Freundin sie forschend betrachtete und
dann etwas bewundernd ausrief: „Helene, Du
siehst nicht nur viel wohler, sondern auch viel
glücklicher aus, als damals in Italien. Ist
irgend etwas geschehen?"
„Ja — der General —"
„Das dachte ich nur schon," unterbrach
die Frau Gräfin sie eifrig. „Du hast seinen
Antrag angenommen?"
„Allerdings."
„Meinen herzlichsten Glückwunsch! —
Aber — der Umstand wird doch hoffentlich
nicht meine Pläne durchkreuzen?"
„Was meinst Du, liebe Margarethe?"
„Wenn Du den General heirathest, wirst
Du doch nicht etwa deswegen die Werbung
seines Neffen um Cäcilie begünstigen?"
„Ich sehe sie viel lieber als Gattin Deines
Sohnes."
„Sehr wohl. Weißt Du, sie hat meinen
Jungen ganz bezaubert, so daß er seit der
Trennung von ihr für Niemanden sonst Angen
oder Sinn hatte. Er ist nun einmal fest
entschlossen, Cäcilie zu Heimchen."
„Nun, hoffentlich wird ihm da keine Ent
täuschung widerfahren."
„Enttäuschung? Wie wäre das denkbar?"
fragte die Gräfin mit stolzem Bedenken.
„Ich sagte Dir doch schon, daß Cäcilie
einen andern liebt."
„Das har nichts zu bedeuten, — da mußt
Du nur fest und entschieden eingreifen, Helene.
Fest und entschieden."
„Gewiß."
„Daran ist doch auch nicht für einen
Augenblick zu denken, daß sie den Menschen
jetzt heirathen könnte. Er hat sich ja noch
immer nicht von dem schrecklichen Verdacht
gereinigt."
„Aber das ist ja doch nicht seine Schuld."
„Nun, dann ist es sein Mißgeschick, —
das kommt ganz auf eins heraus."
„Aber dieser Gedanke wird vielleicht Cäcilie
in ihrem treuen Festhalten an ihn nur noch
mehr bestärken."
„Aber Du würdest doch nie dulden, Helene,
daß Sie unter diesen Umständen seine Gattin
wird? Das wäre doch zu schrecklich!"
„Er darf sie nicht heirathen, ehe er sich
nicht ganz von dem Veedacht gereinigt hat."
„Nun, das wird nie geschehen."
„Aber gesetzt den Fall, sie liebte Deinen
Sohn nicht?"
„Was, meinen Jungen nicht lieben! Könnte
es irgend ein Mädchen geben, welches seiner
Werbung gegenüber gleichgültig bliebe? Aber
selbst wenn sie ihn nicht liebte, so liebt er
ste doch, und sie hat die hohe gesellschaftliche
Stellung als seine Gemahlin."
„Das wäre ja ein schwacher Trost für
eine Ehe ohne Liebe."
„Helene, Du meinst doch damit nicht etwa
daß Du meinen Plänen entgegen bist?"
fragte die Frau Gräfin entrüstet.
„Nein, liebe Freundin, aber ich betrachte
unparteiisch beide Seiten der Frage."
„Das ist ganz überflüssig. Du brauchst
nur vernünftig zu sein, Helene, weiter ist
nichts nöthig. Du brauchst Deiner Nichte
bloß den Befehl zu ertheilen, daß sie meinem