Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

Erscheint tägLich. -Z- 
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87ftcv Jahrgang, chs- 
Ireitag. den 30. Movenrber 
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Blatt „Mode u. Heim" gratis beigegeben. 
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Morgen -Depeschen. 
Weimar, 29. Nov. Heute Vormittag 
fand die Beisetzung des Erbgroßherzogs 
statt. Gegen 11 Uhr setzte sich der lange 
Leichenzug in Bewegung. Hinter dem 
achtspännigen Leichenwagen schritt der Erb- 
Großherzog zwischen dem Könige von 
Sachsen und dem Prinzen Friedrich von 
Hohenzollern, dann folgten die anderen 
Fürstlichkeiten und Hofstaaten. Der Sarg 
wurde in der Fürstengruft beigesetzt. Der 
Großherzog hatte wegen seines ungünstigen 
Gesundheitszustandes der Feier nicht bei- 
gewohnt. 
Frankfurt a. M., 30. Nov. Die Fern- 
iprechlinie Frankfurt a. M.-Berlin wird 
Anfang nächster Woche eröffnet. 
^ Posen, 30. Nov. Bei einem in der 
Ortschaft Jaroczewo bei Zirke ausge 
brochenen großen Feuer verbrannten der 
Arbeiter Sobierey und der Zimmermann 
Szekalla. 
Essen a. R-, 30. Nov. Auf der Zeche 
Hugo fand vorgestern Abend 10 Uhr eine 
Explosion statt. Vier Bergleute wurden 
getödtet, 6 schwer verwundet. 
Brieg, 30. Nov. Die hiesige verwittwete 
»rau Werft wurde von dem Dienstmädchen 
Anna Hübler durch Axthiebe gelobtet und 
beraubt. Die Mörderin ist verhaftet wor 
den. 
Debrcezin, 30. Nov. Die hiesige Stadt- 
Vertretung beschloß in einer heute abge 
haltenen Sitzung, ihr lebhaftes Bedauern 
über die bei dem Kossuthbankett vorge 
kommenen Zwischenfälle, sowie die Ver- 
stcherung der Loyalität der gesummten 
«tadtiepräsentanz dem Kaiser auszusprechen 
London, 30. Nov. Wie die „Times" 
aus Cheffoo melden, ist Adniiral Freemanile 
mit 50 seiner Offiziere in Port Arthur 
an's _ Land gestiegen. Es bestätigt sich, 
daß sowohl von chinesischen als auch japa 
nischen Soldaten bei der Einnahme Port 
Arthurs die schrecklichsten Gräuelthateu 
verübt wurden. 
London, 30. Nov. Nach einer Meldung 
aus Odessa hat sich der Gesundheitszustand 
des Großfürsten-Thronfolgers Georg der- 
artig verschlimmert, daß eine Katastrophe 
befürchtet wird. 
Graz, 30. Nov. Der Vorsteher eines 
katholischen Knaben - Erziehungsinstitutes, 
Pater Stoegerer, der besonders in hiesigen 
Adelskreisen hoch angesehen war, lvurde 
wegen naturwidrigen Vergehens an sieben 
seiner Zöglinge zu einjähriger Kerkerstrafe 
verurtheilt. 
Belgrad, 30. Nov. Der Kultusminister 
hat die Relegirung der Rädelsführer bei 
dem gestrigen Studentenkrawall angeordnet 
und die eventuelle Schließung der Üniversi 
tät in Aussicht gestellt. 
Antwerpen, 30. Nov. Die hiesige große 
Stcarinfabrik ist durch eine große Feuers- 
brunst total zerstört worden. Der Schaden 
ist von enormer Höhe. 
Petersburg, 30. Nov. Unweit des 
Dorfes Besdonnaja im Gouvernement 
Tula wurden neun Bäuerinnen im Alter 
von 14 bis 26 Jahren, sowie zwei Bauern 
knaben auf dem Heimwege vom Felde von 
einem furchtbaren Schneesturm überrascht; 
die elf Personen sanken bald erschöpft am 
Wege nieder und erfroren sämmtlich. 
Errsland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Bei einer Empörung vonStras- 
gefangenen in Cayenne wurden vor 
einiger Zeit mehrere Gefangene getödtet; 
auch einige Gefängnißaufseher verloren da- 
bei ihr Leben. Die französische Regierung 
hatte in Folge dessen von der Strafkolonie 
Cayenne ausführlichen Bericht über diesen 
Aufstand eingefordert. Nach diesem Be- 
richt hat am 21. Oktober ein wegen an 
archistischer Umtriebe verurtheilter Gesänge- 
ner den Aufseher Moscart thätlich ange- 
griffen. Dieser, in Besorgniß, entwaffnet 
zu werden, feuerte einen Revolverschuß auf 
seinen Angreifer ab, der, tödtlich verwun- 
det, ausrief: „Ich sterbe für die Anarchie, 
meine Kameraden werden meinen Tod 
rächeni" Diese Worte fanden günstigen 
Boden bei seinen Freunden. An demselben 
Tage noch wurde der Aufseher Moscart 
bei seiner abendlichen Runde durch 19 
Messerstiche getödtet und sein Amtsgenosse 
Cretallay erhielt 15 Stiche. Gleichzeitig 
wurden zwei die Runde begleitende Werk- 
'tätten-Aufseher, die Gefangene sind, jedoch 
durch Fleiß und Betragen das Zutrauen 
der Vorgesetzten sich erworben hatten, 
niedergestochen. Unter diesen Verhältnissen 
hielt es der Oberaufseher der Strafkolonie 
für geboten, die sämmtlichen Familien-An- 
gehörigen der ihm unterstellten Beamten 
zusammenzuberusen, um sie vor einem all- 
gemeinen Gemetzel zu schützen. Hierbei 
zeichnete sich die Frau des Oberaufsehers 
sowohl durch Heldenmuth als auch durch 
Geistesgegenwart aus. Sie eilte mit einer 
brennenden Lärmstange an das Ende der 
Insel, um das Aufsichtspersonal der gegen 
über liegenden, nur eine Kabellänge ent 
fernten Insel Royal zu benachrichtigen. 
Die Beamten eilten bewaffnet herbei. Jetzt 
waren 4 Beamte mit 800 Sträflingen im 
Kampfe und durch das rechtzeitige Ein 
treffen der Kollegen wurde mau Herr des 
Aufstandes. Elf Leichen von Gefangenen 
bedeckten am Ende des Kampfes die Erde. 
Bei diesem Aufstand hatten die Rädels- 
führer die Absicht, sämmtliche Aufseher der 
Insel zu ermorden, deren Uniform anzu- 
ziehen und dann der Reihe nach alle in 
der Nachbarschaft liegenden Strafkolonien 
in ähnlicher Absicht zu besuchen; hierauf 
sollte ein Proviantschiff abgewartet, die 
Besatzung desselben niedergemetzelt und mit 
dem Schiffe dann nach Brasilien gesegelt 
werden. 
Newyork, 28. Novbr. Der Zuckertrust 
beschloß, einem hiesigen Blatte zufolge, von 
heute ab die Schließung der Raffinerien 
in Newyork, Boston und Philadelphia, wo 
durch 50,000 Arbeiter zum Feiern ge 
zwungen sind. Der Schatzmeister des Syn 
dlkats weigerte sich, die Nachricht zu wider 
sprechen, oder sie zu bestätigen. 
Newyork, 28. Novbr. Eine bewaffnete 
Räuberbande drang am Donnerstag 
Morgen in den Ort Skiner in Texas 
ein. Bei einem Kaufmann sprengten die 
Räuber den Geldschrank mittels Dynamit 
auf, erbeuteten 25,000 Dollars und such 
ten ķ dann das Weite. In Folge der Ex 
plosion fing das Gebäude Feuer und setzte 
auch noch acht andere Geschäftshäuser in 
Brand. Der Schaden beträgt 100,000 
Dollars. 
Washington. 29. Nov. Der Sekretär 
Clevelands theilt aus die beunruhigenden 
Gerüchte über das Befinden des'Prä- 
sidenten mit, daß der letztere an Fuß- 
gicht leide, doch sei der Ansall nicht 
schlimmer als die bisherigen Anfälle. 
Auf Madagaskar rüstet man sich zu 
thatkräftigem Widerstande gegen die Fran 
zosen. Ein Manifest der Königin der 
Howas fordert die Unterthanen auf, 
die Eindringlinge tapfer zu bekämpfen. 
Das Manifest wurde in Andohalo, in der 
Nähe der Hauptstadt öffentlich verlesen und 
enthusiastisch aufgenommen. 
Tschifu, 29. Nov. Meldung des Reuter 
schon Bureau. Hier verlautet, daß die 
japanische Regierung die Annahme einer 
Kriegsentschädigung von 40 Millio 
nen Pf. St. ablehnte und eine solche von 
50 Millionen Pf. St. nebst Vergütung 
sämmtlicher Kriegskosten verlangte. 
Tientsin, 29. Novbr. Die Gesellschaft 
vom Rothen Kreuze sandte 6 Aerzte nach 
Port Arthur; englische Offiziere begleiten 
die Aerzte. 
Rußland. 
Aus Petersburg wird dem „B. T." 
geschrieben: Wie sehr Zar Nikolaus II. 
den Dingen auf den Grund geht, bevor er 
seine Entscheidung trifft, davon legt unter 
den vielen Thaten der ersten Tage seiner 
Regierung auch sein Verhalten gegenüber 
dem Moskauer Professor Sacharjin ein 
beredtes Zeugniß ab. Bekanntlich ist letzterer 
zur Zeit der bestgehaßte Mann in ganz 
Rußland geworden, indem ihm Schuld 
gegeben wird, den verstorbenen Alexander III. 
falsch behandelt zu haben. In Folge dessen 
wurde bekanntlich Sacharjins Wohnung 
von der Volksmenge in Moskau ernstlich 
bedroht. Der junge Zar indessen nahm 
keinen Anstand, den berühmten Arzt, nach 
Prüfung der Angelegenheit eine hohe Aus 
zeichnung zu überreichen. Späterhin befahl 
der Zar,daß der erste AssistenzarztSacharjius, 
Dr. Popow, welcher bekanntlich zu den nach 
Livadia berufenen Aerzten gehörte, die 
weitere Behandlung des schwerkranken 
Großfürst-Thronfolgers Georg übernehmen 
und demselben nach Abas - Tuman im 
Kaukasus begleiten soll. Nunmehr erweist 
sich, daß dieser Gehilfe dem Professor 
Sacharjin in seiner klinischen Thätigkeit 
unentbehrlich ist. Auf Wunsch Sacharjin 
hat daher der Zar gestattet, daß Dr. Popow 
nach Moskau zurückkehren darf. An seine 
Stelle wird auf Befehl des Zaren 
der zweite Assistenzarzt Sacharjins, Dr. 
Jakowlew, die weitere Behandlung des 
Thronfolgers im Kaukasus übernehmen. 
Daß die beiden Aerzte eifrige Anhänger 
des von ihrem Lehrer und Meister befolgten 
Heilverfahrens sind, versteht sich von selbst, 
o daß durch diese Handlungsweise 
Nikolaus II. der Ruf und die Ehre 
Sacharjins bald wieder hergestellt sein 
dürfte. 
Drr Detektiv. 
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich. 
Zweiundzwanzigstes Kapitel. 
Gillwaldts weitere Nachforschungen. 
, Nach reiflicher Ucberlegiing fühlte Gillwaldt 
die feste Ueberzeugung, daß niemand anders 
als Reginald Stößer der Mörder Karl von 
Foersters gewesen sein könnte. Die Personal 
beschreibung, die der Diener von jenem gegeben, 
paßte in jedem einzelnen Punkt auf dem 
Ņìann, der die Flasche Chloroform von dem 
Drog,listen gekauft, der am Spieltisch von 
Monte Carlo neben dem Ermordeten gesessen, 
. ^ "om Bahnhof Friedrichstraße am Abend 
rv* • tmctl dem Vereinshause in der 
Oranlenstraye gefahren war. 
iJ* ^ Ņmlht des Dieners war er 
Mont?îa0? 9cmst und nicht nach 
Monte Carlo, aber wahrscheinlich war er 
daun von der Schweiz weiter nach Italien 
gegangen, wenngleich bisher sich ^ch kein 
Beweis dafür gefunden hatte. Freilich, wenn 
kr bis zu jenem Oktobermorgen, an dem er 
plötzlich und unerwartet in der Wohnung 
seines Freundes erschien, nicht nach Berlin 
Zurückgekehrt war, hätte er den Mord nicht 
begehen können. Die Frage war nur ob er 
' ett dem zwanzigsten September in Berlin 
gewesen war und sich nur aus Gründen der 
vrsicht der Wohnung seines Freundes fern 
halten, und ob sein plötzliches Erscheinen 
ŗ derselben dann nur aus Furcht vor Er- 
Giiung und Entdeckung erfolgte, vielleicht 
"anlaßt durch eine unvorhergesehenes Er 
ei.wc 1 . V2.1- 
Huts; — etwa wie das Belauschtwerden durch 
Äs> *0" Muàald am Ufer des Neuen 
Aus seinen Notizen überzeugte Gillwaldt 
sich, daß der Ueberfall am Neuen See am 
fünfzehnten Oktober stattgefunden, und durch 
den Vergleich mit dem Kalender erniit- 
telte er, daß der Freitag, an welchem Stößer 
nach Angabe des Dieners in die Wohuung 
zurückgekommen, der sechszehnte gewesen war. 
Die Uebereinstimmung der Daten bestärkte 
den Kriminalkommissar in seiner Vermuthung, 
daß Stößer nach seinem Zusammentreffen 
mit Markwald am Neuen See Berlin zu 
verlasen beschlossen hatte. Freilich verhehlte 
er sich nicht, daß auch noch eine andere 
der unerwarteten Rückkehr und 
plötzlichen Abre.se dieses Mannes möglich 
'einer Kenntniß gänzlich entzöge! 
War der Mensch wirklich nach St. Peters 
burg abgereist, oder war diese Adressirunq 
eines Gepäckes nur ein Kunstgriff, um den 
Diener, falls etwa Nachforschungen erfolgten, 
eine unzutreffende Auskunft ertheilen zu las' 
Petersburg, 29. Nov. Das Hochzeits 
geschenk des Kaisers Nikolaus an 
seine Gemahlin bestand, nach der „Köln. 
Ztg.", in einen, wundervollen Saphir- 
schmuck, zu welchem Steine bereits seit 
einiger Zeit gesammelt wurden. 
lķrsnkreicki 
Von den Pariser Geschworenen ist 
wieder einmal eine Mörderin freige 
sprochen worden. Es handelte sich um 
die Stickerin Aline Bertrand, die ihren 
treulosen Geliebten, einen Schlachter 
Tremblet, durch drei Revolverschüffe tödtete. 
Zwei Schüsse, die sie darauf angeblich auf 
sich selber abgab, trafen nicht. Aus der 
Verhandlung ergab sich, daß sie wiederholt 
Drohbriefe an Tremblet geschrieben und 
den Mord sorgfältig geplant hatte. Trotz 
dem fällten die Geschworenen den Spruch 
„Nichtschuldig." 
Ein Bettler wurde am Sonnabend in 
Marseille festgenommen, der vor dem Richter 
sich als Besitzer von etwa 100,000 Fr. 
Werthpapieren, einigen Liegenschaften in 
Vienne, einer Wohnung von jährlich 800 Fr. 
Miethzins und Herr zweier Dienstboten 
entpuppte. Ter arme Mann erklärte dem 
Richter, daß er in Folge seines schwächlichen 
Körperbaues und seiner erschütterten 
Gesundheit keiner sonstigen gewinnbringenden 
Beschäftigung obliegen könne und das durch 
Betteln verdiente Geld, das durchschnittlich 
etwa 10 Fr. täglich nebst Brot und 
onstigen Lebensmitteln betrage, dazu ver 
wende, damit seine Bermögensquellen sich 
nicht vermindern. Er wird wegen Bettelns 
gerichtlick verfolgt. 
Spanien. 
Der jüngst im Hafen zu Barcelona ein 
gelaufene, aus Cuba kommende Dampfer 
„I. Jover Serra" hat einen Passagier 
mitgebracht namens FranciskoMontes 
de Oca, der 110 Jahre alt ist. Dieser 
außerordentliche Mensch ist noch im vollen 
Besitze seiner geistigen und physischen 
Eigenschaften. Es fehlt ihm kein Zahn, 
sein Haar ist zwar schneeweiß, aber dicht 
und kräftig. Er wohnt seit 75 Jahren 
auf der Insel Cuba, und während der 
ganzen Zeit ist er nicht einen einzigen 
Tag krank gewesen. Er ist Plantagen- 
arbeiter und verrichtet noch heute die mühe- 
vollsten Arbeiten. Nach Catalonien ist er 
jetzt gekommen, um seinen Heimathsort 
Granoller wiederzusehen. In einigen 
Wochen wird er sich wieder nach Cuba 
einschiffen. Ein Umstand, der in Vege- 
tarierkreisen interessiren dürfte, ist, daß dieser 
en? Der Mörder von Karl von Foerster 
hatte bis jetzt gezeigt, daß er mit Geschick 
und Schlauheit vorging, — bewies Reginald 
Stößer vielleicht dieselbe Schlauheit und 
Vorsicht in seinen Maßregeln gegen mögliche 
Entdeckung und Aufspürung? 
Dreierlei mußte noch entdeckt werden, — 
* uo sicher zur Zeit sich aufhielt, wo er am 
zwanzigsten September gewesen war, und ob 
Harold Donati irgendwie in die Mordthat 
mit verwickelt war. 
Gillwaldt hätte ja einfach den Sänger be 
uchen und ihn auffordern können, ihm Stö- 
zers Adresse zu geben, aber jener hätte dann 
vermuthlich einfach geleugnet, irgend etwas 
davon zu wissen, wo sein Freund sich auf 
hielt, und heutzutage, wo man Daumschrauben 
und spanische Stiefel nicht mehr zur An 
wendung bringen darf, ließ sich eine Aus 
kunft von ihm nicht erzwingen. Außerdem 
würde eine direkte Frage oder auch nur eine 
Andeutung, daß man nach Stößer suchte, 
die Burschen lediglich noch vorsichtiger ma 
chen und Gillwaldts weitere Thätigkeit noch 
mehr erschweren. 
Auf die zweite und dritte Frage durfte 
eine Antwort leichter zu finden sein. Stößer 
hatte während seiner Abwesenheit vermuthlich 
einen regelmäßigen Briefwechsel niit Donati 
aufrecht erhalten und der letztere vermuthlich 
diese Briefe aufbewahrt. Natürlich wäre dies 
eine tadelnswerte Unvorsichtigkeit seitens des 
Sängers irgend welche Briefe aufzubewahren, 
die seinen Freund oder ihn selber eines solchen 
Verbrechens überführen könnten; aber es war 
ganz gut denkbar und möglich, daß ein 
Mann seiner Art solche Nachlässigkeit sich zu 
chulden kommen ließ und Dinge aufbewahrte, 
die besser zerstört wären. Ein einziges Blatt 
Papier mit Datuni und Adresse in Stößers 
Handschrift, sogar ein von ihm an seinen 
Freund adressiertes Briefkouvert, aus dem der 
Poststempel deutlich zu entziffern war, würde 
ur Cillwaldts Zwecke genügen, und so be- 
chloß er denn mit Hilfe des Dieners Donatis 
Lchreibtisch und sonstige Behälter gründlich 
zu durchsuchen. 
Inzwischen stellte Gillwaldt jedoch noch 
anderweite Nachforschungen an, um außer 
den bloßen Behauptungen des Dieners noch 
«eitere Bestätigung dafür zu schaffen, wo 
sich Donati während der Ausführung des 
Mordes aufgehalten hatte. Nach der einen 
Richtung erzielte er ja allerdings Resultate 
durch die Nachforschungen in den Zeitungen 
der Orte, an denen er sich nach den"Angaben 
des Dieners Donati bei seinem Gastspiel 
aufgehalten. Durch die Notizen in diesen 
Zeitungen wurden die Angaben des Dieners 
sämmtlich bestätigt. Aber daS war kein Beweis. 
Gerade zürn kritischen Zeitpunkt könnte der 
Sänger sehr wohl zwei Tage von den Orten 
des Gastspiels entfernt gewesen sein, ohne 
daß davon etwas in den Zeitungen kann 
Deshalb machte Gillwaldt noch einen weiteren 
Versuch. Des Abends nach Schluß des 
Theaters stellte er sich vor der Thür enr 
und sah zu, welches Restaurant die Künstler 
aufsuchten und folgte ihnen dorthin in einer 
Verkleidung, welche ihn als einen Berufs 
genossen erscheinen ließ. Soweit hatte er 
auch Glück, daß er in eine lebhafte, vertrau 
liche Unterhaltung mit ihnen gelangte, aber 
trotzdem er die halbe Nacht opferte, kam er 
doch nicht dazu, irgend etwas Bestimmtes 
oder für ihn Wichtiges über Donati in Er 
fahrung zu bringen. 
So begab er sich am folgenden Abend 
gegen acht wieder nach der Wohnung des 
Sängers. Diesmal wurde ihm sofort geöffnet 
oime er geklingelt hatte. Aber der Diener, 
der in Toilette, — vermuthlich in einem 
Anzuge, der seinem Herrn gehörte, — ffisch 
gewaschen und mit reich geöltem Haar erschien, 
war durchaus nicht über den Besuch Gill 
waldts erfreut und erklärte kurzab, daß er 
nicht viel Zeit hätte, weil er sich mit seiner 
Braut verabredet hätte, diesen Abend mit ihr 
'Usammen tanzen zu gehen, und daß sie ihn 
vermuthlich schon erwarte. 
Das thut mir leid," antwortete Gillwaldt, 
„aber da muß Ihr Fräulein Braut eben 
warten. Das läßt sich nicht ändern. Ich 
bedarf Ihrer Anwesenheit hier für niindestens 
wei Stunden." 
-,Şfl würde mir das nie verzeihen, wenn 
ich sie so im Stich ließe." 
„Doch wohl, wenn Sie ihr ein schönes 
Geschenk als Entschädigung verehren?" fragte. 
Gillwaldt mit einem schlauen Lächeln. 
„Ein Geschenk?" 
„Za. Kein Mädchen kann dem widerstehen,, 
einer Brosche oder einem Armband. Hundert 
Mark würden sogar schon zu einem hübschen 
Diamantring ausreichen, — und wie würden 
ihre Augen leuchten beim Anblick eines echten 
Brillanten! — Glauben Sie mir, sie wird 
Sie dann noch einmal so lieb haben, wie 
jetzt." 
Der Diener grinste befriedigt und begann 
ich langsam seine Handschuhe und seinen 
Ueberrock auszuziehen, dabei vor sich hin 
murmelnd: „Wüthend wird sie aber doch 
werden." 
„Das ist sehr gut für ein junges Mädchen, 
wenn sie zuweilen so im Stiels gelassen wird. 
Sie fühlt sich dann ihrer Gewalt über Sie 
nicht so sicher und bekommt einen kleinen 
Vorgeschmack davon, was sie von Ihrem 
Herrn und Gatten zu erwarten hat." 
Das ist alles ganz schön, wenn man erst 
verheirathet ist, aber vorher — 
„Vorher ist solche Lektion noch weit werth 
voller und wirkungsvoller. Aber nun an die 
Arbeit, daß Sie Ihre hundert Mark für die 
mar Stunden auch verdienen." 
Der Diener schien sich in sein Schicksal 
ergeben zu haben und fragte: „Was wünschen 
Sie heute Abend?" 
„Zuerst will ich mir einmal Herrn Stö 
ßers Zimmer ansehen und mich überzeugen, 
ob er nicht zufällig irgend welche Papiere 
oder Briefe hat liegen lassen."
	        
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