Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

Marsch gegen die Dörfer der Eingeborenen 
Singar und Warmada antreten. 
Oesterreich Ungarn. 
In Ungarn kriselt es seit längerer Zeit 
wieder. Diesmal hat die Krankheit einen 
fchleichenden Charakter angenommen. Wer 
nicht scharf hinblickt, bemerkt sie garnicht, 
aber sie ist deshalb kaum minder gefährlich. 
Das duldsame Verhalten der Regierung 
dem politischen Handlungsreisenden Kossuth 
gegenüber, dem zu Ehren Zigeunerbanden 
die Krone beschimpfen, die Schwierigkeiten 
welche einer Sanktion des letztbeschlossenen 
Religions-Gesetzes entgegenstehen, haben 
Wekerles Stellung insgeheim sehr er 
schlittert. — Der ungarische Ministerprä' 
sident ist, wie man aus Wien tele 
graphirt, vorgestern zweimal vom Kaiser 
in Audienz empfangen worden. Gestern 
war er abermals zur Audienz beschieden. 
— Die Morgenblätter stellen fest, daß 
bisher keine endgültige Entscheidung gk' 
troffen worden, glauben jedoch, daß die 
Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer Krise 
etwas größer geworden sei. 
Inland. 
Berlin, 28. Novbr. Die „Nordd. Allg. 
Ztg." schreibt offiziös: Die von verschie 
denen Blättern verbreitete Nachricht, der 
Reichskanzler Fürst Hohenlohe habe 
feine amtliche Thätigkeit damit begonnen, 
daß er sich bei den süddeutschen Höfen vor 
stellte, ist nicht richtig. Fürst Hohenlohe 
ging, nachdem er das Amt des Reichskanz 
lers übernommen hatte, über München, 
wo er mit seiner Gemahlin zusammentraf, 
nach Straßburg, um seinen Umzug anzu- 
ordnen und vom Reichsland Abschied zu 
nehmen. Daß er während seines zweitägi' 
gen Aufenthalts in München dem Prinz' 
Regenten seine Aufwartung machte, war 
natürlich. Eine andere Absicht, als die, 
der Höflichkeitspflicht zu genügen, lag nicht 
vor. Eine Rundreise des Reichskanzlers 
bei den süddeutschen Höfen war nicht beab 
sichtigt. Der Besuch, den der Fürst von 
Straßburg aus beim Großherzog von 
Baden machte, war ein Abschiedsbesuch. 
Berlin, 28. Nov. Die „Nordd. Allg. 
Zeitung" schreibt: Ihre Mittheilunng, es 
bestehe die Absicht, dem Reichstage nur 
die Umsturzvorlage zugehen zu lassen, 
wäre nach näheren Erkundigungen eine irr- 
thümliche. Man habe vielmehr allen 
Grund, anzunehmen, daß man an maß- 
gebender Stelle nach wie vor gesonnen 
fei, an der bisherigen Praxis fest 
zuhalten und dem Reichstage zum 
Sessionsbeginn sämmtliche bis dahin fertige 
Vorlagen, namentlich also den Etat so 
gleich zu überweisen. Möglicherweise ist 
unter diesen Vorlagen auch bereits der 
Gesetzentwurf über die Tabakfabrikatsteuer, 
der nach einer neueren Meldung jetzt end 
lich so weit vorbereitet ist, daß er in nächster 
Zeit an den Bundesrath gelangen kann; 
hier wird vermuthlich die Berathung dann 
sehr rasch gehen. 
— Die Entschädigungsansprüche 
Deutschlands an Marokko wegen @r 
mordung des deutschen Unterthanen Neu' 
mann werden energisch betrieben. Der 
schuldig gemacht. Was hätte der Verstorbene 
denn auch für Nutzen oder Annehmlichkeit da 
von haben können? Er hatte doch Cäcilie 
aufrichtig geliebt und in seinem letzten Briefe 
seinem Glückgefühl über ihre nahe bevorste 
hende Hochzeit rückhaltlos Ausdruck gegeben. 
Und ein Mann, der Cäcilie liebte, konnte 
doch unmöglich an dieser jungen Künstlerin 
Gefallen finden. Und so wenig der Ver 
storbene sein Freund gewesen war, mußte 
Hugo sich doch selber sagen, daß Foerster 
ihm sowohl in seinem Wesen, wie in seinem 
Charakter stets offen und ehrenhaft erschienen 
war. 
Trotzdem kehrte ihm der Gedanke immer 
wieder, daß die Aehnlichkeit, das Verschwinden 
und das darauf folgende völlige Schweigen 
auf Karl von Foerster als den Freund von 
Emilie Orlowsky beinahe mit Nothwendigkeit 
hindeuteten. So schmerzlich er die junge Künst 
lerin berühren mochte, entschloß sich Hugo 
schließlich doch, sie bei erster Gelegenheit di 
rekt zu fragen, um sich selber aus dieser Pein 
lichen Ungewißheit zu befreien. 
Aber die gewünschte Gelegenheit bot sich 
ihm nicht sobald. Mehrere Wochen sah er 
fast gar nichts von seiner Nackbarin, die ihm 
anscheinend absichtlich fern zu bleiben schien. 
Als er ein- oder zweimal sie in ihrem Atelier 
aufsuchte, erkläne sie kurz, wenn auch freund 
lich, sie wäre im Begriff nach Hause zu ge 
hen, und er möchte sie entschuldigen, da sie 
wirklich keine Zeit mehr hätte. Und wahrend 
dieser Wochen war sie auch nicht ein einziges 
Mal, wie sie es früher oft gethan, in der 
Dämmerstunde in sein Atelier herübergekommen, 
um ihn zu einer Tasse Kaffee einzuladen. 
Aber als er eines Tages im Februar ge 
gen ein Uhr nach dem Atelier kam, fand er 
sic auf der Staße vor der Hausthür seiner 
wartend. Sie war eben von der entgegen 
gesetzten Richtung hergekommen,' hatte ihn 
gesehen und blieb vor der offenen Hausthür 
stehen, um ihn abzuwarten. Ein weiter, 
grauer Regenmantel hüllte ihre Gestalt ei», 
ein dichter Schleier verbarg ihr Gesicht, und 
auf dem Kopfe trug sie einen entschieden 
männlichen Filzhut. 
(Fortsetzung folgt.) 
deutsche Gesandte hat sich sofort nach Fez 
begeben. Der Kreuzer „Irene" ist in 
Tanger eingetroffen, um den deutschen 
Forderungen Nachdruck zu verleihen. 
Berlin, 28. Nov. Wie der „Voff. Z." 
geschrieben wird, bestätigt sich die bereits 
mehrfach vereinzelt aufgetretene Nachricht 
von dem Ausscheiden des Generals der 
Artillerie und kommandirenden Generals 
des VI. Armeekorps v. Lewinski aus 
dem aktiven Dienst. 
— Der Erbauer des Reichstagsgebäudes 
Baurath W a l l o t hat vom Großherzog 
von Hessen das Comthurkreuz des 
Ordens Philipps des Großmüthigen er 
halten. 
— Das Forum, vor dem sich Grill ens 
bcrger und Bebel auseinandersetzen 
wollen, ist die sozialdemokratische Reichs 
tagsfraction, die zum 4. Dezember ein 
berufen worden ist, um sich mit dem Zwist 
im Lager der Partei zu befassen. 
— Die Mittheilungen, welche über Herrn 
v. Blankenburg Namens des Hinter 
pommerschen Molkereivereins über angeb' 
lich konstatirte aber unbeglaubigte Butter' 
fälschungen in die Redaktionen der 
Zeitungen zu bringen versucht wurden, 
verfolgen, wie aus einem mitgetheilten 
Cirkular desselben hervorgeht, den Zweck, 
das Publikum aufzurufen, die A g r a r i e r 
zu unterstützen durch einen Petitions 
sturm an den Reichstag in dem Bestreben, 
zum Nachtheil der minder wohlhabenden 
Klassen die Konkurrenz der Margarine mit 
der Butter nach Möglichkeit zu unter' 
drücken. 
— Ueber die Ber Wendung von 
Mais als Pferdefutter in der Armee 
bringt der „Reichsanzeiger" eine Dar 
legung ves Inhalts, daß Mais an Stelle 
des Hafers nur in besonderen Ausnahme' 
fällen verwandt wird, weil es gefahrloser 
als ein anderes Ersatzmittel zu verfüttern 
ist. Im Ganzen sei der Maisverbrauch 
in der Armee aber nur gering unv betrug 
im abgelaufenen Etatsjahr 7348 Tonnen. 
Der kürzlich in Görlitz verstorbene 
Rittergutsbesitzer und frühere Abgeordnete 
Eugen Edina hat zu Haupterben seines 
gegen 700 000 J( betragenden Vermögens 
den brandenburgischen und den schlesischen 
Provinzialverband des Gustav-Adolf-Ber- 
eins eingesetzt. 
Neustettin, 26. Novbr. Am Dienstag- 
Morgen fand in der Nähe des Pielburg- 
sees in den sogenannten Blocksbergen ein 
Pistolenduell zwischen dem Hauptmann 
a. D. Z.-Lubow und dem Ritterguts-Be- 
sitzer Lieutenant der Landwehr L. aus 
Altmühl statt. Rittergutsbesitzer L. er' 
hielt einen Schuß in den Unterleib 
doch soll, wie die „Nordd. Presse" meldet, 
das Befinden des L. bisher ein gutes sein 
und wird derselbe voraussichtlich mit dem 
Leben davonkonimen. 
In den Grafensta n d erh oben wurde 
Baron von Welczek auf Laband. 
Oppeln, 26. Nov. Die Gattin des 
Gutsbesitzers Herrn v. Stwolinski aus 
Lenkau wurde durch Schüsse durchs Fenster 
ermordet. Der Mörder ist entflohen. 
Gottesberg, 26. Nov. Die Aufseherin 
Mast aus Blumenau ermordete ihr drei 
jähriges Kind durch Ersticken. 
Aus Frankfurt a. M. meldet das „B. 
T.": Hier wurde ein Centralverband 
deutscher Ortskrankenkassen mit 
dem Vorort Wiesbaden begründet. Die 
nächste Versammlung findet in Leipzig 
statt. 
Ein Wettstreit der Raucher hat 
dieser Tage in Brügge stattgefunden. Der 
Raucherklub hatte folgende sonderbare 
Wette für Raucher ausgeschrieben: lange 
holländische Pfeifen, eine jede mit vier 
Gramm Tabak gestopft, werden auf ein 
gegebenes Zeichen zugleich angezündet. 
Es handelt sich darum, anl längsten zu 
rauchen, ohne die Pfeife ausgehen zu lassen. 
Der erste Preis wurde dem zuerkannt, der 
am längsten, 67 Minuten, geraucht hatte, 
der zweite iSieger brachte es auf 66^ 
und der dritte auf 63 Minuten. 
»ln a. Rhein, 24. Nov. In einem 
hiesigen Geschäftshause wurde gestern in 
der Abendstunde ein verwegener Raub 
Mordversuch gemacht. Aus sicherem 
Versteck feuerte ein fremdes Individuum 
einen R e v o l v e r s ch u ß auf die Laden- 
Besitzerin ab, welcher glücklicherweise 
fehl ging. Auf das Hilfegeschrei der Frau 
eilten die Nachbarn herbei und schützten 
die Ohnmächtige, welche der Fremde zu 
erwürgen drohte. Der Verbrecher ist unter 
Zurücklassung des Raubes entflohen. 
Wie groß das Interesse der Bürger 
schaft von Bonn für die Errichtung einer 
festen Rh e i n b r ü ck e ist, beweisen die 
jetzt abgeschlossenen Garantie-Zeichnungen 
Das Bürger-Comitee hat 250 000 Jt., 
der Verein „Altstadt" 420 000 Jt ge 
sammelt, insgesammt 670 000 Jt. Diese 
Summe steht der Stadt als Garantie zur 
Verzinsung des Kapitals für die Brücken 
anlage während der 5 ersten Betriebsjahre 
zur Verfügung und ist zum weitaus größten 
Theile von den Bewohnern der Stadt 
Bonn ausgebracht ivorden Der Verein 
„Altstadt" hat als Bedingung Erbauung 
Ser Brücke im nördlichen Stadttheil vor 
gesehen, das Bürger-Comitee hat keine 
Bedingung gestellt. 
In Elberfeld sind mehrere Sozialdemo 
kraten zu mehrwöchentlicher Haft wegen 
groben Unfugs verurtheilt worden. Dieser 
grobe Unfug soll nach dem „Vorwärts" 
durch Reden und Verkeilung von Flug 
blättern aus Anlaß des Barmer Bier 
boykotts verübt worden sein. Dadurch sei 
das Publikum beunruhigt und die Leiden 
schaff aufgeregt worden. 
Wiesbaden. Der hier verstorbene Kon 
rektor a. D. C l a u d e r hatte vor seinem 
Tode die Verbrennung seiner Leiche ver 
fügt. Die Angehörigen wünschten vor der 
Ueberführung der Leiche nach Heidelberg 
eine kirchliche Feier am Sarge, zu welcher 
sich auch Pfarrer Beeseumeyer, ein be' 
kannter Führer des Protestantenvereins, 
bereit erklärte. Das hiesige Dekanat unter, 
sagte jedoch die Einsegnung der Leiche. 
Die Vorstände der drei hiesigen evangelischen 
Gemeinden haben nun die Entscheidung 
des königlichen Konsistoriums angerufen, 
ob das Dekanat befugt gewesen ist, dem 
Pfarrer die Vornahme einer Amtsband' 
lung zu verbieten. 
In der Nacht zum 26. ds. brach in 
dem obersten Stockwerk des Hotels Moes 
singer in Eschwege eine Feuersbrunst 
aus, die derart um sich griff, drß die Be 
wohner nur mit knapper Noth gerettet 
werden konnten. Drei Dienstmädchen, 
welche in den Dachkammern schliefen, kamen 
nur bis zum dritten Stock, und sprangen 
von hier aus auf auf die Erde gelegte 
Betten. Zwei wurden schwer, die Dritte 
wurde leicht verletzt. 
Darmstadt, 27. Nov. Die „Darmstädter 
Zeitung" erfährt, der Prinz und die 
Prinzessin Heinrich von Preußen 
und der Großherzog von Hessen 
werden in einem kaiserlichen Sonderzuge 
von St. Petersburg abreisen. 
Dem Großherzog von Sachsen- 
Weimar kündigte, wie die „Köln. Ztg." 
meldet, das Kaiserpaar seinen Bei 
leidsbesuch für den 28. ds. an; derselbe 
unterbleibt jedoch auf Wunsch des Groß 
herzogs wegen der angegriffenen Gesund- 
heit der Großherzogin. Zur Beisetzung 
des verstorbenen Erbgroßherzogs treffen ein 
der König von Sachsen, der Erbgroßher 
zog von Baden, der Erbprinz von Mei 
ningen, der kommandirende General des 
11. Armeekorps. Die Sektion ergab als 
Todesursache Nierenschrumpfung und bei 
derseitige Lungenentzündung. 
Weimar, 27. Nov. Der Extrazug mit 
der Leiche des Erbgroßherzogs ist heute 
Abend 8V-1 Uhr hier eingetroffen und 
feierlich zur Kirche überführt worden, wo 
die Einsegnung stattfindet. 
Jena, 27. Nov. Auf Beschluß des 
Senats wird die Universität bei der 
Beisetzung des Erbgroßherzogs 
durch eine große Deputation vertreten sein 
Am folgenden Tage wird eine Trauerfeier 
der Universität in der Collegienkirche 
stattfinden, wo Professor Nippola die 
Gedächtnißrede halten wird. An beiden 
Tagen fallen die Vorlesungen aus. 
Die Sozialdemokratie hat über 
das Münchener Kindl den Boykott ver 
hängt, nachdem die Brauerei ihren Saal, 
den größten in München, für sozialdemo 
kratische Versammlungen verweigert hat. 
Nach Andeutungen des „Vorwärts" ist das 
letztere geschehen, weil die Brauerei ein 
Militärverbot nnd die Entziehung der Re- 
gimentsmusik befürchtet. 
München, 27. Nov. Der Landschafts 
maler Professor Stanislaus Graf von 
Kalckreuth ist hier gestorben. 
Hirschberg, 23. Nov. In Reichhenners 
Dorf sind drei Güter niedergebrannt. 
Sämmtliche Erntevorräthe, Vieh, Möbel 
wurden ein Raub der Flammen. 
Merane. Ganz unerwartet ist der auf 
der „Walze" befindliche und hier wegen 
Führung falscher Papiere aufgegriffene 
Kellner Lonst aus Zöblitz zu einer Erb 
schaft in der Höhe von 37 000 Jl ge 
kommen. Er nannte sich bei seiner Ver 
nehmung Richter. Bei den Nachforschun 
gen stellte es sich heraus, daß er schon 
seit Jahren vom Amtsgerichte Dresden 
behufs Antritt seines Erbtheils von einer 
verstorbenen Tante gesucht wird. Nach 
Verbüßung seiner siebentägigen Gefängniß 
strafe wurde ihm dies mitgetheilt. — So 
mit hat sich die Polizei wieder einmal als 
Wohlthäter erwiesen I 
Suhl. Hier treten die Masern so 
außergewöhnlich stark auf, daß 600 Kin 
der deshalb z. Z. buchstäblich den Schulde 
uch haben einstellen müssen. 
Oldenburg, 26. Novbr. Amtlich wird 
mitgetheilt: Am Sonnabend Abend ist 
beim Einlaufen des Zuges Nr. 28 von 
Oldenburg nach Leer in den Bahnhof 
Zwischenahn der Höltjer Friedrich Siems 
aus Kayhausen etwa 700 m vor der Sta 
tion vom Zuge überfahren und sofort 
getödtet worden. Ber Verunglückte ist 
zuletzt in der neben der Bahn gelegenen 
Wirthschaft von Hollmann gesehen worden, 
welche er kurz nach 6 Uhr verlassen hat. 
Bei der herrschenden Dunkelheit ist er 
vermuthlich dann aus Versehen oder auch 
um seinen Weg nach Hause abzukürzen, 
auf die Bahn gerathen und vom Zuge 
überfahren worden. Der Verunglückte war 
verheirathet und hinterläßt eine Wittwe 
mit sieben zum Theil noch minderjährigen 
Kindern. 
An den P o st s ch a l t e r eines in 
Mecklenburg belegenen kleine« Ostseebades 
kam vor einiger Zeit, wie die „Deutsche 
Berkehrsztg." erzählt, eine reizende junge 
Frau, die ein dreijähriges, niedliches 
Mädchen an der Hand führte, und forderte 
einen angeblich von ihrem Gatten ab 
gesandten Einschreibebrief. Da dem Be 
amten die Persönlichkeit dieser Dame un 
bekannt war, so bat er um die nöthigen 
Ausweispapiere. Die Dame lächelte den 
Beamten ganz ungläubig an und bedeutete 
ihm daß sie solche nicht besitze, in dem 
selben Augenblick zog sie jedoch ihren 
Trauring vom Finger und übergab ihn 
dem Beamten zur Besichtigung. Der 
Ring zeigte jedoch nicht den vollen Namen, 
sondern nur zwei Anfangsbuchstaben. Als 
der Beamte den Ring als ausreichenden 
Ausweis nicht anerkannte, rief die Dame 
aus: „Halt, ich hab's, Sie Ungläubiger. 
Erika, komm mal her und sage dem 
Onkel, wie Du heißt." Das kleine 
Mädchen: „Ich heiße Erika M." Dame: 
„Wer bin ich denn?" Erika: „Du bist 
meine Mama." Dame: Was ist Dein 
Papa?" Erika: „Bankbeamter in Berlin 
Dame: „Und wie heißt Dein Papa?" 
Erika: „Der heißt Otto M." — Der 
Beamte hielt diesen Ausweis für genügend 
und händigte den Brief aus, während er 
auf den Auslieferungsschein schrieb „Per 
sönlich bekannt". 
In der Sozialdemokratie kracht es an 
allen Ecken und Enden. In Braunschweig 
hat die Fortdauer des Boykotts zu heftigen 
Streitigkeiten Veranlassung gegeben. Der 
Redakteur des dortigen sozialdemokratischen 
Blattes, Calwer, welcher unlängst den Ge 
schäftssozialismus treffend kennzeichnete, 
wird des Verraths an der guten Sache 
im Bierkampf und noch ärgerer Dinge 
bezichtigt. Nachvem zahlreiche Arbeiterver 
sammlungen Mißtrauensvoten gegen die 
Braunschweigische Parteileitung und gegen 
Calwer beschlossen, ergreift dessen Organ, 
der Braunschweiger „Volksfreund", das 
Wort zur Vertheidigung. Er erklärt dabei, 
daß Leiter des braunschweigischen Bier 
boykotts und Mitglieder der Boykottkom 
mission von der Feldschlößchenbrauerei 
Dessau für Geld angestellt sind. 
Hannover, 27. Nov. Wie der „Han 
noversche Courier" meldet, ist der anti 
semitische Reichstagsabgeordnete L e u ß 
auf Verfügung der Oberstaatsanwaltschaft 
in Celle wegen Verdachts des Meineides 
wieder verhaftet worden. 
Harburg. Ein eigenartiger Vorfall 
trug sich gestern Nachmittag in der hiesigen 
lutherischen Kirche zu, wo ein junges Paar 
den Bund für's Leben schließen wollte. Die 
Braut weigerte sich nämlich, den aufgesetzten 
Myrthenkranz auf die vom Geistlichen 
erlassene Aufforderung hin abzunehmen 
weshalb der Geistliche die Vornahme der 
Trauung ablehnte. 
Hamburg, 27.Nov. Der Kaufmann Schild 
knecht, Inhaber der bedeutenden Altonaer 
Handelsfirma Lückeck & Schildknecht ist 
ist verschtvunden. Einem Altonaer Bank- 
Institut, für welches Schildknecht eine An 
nahmestelle verwaltete, sind erhebliche 
Summen veruntreut. 
Ein in der Neustadt in Hamburg wohn 
Hafter Schuhmacher gewann bei der 
Ziehung der letzten Classe der Hamburger 
Stadt-Lotterie eine namhafte Summe und 
beschloß nun, wie er Nachbarn erzählte 
mit seiner Frau eine Reise anzutreten 
Das Fußzeug, welches er in Reparatur 
erhalten habe, werde er verbrennen, da er 
sich mit derartigen „Lumpereien" nicht 
beschäftigen werde. Die Nachbarn achteten 
auf das Geschwätz natürlich nicht weiter; 
allein der Schuster hatte seine Aeußerungen 
zur That werden lassen. Als dieser Tage 
nacheinander die Kunden erschienen und 
ihr Schuhzeug zurückverlangten, erk 
die Einhüterin des Schuhmachers, daß 
derselbe mit seiner Frau eine Reise an 
getreten habe und daß sämmtliches in Re 
paratur gegebenes Fußzeug von ihrem 
Herrn verbrannt sei. Mehrere der Kunden 
haben fick nun gemeinschaftlich an einen 
Rechtsanwalt gewendet. Derselbe hat für 
seine Klienten beim Amtsgerichte die Lie 
prang neuen Fußzeugs, Schadenersatz usw. 
verlangt. Dem Schuhmacher, welcher von 
der^ Reise noch nicht zurückgekehrt ist, 
-cheint der Gewinn etwas zu Kopf gestiegen 
zu sein. 
Vrov>n»telles 
Zu dem von den vereinigten Liedertafeln 
von Altona-Ottenseu am 29 und 30. Juni 
und 1. Juli 1895 in Aussicht genommenen 
großen Sängerfest, verbunden mit Preis 
'ingen, sind auch sämmtliche Vereine des 
großen Niedersächsischen Sängerbundes ein 
geladen worden. 
Die im Jahre 1846 gegründete, bisher 
unter der Firma Spar- und Leihkasse zu 
Bargteheide betriebene Spar- und Leih 
kaffe wird von der Gemeinde Bargteheide 
am 1. Mai 1895 übernommen. 
In Reinfeld ist die Scheune des Huf 
ners Pape vorgestern bis auf die Um 
fassungsmauern niedergebrannt. Leider 
ind 1 Pferd, 1 Zuchtsau, 5 Schweine, 48 
Hühner, 40 Paar Tauben, 8 Enten, 2 
Gänse und einige Puten, außerdem 34 
Fuder Heu. Boynen, Raygras, 1 Acker 
wagen, Ackergeiäthe und landwirthschaft- 
liche Maschinen mitverbrannt. Die Ent 
stehungsursache des Brandes ist bis jetzt 
unbekannt.J "ff -Ws 
Neuerdings wird in der nördlich von 
Reinfeld liegenden Gegend der Plan er 
örtert, von Reinfeld nach Ahrensbök eine 
Kleinbahn zu erbauen. Selbige würde 
die vier Kirchspiele Reinfeld, Zarpen, 
Curau und Ahrensbök durchschneiden und 
eine stark bevölkerte Gegend, welche größten- 
theils sehr guten, zum Bau von Zucker 
rüben geeigneten Boden besitzt, dem Eisen 
bahnverkehr erschließen. 
Eine seltene Fruchtbarkeit zeigte eine 
Sau des Bäckermeisters Völkers in Neu 
stadt. Dieselbe warf im Januar 15, im 
Juni 16 und im November 2l Ferkel, 
zusammen also in einem Jahre 52 Ferkel, 
von denen 42 Stück am Leben geblieben 
sind. Die Sau wurde auf der Neustädter 
Thierschau mit dem ersten Preis prämiirt, 
die Ferkel werden als Zuchtthiere gern 
gekauft. 
Der Bau- der Reit- und Fahrschule in 
Elmshorn schreitet rüstig vorwärts. Die 
Anlage, die jetzt für 92 Pferde Raum hat, 
ist derartig eingerichtet, daß das Gebäude 
um vas Doppelte vergrößert werden kann. 
Daß das ganze Unternehmen Aussicht auf 
Erfolg hat, geht daraus hervor, daß bis 
jetzt bereits aus Dithmarschen allein 90 
Pferde für das Institut angemeldet wor 
den sind. 
In Barmstedt sind in der Nacht von 
Dienstag zu Mittwoch 6 Einbruchs-Dieb 
stähle verübt worden. 
In Glückstadt wurde von Passanten ein 
lebendes neugeborenes Kind ohne jegliche 
Bekleidung am hellen Tage auf der Straße 
gefunden. Ein Kellner eines nahen Re 
staurants wickelte das kleine Wesen in seine 
Serviette und sorgte für weitere Pflege. 
Als Mutter wurde ein 16jähriges Dienst- 
müdchen ermittelt. 
Kiel, 27. Nov. In voriger Woche ist 
seitens des Ausschusses für die „Ausstellung 
der Provinz Schleswig-yolstein in Kiel 
1896, verbunden mit Sonderausstellungen 
und internationaler Schifffahrtsausstellung" 
an alle Magistrate der Provinz die Bitte 
gerichtet worden, geeignete Persönlichkeiten 
namhaft zu machen, welche gewillt sind, 
dem demnächst einzuberufenden Gesammt- 
Comitee der Provinz beizutreten und dadurch 
die Ausstellung zu unterstützen und zu 
fördern. Es ist selbstverständlich, daß es 
einer derartigen Mitwirkung aus allen 
Theilen der Provinz bedarf, wenn die 
Ausstellung dasjenige erfüllen soll, was von 
ihr erhofft und erwartet wird. Der Zweck 
der beabsichtigten Ausstellung im Jahre 
1896 kann nur sein, was die Aufgabe 
einer jeden Ausstellung sein soll, welche 
nicht als persönliches, auf Geldgewinn 
berechnetes Unternehmen veranstaltet wird: 
d. h., einer größeren Anzahl von Menschen, 
über den Rahmen jeder einzelnen Stadt, 
jedes einzelnen Kreises hinaus ein Bild 
vorzuführen der Leistungsfähigkeit der Theil- 
nehmer an der Ausstellung und damit in 
diesem Falle der Provinz Schleswig- 
Holstein. Es ist bekannt, daß in der 
Provinz Schleswig-Holstein einige gewerb 
liche Thätigkeiten und Industrien vorhanden 
sind, deren Ruf bereits weit über die 
Grenzen der Provinz hinaus begründet ist. 
In Kiel stürzte ein vierjähriges Mädchen 
aus dem obersten Stockwerk des Hauses 
Großer Kuhberg Nr. 26 auf das Straßen- 
Pflaster. Das Kind war auch sofort eine 
Leiche. 
!N nächsten Staatshaushalt wird die 
Errichtung eines Prediger-Seminars in 
Preetz gefordert. 
Die Creditbank in Eckernförde hat in 
ihrem letzten Geschäftsjahr so günstige Re- 
,'ultate erzielt, daß sie ihren Aktionären 
9 72 pCt. Dividende geben kann. 
Die Sammlung der schleswigschen Geist- 
lichen für die Stiftung von Fenstern im 
Dom zu Schleswig hat die Summe von 
2202,35 Mk. ergeben. Da die Stiftung 
des Fensters für den Dom mit Neben 
kosten nur 1470,15 Mk. in Anspruch ge 
nommen, ist von der Sammlung noch ein 
Rest von 832,20 Mk. vorhanden. Dieser 
Rest soll als Gtundstock einer Stiftung, 
deren Zinsertrag, sobald das Kapital 
mindestens 1000 Mk. beträgt, dienen, 
um ärmeren schleswigschen Gemeinden 
Beihilfen zur Beschaffung heiliger Geräthe 
und derartigenKirchenschmuckes zu gewähren. 
Der Fonds ist von dem schleswigschen 
Generalsuperintendenten zu verwalten. — 
Dem Landrath v. Bonin ist das bisher 
kommissarisch verwaltete Landrathsamt des 
Kreises Stormarn definitiv übertragen 
worden. 
Das Gasglühlicht als Straßenbeleuch 
tung dürfte nunmehr über die ganze Stadt 
Schleswig ausgedehnt werden, da die 
Stadtvertretung dem Antrage des Be- 
itzers des Gaswerks um Erhöhung des 
ihm für die Brennstunde zuzuzahlenden 
Preises um V« Pfg- ihre Zustimmung ge 
geben hat. 
Das schöne Gewese „Bellevue" in Schles 
wig stand vor einigen Tagen zum Zwangs- 
verkaufe mit allem Zubehör. Das Höchst 
gebot gab der Schlächtermeister I. Hin- 
richsen in der Summe von 52,000 Jt, ab. 
Vor einigen Jahren wurde das in guter 
Lage befindliche Wirthschastsgewese mit 
alon, Theater, Kegelbahn und Sommer 
garten rc. für 70,000 Jl gekauft.
	        
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