Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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Dienstag, Sen 13. Woveinber 
1894. 
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Morgen-Depeschen. 
®erlitt, 13. Rovbr. Wie in hiesigen 
Hofkrcisen verlautet, ist es wahrscheinlich, 
daß der Kronprinz 'von Italien auf der 
Rückreise von Petersburg nach Florenz für 
rinen Tag der 'Gast des Kaisers sein und 
hier im königlichen Schlosse absteigen 
werde. 
Berlin, 13. Novbr. Der „Staatsb. 
Ztg." zufolge haben die Norddeutschen An 
tisemiten aus dem gestrigen vierten Nord 
deutschen Antisemitentage beschlossen, der 
in Eisenach gebildeten Deutsch-sozialen Re 
formpartei beizutreten. 
Berlin, 13. Novbr. Das „Berliner 
Tagebl." Meldet aus London, eine Depesche 
aus Chefoo konstatire, daß Port Arthur 
gestern von den Japanern genommen wor 
den sei.. 
Köln a. Rh., '13. Novbr. Wie die 
„Köln. Ztg." uns.Petersburg meldet, findet 
nach neuerer Verkündigung die Beisetzung 
s Alexander endgültig am 20 
d. Mts. stattz ferner gilt es als ausge 
macht, oaß Zar Nikolaus seine Trauung 
mit der Prinzessin Alix gleich nach den 
Trauerfeicrlichkeiten vollziehen werde und 
nicht erst, wie früher festgesetzt worden, in 
drei Monaten, sondern spätestens bis zum 
26. d. Mts. 
Straßburg, 13. Novbr. Der Rektor 
und Senat der hiesigen Universität haben 
an den Reichskanzler, Fürsten Hohen 
lohe, eine in den wärmsten Ausdrücken 
gehaltene Dankadresse für sein Wirken als 
Statthalter der Reichslande erlassen. Die 
philosophische Facultät ernannte den Reichs 
kanzler zum E h r e n d o k t o r. 
Kassel, 13. Novbr. Aus Fritzlar wird 
gemeldet: Hier grafsirt in besorgnißerregen- 
der Weise die Diphteritis. In den letzten 
Tagen starben täglich zwei bis drei Kinder. 
Zahlreiche Erkrankungen find ebenfalls 
neuerdings vorgekommen. Die Schulen 
sind geschloffen. 
Rostock, 13. Nov. In der Rathswittwen 
kaffe zu Brüel sind große Unterschleife 
entdeckt worden. Der Bürgermeister Kahle 
wurde verhaftet. Ueber sein Vermögen 
wird der Konkurs eröffnet. Wie gerüchts- 
weise verlautet, sind noch weitere Verhaf 
tungen erfolgt. 
Rom, 13. Nov. Zm „Hotel de Turin" 
zu Savona vergiftete sich ein von Monte 
^arlo kommender sechsundzwanzigjähriger 
Ingenieur aus Frankfurt, dessen Name in 
-olättern verstümmelt als S w en H fort er 
angegeben ist. 
Wien, 13. Nov. Die Abreise des 
Erzherzogs Carl Ludwig zu den Leichen 
feierlichkeiten in Petersburg wird am 15. 
d. M. erfolgen. Zar Nicolaus sendet dem 
Erzherzog einen Hofseparatzug bis Warschau 
entgegen und wird zum Empfange aus 
dem Bahnhof anwesend sein. Der Erz 
herzog nimmt Quartier im Winterpalais. 
Brünn, 12. Nov. Laut amtlicher Mit 
theilung verunglückten in dem „Pluto 
Schachte" der Dresdener Creditanstalt 20 
Mann durch schlagende Wetter. Bis jetzt 
sind 5 Leichen geborgen. Die Grube ist 
wegen der Gefahr nachfolgender Explosionen 
zuni Theil gesperrt. 
Rotterdam, 12. Nov. Der Dampfer 
„Hollandia", von Oxelösnnd mit 1820' 
Tons Erz nach Rotterdam unterwegs, 
scheiterte bei Haeradskaer an der schwe 
dischen Küste. Die ganze Besatzung 18 
Mann und der Lo-otse ertranken. 
Belgrad, 13. Nov. In Kumanowa 
(Macedonien) wurde der bulgarische Pope 
Iwanow während des Gottesdienstes am 
Altar von einem fanatischen Serben er-- 
chossen. Der Mörder ist nach Serbien 
geflüchtet. 
Bions, 13. Nov. Gestern fand hier 
eine große Kundgebung statt, welche die 
Wiederversöhnung der Arbeiter von .Mons 
und des Bormage zum Zweck îhatte. Der 
Zug, welcher aus mehrerdn tausenden 
Arbeitern gebildet war, zog an dem Ge- 
angniß vorüber, in welchem sich der zum 
Mitglied der Kammer gewählte Sozialisten- 
ührer Brenez befindet und brachte dem 
Letzteren eine lebhafte Ovation -dar. 
Paris. 13. Nov. Nach Meldungen -aus 
Tlemcen (Algier) kam es zwischen Turcos 
und Juden zu einem Handgemenge, wobei 
beiderseits mehrere Personen verwundet 
wurden. Ein Jude erlag den Verletzungen; 
in mehreren Cafes wurden die Fer 
scheiben eingeschlagen. 
V Nov. Aus Sydney kommt 
dw Nachricht, daß ans der Insel Anibrym 
ein furchtbarer Ausbruch des Vulkans statt- 
gefunden habe; der Aiisbruch war von 
einem heftigen Erdbeben begleitet. Durch 
geivaltige Lavaergüsse wurden alle Plantagen 
auf der einen Seite der Insel zerstört; 
zahlreiche Menschenleben -sind bei der Kata> 
trovhe zu Grunde gegangen. 
London, 13. Novbr. Die „Daily News" 
bringen einen Artikel, der die Einstellung 
der Feindseligkeiten in China entschieden 
befürwortet. Das genannte Blatt schreibt, 
Japan werde nach der Einnahme von Port: 
Arthur sicher bereit sein, mit China die 
Friedensverhandlungen einzugehen. Die 
Japaner hätten die der chinesischenffweit 
überlegenen Stärke und Streitkraft ihrer 
Armee bewiesen und diese Konstatirung, 
sowie -eine hohe Kriegsentschädigung müßten 
für den Imonatlichen Feldzug eine aus 
reichende Genugthuung sein. «MŞ- 
Petersburg, 13. Nov. Aus Moskau 
wird gemeldet: Zahlreiche Deputationen 
wurden zur Ehrfurchtsbezeugung vor der 
Leiche des Zaren zugelassen. Die Gesichts- 
zü-ge des Todten sind fast unverändert; 
der Ausdruck ist völlig ruhig. Jeder Heran 
tretende küßt das Gottesbild ans der Brust 
des Zaren, sowie dessen Stirn und Hände. 
AMand. 
Frankreich. 
Aus Roubaix wird gemeldet, daß dort 
eine große Fenersbrunst eine bedeutende 
Holz- und Baumaterialienniederlage voll 
ständig einäscherte. In der Stadt herrschte 
große Panik, da diese Niederlage inmitten 
eines sehr bevölkerten Stadtviertels unter- 
gebracht war. -Trotz aller Energie und 
Thätigkeit der Feuerwehr gelang es doch 
nur, das Feuer ans seinen Herd zu be- 
-chränken. Der Schaden beträgt 300 000 
Francs und ist nicht durch Versicherung 
gedeckt. 
In Irrenhause von Charcnton bei Paris 
wollte die barmherzige Schwester Sainte- 
Melanie einer Wahnsinnigen einen Messing- 
ring vom Finger nehmen weil der Finger 
infolge von Blutstauung angeschwollen 
war. Die Wahnsinnige ş wehrte sich und 
versetzte der Nonne einen so heftigen Fuß- 
tritt gegen den Unterleib, daß diese nach 
-einigen Minuten verschied. Die Schwester 
war seit 25 Jahren Pflegerin in der 
Irrenanstalt. 
Ein furchtbarer Raubmord wurde, 
wie.aus Marseille berichtet wird, in Gap 
begangen. Unbekannte Mörder drangen in 
die Villa der Gutsbesitzerin Durand, er- 
mordeten 'diese sammt zwei kleinen Kindern 
nnd raubten alle vorgefundenen Werth- 
sachen. Bon den rnchlosen Thätern fehlt 
noch jede Spur. 
Dem „Temps" wird aus Brianyon ge- 
meldet, -daß dort bereits zum zweiten Male 
in vier Wochen der Versuch gemacht 
wurde, die Magazine der Zeughäuser 
in Br,a-nd zu setz en. Ein Unter- 
'".'er fand bei der Runde ein mit Pe 
troleum .getränktes Flachsknäuel, das ein 
14) 
Unbekannter eben anzünden wollte. Der 
Verbrecher konnte entfliehen, ließ jedoch 
zwei Revolver, ein Gewehr von 1886 und 
zwei Gewehre von 1892, die er den Be 
ständen entnommen hatte, zurück. Ein 
Brand des Arsenals hätte schreckliche 
Folgen gehabt, da das Pulvermagazin 
und das Militairhospital an das Magazin 
angebaut sind. 
Frankreich. Dreyfus hat endlich 
einen Vertheidiger gefunden. Der Rechts 
anwalt Demaye hat das Amt auf sich ge 
nommen. Er hat aber seinen Klienten 
bisher nicht besuchen können, da sich dieser 
noch immer in strengster Jsolirhaft be 
findet. 
In Rivc de Giers wurden Plakate an 
die Mauer der Stahlwerke geklebt, in 
Venen die Arbeiter aufgefordert werden 
sich zu bewaffnen und sich gegen ihre Unter 
drücker aufzulehnen. Der Aufruf schließt 
mit den Worten: „Es lebe die soziale Re 
volution!" 
Belgien. 
Ostende bleibt -eine Spielhöhle 
trotz aller Proteste. Bon den feinsten 
Salons ab bis zu den Spelunken herunter 
wird das Harzardspiel unterhalten. Das 
ist kein Wunder, da auch die Behörden 
das Treiben fordern und die Spielsäle des 
Kurhauses im Wege der Verdingung dem 
Meistbietenden zuschlagen. Die Verdingung 
erfolgt auf drei, sechs oder neun Jahre; 
der Pächter hat außer der Pacht jährlich 
150000 Franken an die Stadt zu zahlen 
und zwar je 50000 Franken an die Armen- 
und Krankenanstalten der Stadt nnd 
50 000 Franken zur Organisirnng von 
Festen. Man rechnet also auf reichen 
Spielgewinn. 
Italien. 
Ein großer W allsahrtszug aus 
Amerika wird nach der Meldung des 
„Osservatore Romano" im nächsten Jahre 
in Rom eintreffen. 
Schweiz. 
Bern, 12. Nov. Zufolge neuesten 
Meldungen ist Graf Caprivi entschlossen, 
den ganzen Winter in Montreux zuzu- 
bringen. Dort ist auch Prinz Alexander 
von Preußen eingetroffen nnd im Hotel 
Continental abgestiegen. Graf Caprivi 
hat gestern mit ihm dinirt. 
Rußland. 
Moskau, 12. Nov. Um 8 Uhr Bor- 
mittags traf der erste Zug des kaiserlichen 
Cefolges, um 9 Uhr der zweite und um 
10 Uhr 35 Minuten der Zug mit der 
Der Detect io. 
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich 
„Gewiß, mit Vergnügen." 
Sie holte eine zweite, noch stärker gefüllte 
Mappe herbei und legte sie vor ihm auf den 
Tisch. Aber während er darin blätterte, macht, 
şic plötzlich eine Handbewegung, als ob tir sie 
shni wieder fortnehmen wollte. Ehe ihr dies 
lcdoch gelungen war, hatte er bereits -die 
Nächtige Skizze eines männlichen Kopfes in 
°er Hand, nur wenige Kreidestriche auf ra«- 
hem. dunkelblauem Papier, mehr die bloß, 
Andeutung, als die Skizze -eines Porträts, 
nvft * -f 8 • in Armies Länge vor sich und 
einen l f :unr «5«8 verwunderten Aus- 
': n ?Wa\T m àgm darauf hin. während 
obachtà " -hm ihn.gespannt be 
„Wer ist das?" fragte er nach «er langen 
pause, während sich seine Stimmung zu ver 
düstern und erne dunkle Wolke sew. Gesicht 
beschatten schien. 
»Ein Freund von mir," entgegnen sie 
Z.eichgültig, während sie die Skizze zurüÄegte 
"nd die Mappe forttrug, 
j, 'şine seltsame Achnlichkcit mit jemandem, 
Und kannte," murmelte er vor sich hin 
die sich dabei der Thür zu, während 
Gog, be, gedrückte Stimmnrg der letzten 
ihn wieder ganz zu übermannen schien. 
"^>e heißt er?" 
"R'arl von Foerster." 
ihm hörte ich nie." 
f>y "àin," erwiderte er und erinnerte sich 
fa mährend der Zeit, als die 
jdthat geschah, auf Reisen war. 
"^ch habe das Original der Skizze seit 
längerer Zeit nicht gesehen und bin gespannt, 
ob ich die Achnlichkeit mit Ihrem, Freunde 
auch erkennen werde." 
„Darüber ins Klare zu kommen, würde 
Ihnen unmöglich sein; Karl von Foerster 
ist tot." 
„Todt!" rief sic verwundert. 
»Ja, er wurde ermordet." 
Leiche des Kaisers hier ein. Mit deni- 
selben kamen außer dem Kaiser Nikolaus, 
der Kaiserin-Wittwe, der kaiserlichen Braut 
die Großfürsten Alexis Michaelowitsch nnd 
Alexander Nikolajewitsch mit Gemahlinnen, 
der Prinz und die Prinzessin von Wales 
und die Prinzessin von Coburg-Gotha. Im 
Pavillon erwarteten den Trauerzng die 
Großfürstin Michael Nikolajewitsch und 
Sergius mit Gemahlinnen, sowie sämmt 
liche Geistliche der Hauptkathedrale und 
Kirchen. Bei dem Herannahen des Leichen 
zuges wurde von der Geistlichkeit ein Ge- 
bet gesprochen. Von dem Sarge wurde 
die Decke abgenommen und derselbe als 
dann vom Kaiser, den Großfürsten und 
den Generalen auf den Leichenwagen ge 
stellt. Um 11 Uhr setzte sich die Pro- 
Zession vom Povillon aus in Bewegung. 
Die Generäle Richter und Tscherewin und 
die Generäle der Suite, die Kaiserin- 
Wittwe, die kaiserliche Braut - und die 
übrigen Großfürstinnen fuhren in Trauer- 
Equipagen. Militär schloß den Zug. Bei 
vier Kirchen wurde gehalten zur Ber- 
richtung von Gebeten. Der Trauerzng 
machte auf die in den Straßen dichtge 
drängte Menschenmenge einen tiefen Eim 
druck. Beim Herannahen des Leichen- 
Wagens ließ sich die Menge auf die Knie 
nieder und bekreuzte sich; viele weinten. 
Lange noch drängte sich das Volk in den 
Straßen und vor dem Kreml, sodaß bis 
Uhr der Verkehr vollständig unterbrochen 
war. Indessen herrschte überall tiefes 
Schweigen und musterhafte Ordnung. 
Petersburg, 12. Nov. Die amtlichen 
Blätter veröffentlichen die Hof- und Poli- 
zeiverordnungen über die Ankunft der 
Leiche Alexander's 111., die mor 
gen Bormittag 10 Uhr erfolgen soll. Das 
Publikum kann sich hinter den Spalier 
bildenden Truppen an mehreren Stellen 
auch frei auf dem Trottoir aufstellen. Auf 
Balkönen, Dächern und Zäunen darf Nie- 
mand Platz nehmen. Gegen 9 Uhr Mor- 
gens lverden die den Weg des Leichenzuges 
kreuzenden Straßen gesperrt, solvie die 
Thore der auf dem Wege liegenden Ma 
gazine und Häuser geschlossen. Der Pferde- 
bahnverkehr wird ebenfalls eingestellt. 
^ Durch plötzlichen Schneesturm sind in 
Rußland in der Dreier Gegend mehrere 
Dörfer verweht. Ueber hundert Leute 
verden bisher vermißt, manche sind wahr- 
cheinlich erfroren. Auf der Newa ist 
karker Eisgang, die Schiffbrücken bei 
Petersburg, auch die nach der Peter Paul- 
Elftes Kapitel. 
(Gillwaldts Rückkehr von Monte Carlo. 
.Während Hugo die Worte „er wurde er 
mordet aussprach blickte Fräulein Orlowsky 
-chn regungslos und erwartungsvoll an als 
ob -sic dachte, er würde noch mehr sagen 
Dann, als er verstummte, sagte sie mit theil 
nahnw ollem, bedauerndem Tone: 
„Bstte, verzeihen Sie mir. Ich fürchte, 
durch imeinc Unbedachtsamkeit habe ich schmerz 
liche Erinnerungen in Ihnen geweckt." 
„Haben Sie denn gar nichts von dem 
Morde gelesen oder gehört?" 
„New, ich hasse alle die Unglücksfälle, 
Mordthat«, und Schrcckensgeschichte in den 
Zeitungen und überschlage sie stets mit großer 
Sorgfalt. Das Leben ist so schon traurig 
genug, ohne daß man es sich durch solche 
Scheußlichkeit«! noch mehr vergällen zu lassen 
braucht, antwortete sie achselzuckend. 
"Şie haben -rocht," und dabei öffnete cr 
feie Thür. 
»Nun wir Nachbarn sind, hoffe ich, das 
Sic sich öfter einmal bei mir sehen lassen 
werden. Pünktlich um fünf Uhr mache ich 
'tets eine Taffe guten, starken Kaffee. So 
ft Sie Lust haben, bitte ich Sie, mich dann 
besuchen nnd auch eine Zigarrctte oderl 
dabei ZI, rauchen," und wenngleich| 
ihre Worte ganz gleichgültig .und unbefangen 
klangen, trugen dabei ihre Gosichtszügc doch 
den Ausdruck gespannter Erwartung. 
„Nun, da dürfen Sic erwarten, mich oft 
als Ihren Gast zu sehen." 
Je oster, desto angenehmer -wird cs mit 
sein — auf Wiedersehen." 
Hugo ging über den Flur nach seinem 
gegenüberliegenden Atelier. Groß und.behaglich 
eingerichtet, zeigte es nicht von dem -raffinier 
ten Luxus der Malerin. Matt und .abgespannt 
warf er sich in semen Lehnstuhl, zündete sich 
eine Zigarre an und begann unwillkürlich, 
ich niit seiner neuen Machbarin zu beschäftigen. 
Ihr unbefangenes, offenes Wesen zog ihn -an, 
während ihre Erscheinung ihn entschieden 
abstieß. Wie durch den Gegensatz bedingt, 
erhob sich dann, Cäciliens Bild vor seinem 
geistigen Auge und wieder umfing ihn das 
Gefühl der Einsamkeit, der Verlassenheit und 
des tiefsten Trübsinns. 
,.à' dieses Gefühl zu verbannen, zog cr 
taacillens langen, oft gelesenen letzten Brief 
siu ^ Cl drusttaschc und durchflog ihn von 
neuem Sie berichtete ihm in demselben, daß 
ie sobald es kalt geworden, Florenz verlassen 
und sich auf den Rath eines dortigen deutschen 
Arztes weiter nach dem Süden begeben hätten. 
Jetzt wären sic in Rom, aber nächste Woche 
würden sic vermuthlich nach Neapel odcr 
Sorrent abreisen. Die Ortsverändcrung 
hatte ihrer Tante sehr gut gethan, und sein 
Onkel, der Herr General, wäre so frisch und 
inunter, wie ein Jüngling und fände unge 
meines Vergnügen an dieser italienischen 
Reise. Von sich selber sagte Cäcilie nur 
wcing, aber bat ihn innig und herzlich, alle 
trüben Gedanken aus seiner Seele zu ver 
bannen und der sicheren Hoffnung zu leben, 
daß inan bald den Mörder entdecken würde 
Von seinem Abenteuer im Tiergarten 
wußte sie nichts, da er eifrig darauf bedacht 
gewesen war, daß nichts von den näheren 
Umstanden in die Zeitungen kam, und er ihr 
sclbcr auch kein Wort darüber geschrieben 
hatte. Während er so seinen Gedanken nach 
hing, und sich immer wieder in die liebevollen 
Worte ihres Briefes vertiefte, klopfte c« 
die Thür. Er ries „Herein!" und ein junger 
Mann trat ins Atelier, der, obgleich es ihn 
noch nie gesehen, ihn mit einer freundlich 
vertrauten Bewegung begrüßte. Der Fremd- 
halle eine gesunde Gesichtsfarbe, einen schwachen, 
hellblonden Schnurrbart und üppiges dunkel 
braunes Lockenhaar, welches ihm beinah 
über die Stirn siel. Seine Gestalt war 
chlank und behende und seine Kleidung 
elegant, ja vornehm. „Herr von Markwald?" 
ragte er lächelnd. 
So heiße ich," antwortete jener, sich er 
hebend. 
„Ich besuchte Sic in Ihrer Wohnung 
aber da ich Sic dort nicht fand, kan, ich 
Ihnen nach dem Atelier nach," fuhr er fort 
rings um sich blickend. ' ' 
H^Sic wünschten mich zu sprechen - fragte 
„Gewiß." 
„In Geschäften?" 
„Allerdings, ‘ antwortete der Fremde mit 
einem kurzen Nicken. 
Hugo begann eine gewisse Ungeduld über 
diese dreiste Unbefangenheit zu empfinden und 
fragte etwas scharf: 
„Was wünschen Sie?" 
„Das werden Sic bald hören," erwiderte 
der andere gelassen. 
„Je eher, desto besser." 
Der Fremde legte seinen Hut und Srock 
auf den Tisch, ließ sich in einen Lehnstuhl 
sinken und fragte freundlich: 
„Wollen Sic nicht lieber auch Platz nehmen?" 
Der Künstler war im Begriff, eine zornige 
Antwort zu geben, aber dann überwog das 
Empfinden des Lächerlichen über die Anst 
fühnmg dieses Menschen, und er bemerkte nur: 
„Ich habe keine Zeit übrig, also sagen Sie 
schnell nnd ohne Umschweife, was Sie mir 
mitzutheilen wünschen." 
Sein Gash blickte ihn belustigt an, lachte 
laut auf und schlug sich dabei mit den Händen 
auf die Kniee, so daß Hugo auf den Ge 
danken kam, der Mensch müßte wohl ans 
dem Tollhausc entsprungen sein. 
„Sie kennen mich also nicht?" fraate 
jener endlich. 
„Nein!" rief Hugo ungeduldig. 
„Gottfried Gillwaldt, zu Ihren Diensten," 
lautete die Antwort in der natürlichen Stimme 
des Sprechenden. 
Hugo starrte ihn eine Secunde in stummcr 
Verwunderung an, faßte sich dann und rief 
erfreut: „Gerade Sie wünschte ich jetzt mehr 
zu sehen, als irgend jeniand sonst." 
„Nun, hier bin ich, Herr von Markwald." 
„Ja, aber wo waren Sic inzwischen?" 
„Unterwegs." 
„Sic hörten, was mir zugestoßen?" 
„Gewiß, eine gute Gelegenheit ließen Sie 
ich entschlüpfen. — nie wird sie Ihnen 
wiederkehren. Ich hatte eigentlich gedacht, daß 
Sic besonnener und geschickter gehandelt haben 
würden, aber das laßt sich nun einmal nicht 
mehr ändern." 
„Ich weiß, ich handelte vorschnell, aber 
das Blut kochte mir, und ich konnte nicht 
anders, als den Burschen an die Kehle packen,
	        
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