Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

und Nacht kaum von der Seite des Ge> 
mahls wich, nur noch die ältesten Kinder, 
der jetzige Kaiser und die Großfürstin 
Xenia, regelmäßig ihren schwer leidenden 
Vater. Die einzige Ausnahme machte 
noch Fräulein Decalle, die einstige Er 
zieherin der Kaiserin und der Prinzessin 
von Wales, eine liebenswürdige Belgierin, 
die häufig besuchsweise am Zarenhofe 
weilt. Sie unterstützte die Kaiserin bei 
ihrer aufopfernden Pflege, und gern ließ 
sich der Kaiser die Handreichungen dieser 
ihm von jeher ungemein sympathischen 
alten Dame gefallen, die er in gesunden 
Tagen während der traulichen Familien- 
theestunden oft an seine Seite ries und 
durch längere Unterhaltung auszeichnete. 
Die letzte Unterschrift soll der Kaiser am 
12.24. Oktober vollzogen haben. Von 
da ab machte die Krankheit reißende Fort 
schritte, trotz der dazwischen fallenden 
scheinbaren Besserung, in der sich bei dem 
Kranken sogar der ihm sonst eigene gute 
Humor wieder einstellte. So hatten ihm 
die Aerzte dringend angerathen, selbst 
wenn er sich nach eingetretenem Schlaf 
besser fühlen sollte, am Morgen das Bett 
nicht zu verlassen. Nichtsdestoweniger 
fand Professor Sacharjin bei einem frühen 
Morgenbcsuch den Kaiser bereits außer 
halb des Bettes und fragte verwundert, 
ob vielleicht ein anderer Arzt das ange 
ordnet habe. Nein, kein Arzt, antwortete 
mit ernstester Miene der Kaiser, es geschah 
auf „allerhöchsten Befehl" ! 
Wie die „Köln. Ztg." aus Petersburg 
meldet, ist der nach .Livadia abgesandte 
K a i s e r s a r g auch Eichenholz mit gc- 
hämmertem Golde überzogen und mit dem 
Reichswappen aus gediegenem Golde und 
Goldfransen geschmückt. Er ruht auf gold 
ncn Löwentatzen und ist innen mit Kupfer 
ausgelegt und mit weißem Seidenstoff mit 
Daunen ausgeschlagen. Das Sargtuch ist 
von Goldbrokat mit Hermelinborde, der 
dazu gehörige Katafalk ist mit Goldbrokat 
überzogen. 
Bioskau, 5. Nov. Die Stadtverordneten- 
Bersammlung beschloß die Genehmigung 
nachzusuchen, daß es den Stadtverordneten 
bei der Ueberführung der Leiche Kaiser 
Alexander's durch Moskau gestattet werde, 
einen Trauergottesdienst am Sarge abzu 
halten, einen von der Stadt Moskau ge 
widmeten Kranz niederzulegen und eine 
Deputation zur Ueberführung der Leiche 
nach Petersburg zu entsenden. Für den 
Trauerschmuck Rußlands sind 50000 
Rubel angewiesen. Die Deputation soll 
die unerschütterlichen Gefühle der Treue 
und Ergebenheit und die Liebe der Stadt 
Moskau zu dem Kaiser und seinem Hause 
ausdrücken. 
Am Sonnabend hat in Livadia der 
Hebertritt zur orthodoxen Kirche der 
Prinzessin Alix von Hessen, 
wie wir gestern bereits mitgetheilt haben, 
stattgefunden und ein kaiserliches Manifest 
verkündet dies dem russischen Volke. Die 
Braut des Zaren Nikolaus hat die Namen 
Alexandra Feodorowna erhalten. In eng 
lischen Blättern wird der Ansicht Ausdruck 
gegeben, daß die künftige Kaiserin von 
Rußland eine Bürgschaft für die guten 
Beziehungen zwischen Deutschland und 
Rußland sein werde. Die Abneigung 
Nikolaus ll. gegen religiösen Fanatismus 
müsse früher oder später auch zu der Be 
seitigung Pobedonoszew's führen, der in 
Wahrheit der Führer der Panslavisten ge 
wesen sei. Aus London wird übrigens 
auch der „Budapester Correspondenz" eine 
interessante Mittheilung über die politischen 
Ansichten des neuen Zaren gemacht. 55a 
nach hätte im vorigen Jahre der Groß- 
sürst-Thronfolger im Kreise seiner könig 
lichen Verwandten gesagt: „Rußland 
braucht immer und unter allen Umständen 
den Frieden, denn seine Hauptaufgabe be- 
steht darin, den inneren Frieden herzu- 
„Ich halte den Kerl für einen schlauen 
Schurken. Er lief ein nicht geringes Risiko 
aber er war entschieden kühn. Natürlich war 
cs ihm nur um den Raub zu thun, und ich 
glaube, daß er seinem Opfer den ganzen 
Weg von Monte Carlo bis nach Berlin 
folgte." 
„Aber Niemand war dort oder später in 
Gesellschaft des Ermordeten gesehen worden 
mit Ausnahnic des Grafen von der Pforten 
welcher zur Zeit des Mordes in Rom weilte." 
„Natürlich wurde Niemand in seiner Ge 
sellschaft gesehen. Der Schurke war kein Narr 
— er paßte seine Gelegenheit ab und ergriff 
sie im richtigen Augenblick. 
„Ich bin fest entschlossen, ihn aufzuspüren!" 
rief Hugo energisch. „Das Glück meines Le 
bens und vielleicht auch noch das eines au 
dcrn hängt davon ab, daß ich völlig von 
diesem Verdacht gereinigt werde." 
„Aber sie hätt Sie doch nicht für schuldig?" 
fragte Gillwaldt mit einem Lächeln. 
„Nein, dem Himmel sei Dank. Ich wollte, 
Sie selbst könnten mir helfen," fuhr Hugo 
bittend fort, „und wenn Sie selbst die Sache 
nicht in die Hand nehmen wollen, dann 
könnten Sie niir doch eine geeignete und zu 
verlässige Kraft enipfehlen. Der Kriminal 
kommiffar Jlgner verfolgt die Sache au- 
eigene Hand, aber aus persönlichen Gründen 
möchte ich lieber jemand anders mit den 
Nachforschungen in meinem Interesse betrauen." 
(Forffetzung folgt.) 
kellen." Als bemerkenswertst verdient her 
vorgehoben zu werden, daß der neue Zar 
auch gegen Bulgarien eine andere Haltung, 
wie Alexander III., einzunehmen gewillt 
cheint. Die Kundgebung der Theilnahme 
in der bulgarischen Sobranje sowie die 
Beileidsdepesche des Fürsten Ferdinand hat 
der Zar in „huldvoller Weise", wie sich 
Ministerpräsident Stoilow ausdrückt, be 
antwortet und den Fürsten von Bulgarien 
sowie der Volksvertretung seinen Dank aus 
gesprochen. In Bulgarien knüpft man 
daran die besten Hoffnungen für die Zu 
kunft. 
Petersburg, 4. Novbr. Anläßlich der 
erfolgten heiligen Salbung der kaiserlicheu 
Braut findet heute in der Isaaks-Kathedrale 
ein feierliches Tedeum statt. Die Notabi- 
litäten, die Generalität und das Offizier 
korps sind aufgefordert worden, demselben 
beizuwohnen. 
Dänemark. 
Mit tiefer Erschütterung hat man in 
Kopenhagen die Nachricht vom Tode des 
Zaren empfangen. Ein vom 28. Oktober 
datirter Stimmungsbericht verweist auf die 
persönlichen Sympathien, deren sich der 
Zar unter der Bevölkerung der dänischen 
Hauptstadt erfreute. Seine häufigen Be 
suche bei seinen Schwiegereltern hatten ihn 
zu einem halben Kopenhagener gemacht, 
auch war er in Dänemark selbst begütert, 
da er sich vor einigen Jahren ein kleines 
Gut in der Umgegend von Fredensborg 
gekauft hatte. Jedes Jahr sah man ihn 
in Kopenhagen und Fredensborg und sein 
schlichtes Auftreten gewann ihm die Herzen. 
Es war ohne Zweifel die glücklichste Zeit 
seines Lebens, die der Zar in Fredensborg 
verbrachte. Er verkehrte hier mit Allen 
in freundlichster Weise. Er war hier aller 
Regierungssorgen entledigt, und da er kein 
Attentat zu fürchten brauchte, lebte er wie 
ein glücklicher Privatmann im Familien 
kreise. Seine zahlreichen, kleinen englischen, 
griechischen und dänischen Neffen u. Nichten 
vergötterten ihn, da er immer mit ihnen 
spielte und mit Freude und Lust an allen 
ihren Ausflügen und Promenaden theil- 
nahm. Er pflegte hier so frei zu ver 
kehren, daß er sogar oft die Pferdebahn 
benutzte und oft neben dem ersten, besten 
Arbeiter Platz nahm. Oft, wenn er mit 
seinen Neffen und Nichten in Kopenhagen 
oder Fredensborg spazierte, trat er mit 
ihnen in eine kleinere Conditorei ein, wo 
er Kuchen und Delikatessen kaufte und sie 
unter den Kindern vertheilte. Einmal ging 
er mit ihnen zu einem kleinen Gewürz 
krämer bei Fredensborg, wo er den ganzen 
Laden „ausplünderte" — zu großer Freude 
der Kinder, die, mit der Beute reich be 
laden, nach dem Schlosse zurückkehrten 
Eines Tages kam ein hochgestellter rus 
sicher Beamter nach Fredensborg, um mit 
dem Zaren über eine wichtige politische 
Angelegenheit zu verhandeln. Er wurde 
m den Schloßgarten geführt, aber wer 
schildert sein Erstaunen, als er den Selbst 
herrscher auf der Erde liegen sieht, wäh 
rend seine Neffen über ihn her springen, 
ihm die Haare zerzausen, ihn prügeln u. 
w. Seine Schwiegermutter, die Königin 
Louise, hat ihn auch oft in vertraulichen 
Augenblicken „das große Kind" genannt. 
Für seine Schwiegereltern hegte der Zar 
die größte Liebe und Hochachtung. Bon 
der Königin Louise soll er oft gesagt haben: 
„Welche Frau hat sie nicht für mich er 
zogen!" Man versteht daher, wie groß die 
Trauer der Schwiegereltern jetzt sein muß. 
Schon im vorigen Jahre war jedoch die 
Freude über den Besuch des Zaren in 
Fredensborg getrübt, weil man seine ab 
gespannten Gesichtszüge und die bleiche 
Farbe mit großer Besorgniß bemerkte. 
Auch das wiederholte Nasenbluten erregte 
Unruhe und wurde in ärztlichen Kreisen 
als ein gefährliches Symptom betrachtet. 
Man konnte jedoch den Zaren nicht dazu 
bewegen, sich ärztlicher Hülfe zu unterziehen, 
und wenn die Zarin ihn dringend bat, sich 
untersuchen zu lassen, wurde sie so schroff 
abgewiesen, daß sie es nicht wagte, die 
Bitte zu wiederholen. Als der Zar an 
läßlich der silbernen Hochzeit des Kron 
prinzen im Juli nicht, wie er versprochen 
hatte, nach Kopenhagen kam, wußte man 
in Hofkreisen, daß er sehr leidend sein 
mußte. 
Arnnkreicb 
Paris, 5. Nov. Das Manifest des 
Zaren wird nirgend commentirt. Der 
„Figaro" hebt die Wichtigkeit der Stettiner 
Rede des deutschen Kaisers hervor. Er 
glaubt, der deutsche Kaiser wolle den 
Zaren durch das Anerbieten der Freund 
schaft von dem friedlichen Wege ablenken; 
das Blatt hofft aber, der Zar werde dem 
gegenüber in den Traditionen der väter 
lichen Politik verharren. Der sozialistische 
Deputirte, Jaures bezeichnet in der „Petite 
Republique" die Behauptung als unwürdig 
für den Zaren, und für Frankreich, es 
müsse Frankreich mit dem deutschen Kaiser 
in der Raschheit der Freundschafts-Kund- 
gedungen wetteifern. Wir erwarten Sym 
pathien, sagt es, erbetteln sie aber nicht 
Jaures mahnt, bei den Kundgebungen den 
Nationalstolz zu bewahren und nicht durch 
einen Uebereifer und ein monarchistisches 
Höflingsthum die Würde des Landes und 
der Revolution bloszustellen. Der „Figaro" 
verlangt, die Regierung solle eine große 
religiöse Ceremonie anordnen, um nicht 
hinter den monarchistischen Ländern zurück 
zustehen. Der „Gaulois" fordert eine 
glänzende Begräbniß-Delegation, bestehend 
aus mehreren Generälen, Admiralen und 
vielen Offizieren aller Waffengattungen, 
um nicht von den anderen Mächten über 
troffen zu werden. 
Paris, 4. Nov. Seitens der hiesigen 
russischen Colonie wurde eine Subscription 
eröffnet, um zu den Beisetzungsfeierlichkeiten 
für Kaiser Alexander III. einen sil- 
bernen Kranz zu senden, den eine be 
sondere Abordnung überbringen soll; auch 
unter der hiesigen Bevölkerung wird eine 
Sammlung eröffnet. 
Paris, 3. Nov. Die Blätter „Jour" 
und „Paris" bezeichnen den Krieg mit 
Madagaskar sals unvermeidlich. Es 
verlautet, daß von der Kammer für diesen 
Krieg ein Credit von 30 Millionen Francs 
verlangt werden wird. 
Paris. In der gestrigen Sitzung des 
französischen Ministerrathes theilte der 
Kriegsminister General Merrier mit, daß 
er den Militärgouvernenr von Paris be 
auftragt habe, die Untersuchung gegen den 
Hauptmann Alfred Dreyfnß vom 
14. Artillerieregiment, der kommandirt ist 
zum Generalstabe der Armee, zu führen, 
welcher beschuldigt ist, dem Auslande Mit 
theilungen über geheime Dokumente des 
Kriegsministeriums verschafft zu haben. 
Dagegen beruht die Meldung, daß er die 
Spionage für Deutschland verübt habe, 
auf Unwahrheit. 
England. 
London, 4. Nov. Ueber den Schiff 
bruch des Dampfers „Wairarapa" an der 
Nordküste von Neuseeland, wird noch ge 
meldet, daß die Passagiere sich bereits zur 
Ruhe begeben hatten, als das Schiff auf 
fuhr. Die Passagiere stürzten in noth- 
dürftigster Kleidung auf Deck, es gelang 
indessen die Panik zu bewältigen, und die 
Mannschaft vermochte mittelst der Rettungs 
boote die Passagiere an's Land zu bringen. 
Allein die hochgehenden Wogen brachten 
mehrmals die Boote zum Kentern und auf 
diese Weise verloren die meisten der Ver 
unglückten ihr Leben. Eine weitere An 
zahl wurden von den Wellen von der 
Kommandobrücke geschleudert, wohin sie sich 
geflüchtet hatten, da das Schiff bald zu 
finken begann. Andere kletterten in das 
Takelwerk und erst nach Tagesanbruch 
gelang es zwei Matrosen mit Rettungs 
leinen an das Ufer zu schwimmen und 
mittelst derselben die noch Ueberlebenden 
auf die Klippen zu schaffen. Hier mußten 
sie weitere 30 Stunden verbringen ohne 
andere Nahrung als die Orangen, welche 
vom Wrack ans Ufer gespült wurden. 
Maori-Boote entdeckten endlich die Schiff 
brüchigen und brachten von Port Fitzroy 
Hilfe. Der Gesammtverlust wird vorläufig 
wie bereits mitgetheilt, ans 134 Personen, 
111 Passagiere und 23 Mann der Besatz 
ung angegeben. Die Zahl der Geretteten 
ist noch unbekannt. 
Oesterreich. 
Aus Budapest wird gemeldet: In Sze- 
gedin wurde der 32jährige Pfeifenwaaren- 
Fabrikant Anton Faragu in einem 
Straßengraben erdrosselt aufgefunden. 
Wie die Polizei feststellte, wurde Faragu 
von seiner Braut, der Näherin Julie 
Balasz, die er sich infolge einer plötzlichen 
Sinnesänderung zu heiratheu weigerte, in 
ihre Wohnung gelockt, wo ihm die Balasz 
in Gesellschaft mit drei bei ihr angestellten 
Näherinnen plötzlich eine Schlinge um den 
Hals warf und ihn erwürgte. Die vier 
Frauen trugen dann die Leiche in den 
Straßengraben, wo sie aufgefunden wurde. 
Budapest, 5. Nov. Eine Budapester 
Correspondenz erhält authentisch die ver 
bürgte Mittheilung: Der neue Zar 
äußerte im vorigen Jahre bei seinem Be 
suche in London seinen Verwandten gegen 
über wörtlich : „Wir selbst brauchen immer 
Frieden, weil auch wir den inneren Frie 
den im russischen Volke organisiren." 
Prag, 5. Nov. Da der Zuckerrübe die 
Gefahr des Erfrierens droht und Mangel 
an Arbeitskräften herrscht, gestattete der 
Uiiterrichtsminister auf eine telegraphische 
Vorstellung mehreren Gemeinden des Czas- 
lauer Bezirkes die Befreiung der Kinder 
der Arbeiterbevölkerung vom Unterricht, 
behufs Mithülfe zur Einbringung der 
Rübe; auch Sträflinge werden zur Herein 
bringung der Rübe verwendet. 
Inland. 
seines Verhaltens in Kamerun durch Aus 
scheiden aus dem Reichsdienste entzogen 
habe, falsch gewesen. 
Berlin, 3. Nov. Die „Kreuzztg." schreibt: 
Gegenwärtig laufen Gerüchte hier um, daß 
die Abberufung und Rückkehr des Gouver 
neurs v. Zimmerer binnen kurzem bevor 
stände. Da die Amtsthätigkeit des Assessors 
Wehlau, der jetzt vor einer Disciplinar- 
kammer abgeurtheilt werden soll, ganz in 
die Zeit falle, in welcher der Gouverneur 
auf seinem Posten war und die Annahme 
nahe liege, daß die Leitung der Verwal 
tung nicht allen Erwartungen entsprach, 
erhalte das Gerücht von der Abberufung 
des Gouverneurs einige Wahrscheinlichkeit. 
Bestärkt werde diese Vermuthung dadurch, 
daß schon der Nachfolger des Herrn von 
Zimmerer genannt wird. Es heißt, daß 
der jetzige Kaiser!. Kommission von Togo 
I. v. Puttkamer auf den Posten in Käme- 
run versetzt werden würde, den er schon 
einmal vertretungsweise verwaltet hat. 
— Eine am Donnerstag abgehaltene 
allgemeine Jnnungs- und Handwerker-Ver- 
sammlung hat in einer Resolution die Re- 
gierung aufgefordert, die Beiträge für die 
Arbeiterversicherungsgesetze durch 
eine allgemeine Steuer aufbringen zu 
lassen. Außerdem wurde eine Resolution 
gegen Einführung der zwölfstündigen Ar 
beitszeit im Bäckereigewerbe gefaßt. 
Ein Beileidstelegramm des Oberbürger 
meisters von Darmstadt hat Zar Nikolaus II. 
wie folgt beantwortet: „Ich sende Ihnen 
als dem Vertreter der Stadt Darmstadt 
meinen tiefgefühltesten Dank für Ihre 
warme Theilnahme an dem schweren Schick 
salsschlag, der mich und mein ganzes Land 
getroffen hat. Wie sehr hatte ich gehofft, 
diesen Herbst nach Darmstadt zu kommen. 
Nikolaus." 
Karlsruhe, 5. Nov. Wie die „Karls 
rnher Zeitung" bekannt giebt, hat die 
badische Regierung den Posten eines G e 
sandten am bayrischen Hofe, 
der gleichzeitig in Stuttgart beglaubigt 
werden soll, geschaffen und hierzu den 
Kammerherrn Freiherrn von Bod mann 
designirt. 
Straßburg, 5. Novbr. Die Ernennung 
des Fürsten Hohenlohe-Langenburg 
zum kaiserlichen Statthalter von Elsaß- 
Lothringen wird in Presse und Publikum 
hier sehr gut aufgenommen. Seine Eigen 
schäften als Süddeutscher wie als Civilist 
erwecken hier großes Zutrauen. Auch die 
Ernennung eines gewöhnlichen Verwal- 
tuugsbeamten würde nicht so ganz befrie 
digt haben; der Elsässer hat eine Neigung 
für äußeren Prunk und man konnte es 
gestern verschiedentlich im Volke betonen 
hören, daß es ivieder einen „Hof" gäbe. 
Um nur die einheimische Presse zu erwäh 
nen, heißt das „Els. Journ." den Fürsten 
Hohenlohe-Langenburg herzlich willkommen 
und spricht die Hoffnung aus, „daß der 
neue Statthalter in die Fußstapfen seines 
Vorgängers treten, dessen mildes und ver 
ähnliches Regiment fortsetzen und für den 
politischen Ausbau des Landes wirken 
wird. Dann Ivird das Land dem neuen 
Statthalter dasselbe Vertrauen, dieselben 
ympathien entgegenbringen wie seinem 
Vorgänger, dessen Weggang man so leb 
haft beklagt und dem man ein unauslösch 
liches dankbares Andenken bewahren wird." 
Einige Blätter, namentlich diejenigen kleri 
kaler Richtung, sind zurückhaltend. Daß 
aber die klerikale Partei keinen Anlaß hat. 
etwa in der evangelischen Confession des 
neuen Statthalters an sich einen Grund 
zum Mißtrauen zu sehen, dürfte sie sich 
aus ihren eigenen Erfahrungen mit dem 
Freiherrn von Manteuffel, unserem ersten 
Statthalter, sagen, der trotz seines prote 
stantischen Bekenntnisses gerade im Klerus 
zahlreiche Verehrer hatte. 
Die Errichtung eines Heine 
Denkmals in Mainz haben die dorti 
gen Stadtverordneten nach jahrelangen 
Zaudern nun doch abgelehnt. Ein 
solcher Ausgang war vorauszusehen ange 
sichts der vielen Winkelzüge, mit denen 
man dort seit lange einem offenen Ja 
oder Nein auszuweichen suchte. 
Aus Bayern, 5. Nov. In Niederbayern 
wird dom Bauernbund eine Bewegung 
organisirt, die darauf hinausgeht, Stun 
dung der alsbald fälligen Bodenzinse 
bis zum März zu erstreben. 
Lübeck, 4. Nov. Der Senat hat für 
die deutsch-nordische Industrie-Aus 
fiel lung 100000 Mk. und die Handels 
kammer 25000 Mk. bewilligt. 
— Die Stellung des kommandirenden 
Generals v. Seeckt, welche einige Zeit 
lang in Folge der gegen ihn wegen seines 
polenfreundlichen Verhaltens erhobenen Vor 
würfe erschüttert schien, gilt, wie dem 
„Ges." aus Posen geschrieben wird, in 
unterrichteten Kreisen als wieder befestigt. 
Es soll sogar gelungen sein, den Kaiser 
davon zu überzeugen, daß das politische 
Verhalten des Generals sich in einer für 
die Entwickelung der Provinz Posen durch 
aus förderlichen Richtung bewege. 
— Binnen kurzem wird, Me nach der 
„Kreuz-Ztg." verlautet, in dem Disciplinar- 
Verfahren gegen den Assessor Wehl lau 
ein Termin der Disciplinarkammer statt 
finden. Danach wäre die Nachricht, daß 
Wehlau sich der Verantwortung wegen 
Provinzielle-. 
In einer der letzten Nächte ist auf dem 
Bahnhöfe in Oldesloe ein bedeutender 
Güterdiebstahl verübt. Ter oder die Diebe 
haben von den auf den Geleisen stehenden 
Güterwagen, welche eine Nacht dort standen 
die Plomben abgeschnitten und aus den 
Wagen 11 Ballen Halbleinen im Gestimmt 
gewicht von 380 Kilogramm, sowie 1 Sack 
Wollgarn von 21 Kilogramm und 1 Ballen 
Manufakturwaaren von 11 Kilogramm ge 
stohlen. Die Waaren haben einen Werth 
von 1000 Jt. 
Neumüuster, 4. Nov. Von dem Abend 
zuge von hier nach Oldesloe wurden am 
Mittwoch dicht vor Segeberg zwei fette 
Ochsen, die auf das Bahngeleise gerathen 
waren, überfahren und getödtet. 
Die Eheleute Abuahmemann Peter Jöns 
und Frau in Klein-Beunebeck bei Kropp 
vierten am 30. Oktober das schöne Fest 
der goldenen Hochzeit. 
Erfdk, 6. Nov. Bei dem vor einigen 
Tagen anberaumten Verkaufstermin der 
Wittwe Suhr in Oha kaufte Herr Henning 
Plähn Hierselbst die Gastwirthfchaft mit 
ca. 10 Hektar Land für die Summe von 
reichlich 20 000 Mark. Der Antritt er- 
blgt «m 1. Jannar 1895. Die Gast- 
wirthschaft wurde in früheren Jahren von 
Reisenden sehr besucht und hört mau all 
gemein, daß der Preis ein niedriger ist. 
Im gerichtlichen Verkaufstermin der 
den Erben der verstorbenen Wittwe Schacht 
rm Süderende belegenen drei Häuser nebst 
Gärten, erhielt der Landmann Johann 
Kaiser den Zuschlag für den sehr billigen 
Preis von 3020 Mk. 
ISS Nortorf, 5: Novbr. In der ver 
gossenen Woche fanden in hiesiger Gegend 
viele Treibjagden statt. Da es hier recht 
viele Hasen giebt, war die Jagdbeute auch 
allenthalben eine befriedigende. So wurden 
in Langwedel 48 Hasen erlegt. — Die 
Müller klagen sehr über nasses Korn. Da 
die Mühlensteine von dem Mahlen des 
nassen Kornes sehr schnell stumpf werden, 
müssen dieselben alle zwei bis drei Tage 
geschärft werden, wodurch viel Zeit und 
Verdienst verloren geht. 
ff- Rendsburg, 6. Nov. Heute sind es 
125 Jahre her, daß der Grundbesitz des 
Kaufmannes und Stadtverordneten Chr. 
Mohr sich vom Vater auf Sohn und zwar 
immer auf die Namen Chr. Mohr ver 
erbte. Dieser Umstand veranlaßte Freunde 
und Bekannte, sich im Haufe des Herrn 
Chr. Mohr zu einer Jubelfeier zusammen 
zu finden Eine Frühstückstafel vereinigte 
die Versammelten mehrere Stunden in der 
heitersten Weise und trug eine von der 
Musikkapelle des Infanterie - Regiments 
Nr. 85 gebrachte Morgenmusik wesentlich 
zur Erhöhung der Feier bei. Möge dieser 
schöne Tag Herrn Chr. Mohr noch lange 
in Erinnerung bleiben. 
ş Rendsburg, 5. Novbr. Behufs Ueber 
nahme der Eisenbahnbrücken bei Osterrön- 
eld und der Straßenbrücke bei dem Schützen 
hofe war hier heute anwesend als Dirigent 
Geh. Regierungsrath Loewe und als Mit- 
dirigent Geh. Regierungs- und Baurath 
Fälscher, sowie der König!. Baurath Koch. 
In der genannten Veranlassung war eine 
kleine Feier veranstaltet von der Firma, 
welche die Brücken erbaute. An derselben 
betheiligten sich außer dem Baurath Görtz 
verschiedene Baumeister von dem hiesigen 
Bauamte, Ingenieur Ries, als Vertreter 
der Firma Holzmann & Co. und Zimmer- 
meister Haase Hierselbst als Erbauer der 
Gebäude zur Aufnahme der Maschinen, 
durch welche das Oeffnen und Schließen 
der Brücke besorgt wird. Um 11 Ubr 
wurde in der „Eiderhalle" ein kleines 
Frühstück eingenommen und daraus mit 
dem festlich geschmückten Dampfer „Rends 
burg" zunächst nach den Eisenbahnbrücken 
gefahren. Hier wurde die Maschinen 
station besichtigt und die Brücken wurden 
darauf einer Drehprobe unterworfen. 
Von hier wurde dann die Fahrt längs 
dem Kanal fortgesetzt. Die Straßen 
brücke bei dem „Schützenhofe" w»» 
mit Fahnen, Flaggen und Tannengrü» 
prächtig geschmückt, und es hatte sich ein 
ziemlich zahlreiches Publikuiu eingefunden, 
um der Feier beizuwohnen. Um V 2 3 legte 
der Dampfer „Rendsburg" unmittelbar 
vor der Brücke an. Dieselbe wurde jetzt 
auf kurze Zeit gesperrt, um gleichfalls einer 
Drehprobe unterzogen werden zu können. 
Dieselbe fiel gut aus. Herr Photograph 
Mertens hicrs. war bestellt, eine Aufnahme 
von der geöffneten Brücke, auf welcher sich 
die Bauherren gruppirt hatten, zu machen- 
Darnach begaben sich die Herren nach 
„Greens Hotel", woselbst das Diner ein 
genommen wurde. Die Königsstraße hatte 
anläßlich des Ereignisses geflaggt. 
8. Rendsburg, 8. Novbr. Im Theate* 
des Apollosaals gelangte gestern Abend 
von der Gesellschaft des Schleswiger 
Stadttheaters „Der Herr Senator" zu» 
Aufführung. Lustspiel von Schönthau und 
Radelburg. Die Vorstellung reihte sich 
den früheren Vorstellungen der diesjährige» 
Saison würdig an. Der Inhalt des 
Stücks war ein ansprechender, die Aussah' 
rung musterhaft. Von der Befriedigung 
der Zuschauer zeugte am Besten der lauM 
Beifall der immer wieder zum Durchbruch 
kam. Herr Direktor Peters hat mit dei» 
„Herrn Senator" zweifellos einen gute» 
Griff gethan. Das Haus war fast bis aNI 
den letzten Platz gefüllt. 
< Rendsburg, 6. Nov. Gestern Nach' 
mittag fiel ein kleiner Knabe beim Spiele» 
in den Stegengraben und wurde von einet» 
Anwohner herausgezogen. Dem 
zogenen Arzt gelang es auch, den fast 
losen Knaben wieder zum Leben zu brşşN- 
leider verstarb dieser aber heute früh a 
den Folgen des Falles. 
ff- Rendsburg. 6. Nov. Ein Kşş' 
toelcher seinem Dienstherrn fortgesetzt^ 
die er beim Bäcker bei Abholung 
Waaren gleich bezahlen sollte, untersch . 
wurde gestern hier auf Veranlassung 
Dienftherrn zur Haft gebracht., 
LÄv. 
P'
	        
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