Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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ten Discretion geführt. Die Lösung wird 
in ganz kurzer Zeit erfolgen können. Dem 
„Soir" zufolge ist der Verhaftete ein Ar 
tilleriehauptmann. 
Paris, 1. Novbr. Die Hochverraths- 
Affaire wird bestätigt. Der Offizier heißt 
Alfred Dreyfuß; er stammt aus angesetzt- 
ner israelitischer Familie, ist verheirathet 
mit der Tochter des Diamantenhändlers 
Hadamand und Vater zweier Kinder. Drey 
fuß ist wohlhabend. Er bewohnt ein vor- 
nehmes Appartement in der Avenue Tro- 
cadero, soll aber durch seine Svielleiden- 
fchaft zu dem Verbrechen verführt worden 
fein. Als Artillerie-Hauptmann gehörte 
er dem ersten Bureau des Kriegsministe 
riums, daß die Mobilisirung organisirt, an. 
Seit vierzehn Tagen ist er im Militär- 
Gefängniß in Haft; er soll ein Geständniß 
abgelegt haben. Da die Behörden das 
Gcheinmiß streng bewahren, so cirkuliren 
verschiedene Gerüchte über die Art des 
Verbrechen. Er soll an Italien den Mo- 
bilisirungsplan des fünfzehnten Armeekorps 
und Pläne von der Alpenbefestigung ver 
kauft haben. Andere sagen, er habe an 
Deutschland und Oesterreich die Namen der 
französischen Offiziere verkauft, die in ge 
heimer Mission in das Ausland gehen. 
Das Kriegsministerium versichert, die ent 
wendeten Papiere seien ohne große Be- 
deutung. Der Schuldige wird demnächst 
vor dem Kriegsgericht erscheinen. Es vcr- 
lautet, der Kriegsminister wolle ihn er- 
schießen lassen. Der Stand der Gesetz 
gebung erlaubt aber nur eine Maximal- 
strafe von fünf Jahren Gefängniß. 
Oesterreich. 
Aus Wien meldet die „Voss. Ztg.": 
Durch die Capelle des dritten Infanterie- 
Regiments gelangte der „Sang an Ae- 
gir" im Saale des Hotel Habsburg, der 
aus diesem Anlaß dicht gefüllt war, zur 
erstmaligen Aufführung. Das Tonwerk 
erntete stürmischen Beifall und mußte 
wiederholt werden. 
Dänemark. 
Eine Bauernfrau auf der Insel Lolland, 
deren Mann feine ganze Milch, 30—40,000 
Pfd. jährlich, an eine Genossenschafts- 
Meierei lieferte, hat im Laufe mehrerer 
Jahre, theils von der Abendmilch eine 
Tasse von der obersten Schicht abgenommen 
um diese als Rahm zu verwerthen, theils 
das Mädchen, welches den Milcheimer mit 
Wasser ausspülte, veranlaßt, dieses Spül 
wasser, ca. einen halben Liter, in den 
Transporteimer zu thun. Für diese Be 
trügerei, wodurch der Meierei ein Verlust 
von ca. 100 Kr. erwachsen, wurde die 
Frau zu 14 Tagen Gefängniß verurtheilt, 
welches Urtheil vom Höchstengericht bestä 
tigt worden ist. 
Inland. 
— Justizminister v. S ch el li n g scheint, 
wie die „Naiionalztg." meint, schon vor 
seinem Jubiläum am 12. Dezember vom 
Amt zurücktreten zu wollen. 
Berlin, 1. Nov. Landwirthschaftsminister 
von Heyden wird, falls seine Demission 
endgültig angenommen ist, eine Oberpräsi 
dentenstelle übernehmen. Als sein Nach 
folger wird der bisherige Oberpräsident 
von Posen, Herr v. Wilamowitz-Möllendorf 
bezeichnet. 
Berlin, 1. Nov. Am Sonnabend, den 
3. d. M., findet beim Finanzminister Dr. 
Miguel ein großes Diner statt, wozu 
die Minister und Staatssekretäre geladen 
sind. 
— Ueber Friktionen zwischen dem 
Kaiser und dem Grafen Caprivi 
berichten jetzt nachträglich die „Hamburger 
Nachrichten": „Daß bei der Entlassung 
des Grafen Caprivi auch seine Stellung 
zur K o l o n i a l p o l i t i k eine nicht un 
bedeutende Rolle gespielt hat, darf nun 
mehr als sicher betrachtet werden. Gerade 
in der letzten Zeit hatte der Kaiser mehr 
fach Gelegenheit genommen, dem Reichs 
kanzler seinen Willen kundzugeben, daß die 
Kolonialpolitik in energischerer Weise als 
bisher geführt werde, und hatte diesem 
Willen durch Entschlüsse Ausdruck gegeben, 
die mit den kolonialpolitischen Ansichten 
des Kanzlers nicht in Einklang standen. 
Die feste Haltung der Reichsregierung 
gegenüber den englisch-neuseeländischen An 
maßungen in der Samoafrage, sowie der 
erfolgreiche Protest gegen den englisch-kon 
golesischen Pachtvertrag sind in erster Linie 
auf solche Entschlüsse zurückzuführen, 
neuester Zeit war es nun auch die Frage 
des Schutzes der deutschen Interessen in 
der Delagoabay, bei der sich eine weitge 
hende Meinungsverschiedenheit zwischen Kai 
ser und Kanzler geltend gemacht hat; und 
insbesondere soll die Entsendung des zweiten 
Kriegsschiffes nach der Delagoabay von 
Caprivi aufs Lebhafteste widerrathen wor 
den sein. Dazu kam, daß das in den 
„Vielleicht", antwortete der Andere gelassen. 
„Dieser Umstand muß Sie doch anstacheln, 
zur Ergreifung des Mörders und Aufklärung 
des Geheimnisses alles aufzubieten, was in 
Ihren Kräften steht." 
Hugo antwortete nicht sofort, denn er suchte 
sich darüber klar zu werden, ob dieser Mann 
ihn für schuldig hielte und ihm nur eine 
Falle zu legen suchte. 
(Forffetzung folgt.) 
letzten Tagen gesprochene Urtheil im Fall 
Leist und die Erregung der öffentlichen 
Meinung darüber dem Kaiser von Neuem 
die Mangelhaftigkeit auch der inneren Ver- 
waltung der deutschen Schutzgebiete ins 
Gedächtmß zurückgerufen hat. Man er- 
innert sich, daß kurz nachdem der Kanzler 
den im Reichstage mit seltener Einmüthiq- 
keit von allen Parteien aufs Schärfste an- 
gegriffenen Bureaukratismus und Milita- 
rismus in der Kolonialverwaltung ebenso 
wie die am meisten kritisirten Vertreter 
dieser Richtungen warm vertheidigt hatte 
gerade diese ihrem bisherigen Wirkungs'- 
kreise in den Kolonien entzogen wurden 
— wie man sagt, auf direkten Befehl des 
àsers, der die Ansichten seines Kanzlers 
über die Vorzüglichkeit des bureaukratischen 
Systems bei der Verwaltung der Kolonien 
durchaus nicht theilte. 
— Fürst Hohenlohe als Botschaf 
Ņaris hatte, wie die „Köln. 
Ztg. deni Pariser Berichterstatter der 
„minies nacherzählt, manchmal gar kind- 
liche Liebhabereien. So betrachtete 
er Harun-al-Raschids System als ein un- 
sehlbares Mittel zum Regieren; er hi.1t 
dafür, daß die in der Nation vorwiegen 
den Eindrücke am besten von den Lippen 
des gemeinen Volkes gesammelt werden 
können. Er mischte sich oft unter die 
Menge und suchte nach Vorwänden, um 
Gesprächen beiwohnen und sie auffangen 
zu können Er begab sich in öffentliche 
Versammlungen und ging des Nachts an 
^^ŗoschken'tänden spazieren, um den 
politischen Plaudereien der Kutscher zuzu- 
Horen, so daß die Regierung, in der Be- 
es könnte ein Unfall vorkommen. 
Maßregeln zu seinem Schutz ergriff. Dann 
achte er herzlich, wenn er in den ihm 
feindlich gesinnten Blättern von diesen ge- 
Heimen Schutzmaßregeln las. Sein Drang 
nach Erkenntniß der Volksstimmung machte 
aus ihm den eifrigsten Zuhörer. Ueber 
einem Gespräch zog er oft ein Notizbuch 
hervor, in das er in hieroglyphischen Zei- 
chen die Ausdrücke hinwarf, die ihm auf- 
gefallen waren; der Tag ging jedoch nie 
zu Ende, ohne daß er in Reinschrift ge 
bracht hatte, was er auf diese Weise ae- 
sammelt hatte. 9 
Zwischen einem jungen Ehepaar 
welches am Dienstag-Morgen soeben erst 
das Standesamt in der Rosenthaler Vor 
stadt von Berlin nach stattgehabter Zivil- 
trauung verlassen hatte, entstand auf der 
Straße ein heftiger Wortwechsel, der als 
bald in Thätlichkeiten überging, und 
auch die Trauzeugen nahmen an der Prü- 
gelei Theil. Die Braut hatte eine schwere 
Kopfwunde erlitten und mußte später die 
Hilfe eines Heilgehilfen in Anspruch neh- 
men, während dem jungen Ehemann von 
seinem Schwiegervater die Norderzähne ein- 
geschlagen worden sind. Ein Schutzmann 
machte der widerlichen Kampsesszene ein 
Ende und brachte die ganze saubere Hoch 
zeits-Gesellschaft zur nächsten Polizeiwache. 
Berlin, 1. Nov. Wie die „Freisinnige 
Zeitung" mittheilt, hat der freisinnige Ab 
geordnete Eugen Richter, Reichstags 
memoiren zu schreiben begonnen. Der An- 
fang davon wird in diesen Tagen zur 
Erinnerung an das alte Reichstagsgebäude 
erscheinen und im Anschluß an die 1892 
herausgegebenen Jugenderinnerungen des 
Verfassers Schilderungen über die ersten 
Sessionen des deutschen Reichstages bis 
zum Jahre 1877 enthalten: „Im alten 
Reichstagsgebäude, Erinnerungen von Eu 
gen Richter." Der Verfasser gehört zu 
denjenigen 11 Reichstagsabgeordneten, die 
von der ersten Sitzung im alten Reichs 
tagsgebäude an bis jetzt ununterbrochen 
Mitglieder des Reichstages gewesen sind. 
Mainz, 31. Oktbr. In unserer Stadt 
mehren sich die Einbrüche und Dieb- 
st ä h l e in auffallender Weise, so daß ein 
besonderer Wachdienst organisirt 
werden mußte. 
Am Sonnabend ging in Saargemünd 
ein Gewitter nieder. Ein Blitz schlug in 
das Offiziercasino ein und zündete an einem 
Kronleuchter die Gasflammen an. Großer 
Schaden wurde nicht angerichtet. 
Aus Lublinitz (Oberschlesien) wird den, 
Ratiborer „Anzeiger" folgende köstliche Ge 
schichte geschrieben: Die neue Linie von A 
nach Z. ist im Betrieb, und der Sekundär 
bahnzug durchbraust schleichend Felder und 
Forsten . . . Haltestelle X! Der Zug bleibt 
stehen. Der Zugführer entsteigt ihn:, um 
die dienstlichen Angelegenheiten mit dem 
Haltestellenoorsteher abzulvickeln. Ausge 
liefertes Stückgut: 26 Sack Kartoffeln, 
welche schön aufgestapelt dem Bahnstieg 
das Aussehen des Verkehrs verleihen. Das 
Zugpersonal, das außer dem Lokomotiv- 
ührer und dem Heizer nur aus besagtem 
Zugführer besteht, weigert sich entschieden, 
die Kartoffeln einzuladen, und der Halte- 
tellenvorsteher (einziges Bahnhofspersonal) 
lehnt ein gleiches Ansinnen ebenfalls ab. 
In demselben Augenblick (Sekundärbahn- 
Augenblick gleich 15 Minuten), erscheinen 
auf der Bildfläche einige mit Rucksack und 
Schaufeln ausgerüstete Bäuerlein des nahen 
Dörfchens, denen man es ansieht, daß sie 
die „neue Einrichtung", welche sie als 
eigens für sie hergestellt betrachten, be 
nutzen wollen. Der Haltestellenvorsteher 
etzt ihnen in fließendem Wasserpolnisch 
auseinander, daß der Herr Zugführer 
gleichzeitig als Fahrkartenschalter fungirt. 
Die Mäuler der Bauern, welche bereits 
die kurze Tabakspfeife entlassen haben und 
zum Vortrag ihres Anliegens geöffnet sind, 
bleiben offen stehen, als der Zugführer sie 
scharf ins Auge faßt und ihnen vornehm 
lich folgendes erklärt: „Ja, Ihr könnt mit 
fahren, aber wir müssen erst die 26 Sack 
Kartoffeln einladen, eher gehts nicht weiter!" 
Die Thür des Packwagens ist bereits ge- 
öffnet, und der ausgestreckte Arm des Zug- 
führers zeigt unzweideutig den Transport- 
weg. Die biederen Bäuerlein, welche 
weniger den Sinn der Rede als die sie 
begleitende Geste verstanden haben, wagen 
unter dem Blick des Zugführers kein Wort 
der Erwiderung und mit 26maligcn „Einen 
Ruck!" (was übrigens beredtes Zeugniß 
davon ablegt, daß jene Gegend bereits von 
deutscher Kultur beleckt ist) wird die Ver 
ladung besorgt. Fertig! Wieder einen 
Augenblick (siehe oben) und der Sekundär 
bahnzug schleicht sausend dahin, bergend 
die den Schweiß von der Stirn wischenden 
Bäuerlein, den sich vergnügt die Hände 
reibenden Zugführer und — 26 Sack 
Kartoffeln. 
Hamburg, 31. Okt. Der preußische Ge- 
sandte in Hamburg, v. Kiderlen-Wä ch- 
ter, welcher bekanntlich wegen des Duells 
der „Kladderadatsch"-Affäre zu 3 Monaten 
Festungshaft verurtheilt wurde, wird diese 
Strafe demnächst in Ehren breitenstein an- 
treten. 
Friedrichsruh, 1. Nov. Wie man aus 
sicherer Quelle erfährt, wird Fürst Bis- 
marck am 6. d. M.. Abends, hier wieder 
eintreffen. Die Fürstin hat Anweisung 
gegeben, bis dahin sämmtliche Zimmer des 
Schlosses gründlich zu durchwärmen. 
Brovin, ieļies. 
Kiel, 30. Okt. Die st reitenden 
Barbiergehülfen haben ihren Klin- 
gelbeutel in Bewegung gesetzt und von den 
Gewerkschaften milde Gaben erbeten. Alles, 
was nur zu den Gewerkschaften gerechnet 
werden kann, sowie selbst Haus- und Ge- 
schäftsdiener, Lohndiener und Brauerei- 
arbeiter haben zur Deckung der Unkosten 
des Barbierboycotts sich ihre Groschen ab- 
nehmen lassen. „Bon den Barbieren" sind 
169,80 Mark eingegangen, d. h. von den- 
jenigen Barbieren, vie, um nicht boycottirt 
zu werden, die bekannten Forderungen be 
willigten und nachher auch noch die Kriegs 
kosten bezahlen mußten. Was der Boycott 
überhaupt genützt, das erkennt man am 
Besten daran, daß über 20 Barbiere die 
Forderungen bisher nicht jbewilligt haben 
und auch garnicht daran denken, sich den 
Forderungen ihrer Gehülfen zu unter 
werfen. 
X. Rendsburg, 2. Nov. Bezüglich des 
Baues einer Nebenbahn Kiel-Rends- 
bürg -hat der Minister der öffentlichen 
Arbeiten der „K. Z." zufolge seiner Be 
reitwilligkeit Ausdruck gegeben, den staats 
seitigen Bau der Bahn in Erwägung zu 
nehmen, sobald die Erfüllung der in dem 
Gesetz vom 29. April d. I. im § 1 unter 
A und B bezeichneten Bedingungen durch 
rechtsverbindliche Beschlüsse von den Inter 
essenten übernommen sein Ivird. Im Inter 
esse möglichster Beschleunigung soll darauf 
hingewirkt werden, daß nur die Kreise 
dem Staate gegenüber als Verpflichtete 
auftreten. In der Sitzung des Kreis 
tages Kiel (Land) am 15. November wird 
die Bahnangelegenheit zur Verhandlung 
stehen. Der Kreisausschuß empfiehlt mit 
Rücksicht auf die Vortheile, welche einem 
Theile des Kreises aus der Anlage der 
Bahn erwachsen würden, zu beschließen, 
daß der Kreistag, soweit der Kreis Kiel 
(Land) in Betracht kommt, die von dem 
Minister gestellten Bedingungen zu er 
füllen, und somit die hierzu erforderlichen 
Geldmittel nicht von den Gemeinden nnd 
Gutsbezirken aufgebracht werden, durch 
Anleihe zu decken bereit ist. Von der 
Gesammtlänge der Bahn entfällt voraus 
sichtlich 12,7 Kilometer auf den Kreis 
Rendsburg und 15,3 Kilometer auf den 
Kreis Kiel (Land). Projektirt ist, daß die 
Bahn Rendsburg-Kiel bei Osterrönfeld in 
die Bahn Neumünster-Rendsburg und an 
der Südostecke des Schulensees bei Meimers 
dors in die Eisenbahn Altona-Kiel ein- 
mündet. Es sind Stationen vorgesehen: 
1. bei Osterrönfeld, 2. an der Kreuzung 
der Landstraße Nortorf-Eckernförde mit 
dem Wege Bredenbeck - Kronsburg bei 
Kreuzkathe, 3. zwischen Brandsbek und 
Achterwehr östlich der Eider, 4. bei Stein 
furth, 5. bei der Einmündung in die 
Altona-Kieler Bahn südöstlich des Schulen- 
iees bei Meimersdorf, außerdem ist 6. eine 
Haltestelle bei Osten selb vorgesehen. 
± Rendsburg, 2. Novbr. Die feierliche 
Uebergabe der Norder-Eisen bahn 
brück e sollte in diesen Tagen geschehen. 
Dieselbe ist jedoch wieder auf längere Zeit 
hinausgeschoben worden, da noch zuvor 
an der Trehvorrichtung eine Aenderung 
geschehen soll, um ein leichteres Oeffnen 
und Schließen herbeizuführen. Die Arbeit 
wird bis zum Winter, wenn die Schiff- 
'ahrt geschlossen ist, hinäusgeschoben und 
längere Zeit in Anspruch nehmen. An der 
Verriegelung hat der hiesige Maschinen 
bauer Reich jüngst eine Aenderung vorge-l 
nommen. Dieselbe spielt jetzt äußerst leicht. 
X Rendsburg, 2. Nov. Das Fest des 
G u st a v-A d o l f-V ereins, das gestern 
in der Tonhalle stattfand, verlief in sehr 
befriedigender Weise. Schon vor Beginn 
der Feier war der große Saal überfüllt 
so daß noch viele leider umkehren mußten 
Nach einer begrüßenden Ansprache des 
Herrn Hauptpastors Hansen hielt der Fe t- 
redner, Herr Klosterprediger Rendtorff- 
Preetz einen Vortrag über die evangelischen 
Gemeinden Oesterreich-Ungarns. Drei Bil 
der waren es vor allem, die er entrollte, 
düster und ernst die beiden ersten, fehlt 
doch den Evangelischen dort so gut wie 
Alles: Kirche, Schule, Prediger und 
Lehrer; freundlicher war das Bild von 
dem Alpendorfe Gosau, wo inmitten kathol 
Umgebung evang. Leben so herrlich blüht. 
Dann forderte der Herr Divisionspfarrer 
Dr. T r e p t e zu gemeinsamer Arbeit 
auf und bat drei Thesen anzuneh 
men : 1) Wir wollen näher die Geschichte 
und das Leben unserer Kirche, besonders 
das Arbeiten des Gustav-Adolf-Vereins 
studiren. Hierzu gehört, daß man gute 
Bücher liest und schenkt, und daß man den 
„Gustav.Adolf-Boten" (jährlich 80 Pf.) 
sich hält. 2) Wir wollen feste Mitglieder 
des Vereins werden und heute Abend eine 
große Jubiläumskollekte aufbringen, über 
die Herr Pastor Rendtorff verfügen soll. 
3) Wir wollen fortan für den Verein 
Freunde anwerben und Sammlungen aller 
Art austellen. Hierbei wurde erwähnt, 
auch solche kleine Dinge, wie Korken, 
Staniol, Briefmarken, Cigarrenabschnitte, 
für den Verein zu sammeln. Nach einem 
herzlichen Schlußwort des Herrn Pastor 
Heß ging dann die Versammlung ausein 
ander. Die Kollekte ergab die große 
Summe von 232 Jt. — Die Gesangs 
vorträge, welche die hiesige „Liedertafel" 
bot, trugen wesentlich dazu bei, die Feier 
zu verschönern; besonders gefiel der zweite 
Gesang: „Nach dem Sturme fahren wir" 
< Rendsburg, 2. Nov. (Zur Hebung 
der direkten Staats st euern durch die 
Gemeinden.) Nachdem vom 1. April 1895 
ab die Einziehung der direkten Staats- 
steuern durch die Gemeinden an Stelle der 
Königlichen Steuerkassen zu geschehen hat, 
werden namentlich die Magistrate der selbst 
ständigen Städte schon jetzt mit der dieser 
halb erforderlich werdenden Umgestaltung 
ihres Kassenwesens vorzugehen haben. Wie 
es den Anschein gewinnt, sind von den 
Regierungen instruktive Maßnahmen in 
dieser Richtung nicht in's Auge gefaßt 
worden. Wenigstens verlautet noch nichts 
darüber, daß den Gemeinden spezielle Ver- 
ligungen über die Form der Erhebung der 
Staatssteuern, die ja im Wesentlichen be 
reits gesetzlich oder doch durch die Mini 
sterial-Anweisung vom 31. August 1894 
über die Zu- uud Abgänge, daS Hebe 
wesen, das Strafverfahren und die Kosten 
bei der Einkommensteuer und Ergänzungs 
geregelt worden ist, ertheilt sind. Uebri 
gens dürfte sich die neue Organisation ohne 
Schwierigkeiten vollziehen und insbesondere 
auch im Publikum bald eingelebt haben 
Werden diesem doch die bisherigen doppel 
ten Wege nach zwei Steuerkassen erspart. 
Auf der anderen Seite bedeutet das neue 
Verfahren auch für die Organe der Ge 
meindeverwaltungen keine erhebliche Mehr 
belastung, da es ja zulässig ist, die kom 
munale wie staatliche Abgabe auf einem 
Zettel auszuschreiben und zu quittiren 
Auch die Buchführung wird für beide 
Kategorien eine einheitliche sein können. 
X Rendsburg, 2. Nov. Am Montag 
geht im hiesigen Theater das Stück: „Der 
Herr Senator" unter Direction des 
Herrn Willy Peters in Scene. Der großen 
Jnscenirungs-Kosten wegen kann das Stück 
nur ein Mal gegeben werden. Das Stück 
ist die sensationellste Neuheit der Saison 
und macht die Runde über alle Bühnen 
Es steht außer Frage, daß bei der aner 
kannten Leistungsfähigkeit des hiesigen resp 
Schleswiger Ensembles das Stück eine 
große Zugkraft ausüben wird. 
X. Rendsburg, 31. Okt. Ein Künstler- 
konzert wird uns Montag den 12. No 
vember in der „Tonhalle" geboten werden, 
auf das wir schon heute aufmerksam machen 
möchten. Wir thun dies um so lieber, als 
die Konzertgeberin Frau Freudentheil- 
Petersen eine hervorragende Schülerin 
von Maria G ehler-Hamburg ist. Gleich- 
wie der Frau Freudentheil-Petersen geht 
auch den mitwirkenden Herren Louis 
Brandt und Götze ein guter Ruf vor 
auf, so daß ein wahrer Kunstgenuß zu er 
warten steht. Ueber das Auftreten dieses 
Künstlertrios in Neumünster brachte der 
„Holstein. Courier" folgende Mittheilung: 
„Das am Sonnabendabend im Bahnhofs- 
jotel von Frau Freudentheil veran- 
taktete Konzert, unter Mitwirkung der 
-Herren L. Brandt, Pianist und O. Götze, 
Biolinvirtuos, hat in materieller Hinsicht 
einen überaus befriedigenden Verlauf ge 
nommen und wird es Niemand bereuen, 
ich einen so schönen Genuß vergönnt zu 
haben. Frau Freudentheil verfügt über 
eine schöne, klangvolle Stimme und auch 
die Aussprache läßt nichts zu wünschen 
übrig, denn jedes Wort konnte man klar 
und deutlich vernehmen. In dem Recita- 
tiv und Arie aus der Oper „Figaros Hoch 
zeit" von Mozart konnte Frau Freuden- 
theil ihr künstlerisches Talent genügend be 
weisen und wurde der Konzertsängerin denn 
auch der gebührende Beifall zu Theil. 
Herr Götze, welcher ein Künstler auf der 
Violine ist, zeigte, zu welchen Fertigkeiten 
man es auf diesem Instrumente bringen 
kann, denn mit Leichtigkeit konnte derselbe 
die schwierigsten Stellen überwinden und 
erntete in der Sonate (v-moll) von N. W. 
Gade wohlverdienten Beifall. Auch die 
„Ballade und Polonaise" von Vieuxtemps 
wurde in entzückender Weise vorgetragen. 
Es würde zu weit führen, alle Nummern 
einzeln aufzuführen, denn jede Piece wurde 
zur vollsten Zufriedenheit vorgetragen und 
werden die Zuhörer in dem Bewußtsein, 
einen genußreichen Abend verlebt zu haben, 
noch lange sich dessen eine schöne Erinner- 
nng sein lassen". 
VI. sckntUk kksņņit-êWĶt. 
(4. Sitzung.) 
Rendsburg, 1. November. 
. Das Eingangsgebet sprach heute Propst Peter- 
sen-Flensburg. Eingegangen sind verschiedene 
Petitionen betreffend die Agende und den Sprach 
unterricht in den Schulen Nordschleswigs. Den 
ersten Verhandlungsgegenstand bildete der Antrag 
des Stadtschulraths Wagner, welcher wie folgt 
lautet I 
Hochwürdige Synode wolle beschließen, das 
Komgl. Konsistcrium zu ersuchen, durch Ver 
handlung mit der Königl. Staatsregierung 
dahin zu wirken, daß auf dem Wege der Ge 
setzgebung 
1. der Beginn der Strafmündigkeit bis zum 
Schluffe des schulpflichtigen Alters hin- 
ausgerllckt wird, 
2 die Anwendbarkeit des Gesetzes vom 
13. März 1878 betreffend die Unter 
bringung verwahrloster Kinder auf alle 
noch im schulpflichtigen Alter stehenden 
Kinder ausgedehnt wird, 
3. die Anwendbarkeit des ebengenannten 
Gesetzes auch auf die Fälle ausgedehnt 
wird, wo ein Kind, ohne daß ihm eine 
strafbare Handlung nachgewiesen wer 
den kann, in der Gefahr der Verwahr 
losung steht. 
In seiner Begründung führt der Antragsteller 
aus, daß in den bestehenden gesetzlichen Bestim 
mungen eine große Härte liege. Die Gefängniß 
strafe wirke auf ein Kind demoralisirend. "Das 
Gefängniß sei keine Erziehungsanstalt und solle 
auch keine solche sein. Ein Kind, das schon in 
der Jugend eine Freiheitsstrafe verbüßt habe, sei 
für die menschliche Gesellschaft in der Regel ver 
loren. Wo das Elternhaus nicht in der Lage sei. 
dle Erziehung ausführen zu können, müsse die 
Besserungsanstalt eintreten. Das Gesetz vom 13. 
März 1878 müsse auch auf solche Kinder Anwen 
dung finden, deren Entsittlichung beim Verbleiben 
im Elternhause zu erwarten stehe 
Landgerlchtspräsident Jsenbart-Kiel spricht seine 
Sympathie zu dem Antrage aus, hat aber seine 
Bedenken bezüglich der Altersbestimmung, da die 
Grenze der Schulpflicht in den verschiedenen Thei 
len und Provinzen des Staates sehr verschieden 
ei; er empfehle daher dem Antragsteller ein be- 
limmtes Lebensalter zu normiren. 
Pastor Harder-Hemmingstedt weist darauf hin, 
daß der Ausdruck „Schluß des schulpflichtigen 
Alters" nicht klar sei. Bei der Konfirmation sei 
die Grenze desselben das 14. resp. 15. Lebensjahr. 
Werde aber^die Konfirmation nicht begehrt, so 
endige die Schulpflicht erst mit dem 15. resp. 16 
Lebensjahr; man müsse also statt „Ende des schul 
pflichtigen Alters" Ende des 14. Lebensjahres 
setzen. 
Oberpräsidialrath Hagemann hat formelle Be 
denken gegen den Antrag. Thatsache sei, daß die 
Jugend immer mehr verwahrlose und diesem Zu 
lande dürfe man nicht ruhig zusehen. Er will 
größere Vereinigungen gebildet wissen, welche die 
Jugend, die Gefahr laufe zu verwahrlosen, bis 
zur Militärzeit in Pflege und Aufsicht nehmen. 
Die Synode möge sich indeß mit der geschehenen 
Anregung begnügen Der Antrag gehe über die 
Zuständigkeit der Synode hinaus. ’ Die in Rede 
sehende Sache sei keine kirchliche Angelegenheit 
und nur mit solchen dürfe sich nach der Kirchen- 
und Synodalordnung die Synode befassen. Aus 
diesem Grunde bitte er den Antragsteller, seinen 
Antrag zurückzuziehen. 
Propst Peters-Flensburg ist Vorsteher einer 
Rettungsanstalt und fühlt sich daher dem Antrag 
eller zu ganz besonderem Danke verpflichtet. Er 
1 der entschiedenen Ansicht, daß sich, tue Synode 
ehr wohl mit dieser Frage zu beschäftigen habe, 
da die Erziehung der Jugend mit unter die Pflich 
ten falle, die die Kirche erfüllen muffe. 
v. Ruperci theilt aus dem reichen Schatze sei 
ner Erfahrungen verschiedene Beispiele mit, welche 
die Verivahrlosung der Jugend in einem traurigen 
Licht erscheinen hassen Die Erziehung der Kinder 
zehöre zum Ressort der Kirchenvorstände. Er 
rnde es unbegreiflich, daß die Synode kein Recht 
laben jolle, mit Bitten um Beseitigung von Ge- 
etzeshärten an die zuständige Behörde zu gehen. 
Propst Hollm-Hütten ist auch der Ansicht, daß 
die Erziehungsfrage eine kirchliche und die Sy 
node daher völlig kompetent sei, den vorliegenden 
Antrag anzunehmen und in derselben Weise spricht 
'ich auch Pastor Biernatzki-Neumünster aus, der 
iesonders auch den letzten Theil des Antrages für 
sehr wichtig hält. 
Pastor Diekmann drückt seine Zustimmung zu 
dem Antrage aus und hält die Synode nicht nur 
für berechtigt, sondern sogar für verpflichtet, in 
dieser Sache vorzugehen. 
I) Kaftan vermißt praktische Vorschläge für 
die Ausführung des Antrages. Es sei nicht rich 
tig, das Konsistorium zu bitten, mit der Staats 
regierung zu vei handeln. Er schlage vor, dem 
Antrage die Fassung zu geben: „das Konsistorium 
zu e. suchen, durch Verhanvlung mit der Staats 
regierung dem Minister der Geistlichen- rc. An 
gelegenheiten den Antrag als Bitte der Gesammt- 
synode vorzutragen. Ob alle Theile des Antrages 
gesetzgeberisch ausführbar wären, sei nicht Sache 
der Synode. 
Konsistorialrath Soltau wünscht eine redaktio 
nelle Aenderung des Antrages, welche sich un 
gefähr mit deni Amendement Kaftan decke. Im 
Uebrigen stehe es verfassungsgeinäß jedem Preußen 
frei, sich mit einer Petition oder Vorstellung an 
vie Behörde zu wenden, warum solle dieses einer 
Körperschaft wie die Gesammtsynode verboten sein? 
Propst Kjer hält es für bedenklich die Straf 
mündigkeit weiter hinauszuschieben. Er will den 
Punkt 1 des Antrages gestrichen wissen und 
bittet den Präsidenten die Punkte einzeln zur 
Abstimmung zu bringen. 
Oberpräsidialrath Hagemann erklärt, daß er mit 
dein Amendement des Generalsuperintendenten 
Kaftan dem Antrage zustimmen könne. 
Der Antragsteller erklärt sich bereit, den 
Eingang seines Antrages, die durch das 
Amendement Kaftan bedingte Fassung zu geben 
und zieht seine Eingangsfassung zurück. Die 
Bestimmung „14. Lebensalter" wird angenommen. 
Ein Antrag des Lardgerichtsdirectors Frand,en- 
- .;. V 
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