Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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87ster Jahrgang. & 
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Morgen- Depesche«. 
Berlin, 2. Nov. In der gestrigen 
Sitzung des Staatsministeriums wurde 
der „National-Ztg." zufolge die Vorlage 
gegen die Umsturzbestrebuugen endgültig 
festgestellt und zwar auf Grundlage der 
letzten Beschlüsse des Staatsministeriums. 
Berlin, 2. Nov. Graf von Caprivi 
Hot heute Berlin verlassen und sich nach 
Montreux begeben, wo er den ganzen 
Winter zu verbleiben gedenkt. Im Früh 
jahr will er nach Deutschland zurückkehren 
und in Schlesien auf einem Gute bei Ver 
wandten dauernden Aufenthalt nehmen. 
— Der bisherige Ministerpräsident Graf 
zu Eulenburg hat sich in Berlin eine 
Wohuung gemiethet und wird hier als 
Privatmann leben. 
Berlin, 1. Nov. Die „Kreuzztg." er- 
fährt, daß das Abschiedsgesuch des Land- 
wirthschaftsministers bis heute Mittag vom 
Karser noch nicht genehmigt war. Als 
Nachfolger des Herrn von Heyden werden 
Wie dasselbe Blatt schreibt, an erster 
Stelle Frhr. v. Wilamowitz-Möllendorff. 
Oberpräsident der Provinz Posen, dann 
der Regierungs-Präsident Dr. v. Heyde- 
brandt und der Lasa in Breslau, endlich 
der Abgeordnete Frhr. von Erffer-Wornburg 
genannt. 
Berlin, 2. Nov. Zum Adjutanten des 
Reichskanzlers Fürsten Hohenlohe ist, wie 
verlautet, der Rittmeister Graf v. Schön- 
born-Wiesentheil, Chef der ersten Schwa 
dron des Garde-Kürassier-Regiments, er 
nannt worden. 
Berlin, 2. Nov. Der Kaiser wohnte 
heute der Einweihung und Enthüllung des 
Denkmals Kaiser Wilhelms l. in Stettin 
bei. Der Herrscher wurde mit großem 
Jubel empfangen. Später folgte der 
Kaiser einer Einladung des Offizierskorps 
des Grenadier-Regiments Friedrich Wil 
helm IV. 
+ Itzehoe, 2. Novbr. Am Montag- 
Nachmittag brannte das Backhaus des 
Hofbesitzers Wiborg im Kronprinzenkoog 
und am Dienstag-Mittwoch wurde das 
Wohn- und Wirthschaftsgebäude desselben 
ebenfalls durch Feuer vollständig einge 
äschert. Da man bei den Löscharbeiten 
ein Packet Streichhölzer in einen Haufen 
Kaff vorfand, so ist die Entstehungsursache 
des Feuers wohl auf Brandstiftung zurück- 
zuführen. 
Paris, 2. Nov Die Nachricht vom 
ubode des Zaren wurde durch schwarz um- 
randete Extrablätter verbreitet und rief 
sichtlich tiefe Theilnahme und Bewegung 
hervor. Die Abendblätter widmen dem 
Kaiser warme Nachrufe und rühmen seine 
Güte und Gerechtigkeit. 
London, 2. Nov. Aus Sidney wird 
nach hier telegraphisch gemeldet: Der 
Dampfer „Wairarazapa", der neusee 
ländischen Dampfschiffs-Gesellschaft „Union" 
gehörig, scheiterte auf der Fahr von Sidney 
nach Auckland an der Great Barrier-Insel 
bei Neu-Sceland. Soweit bis jetzt bekannt, 
sollen 112 Personen, Passagiere und 
Mannschaften, ertrunken sein. (Wiederholt.) 
-j- Zar Almickr >11. 
Der Zar ist gestern kurz nach 
2 Uhr gestorben. 
Zar Alexander III. hat ausgelitten. Im 
besten Mannesalter ist er vom Tode da 
hingerafft worden, denn er hat das fünf 
zigste Lebensjahr nicht vollendet. Am 10. 
März 1845 als zweiter Sohn des Kaisers 
Alexander ll. geboren, erhielt Alexander 
Alexandrolvitsch die Anwartschaft auf den 
Thron des gewaltigen Zarenreiches erst 
nach dem Tode seines älteren Bruders Ni 
colaus, der am 12. April 1865 zu Nizza 
einer heimtückischen Krankheit erlag. Nach 
dem er feierlich zum Thronfolger ernannt 
worden, vermählte er sich, einem Wunsche 
seines kaiserlichen Vaters und seinem Herzen 
folgend, am 28. Oktober 1866 mit der 
Braut seines verstorbenen Bruders, der ( 
Prinzessin Dagmar von Dänemark, Tochter 
des Königs Christian IX. In dieser Ehe, 
in dem innigen Zusammenleben mit der 
feinfühlenden, geistig hochbegabten Frau 
hat sich das Wesen des Thronfolgers ge 
klärt. Nun steht das ganz von Liebe zu 
seinem Volke erfüllte Herz Alexander III. 
für ewig still und auf den Thron des 
Zarenreiches steigt sein erstgeborener Sohn 
als Kaiser Nicolaus II. (geb. 18. Mai 
1868). An der Bahre Alexander's III. 
trauern neben der Kaiserin Maria Feodo- 
rowna und dem Thronfolger noch zwei 
Söhne, die Großfürsten Georg (geb. 9. Mai 
1872) und Michail (geb. 4. Dezbr. 1878) 
sowie die beiden Töchter des Zaren, die 
Großfürstinnen Kenia (geb. 6. April 1875) 
und Olga (geb. 13. Juni 1882). 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
China. Der Tod der jungen 
Kaiserin soll aus S e l b st m o r d zu 
rückzuführen sein. Sie habe stets Unglück- 
lich mit dem Kaiser gelebt als er ihr letzt- 
hin öffentlich eine Ohrfeige verabreichte, 
habe sie Gist genommen. So erzählt der 
„Newyork Herald". 
Aus Kanton wird berichtet: „Der Kreis 
Fophin ist in großer Aufregung. Die von 
dort kommenden Chinesen erzählen, daß 
jener Bezirk und besonders die Umgegend 
der Stadt Fophin selbst seit dem vierten 
chinesischen Monat von einer schrecklichen 
Tigerplage heimgesucht sei. Etwa 100 
Menschen, meistens Frauen die zum Gras- 
schneiden gingen, seien von Tigern ge 
fressen worden. Ein einzelner Mann wurde 
am Hellen Tage angefallen und man fand 
später nur noch seinen Hut, seinen Schädel 
und einige Beinknochen. Auf acht Männer, 
die miteinander gingen, ist Plötzlich ein 
Tiger aus einer Schlucht hervorgestürzt, 
hat den mittleren Mann gepackt und ist 
mit ihm in der Schlucht verschwunden. Ein 
über 300 chinesische Pfund schiverer Tiger 
soll vor einiger Zeit mit einer kleinen 
Kanone erlegt worden sein. Sogar in die 
Stadt Fophin selbst drang ein Tiger eines 
Morgens durch ein erst geöffnetes Thor 
und schleppte eine Frau fort, die aus der 
Gasse stand. Eines Morgens früh sah 
ein reisender Eßwaarenhändler drei Tiger 
auf sich zukommen. Er schrie und lief 
aus Leibeskräften, nachdem er seine Last 
Eßwaaren weggeworfen hatte. Die Thiere 
verfolgten ihn nicht. — Es mag in diesen 
Erzählungen von den Chinesen Manches 
übertrieben worden sein, Thatsache ist aber, 
oaß der Kreismandarin in einem Erlaß 
eine hohe Belohnung aussetzt für den, der 
einen Tiger erlegt. 
Washington, 1. Novbr. Sicherem Ver 
nehmen nach wird Präsident Cleveland dem 
Congreß bei dessen Zusammentritt Anfang 
December die Abschaffung der Spe 
cialtaxe von Cent für das Pfund 
empfehlen, die durch das gegenwärtige 
Tarifgesetz auf den aus Zuckerprämien 
zahlenden Ländern kommenden Zucker ge- 
legt ist. 
In Seattle im Staate Washington 
gerieth gestern in aller Frühe ein großes 
Gasthaus in Brand, während sämmt 
liche Insassen schliefen. Die Flammen ver 
breiteten sich mit rasender Geschwindigkeit, 
und in kurzem war das zweistöckige hölzerne 
Gebäude ihnen zum Opfer gefallen. In 
dem Gasthause verkehrten meistens Arbeiter. 
Da die Ausgänge höchst unvollkommen 
waren, so verbrannten viele vor den Augen 
der Menge, die sich vor der Brandstätte 
eingefunden hatte. Da das Fremdenbuch 
des Gasthauses gleichfalls verbrannte, so 
kann man nicht einmal mit Sicherheit die 
Namen aller umgekommenen Gäste feststellen. 
Es sollen zwölf Personen verbrannt sein. 
Die Explosion einer Petroleumlampe soll 
die Ursache der Feuersbrunst gewesen sein. 
Ein unfehlbares Mittel gegen 
die Cholera will ein Arzt Namens 
Sel in Chicago im Wasserstoff-Superoxyd 
entdeckt haben, welches in 4procentiger 
wässriger Lösung dem Kranken alle zwei 
Stunden einzugeben wäre. Wenn auch, 
wie das Parent- und technische Bureau von 
Richard Lüders in Görlitz richtig bemerkt, 
die Nachricht mit Vorsicht aufzunehmen ist, 
so hat das Mittel immerhin große Wahr 
scheinlichkeit für sich insofern, als das 
Wasserstoff-Superoxyd als kräftiges Anti- 
septicum wohl bekannt und auch fast das 
einzige ist, das innerlich genommen nicht 
geradezu giftig wirkt. 
Rußland. 
Petersburg, 1. Novbr. Der verewigte 
Kaiser communicirte noch heute Vormittag 
um 10 Uhr bei vollem Bewußtsein. Hier 
wurde die Todesnachricht gegen 7 Uhr 
Abends aus den Straßen angeschlagen. 
Obgleich die Nachricht nach dem letzten 
Bulletin nicht unerwartet kam, rief sie doch 
unter der Bevölkerung tiefe Bestürzung 
und Trauer hervor. Auf den Straßen sah 
man das Volk bei der Trauerbotschaft sich 
andächtig bekreuzigen. Heute Abend um 
10 Uhr fand im Reichsrathe in Gegenwart 
sämmtlicher in St. Petersburg anwesender 
Mitglieder eine feierliche Seelenmesse statt. 
Petersburg, 31. Oktbr. In den letzten 
Tagen wurden hier und in Charkow meh 
rere Verhaftungen von Studenten 
und Offizieren, die n i h i l i st i > 
scher Umtriebe verdächtig waren, so 
wie zahlreiche Haussuchungen vorgenom 
men, wobei man viele Aufrufe aufrühre 
rischen Inhalts entdeckte. 
Einen Schatz in Wein entdeckte dieser 
Tage der Besitzer eines in der Nähe War 
schaus belegenen Gartenhauses. Er unter 
nahm einen Kellerumbau in seinem Hause, 
wobei hinter einer abgetragenen Mauer 
eine zweite Mauer zum Vorschein kam, in 
der sich eine mit Brettern vernagelte und 
durch eine Mauerblendung unkenntlich ge 
machte Thür befand. Als man nach Be 
seitigung der Verkleidung in den engen 
Raum drang, erwies er sich als ein Ge 
heimkeller. Schön geordnet lagen in dem- 
selben 160 Flaschen Ungarwein, die hier 
viele Jahre geruht haben mußten, denn 
sie waren mit einer dicken Staub- und 
Schimmelschicht bedeckt. Der aus Warschau 
zur Weinschau eingeladene Weinhändler 
Reuter erklärte den Wein für sehr alt und 
kostbar. Der glückliche Finder behielt 30 
Flaschen für alle Fälle zum eigenen Ge- 
brauch zurück, der Rest von 130 Flaschen 
wurde für den Freundschaftspreis von 
1500 Rbl. abgegeben. 
England. 
London, 1. Nov. Vor dem Gericht in 
Bow Street wurde soeben die Ausliefe 
rung von Gerson Guido Löwy aus 
Potsdam, der Betrügereien von mehreren 
Hunderttausend Mark begangen, beschlossen. 
Türkei. 
Konstantinopel, 27. Oktbr. Heute um 
2 Uhr 25 Minuten Nachmittags wurde 
hier wieder ein Erdstoß verspürt, der 
indeß keinen Schaden verursachte. Bei 
dieser Gelegenheit sei erwähnt, daß nach 
einer Mittheilung des „Standard", von 
den 60 000 L. T., welche für die vor 
vier Monaten durch das damalige 
Erdbeben Geschädigten gesammelt, bis jetzt 
nur 17 000 L. T. vertheilt worden sind, 
wobei selbst Leute, die nur 3 L. T. erhal 
ten haben, sich Abzüge von 20 pCt. oder 
mehr für Stempelgebühren rc. gefallen 
lassen mußten. Dagegen habe das eng 
lische Comite, welches selbstständig vorging, 
seine Thätigkeit nach Bertheilung von 
250 000 L. St. beendet. 
Monaco. 
In Monte Carlo sollte auf Veranlassung 
der Staatsanwaltschaft in Amsterdam ein 
angeblich holländischer oder deutscher „Graf 
Teinenburg verhaftet werden. Der Graf 
t ö d t e t e sich in dem Augenblicke, wo er 
verhaftet werden sollte, durch Revolverschüsse 
in den Kopf. 
Frankreich. 
Paris, 1. Novbr. Eine Meldung der 
„Agence Havas" besagt, ernste Erwägungen 
veranlaßten die vorläufige Verhaftung 
eines Offiziers der französischen Armee, 
der verdächtig ist, dem Auslande einige 
Schriftstücke mitgetheilt zu haben, die zwar 
weniger ivichtig, doch aber vertraulich 
waren. Die Untersuchung wird mit der 
bei Angelegenheiten solcher Art angebrach- 
Der Drtectiv. 
Roman von I. F. Molloy und K. Dietrich. 
Der Untersuchungsrichter n.einte, Herr von 
Markwald konnte gleichfalls im Tcrminzimnicr 
bleiben, während die Aussage des eben nach 
Berlin zurückgekehrten Kriminalkommissars 
Jlgner zu Protokoll genommen würde. 
Dieselbe war kurz folgenden Inhalts: Am 
Sonntag Abend, sofort nach dem Beginn der 
Untersuchung, war er direkt nach Monte 
Carlo abgereist. Der Direktor des Hotels, in 
welchem Herr von Foerster dort gewohnt hatte, 
hätte eine Photographie, die er ihm zeigte, 
sofort wiedererkannt und hätte ihm mitgetheilt, 
Herr von Foerster wäre zwei Wochen in 
seinem Hotel gewesen, hätte während dieser 
ttgelmäßig das Kasino besucht und meist 
mir C Inck gespielt und zwei Tage vor seiner 
Abreise eine beträchtliche Summe, mindestens 
30 000 Franken gewonnen. 
Er, der Hoteldirektor, hätte, durch das 
freundlich: und offene Wesen des junge» 
Mannes angezogen, ihn dann gewarnt, er 
möchte sich sorgsam vor zufälligen Bekannt 
schaften in Acht nehmen. Der Herr hätte 
ihn aber deswegen nur ausgelacht. Am 
Tage vor seiner Abreise hätte er dann gleich 
falls gespielt und wieder gewonnen, am 
Morgen seiner Abreise nach Paris hätte er 
dem Hoteldirektor eine große Summe, die er 
in Gold mit sich führte, gezeigt und lachend 
erklärt, daß er die Hunderte von unglücklichen 
Spielern wenigstens etwas an der Bank von 
Monte Carlo gerächt hätte. Seines, des 
Hotcldirektors, Wissens hätte der Ermordete 
während seiner Anwesenheit in Monte Carlo 
mit niemandem, außer mit einem Herrn 
Grafen von der Pforten verkehrt, der aber 
vier Tage vor der Abreise des Andern nach 
Rom gereist wäre. Darauf hätte der Kriminal 
kommissar Jlgner an die Polizei in Rom 
telcgraphirt und ermittelt, daß Graf von der 
Pforten am Tage des Mordes und überhaupt 
seit seiner Ankunft ununterbrochen in Rom 
weilte. Dann hätte er im Kasino Nach 
forschungen angestellt, aber nichts Bestimmtes 
ermittelt. In Paris hätte er daraus seine 
Nachforschungen fortgesetzt. Der Besitzer des 
Hotels, in dein Herr von Focster abgestiegen, 
er annte die Photographie wieder und bestätigte, 
daß der Ermordete sich eine Woche laug in 
semen, Hotel aufgehalten, konnte aber weiter 
keine Auskunft über seine Bewegungen geben. 
Er ware allem gewesen und hätte, so weit 
es der Hotelbesitzer bemerkte, keine Bekannt 
schaften gemacht, wenigstens hätte er im Hotel 
keinerlei Besuche empfangen oder Gäste' bei 
dm Mahlzeiten gehabt. Die Pariser Polizei 
hätte gleichfalls keinerlei Auskunft geben können 
und auch die Nachforschungen auf der Eisen 
bahn wären soweit erfolglos geblieben, die 
Schaffner könnten sich durchweg nicht erinnern, 
irgend einen Reisenden in das Koupee des 
Herrn von Foerster einsteigen oder cs verlassen 
gesehen zu haben. Auch die Photographie 
vermöchten sic nicht mit Bestimmtheit zu 
erkennen. Dann theilte er noch die Namen 
und Adressen der Eiscubahnbeamtcn mit, 
deren Aussagen für die Strecke Don Hannover 
bis Berlin in Betracht kämen. 
Der Untersuchungsrichter wandte sich nun 
zu Markwalds Vernehmung und benutzte 
dabei einen Bogen mit allerlei Notizen, die, 
wie sich bald herausstellte, auf Mittheilungen 
des Justizrates Gerhard beruhen mußten. 
Die Vernehmung drehte sich in der Haupt 
sache darum, ob Hugo von Markwald vorher 
gewußt hätte, daß sich der Ermordete in jenem 
Zuge befinden würde, und ob er die darauf 
bezüglichen Mittheilungen von Fräulein von 
Hcldbcrg erhalten, wandte sich dann zu den 
persönlichen Beziehungen zwischen dem Er 
mordeten, seiner Tante und Cousine und dem 
Zeugen, schließlich in der Frage gipfelnd, ob 
ihm Fräulein von Hcldberg nicht niitgetheilt 
hätte, daß ihre Tante, so lange Karl von 
Foerster lebte, nie in ihre Heirath mit einem 
Andern willigen würde, und ob seine Antwort 
darauf nicht gewesen wäre, daß leicht noch 
etwas geschehen könnte, um die Heirath 
zwischen Fräulein von Heldberg und ihrem 
Better zu verhindern. 
Nach der bejahenden Antwort auf diese, 
wie die vorhergehenden Fragen fuhr denn der 
Beamte plötzlich in scharfem Ton mit den 
kurzen Worten fort: 
„Sein Tod zum Beispiel?" 
„Das war aus meinen Worten nicht zn 
folgern," entgegncte Hugo kalt. 
„Aber Sic bestreiten nicht, daß Frau von 
Foerster, so lange der Ermordete noch lebte, 
in Ihre Verlobung mit Fräulein von Hcld 
berg nie gewilligt haben würde und daß sein 
unerwarteter Tod Ihnen demnach ein Hinder 
niß aus dem Wege räumte?" 
Hugo blieb stumm und antwortete nur 
nnt einem Blick trotziger Verachtung. 
„Also am Sonnabend hörten Sie, daß er 
am Freitag zurückkehren würde? Und ihre 
Skizzen in der Nähe von Hanover wurden 
gerade am Freitag fertig, so daß Sic den 
selben Zug zur Rückfahrt benutzen konnten, 
mit welchem der Ermordete fuhr? In welcher 
Wagcnklasse reisten Sie?" 
„Zweiter!" 
„Fuhren Sie allein, oder waren sonst 
noch Passagiere im Koupee?" 
„Ich war allein." 
„Darüber wird ja die Vernehmung der 
Bahnbeamten das Weitere ergeben. Und auf 
der Station Zoologischer Garten entfernten 
Sie sich ohne noch ein Wort des Grußes an 
Herrn von Foerster zu richten?" 
„Allerdings." 
„Sie warm also nicht befreundet mit ein 
ander?" 
„Wir waren nur bekannt, aber einander 
ziemlich gleichgültig. 
„Aber Sie räumen ein, daß Sie Rivalen 
waren?" 
Hugo antwortete nur mit einem stummen 
Kopfnicken und wandte sich ab in dem.Gefühl, 
als ob plötzlich ein dunkler Schatten auf sein 
Leben gefallen wäre. Dieser entsetzliche Arg 
wohn würde ihn von jetzt ab brandmarken 
und ihn von allen seinen Freunden und 
Bekannten trennen. In demselben Augenblick 
sprang sem. Onkel, der der ganzen Vernehmung 
in sprachloser Berwuuderung zugehört hatte, 
zornig auf, ergriff den Arm seines Neffen 
und zog ihn nach draußen. Sobald sie allein 
waren, sagte er hastig: „Ich muß jetzt sofort 
zu Frau von Foerster und mit ihr Rücksprache 
nehmen. Sei heute Abend pünktlich um 
sechs Uhr im Kasino am Pariser Platz, 
dort wollen dann zusammen speisen und die 
Sache weiter besprechen." 
Hugo stimmte ihm bei und half ihn in 
den Wagen. Dann im Begriff sich eine 
Droschke zu nehmen, sah er. den Kriminal 
kommissar Jlgner, der während seiner Ver 
nehmung das Zimmer nicht verlassen hatte, 
aus der Thür des Gebäudes herauskommen 
und wurde von demselben angeredet: 
„Entschuldigen Sie, Herr von Markwald, 
würden Sic mir vielleicht eine kurze Unter 
redung gewähren?" 
Fünftes Kapitel. 
Die Fragen des Kriminalkommissars. 
Der Maler wandte sich kurz um, blickte 
den Mann wüthend an, als ob er ihn 
erschlagen wollte, und fragte dann scharf: 
„Was wünschen Sie?" 
„Nur einige Minuten unter vier Augen 
mit Ihnen," antwortete der Kriminalkommissar 
in überredendem, beinahe bittendem Tone. 
Hugo war infolge der Vorfälle dieses 
Morgens höchst verstimmt und reizbar, zögerte 
daher mit seiner Erwiderung, überwand dann 
jedoch seine erste Aufwallung über die freche 
Belästigung seitens dieses Menschen und 
sagte: „Ich fahre jetzt direkt nach Hause — 
wenn Sie cs wünschen, können Sie mit mir 
kommen." 
Ohne ein Wort weiter mit einander zn 
wechseln, fuhren sie in derselben Droschke 
nach der Corneliusstraße, und als sie in 
seiner Wohnung anlangten, bot Hugo ^ den 
Kommissar einen Stuhl an, während er selbst 
sich ans dem Divan, mit dem Rücken gegen 
das Licht gewendet, niederließ. Er fühlte 
sich ermattet, niedergeschlagen, verstimmt und 
voller Mißtrauen, wünschte aber nicht, daß 
sein Besucher irgend etwas von diesen seinen 
Empfindungen aus dem Ausdruck seines 
Gesichtes erriethe, und hielt sich deshalb 
sorgfältig im Schatten. 
„Sic werden sich selber nicht verhehlen," 
begann Jlgner ohne weiteres, „daß Ihre 
eigenen Aussagen und Einräumungen Argwohn 
auf Sie gelenkt haben?"
	        
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