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Donnerstag, den 1. November
1894.
Morgen-Depesche«.
Berlin, 1. Nov. Der „Reichsanz.
veröffentlicht die Verleihung des Charakters
eines Wirklichen Geheimen Ober-Regierungs-
Rathes an den Regierungs-Präsidenten
v. Tiedemann zu Bromberg sowie an Dr.
Stüve zu Osnabrück, ferner die Versetzung
des Regierungs-Präsidenten Grafen zu
Stolberg-Wcrnigerode in Aurich in gleicher
Eigenschaft an die Regierung in Merse
burg und die Ernennung des Ober-Präsi-
dial-Ratbs von Estorff zu Koblenz zum
Präsidenten der Regierung in Aurich sowie
die des Ober-Regierungsraths Dr. Scheffer
zu Düsseldorf zum Ober-Präsidial-Rath.
Berlin, 1. Nov. Graf Caprivi ist
heute in der bekannten Sache gegen die
„Westdeutsche Allg. Ztg." in Köln als
Zeuge vernommen worden und zwar be
gab sich der Richter mit einem Protokoll
führer in das Palais des bisherigen
Reichskanzlers.
Berlin, 1. Nov. Eine heute von der
Boycott-Kommission einberufene Bersamm-
Ģastwirthe, welche von ungefähr
1000 Personen besucht war, beschäftigte
sich abermals mit dem Bierboycott. Es
wurde eine Resolution angenommen, wo
nach die anwesenden Gastwirthe sich ver-
pflichteten, solange nur ringfreies Bier zu
liefern, bis die Forderungen der Arbeiter
bewilligt seien.
Magdeburg, 1. Novbr. Bei der Reichs-
tags-Ersatzwahl für Anhalt erhielten: Pro
fessor Dr. Friedberg (natl.) 10,125, Schulze
(Soz.) 9250, Obermeister Fischer-Berlin
(Mittelstands-Partei) 2655, Oberbürger
meister Dr. Baumbach (sreis. Vgg.) 2135
Stimmen. Zwischen Friedberg u. Schulze
findet olso Stichwahl statt.
Paris, 1. Novbr. Der Präsident, Ca-
simir-Perier, welcher für die nächsten Tage
eine Jagdparthie nach Pont-sur-Seine ge-
plant hatte, hat die Reise infolge der
allarmirenden Nachrichten über das Be
finden des Zaren aufgegeben und wird das
Elysee nicht verlassen.
Die neuen Männer.
Für den Fürsten Bismarck, für den aus
naheliegenden Gründen ein Nachfolger schwer
zu finden war und für den es, da er als
Reichskanzler sterben zu sollen und in sei
nem Sohne Herbert dem Reiche einen
Nachfolger hinterlassen zu wollen schien,
anscheinend unnöthig war, einen Nachfolger
zu suchen, war einer lange vor dem ver-
hängnißvollen Märztage des Jahres 1890
gefunden. Man hatte zwar später im
Jntereffenstreite und Parteienhader darum
vergessen; aber lange vor dem Rücktritt
des Fürsten Bismarck hatten scharfsinnige
und urtheilsfähige Männer den Nachfolger
des Fürsten Bismarck gefunden in dem
Herrn v. Caprivi. Man wird sich daher
nicht wundern, man wird cs im Gegentheil
nur begreiflich finden und loben müssen,
daß man für alle Eventualitäten auch an
einen Nachfolger des Grafen v. Caprivi
bei Zeiten gedacht hatte. Wie sehr dies
der Fall, geht daraus hervor, daß Freitag
Nachmittag 2 Uhr Graf v. Caprivi noch
Reichskanzler war und Sonnabend Vor
mittag der zu seinem Nachfolger Auser
sehene bereits von dem fernen Straßburg
in Potsdam eingetroffen war.
Man hatte starke Gründe zu bezweifeln
und beziveifelte allgeniein, daß Fürst Chlod
wig zu Hohenlohc-Schillingsfürst geneigt
sein werde, den reichsländischen Statthalter
Posten mit dem Reichskanzlerpostcn in Ber
lin zu vertauschen. Wenn ein Cäsar lieber
Erster in einem kleinen Orte als Zweiter
in Rom sein wollte, dann wird man es
nicht unbegreiflich finden, daß Jemand
lieber Erster im Reichslande, als Zweiter
in Berlin sein möchte, lieber stellvertretcn-
der Kaiser in Straßburg, an der Spitze
Elsaß-Lothringens, als Kanzler in Berlin,
zumal unter einem Kaiser, der den Ehr-
geiz und die Kraft hat, sein eigener Kanz-
ler zu sein. Bon dem äußeren Glanze,
der enormen Gehaltsdifferenz, dem Unter
schiede in den Ansprüchen an die persön
liche Bethätigung wollen wir gar nicht
einmal besonders Aufheben machen. Aber
man konnte sich denken, daß ein Mann in
der Stellung und von dem ruheliebenden
Temperament des Fürsten Hohenlohe in
seinem hohen Alter einen naheliegenden
und gewiß triftigen Grund für die — Ab
lehnung finden und ihn ausnutzen werde.
Fürst Hohenlohe ist älter da er das Reichs-
kanzlerpalais beziehen soll, als Fürst Bis-
marck, da er es verließ. Und Fürst Bis-
inarck war wahrlich eine ganz ungewöhn-
Arbeitskraft, doch klagte er, daß ihn die
schwere Bürde aufreibe. Der viel jüngere
Graf v. Caprivi zeigte durch die Fixigkeit,
mit welcher er das Palais Radziwill ver
ließ, daß Scheiden nicht immer weh thut.
Aber der Kaiser muß eine zwingende Be-
redtsamkeit haben. Fürst Hohenlohe hat
dem Rufe des Kaisers Folge geleistet. Der
vom Kaiser offenbar längst Ausersehene ist
Reichskanzler, und auch die amtliche Publi
kation ist bereits erfolgt.
Das hohe Alter des Fürsten Hohenlohe,
das ihn erklärlicherweise an jeder ange
strengten oder gar selbstschöpferischen Thä-
tigkeit hindert, beweist, daß der Kaiser in
noch höherem Maße als bisher sein eigener
Kanzler sein will. Und weil Wilhelm's II
Politik oft eine Staatskunst der Ueberra
schlingen, der unvorhergesehenen Entschlüsse
ist, darum erscheint es ziemlich müssig, sich
in Betrachtungen und Muthmaßungen über
den Weg zu ergehen, den er voraussicht
lich wandeln wird. Wie in den verflossenen
4'/ 2 Jahren, wird er auch fernerhin seine
Entscheidungen von Fall zu Fall treffen,
und Fürst Hohenlohe, wohl meistens als
treuer Diener seines Herrn, versuchen, die
kaiserliche Politik zu vertreten und ihre
Konsequenzen zu ziehen. Bon diesem Ge
sichtspunkt aus betrachtet, darf der ruhige
Politiker es füglich unterlassen, sich über
die Ansichten und das Programm des neuen
Reichskanzlers vorzeitig den Kopf zu zer
brechen.
Graf v. Caprivi war ein konservativer
Mann durch und durch, wenn auch die
konservative Presse dies am wenigsten
Wort haben wollte. Fürst Hohenlohe ist
liberaler, er steht mehr auf dem Boden
der Frcikonservativen. Hatte Graf von
Caprivi eine gewisse Vorbildung für das
schwierige Reichskanzleramt weniger in
seiner Generalsthätigkeit, als in seiner
Stellung als Marincminister genossen, so ist
Fürst Hohenlohe bayrischer Minister-
Präsident und Minister des Auswärtigen
gewesen, und später elf Jahre deutscher
Botschafter in Paris. Auch die sieben
jährige Statthalterschaft kann dem Fürsten
für den neuen Posten nur nützlich gewesen
sein. Aber Fürst Hohenlohe ist 75 Jahre
alt, und dieses Alter, das Temperament
und Anderes stempeln seine Annahme des
erledigten Reichskanzlerposten zu einem
großem Opfer seinerseits und zu einem
großen Siege des Kaisers.
Gleichzeitig mit dem Fürsten Hohenlohe
ist sein Unterstaatssekretär von Köller zur
Uebernahme des durch den Rücktritt Eulen-
burgs frei gewordenen preußischen Mini-
steriums des Innern ernannt worden. Von
Herrn v. Köller zweifelte man nicht, daß
er den Posten annehmen ivürde, zumal
wenn Fürst Hohenlohe Reichskanzler und
preußischer Ministerpräsident wurde. Denn
von dem Fürsten Hohenlohe würde sich
Herr v. Köller nur ungern getrennt haben.
Herr v. Köller, der Bruder des Landtags
Präsidenten, ist 53 Jahre alt und hat seit
Mitte der achtziger Jahre, da er noch
einfacher Landrath war, schnell Carrière ge
macht. Er war eine Zeit lang Polizei
präsident in Frankfurt a. M., und dies
wie seine politisch konservative Gesinnung
mit einem Stich in's religiöse Orthodoxe
ließen ihn als besonders geeignet erscheinen,
Nachfolger eines Eulenburg und zur Zeit
des Umsturzkampfes Minister des Innern
zu sein.
Die neuen Männer sollen den alten
Kurs beibehalten, der bekanntlich der „neue
Kurs" genannt worden ist. Das ist natür-
lich nur cum grano salis zu verstehen.
Aber vielleicht wird dies mehr der Fall
sein, als bei neuen Männern üblich und
möglich, denn thatsächlich ist die wahre
Ursache des großen und sensationellen
Wechsels keine politische, sondern eine
persönliche. Fürst Bismarck ging, weil er
in letzter Reihe mit den Sozialisten schärfer
verfahren wollte als dem Kaiser recht war.
Graf v. Caprivi ist gegangen, obschon er
mit dem Kaiser mit sämmtlichen preußischen
Ministern außer Eulenburg, und den der-
kündeten Regierungen in Betreff der Be
handlung der Sozialisten einverstanden war,
obschon seine Vorschläge noch nach seinem
Sturze von dem neuen Reichskanzler dem
Reichstage vorgelegt werden sollen; aber
doch in Folgen der Sozialistenfrage. Nicht
nur Bücher sondern auch deutsche Reichs-
kanzler haben ihre Schicksale. Die Sozi-
alisten, die man bekämpfen will, könnten
sich etwas darauf einbilden, daß sie wcsent-
lich zum Sturz der ersten beiden deutschen
Kanzler, eines Bismarck und des Grafen
v. Caprivi beigerragen haben.
V o m Zaren.
Die Nachrichten lauten sehr trübe. Das
gestern Abend ausgegebene Bulletin ber
Aerzte läßt kaum mehr Hoffnung übrig,
und alle Berichte über die seit Montag
eingetretene erfreuliche Besserung im Be-
finden des Zaren beruhten auf mißver
ständlicher Auffassung des Krankheitsbildes.
Ein wahrhaft grausamer Widerspruch be
steht zwischen jener Petersburger Meldung
der Londoner „Daily News", wonach die
Besserung als ein Wunder betrachtet wer-
den müsse und dem heute vorliegenden
traurigen Krankheitsbericht. Bon dem
Augenblick an, wo sich Symptome der Ver-
stopfung eines Lungenflügels zeigten, war
eine Täuschung über das Gefährliche des
Der Detects».
Zustandes nicht mehr möglich. Es ist nun
aufgeklärt, warum am Montag die Trau
ung des Thronfolgers mit der Prinzessin
Alix nicht stattgefunden hat: Der Zar war
bereits zu schwach, um der Ceremonie bei
wohnen zu können. Die Nachricht von
der heutigen Abreise des Prinzen von
Wales und seiner Gemahlin nach Livadia
darf lediglich so gedeutet werden, daß sie
an das Sterbelager des Zaren gerufen
wurden.
Das gestern Abend ausgegebene Bulletin
lautet:
Im Laufe des Tages dauerte der blu
tige Auswurf fort, der Patient frö
stelte, die Temperatur war 37,8. Der
Puls ist schwach, 90 Schläge in der Mi
nute, die Athmung ist erschwert, der Appetit
sehr schwach, die Schwäche hat zugenommen,
das Oedem hat sich bedeutend
vermehrt.
Leyden, Sacharjin, Hirsch, Popow,
Weljaminow.
Ausland.
Ruffland.
Petersburg, 31. Oktbr. Die letzten
Bulletins aus Livadia riefen in Peters
burg tiefste Bewegung hervor. Die Poli-
zeibeamte», welche auf den Hauptstraßen
gedruckte Vervielfältigungen der Bulletins
gratis vertheilen, werden von den Volks-
mästen bestürmt, ebenso sind vor der
Redaktion des „Regierungsboten", wo die
Ausgabe der Bulletins stattfindet, große
Menschenmassen versammelt. Die Theater
sind fast leer, Militärs besuchen dieselben
überhaupt nicht.
Petersburg, 31. Oktbr. Die Nachricht
ausländischer Blätter, daß Großfürst
Georg auf die Thronfolge verzichtete,
begegnet lebhaften Zweifeln. Diese Frage
wird gegenwärtig überhaupt nicht berührt,
da nach russischem Gesetz beim Regierungs
antritt des neuen Zaren zugleich der Thron
folger proklamirt wird, und im Falle eines
baldigen Regierungswechsels würde Groß-
fürst Georg als Thronfolger proklamirt
werden.
Italic«.
Mailand, 31. Oktbr. Gegen 1 Uhr
Nachts explodirte vor zwei Gebäuden, in
denen Polizeiabtheilungen untergebracht
sind, zwei Bomben. Die beiden Gebäude
und das Kommunalschulgebäude wurden
beschädigt. Menschen sind nicht verletzt
worden. Die Untersuchung ist eingeleitet.
Roman von I. F. M-lloy und K. Dietrich.
Der Künstler blickte unverwandt vor sich
hin, als ob er die Antwort kaum hörte sein
Gesicht war blaß, seine Augen funkelten vor
verhaltener Erregung, aber sonst verriet er
durch nichts die Empfindungen, die ihn er
füllten, die Gedanken, die seine Seele bewegten.
„Förster und ich waren nicht die besten
Freunde," sagte er dann langsam und be
dauernd. „Wir hatten wenig gemeinsame
Neigungen und begegneten uns, außer im
Hause seiner Tante fast nie. Aber ich weiß,
".chatte viele gute Eigenschaften, und sein
plötzlicher Tod betrübt mich mehr, als ich
sagen kann."
„Gewiß, gewiß, mein lieber Junge. Aber
was ,st De.ne Betrübniß oder die meine im
Vergleich zuder seiner Tante und Kousine,
die gestern Abend seine Rückkehr erwarteten
und statt dessen plötzlich die Nachricht seines
Todes erhielten? Es war ein schrecklicher
Schlag für sie."
„Wie ertragen sie es ?" fragteHugo ängstlich.
„Frau von Foerster siel in Ohnmacht und
blieb mehrere Stunden lang bewußtlos, und
das arme Kind, die Cäcilie, obgleich selber
fast von Sinnen, vor Gram und Trauer —
Du weißt ja, sie war mit ihrem Vetter Karl
verlobt, und sie wollten bald heirathen —
ließ mich sogleich holen. Ich konnte nur wenig
helfen, aber meine Anwesenheit schien sie doch
etwas zu trösten und zu beruhigen."
Der Künstler antwortete nichts, seine Lippen
zuckten, und er blickte von seinem Onkel fort.
„Heute Nachmittag findet polizeiliche Ver
nehmung in dieser Angelegenheit statt," fuhr
der General fort. „Ich habe bereits mit Ju
stizrath Gerhard, Frau von Foersters Rechts-
bcistand, Rücksprache genommen, und wir
werden dabei zugegen sein."
„Es lag doch eigentlich keine Nothwendigkeit
vor, ihn dazu aufzufordern," meinte Hugo kurz.
„Wenn er seine Angelegenheit nicht für
zweckdienlich hielte, würde er sich kaum dazu
bereit erklärt haben. Er ist ein kluger, viel-
erfahrener Mann."
Hugo trat, ohne zu antworten, ans Fenster
und starrte einige Minuten gedankenvoll hin-
ttU ' *® en ^ ete lich dann kurz um und bemerkte:
Dich begleiten."
"àshalb?" fragte der General überrascht.
">sch war w demselben Zuge. In Hannover
stieg ich ein und wechselte aus de». Bahnhöfe
einige Worte mit Karl v°» Foerster. Er war
aho m Hanover noch am Leben — der
Mord muß zwischen Hannover und hier qc-
schchen sein. Meines Erachtens ist es meine
Pflicht, von diesem Umstande Mittheilung zu
machen. Angenehm ist es nicht, aber es läßt
sich nun einmal nicht ändern."
„Wie kamst Du denn nach Hannover?"
fragte der General überrascht. „Also dort
lebte der arme Mensch noch, und Du warst
in demselben Zuge mit ihm, vielleicht im
nächsten! Wagen, während das Schreckliche
geschah? Sinn, Du hast Recht, der Umstand
ist vielleicht für die Untersuchung von Wich
tigkeit."
„Wenn Du einen Augenblick warten willst,
ziehe ich mich schnell an und komme gleich
mit Dir," meinte Hugo und zog sich in sein
Schlafzimmer zurück. Nach einer Viertelstunde
erschien er wieder, ganz in Schwarz gekleidet.
Sein Gesicht war leichenblaß, zeigte aber den
ihm eigenen Ausdruck unbeugsamer Entschlossen
heil noch stärker als sonst. Sein Wesen war
dabei tief und ernst und nachdenklich, als ob
seine Gedanken das Geheimniß der Zukunft
zu durchdringen suchten, und während er seinem
Onkel die Treppe hinunterfolgte, wandten sich
seine Gedanken dem Mädchen zu, daß er
liebte, und er murmelte vor sich hin:
„Meine arme Cäcilie! — ich hatte recht.
Das Schicksal hat sie in einer völlig uner
warteten Weise aus ihrer schwierigen Lage
befreit."
Viertes Kapitel.
Beginn der Untersuchnng.
Frau von Foerster war von Gram völlig
gebrochen, und, nachdem sie aus ihrer stunden
langen Bewußtlosigkeit erwacht war, blieb sie
die ganze Nacht und den ganzen folgenden
Tag im Bett liegen, ohne auch nur einen
Augenblick der Ruhe zu finden, niit klopfenden
Schläfen, glühenden, thränenloscn Augen und
verzehrenden Kummer im Herzen. Die Art
und Plötzlichkeit des Todes ihres Neffen er
füllte sie mit Entsetzen, und zeitweise war ihr
zu Muth, als müßte sic das Ganze nur für
einen grauenhaften Traum halten, aus dem
sie gleich erwachen würde.
Die ganze Nacht hindurch wachte Cäcilie
bei ihrer Tante, vergebens bemüht, sie zu
trösten und zu beruhigen, bis das junge
Mädchen endlich ani Vormittag des folgenden
Tages von Müdigkeit überwältigt in tiefen
Schlummer sank.
Um dieselbe Zeit fand die erste Vernehmung
in Sachen des geheimnißvollcn Mordes statt.
Se. Excellenz, der Generallieutenant von
Cosel, begleitet vom Justizrat Gerhard,
rekognoszierte den Ermordeten als den Assessor
Karl von Foerster, Alter 25 Jahre, wohnhaft
gewesen bei seiner Tante, der verwitweten
Frau Oberst von Foerster, Rcgentenstraße 27,
Vor sechs Wochen hätte der Verstorbene nach
seinem Examen eine Erholungsreise nach
Italien angetreten, wäre dann auch in Nizza
und Monte Carlo gewesen und genau vor
einer Woche, am vorigen Sonnabend, hätte
seine Tante einen Brief von ihm ans Paris
erhalten, in dem er seine Rückkehr für Freitag,
also gestern Abend, ankündigte. Außer dem
Telegramm von gestern Morgen, daß er
unterwegs wäre, hätte er dann nichts weiter
von sich hören lassen.
Das Gutachten der Gcrichtsärzte lautete
auf Tod durch Chloroform und schloß die
Annahme eines Selbstmordes entschieden aus.
Die Vernehmung der Bahnbeamten und
Polizisten ergab nichts Wesentliches.
Dann wurde der General noch gefragt,
ob der Ermordete vielleicht eine größere Summe
Geldes bei sich geführt Hütte, vermochte aber
darüber keine Auskunft zu geben, fügte jedoch
hinzu, sein Neffe, Hugo von Markwald hätte
noch eine vielleicht wesentliche Aussage zu
machen.
_ Darauf erklärte Hugo kurz Folgendes: Er
hätte den Ermordeten persönlich gekannt und
wäre ihm gestern Nachmittag auf deni Bahn
steig in Hannover begegnet, hätte auch einige
Worte dabei mit ihm gewechselt und wäre
dann in demselben Zuge, aber in einem
andern Koupee nach Berlin zurückgefahren.
Er selber wäre vor drei Tagen nach Hannover
gereist, um dort in der Nähe für ein von
ihm beabsichtigtes, größeres Gemälde einige
Skizzen und Aufnahmen nach der Natur
anzufertigen. Auf dem Bahnhof Zoologischer
Garten wäre er, da er außer einer leichten
Handtasche sein Gepäck bei sich gehabt, aus-
gcstiegcn und, ohne sich nach Herrn von
Foerster umzusehen, durch den Zoologischen
Garten nach seiner Wohnung in der Cornelius
straße gegangen. Daß derselbe inzwischen
ermordet wurde, hätte er erst heute ffüh von
seinem Onkel gehört. Danach hätte er cs
für nothwendig erachtet, von diesem Umstand,
daß er den Ermordeten in Hannover noch
lebend gesehen, Mittheilung zu machen.
Nachdem der Maler seine Aussage beendet
hatte und entlassen war, sah er noch, wie
Justizrath Gerhard den Untersuchungsbeamten
etwas zuflüsterte, und entfernte sich dann mit
seinen, Onkel.
Am Sonntag fand das Begräbniß des
Ermordeten statt, an dem weder seine Tante,
noch Cousine thcilnahnien, weil sic noch zu
leidend waren, während Excellenz von Cosel
und Hugo außer einer großen Zahl von
Verwandten und Bekannten ihm das letzte
Geleit gaben. Vom Kirchhof fuhr Hugo nach
seiner Wohnung, um seinen Anzug zu wechseln,
und ging dann nach der Fasanenstraße in sein
Atelier. Gleich anfangs glaubke er es zu be
merken, daß jemand am Kanalufer seiner
Wohnung gegenüber auf ihn gewartet zu haben
und ihm zu folgen schien, und, als er
seiner Gewohnheit gemäß zur Abkürzung des
Weges auf Grund seiner Abonncnicntskarte
sich in den Zoologischen Garten wandte,
kaufte dieser Mensch zu seinem höchsten Er-
'tonnen eine Einlaßkarte und folgte ihm.
Aergerlich und entlüftet machte Hugo, um sich
ganz sicher zu überzeugen, im Garten ver
miedene Kreuz- und Querwcge, sah sich da
bei, wenn auch in einiger Entfernung beständig
von diesem Menschen gefolgt und bemerkte
"chließlich, als er sich nach seinem Atelier be