Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

nicht im Stande war, Beistand zu leisten 
Kurz nachher sah man von der „Rebecca 
aus, wie der Dampfer unterging. Das 
Geschrei der Ertrinkenden war deutlich zu 
hören. Es hat sich herausgestellt, daß der 
untergegangene Dampfer die „Kitty Rat 
cüffe" war. Sie hatte eine Besatzung von 
30 Köpfen. 
Belgien. 
Gent, 30. Okt. Bei dem Zusammen 
stoß zwischen einem Zuge Antisozialisten 
und einem Zuge Sozialisten war die Gens 
darmerie genöthigt, von der Waffe @e 
brauch zu machen, wobei mehrere Personen 
verwundet wurden. Die Ordnung ist voll 
ständig wiederhergestellt. 
Oesterreich. 
Budapest, 29. Oktbr. Die gestrige An 
kunst Franz K o s s u t h s, des Sohnes 
des verstorbenen Exdiktators, verursachte 
hier stürmische Straßenscenen. Eine 
ungeheure Volksmenge, darunter viele Ab 
geordnete von der äußersten Linken, er 
wartete Kossuth am Bahnhöfe, wo ein ber 
art furchtbares Gedränge herrschte, daß 
zahlreiche Personen in Ohnmacht fielen 
Der Abgeordnete Helft) begrüßte Kossuth 
in einer langen Ansprache. Kossuth, der 
im Menschengewühl und in Folge der An 
strengungen der Reise einer Ohnmacht nahe 
war, wurde darauf in das nächste Hotel 
gebracht. Später begab sich Kossuth in 
seine Wohnung im Grand Hotel. Dort 
wurden ihm kolossale Ovationen 
dargebracht. Damen brachten Blumen, die 
Menge in den Straßen sang National 
lieder. Die Polizei ist nirgends einge 
schritten. Die Straßenscenen sind daher 
auch ohne jeden ernsten Zwischenfall ver 
laufen. 
Inland. 
Berlin, 30. Okt. Die „N. L. 4 
schreibt: „Man darf gespannt sein, wie 
sich die Situation im Reichstage 
jetzt gestalten wird. Es kann keinem 
Zweifel unterliegen, daß die Freisinnigen 
und insbesondere das Centrum eher ge 
neigt waren, den Grafen Caprivi möglichst 
zu unterstützen, um ihn in seiner Stellung 
zu befestigen. Dem Grasen Caprivi mög 
lichst entgegenzukommen, war das Centrum 
stets bestrebt, weil diese Partei immer 
befürchten mußte, er könnte einem ihr 
energischer entgegentretenden Nachfolger 
weichen. Fürst Hohenlohe ist wegen seiner 
ganzen historischen Vergangenheit und 
seiner staatstreuen Gesinnung auch in 
kirchlichen Fragen beim Centrum nicht be 
liebt. In mißtrauischer Zurückhaltung 
steht die ,Partei ihm gegenüber- Diese 
parlamentarischen Aussichten sind nicht 
erfreulich; indessen wir stehen noch vor so 
vielen ungelösten Fragen und möglichen 
Wendungen, daß das parlamentarische 
Bild bei der praktischen Arbeit doch viel 
leicht noch etwas freundlichere Züge an 
nehmen könnte. 
Die „Köln. Ztg." meldet aus Berlin: 
Der Kaiser vollzog eine Kabinetsordre, 
durch welche der Staatssekretär Freiherr 
Marschall v. Bieber st ein unter 
Belastung in seiner bisherigen Stellung 
zum königlich preußischen Staatsminister 
ernannt worden ist. 
— Die „Neue Freie Presse" schreibt: 
„Fürst Hohenlohe muß sich zweifellos 
noch großer Thatkraft und Rüstigkeit be 
wußt sein, wenn er die ungeheure Last der 
neuen Doppel-Aufgabe auf seine Schultern 
ladet. Dem concilianten, in verschiedenen 
Stellungen erprobten Staatsmanne wird 
allerseiis das Vertrauen entgegengebracht, 
daß er bemüht sein wird, das aufgeregte 
Meer der Interessen- und Parteigegensätze 
zu beruhigen. 
— Das „Hirsch berger Tagebl." 
beginnt seinen Rückblick auf die Woche und 
die politischen Ereignisse derselben höchst 
geschmackvoll mit dem wundervollen Refrain: 
„Lott' ist todt, Lott' ist todt, Jule liegt 
im Sterben !" — Wir sind weit gekommen 
in der deutschen Journalistik. 
Im prächtigen neuen Reichstags- 
Haus am Königsplatz, so schreibt man 
Morgenzeitung gelesen?" 
„Dort liegt sie, noch nicht entfaltet. Was 
ist denn geschehen?" 
„Karl von Foerster ist tot!" 
„Großer Himmel!" rief der Künstler, die 
Kaffeetasse, die er eben an seine Lippen führen 
wollte, so hastig hinsetzend, daß der Henkel 
abbrach. 
„Ich bin ganz angegriffen, von all der 
Aufregung, mein lieber Junge," fuhr sein 
Onkel fort. 
„Aber wann, wo, wie — wie ist das nur 
möglich?" fragte Hugo mit leichenblassen 
Lippen und heiserer Stimme. 
„Als der Pariser Zug gestern Abend in den 
Schlesischen Bahnhof einfuhr, fand man den 
Mann —" 
„Tot?" 
„Ermordet und ausgeraubt!" 
„O, das ist ja zu schrecklich," rief Hugo, 
entsetzt vor sich hinstarrend. „Aber man hat 
doch," fragte er dann, sich erhebend, und auf 
seinen Onkel zukommend, „den Mörder gefaßt." 
„Nein, der Schurke hat keine Spur hinter 
sich gelassen, und bisher steht die Polizei 
noch vor einem ungelösten Rätsel." 
(Forffetzimg folgt.) 
der „Franks. Ztg." aus Berlin, fällt unter 
vielen für die bescheidene politische Stellung 
und die noch bescheidenere äußere Repräsen 
tation und gesellschaftliche Haltung unserer 
Volksvertretung eigentlich viel zu prächtigen 
Produkten des deutschen Kunstgewerbes 
auch der für den Reichskanzler ļbe 
stimmte Sessel auf. Am Freitag-Nachmittag 
besichtigten einige Abgeordnete das neue 
Heim, und einer, der dem Grafen Caprivi 
durchaus nicht wohl will, bewunderte den 
Sessel und meinte: „Darauf sitzt er 
noch fest er als bisher". Als er sprach, 
war Graf Caprivi schon seit einer Stunde 
nicht mehr Reichskanzler. 
- Aus Frankfurt a. M-, wo der neue 
Minister des Innern mehrere Jahre 
Polizeipräsident gewesen ist, schreibt —• 
sehr im Gegensatz zu Blättern ähnlicher 
politischer Richtung — die demokratische 
„Franks. Ztg." über Herrn v. Köller: 
Er ist als Parlamentarier unter den Kon- 
servativen einer der konservativsten und ag 
gressivsten gewesen. In seiner Stellung 
als Polizeipräsident von Frankfurt a. M. 
hat er diese seine politische Richtung nie 
mals zu Tage treten lassen, sich vielmehr 
im amtlichen wie außeramtlichen Verkehr 
durch strenge Unparteilichkeit, verbunden 
mit gewinnenden Verkehrsformen, in der 
Bürgerschaft ohne Ansehung der politischen 
Parteien eine Sympathie erworben, deren 
der Träger eines solchen Amtes sich nicht 
rühmen kann. Wir konstatiren lediglich 
eine Thatsache, wenn wir sagen, daß das 
Scheiden des Herrn v. Köller, des „ost 
elbischen Junkers", aus seiner hiesigen 
Stellung s. Z. in allen Kreisen der'Bür 
gerschaft ein Bedauern hervorgerufen hat, 
welches bei dem Abgang seines nationalen 
Vorgängers nicht annähernd in gleichem 
Maße vorhanden war. Ueber Herrn von 
Köller's Wirksamkeit in Elsaß-Lothringen 
ist wenig in weitere Oeffentlichkeit gedrun- 
gen; man muß aber annehmen, daß er sich 
in die Richtung, in der unter Fürst Hohen 
lohe das Regiment in Elsaß-Lothringen 
geführt worden ist, hineingewachsen hat 
und dieser Umstand spricht wenigstens nicht 
dafür, daß die bereits laut gewordene Be- 
'ürchtung begründet sei. Herr v. Köller 
möchte als Minister des Innern die Ma> 
ximen in die Praxis umzusetzen versuchen, 
die er vor vielen Jahren als jugendlicher 
konservativer Parlamentarier oder Ver- 
nmmlungsredner vertreten hat. 
Zu den Verhandlungen des S o z i a l i- 
tentages in Frankfurt a. M. schreibt 
die „Post": „Weit schärfer als sich vor 
aussehen ließ, sind die Geister aufeinander- 
geplatzt, und es zeigte sich, daß die bayeri 
schen Genossen nicht nur die Berliner, wie 
schon seit Langem bekannt, recht kühl an 
sehen, sondern daß eine tiefe Kluft zwischen 
nord- und süddeutscher Sozialdemokratie 
besteht, die sich um so schwerer überbrücken 
lassen wird, als die alte Freundschaft zwi 
chen Bebel und Grillenberger in die Brüche 
gegangen ist." 
Von der Ankunft des Serbenkönigs 
in Berlin wird nachträglich noch eine 
heitere Geschichte bekannt, die sich zuge 
tragen hat, als König Alexander in Be 
gleitung unseres Kaisers auf dem Schloß 
hofe des Stadtschlosses zu Potsdam die 
Equipage verließ, um die Front der dort 
aufgestellten Ehrencompagnie des 1. Garde 
regiment abzuschreiten. König Alexander 
tolperte nämlich beim Verlassen des Wagens 
über seinen Säbel und schlug der Länge 
nach hin, erhob sich aber sofort wieder um 
die Front abzuschreiten. Der Kaiser mußte 
herzlich lachen, worin wohl oder übel König 
Alexander mit einstimmte. 
Berlin, 24. Okt. Ueber das S t e u e r 
l ü ck, das den Staatsbürger vom 1. April 
1895 an blühen wird, schreibt ein bekannter 
Offiziöser: In dem laufenden Etat sind 
die direkten Steuern mit 194,4 Millionen 
eingestellt. Dazu treten noch diejenigen 
rund 40 Millionen Mark, um welche 
der Ertrag der Einkommensteuer des 
Etatssoll von 86,5 Millionen über 
reizt. Das, was im laufenden Jahre die 
preußischen Bürger an direkten Staats- 
teuern zu entrichten haben, stellt sich mid 
hin auf rund 234 Millionen Mark. Vom 
Jahre 1895,96 aber haben die preußischen 
Steuerzahler nur noch die Einkommen 
teuer, bei Zugrundlegung der Zahlen des 
laufenden Jahres rund 126 Millionen 
Mark und Ergänzungssteuer mit einem 
auf 35 Millionen Mark sixirten Ertrage, 
zusammen also nur rund 161 Millionen 
Mark an direkten Staatssteuern zu ent 
richten. Die Belastung der preußischen 
Staatsbürger vermindert sich mithin von 
234 auf 161 Millionen oder um nicht 
weniger als 73 Millionen Mark.. 
Unter den Bauarbeitern in Berlin ist 
chon jetzt die Arbeitslosigkeit sehr groß, 
obwohl Viele, die außerhalb wohnen, die 
Stadt bereits verlassen haben. Die Noth 
unter den selbstständigen Baugewerbe 
treibenden soll aber vielleicht ncch größer 
'ein, als unter den Arbeitern. Der unred- 
liche Wettbewerb, unglückliches Submissions 
wesen und geringe moralische und technische 
Qualität der Bauunternehmer spielen in 
dieser Misöre eine große Rolle. Viele 
olide Baugeschäfte sind an der unlauteren 
Konkurrenz schon zu Grunde gegangen, 
andere solide Unternehmer ziehen sich 
ganz aus dem Geschäfte zurück. Me 
Mehrzahl Derjenigen welche jetzt Häuser 
bauen oder bei öffentlichen Bauten mit 
submittiren, haben nichts, können nichts 
und sind nichts. Wer in den verschiedensten 
Lebenslagen Schiffbruch gelitten hat und 
weniger als nichts besitzt, fängt ein Ban 
geschäft an. Verkrachte Kaufleute, Schreiber, 
Restaurateure und Kellner dürfen Häuser 
bauen, und was noch schlimmer ist: sie 
können bauen, weil sie irgend einen Fünf- 
mark-Architekten finden, der ihnen nach 
einer bestimmten Schablone den Plan macht. 
Sie erhalten von dem Terrain-Besitzer für 
einen sehr hohen Preis aber ohne Anzah 
lung eine Baustelle, eine Baubank giebt 
die Baugelder, Handwerker, welche die 
Bauarbeiten übernehmen, sind nicht schwer 
zu finden. Das Ende vom Liede ist immer 
dasselbe: der Terrainbesitzer oder die Bau 
bank erwerben das Grundstück in der 
Subhastation und die Handwerker haben 
das Nachsehen. 
Einer Privatdepesche aus Brieg (Schle 
sien) zufolge, ist der Direktor der dortigen 
Provinzial-Jrrenanstalt, Dr. Petersen 
(ein geborener Schleswiger), von einem an 
Verfolgungswahn leidenden Insassen der 
Anstalt, der bisher für verhältnißmäßig 
harmlos gehalten und deshalb im Bureau 
der Anstalt beschäftigt worden war, uner 
wartet überfallen und durch einen Stich 
mit einem Küchenmesser in den Rücken 
schwer verwundet worden. 
Darmstadt, 29. Okt. Der in der hies. 
Fabrik beschäftigte Chemiker Mcinhol^d 
wurde wegen unsittlichen Umgangs mit 
Kindern im Alter bis zu 14 Jahren am 
Sonnabend verhaftet. Nach einem miß- 
glückten Fluchtversuche fand man bei ihm 
ein Fläschchen mit Gift im Strumpfe ver 
steckt vor. Bis jetzt sind zehn Fälle straf 
fälligen Umgangs polizeilich konstatirt. 
Schmalkalden, 29. Okt. Aufsehen er 
regt das plötzliche Verschwinden des Amt s< 
anwalts und Sparkassenverwal 
ters Teubert. Aus Meiningen war 
vom Landgericht eine Untersuchungs-Kom- 
mission eingetroffen, und in der Meinung, 
deren Anwesenheit gelte ihm, suchte er das 
Weite. Er genoß großes Vertrauen, soll 
dieses aber mehrfach mißbraucht und sich 
dadurch straffällig gemacht haben. Nach 
seinem Verschwinden wurde sofort eine 
außerordentliche Revision vorgenommen, 
die aber keine Unregelmäßigkeit zu Tage 
förderte. 
Das 2'/ 2 Jahre alte Söhnchen des 
Ackerers August Meyer in Hirzbach im 
Ober-Elsaß, welches seit zehn Tagen ver 
mißt worden war, ist, wie dem „Mühlh. 
Tagebl." geschrieben wird, todt im Walde 
aufgefunden worden. Das Kind hatte sich 
dort verirrt und ist verhungert. 
Amberg, 30. Oktbr. Die „Volks-Ztg." 
meldet weiter aus Wiesau, daß das requi- 
rirte Militär heute Vormittag in Fuchs 
mühl eintraf und die den Wald ver 
wüstenden Bauern vertrieb. Zwei der letzte 
ren sind in Folge der erhaltenen Bajonett 
stiche gestorben. (S. Morgen-Depeschen.) 
Der Generallieutenant von der Lippe 
hatte der Stadt Bonn eine Summe von 
20000 J( vermacht, aber unter solchen 
Bedingungen, daß die Stadt das 
Legat zurückwies. 
Eine Art weiblicher Kadettenan 
stalt scheint in Metz in'der Bildung be- 
griffen zu sein. Ein Vorkommniß in der 
höheren Töchterschule bildet dort nach 
der „Voss. Ztg." das allgemeine Stadt 
gespräch. Die Tochter eines Obersten 
sollte in der Schule während der Pause 
die von ihr zu Boden geworfenen Papier 
schnitzel aufsammeln und weigerte sich dessen, 
und zwar auch dann noch, als die Lehrerin 
den Direktor herbeirief. Eine ältere 
Schwester der Ungehorsamen erklärte dem 
letzteren, der Vater habe ihnen verboten, 
derartiges selbst zu thun, das sei Sache 
der Dienstboten. Da beide Mädchen bei 
ihrer Weigerung blieben, wurden sie vor 
läufig nach Hause geschickt. Die Folge 
dieses Vorkommnisses ist nun, daß eine 
Liste bei sämmtlichen Offizieren 
in Umlauf ist, um eine neue private 
höhere Töchteuschule zu gründen. 
Die Betheiligung soll sehr groß sein. 
Ein Schulknabe ist kürzlich vom Schöf 
fengericht zu Lenzen und der Strafkammer 
zu Neu-Ruppin in eine Geldstrafe genom 
men worden, weil er in Gemeinschaft mit 
mehreren anderen Knaben ein dreizehnjäh 
riges Schulmädchen auf dem Wege vom 
Bahnhof Lenzen nach ihrer Wohnung ver- 
olgt, durch Redensarten belästigt und an 
den Zöpfen gezogen hatte. Als dann das 
Mädchen schließlich zu weinen anfing, hatte 
der Angeklagte seinen Arm um ihre Schul 
tern gelegt und sich erboten, ihre Thränen 
zu trocknen. In der darauf eingelegten 
Revision wurde geltend gemacht, daß es 
-ich hier nur um einen gewöhnlichen Schul- 
bubenstreich handele. Der Strafsenat des 
Kammergerichts erkannte jedoch auf Zurück 
weisung der Revision, da in der auf öffent 
licher Landstraße unternommenen Belästi- 
gung des Mädchens mit Recht der That 
bestand des groben Unfugs gefunden sei. 
Ebenso habe der Vorderrichter festgestellt, 
daß der Angeklagte bei Begehung der That 
die zur Erkenntniß ihrer Strafbarkeit er 
forderliche Einsicht besessen habe. — Bis 
her hat allgemein die Ansicht gegolten, daß 
solche Schulbubenstreiche durch die Schul 
disziplin zu ahnden ist. Das hat sicher 
auch einen größeren erziehlichen Werth als 
eine Gerichtsstrafe. Allerdings ist die 
Schuldisziplin dadurch bedenklich gelockert, 
wenn ein Lehrer aus Rücksicht für Kinder 
oder Eltern nicht, wie vor Zeiten, hin 
und wieder einmal gehörig den Bakel 
schwingt. Umgekehrt sollten die Ettern 
eine vernünftige Zucht seitens des Lehrers 
unterstützen. 
Kröpelin, 29. Qkt. In der Nacht vom 
Sonntag auf heute ist hier ein äußerst 
frecher Einbruch verübt, der leider 
für den Thäter auch recht lohnend- war 
Bei Herrn Kaufman Ferdinand Heynßen 
in der Firma S. G. Heynßen, waren vom 
Garten aus die Fenster zum Comptoir an- 
geohrt und eingedrückt und dann der da 
selbst stehende eiserne Geldschrank erbrochen 
Darin befanden sich in baar ca. 4000 Jt, 
darunter die Gemeindekasse der hiesigen 
israelitischen Gemeinde, ausbewahrt, die 
dem Diebe in die Hände gefallen sind. 
Lübeck, 27. Oktbr. Die erste in Russe 
vorgenommene Behandlung mit dem neuen 
Diphtheritisheilmittel hat einen 
ganz vorzüglichen Erfolg gehabt. Es 
handelte sich um eine etwa 30jährige Frau. 
welche unter sehr bedenklichen Erscheinungen 
die eine Nasenhöhle war von der Krank 
heit schon ergriffen — an Diphtheritis er 
krankt war. Die Frau wurde von Herrn 
Dr. M. mit dem Heilserum, welches in 
der dortigen Apotheke schon erhältlich war. 
behandelt. Schon am zweiten Tage hatte 
sich der diphtheritische Belag zum Theil 
abgestoßen und das Allgemeinbefinden b 
deutend gehoben und am fünften Tage 
konnte die Frau bereits aus der ärztlichen 
Behandlung als geheilt entlassen werden 
Am Sonnabend versammelten sich die 
in Hamburg ansässigen und zum Besuch 
hier weilenden Residenten Chinas und 
Japans in den Sälen des „Restaurants 
Pfordte" zu einem Liebesmahl! Der Be 
such war ein außerordentlich reger, und 
waren die verschiedenen Länder zahlreich 
vertreten: China, Japan, Formosa, Siam 
Straits Settlements, Ostsibirien und Korea 
— trotz des „blutigen Zusammentreffens" 
herrschte eine heitere Stimmung. Das 
Präsidium hatte der siamesische General 
konsul Paul Pickenpack übernommen. Das 
Projekt eines „Ostasiatischen Clubs" wurde 
eingehend ventilirt. 
Eine „Freie Volksbühne" in 
Hamburg wollte am Sonntag-Nachmittag 
in Altona Gerhart Hauptmann's „Ein 
same Menschen" aufführen. Die Vor 
stellung wurde aber im letzten Augenblick 
verboten vans Betreiben des Hofraths 
Pollini, der für Hamburg-Altona das Recht 
der Aufführung dieses Stückes erworben 
hat. Das Schönste an der Sache ist, bast 
der Hamburger „Generalanz." am Montag 
einen Bericht über die gelungene 
Ausführung bringt und namentlich die 
Träger der Hauptrollen rühmend hervor 
hebt. 
Ein in Hamburg-Altona sehr bekannter 
Bauspekulant ist nach großartigen Wechsel 
fälschungen flüchtig geworden. Die 
Staatsanwaltschaft in Altona hat einen 
Steckbrief hinter den Flüchtigen erlassen 
Provinzielles. 
Altona, 25. Okt. Ein eigenthümliches 
Disziplinar-Verfahren zum Zwecke 
der Dienstentlassung ist durch Verfü 
gung vom 19. Okt. seitens des Regierungs 
Präsidenten zu Schleswig gegen den hiesi 
gen Stadtbaurath Stahl unter gleichzeitiger 
Amtssuspension eingeleitet worden, 
erfolgte, wie der „Voss. Ztg." berichtet 
wird, deshalb, weil Stadtbaurath Stahl 
hinreichend beschwert erscheint, durch die 
Veröffentlichung zweier in der Zeitschrift 
„Tiefbau" und in einem besonderen Circu 
lar vom 9. ds. abgedruckten Aufsätze die 
Pflichten seines Amtes verletzt, sich des 
für seinen Beruf erforderlichen Vertrauens 
unwürdig gezeigt zu haben. Stadtbaurath 
Stahl hat in dem ersterwähnten Aussatz 
auf Grund der thatsächlichen Verhältnis 
die Bewerber uni eine zweite Stadtbau 
rathsstelle in Altona wohlmeinend gewarnt 
und zugleich auf die Nothwendigkeit hin- 
gewiesen, den Stadtbaurath in das Raths- 
kollegium aufzunehmen. Das Circular vom 
sich in vorwiegend sach- 
lrcher Weise tm Interesse der Stadt mit 
der besten Theilung der Arbeiten des Stadt- 
^amtes, eine Frage, in welcher Herr 
stahl allerdings mit den Ansichten des 
Oberbürgermeisters nicht übereinstimmt. 
Wenn man an die „Thätigkeit" des Kanz 
lers Leist denkt, ist man wohl mit Recht 
neugierig darauf, wie ver Magistrat seinen 
gegen einen beliebten und verdienten Beamten 
gerichteten Antrag auf eine so schwere 
Strafe begründen wird. Stahl ist lebens 
länglich angestellt. 
Altona, 29. Oktbr. Das Schwurgericht 
verurtheilte den Grünwaarenhändler Blanck 
wegen Ermordung seiner früheren Ge 
liebten, Frau Brühn, zum Tode. 
Im Bezirke der Eisenbahndirektion Al 
tona sind in der Zeit vom 1. Juli bis 
Ende September Portemonnaies 
mit mehr als 600 JL Gesammlinhalt ge 
funden, die bis jetzt von den betreffenden 
Eigenthümern nicht beansprucht worden 
find. Die meisten Portemonnaies wurden 
in Kupees auf den Bahnhöfen in Altona 
und Hamburg gefunden. 
Ein Konsortium ist in Altona zusammen 
getreten, welches mit der Absicht unigeht, 
eine rationelle Kaninchenzucht einzuführen, 
um ein gutes und billiges Volksnahrungs 
mittel zu schaffen. 
Wie aus jetzt wieder auftauchenden Zei 
tungsberichten hervorgeht, soll die Wahl 
des Herrn v. E l m zum Reichstagsabge 
ordneten im 6. schleswig-holsteinischen Wahl 
kreise Elmshorn - Pinneberg angefochten 
werden, da in einer ganzen Reihe von 
Fällen nachgewiesen worden ist, daß Stim 
men für Abwesende und Gestorbene abge 
geben sind und auch sonst gesetzwidrige 
Wahlbeeinflussungen stattgefunden haben. 
Eine amtliche Bestätigung dieser Nachricht 
bleibt jedoch abzuwarten. 
Aus Kiel berichtet das „33. T.": Der 
Kaiser sprach telegraphisch der kaiserlichen 
Canal-Commission seine Befriedigung über 
die Eröffnung der Elbschleusen aus und beglück 
wünschte sie zu dem bedeutungsvollen Er 
eigniß. 
In der Amrumer Vogelkoje sind in 
diesem Jahre 15,000 Enten im Werthe 
von ca. 12,000 «ê gefangen worden, eine 
Zahl, die während des 26jährigen Bestehens 
der Koje nicht erreicht worden. 
6. Hohn, 31. Okt. Der hiesige Schlächter 
meister Hansen schlachtete in diesen Tagen 
ein Schwein, welches bei einem Alter von 1V 2 
Jahren das ansehnliche Schlachtgewicht von 
635 Pfd. nebst 75 Pfd. Flohmen aufwies. 
Es liefert dieser Fall einen Beweis dafür, 
daß die Schweinemast bei richtiger Haà 
habung eine sehr lohnende ist, zumal bei 
den jetzigen niedrigen Kornpreisen. 
cf Rendsburg, 30. Okt. Seit mehreren 
Tagen ist Herr Gärtner Thomsen im 
Aufträge des Berschönerungsvereins damit 
beschäftigt, aus dem Gebiet der neuen 
Schleuse Bäume zu pflanzen und Bosquet- 
anlagen herzustellen. Die ganze Anlage 
verspricht eine sehr gefällige zu werden, 
o daß an dieser Stelle ein ziemlicher Er- 
atz geschaffen wird für die alten Anlagen 
im Kronwerk, welche, wie so viele andere 
mehr, wegen des Schleusenbaues verschwin 
den mußten. 
-ff Rendsburg, 31. Okt. Heute feiern 
Herr Garnison - Berwaltungs - Inspektor 
Herbst und Gemahlin das Fest ihrer 
ilbernen Hochzeit und wurden dem Jubel« 
mar von Nah und Fern Aufmerksamkeiten 
erwiesen. Die Nachbarn hatten in dieser 
Veranlassung ihre Häuser durch Aushängen 
von Flaggen geziert. 
— Rendsburg, 31. Okt. Heute feiern 
die Eheleute Herr Schneidermeister Schulz 
und Frau, Neuestraße, das Fest ihrer 
albernen Hochzeit und hatten die Bewohner 
)er Straße dem Jubelpaare zu Ehren ge 
flaggt. 
Zur Jubelfeier des Gustav- 
Adolf-Vcrcins. 
Das Rendsburger Wochenblatt vom 
1. Juni 1844 theilt in einer Beilage un 
gefähr Folgendes mit: Am 8. Mai d. I. 
versammelten sich im Neuwerker Schul- 
hause die Kirchenältesten der hiesigen Ge 
meinden und mit ihnen eine größere An 
zahl Männer aller Stände. Auf der Tages 
ordnung stand ein Vortrag des aus 
wärtigen Pastors Heinrich über die Noth 
der evang. Gemeinden in dem kathol. 
Süden, Westen und Osten. Mit tiefer 
Entrüstung und gerechtem Schmerze hörten 
die Versammelten, wie in den kath. Ländern 
Tausende von Gliedern unserer Kirche zur 
kathol. Kirche übergehen, weil sie keine 
Kirche, keine Schule, keine« evang. Prediger 
oder Lehrer haben, und gern folgten alle 
dem Rufe des Redners, auch hier in Rends 
burg einen Gustav-Ädolf-Verein zu gründen 
Sofort wurden grundlegende Statuten für 
den Verein entworfen, auch wurde ein 
Veremsvorstand gewählt, dem folgende 
Herren angehörten: Aus der Altstadt 
Agent Paap, Deputirter Porath 
^u-, Dr. Sch re it er; aus Neuwerk 
Senator B eckmann, Kirchenältester 
Jansen, Artillerie-K apitän von 
Krabbe. Am Schluß wurde noch allge 
mein der Wunsch laut, daß in Zukunft 
auch die Frauen sich an den Bereinsbe- 
trebungen betheiligen möchten. 
Soweit das Wochenblatt von 1844. 
Seitdem ist kein Jahr vergangen, wo die- 
elbe Zeitung nicht dies oder das von dem 
Verein erzählt hätte, bald von Jahres- 
esten, bald von Schenkungen und Legaten, 
>ald von der Noth ferner Gemeinden rc. 
Und nehmen wir zu den Zeitungsberichten 
die Notizen des Vereins-Rechnungsbuchcs, 
welch ein frisches, fröhliches Vereinsleben 
thut sich davor unsern Augen auf! Da 
lesen wir nicht nur von regelmäßigen Mit 
gliederbeiträgen und von Kirchenkollekten, 
ondern auch, daß man in Testamenten 
gern des Vereins gedacht, daß mau in 
einzelnen Häusern „Hausbüchsen" für 
ihn aufstellt, ferner, daß der um den Ver 
ein so hochverdiente Physikus Dr. Thygesen, 
auch der Kammerherr von Cossel, Major 
von Bernhardt u. A. oft TischsamM' 
l ungen in ihren Häusern veranstalteten, 
daß Landleute aus Schülldorf, Rade, Oster- 
rönfeld nach guten Ernten ein Dankopfer 
brachten, ferner, daß man oft bei Taufen, 
und Trauungen für den Verein sammelte, 
ja, in Freundeskreisen für ihn seltene 
Münzen, auch Bilder und Bücher ver-
	        
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