mit dem Grafen Caprivi am Dienstag
über das Vorgehen gegen die Umsturzbe
bestrebungen einig und überzeugte auch den
Grafen Eulenburg von dieser Nothwendig
keit. Am Mittwoch und Donnerstag be
fand sich der Kaiser zur Jagd in Lieben
berg, wo auch der Ministerpräsident Graf
Eulenburg nebst anderen Verwandten bei
dem Grasen Philipp von Eulenburg er-
schienen waren. Am Mittwoch Morgen
nun erschien in der „Köln. Ztg." ein Ar
tikel über die Lage, in dem Caprivi's
Sieg verherrlicht und Graf Eulenburg in
nicht angebrachter Weise behandelt wurde.
Dies wurde dem Kaiser als das Werk
Caprivi's dargestellt. Freitag früh nach
seiner Rückkehr forderte der Kaiser von
Caprivi Desavouirung des Artikels und
Genugthuung für den Grafen Eulenburg
durch den Cabinetschef v. Lucanus. Graf
Caprivi lehnte dies ab, da er mit dem
Artikel absolut nichts zu thun habe. Daraus
erfolgte die Annahme der Demission Beider.
— Diejenigen übrigens, die mit
dem Personenwechsel einen weid
gehenden Systemwechsel erhoffen,
werden Täuschungen erleben.
Sehr bemerkenswerth zur Situation
ist die Aeußerung eines bekannten Parla
mentariers, der seine Anschauungen zur
gegenwärtigen Situation wie folgt, ab
schloß: „Mit Caserio's Attentat hat die
ganze Bewegung angefangen, mit einem
Staatsstreich wird sie enden!"
— Die „Boss. Ztg." äußert die Besorg
niß, nunmehr stehe mehr auf dem Spiel,
als die Maßnahmen gegen die Sozial
demokratie.
Im Auslande hat die Kanzler- und
Ministerpräsidentenkrisis eine fast ebenso
große Aufregung hervorgerufen, als in
Deutschland selbst. Die leitenden Blätter
verbreiten sich darüber in Ausdrücken
welche in Deutschland aus preßgesetzlichen
Gründen nicht wiederzugeben sind. Ueber-
all aber begegnet man den schwerwiegendsten
Bedenken.
rn
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
Aokohama, 26. Okt. Die Japaner
26. Okt. Die
erfochten über die Chinesen bei Kiuren einen
entscheidenden Sieg und eroberten 30
nonen und viele Munition.
Rußland.
Petersburg, 27. Oktober. Das gestern
Abend um 9 Uhr ausgegebene offizielle
Bulletin über das Befinden des Kaisers
lautet: „Im Laufe des Tages speiste der
Kaiser mit Appetit, fühlte aber einige
Schwäche. Im Uebrigen aber keine Ver
änderung." (gez.) Leyden, Sacharjin, Hirsch,
Popow, Weljaminow.
England.
London, 26. Okt. Ein Deutscher, Na-
mens Schultz, der sich als „Künstler" be
zeichnete, stand heute vor dem hiesigen
Polizeigericht des Themse-Distriks unter
der Anklage, zu ungesetzmäßigen Zwecken
sich in Frauenkleidern auf der Straße
Herumgetrieben und verschiedene Herren be
lästigt zu haben. Der Angeklagte, der
auch vor Gericht in Damen-Toilette er
schien: schwarzem Kleide, hellem Jacket,
schwarzem golddurchwirkten Hut mit rothen
Blumen und einem Regenschirm mit weißem
Knopf, alles nach neuester Mode, begann
während der Verhandlungen zu weinen.
Es stellte sich nun heraus, daß derselbe
erst vor vierzehn Tagen nach England ge-
kommen und seitdem stets in diesem Auf
zug einherstolzirt war. Zugleich aber wurde
von der Polizei ausgesagt, daß er noch
einen Genossen habe, der in derselben Weise
herummaskeradire. Der Richter vertagte
daher die Verhandlungen, bis auch dieser
vor ihn gebracht würde.
Serbien.
Belgrad, 27. Oktbr. Nikola C r i
st i c, genannt der eiserne Korporal, weil
er gewohnt ist, alle Befehle von oben ohne
Fragen mit Energie durchzuführen, ist mit
der Neubildung des Kabinets soeben be
traut worden. Bezeichnend ist, daß sofort
nach Annahme der Demission des Ministe
riums König Alexander den Sohn des Ni
kola Eristic, den Obersten Eristic, zum
ersten Adjutanten seines Vaters und für
ebendenselben auch zwei Ordonnanzoffiziere
ernannte. Bis jetzt hatte Milan keinen
Hofstaat.
Italien.
Rom, 26. Oktbr. In dem begreiflichen
Interesse, mit welchem die traurigen Nach
richten begleitet werden, welche aus Liva
dia an das Ohr des erschütterten Europa
schlagen, ist einer bedeutsamen Maßnahme
wenig Beachtung beigemessen worden, welche
die italienische Regierung in diesen Tagen
wohlvorbereitet getroffen hat und wie sie
in gleichem Umfange sehr selten in einem
europäischen Staate zur Anwendung ge
langt ist. Zur gleichen Stunde sind alle
Vereine und Konventikel im ganzen König
reich, welche eine ausgesprochen soziali
stische, anarchistische oder ähnliche Tendenz
verfolgen, aufgehoben, die Schriftstücke
beschlagnahmt und eine Anzahl von Mit
gliedern der Vereine, besonders die leiten
den Personen, in Haft genommen worden.
Trotz des Umfanges der Maßregel und
trotz des bekannten heißen Blutes der Jta-
liener ist es doch nirgendwo zu bedeuten
deren Ausschreitungen gekommen, was also
als selbstverständlich voraussetzt, daß die
erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen mit
großer Umsicht getroffen waren,
schlossen ist allerdings nicht, daß es
nächster Zeit noch Krawalle geben mag,
aber nachdem die Arbeiter-Organisation in
Italien mit einem Schlage zersprengt ist,
wird es erst einiger Zeit bedürfen, bevor
ein wirklich geschlossenes Auftreten von
Neuem erfolgen kann.
Rom, 27. Oktbr. Die „Riforma", das
Organ C r i s p i' s, schreibt zur Berliner
Krise: Der Konflikt sei um so bedauer
licher, als er das deutsche Reich in einem
Augenblick, da es angesichts der russischen
Ereignisse dem Auslande geeint und stark
gegenübertreten müßte, eines Mannes be
raubt, der in der äußeren Politik dem
Frieden Europas wie Deutschlands hoch
wichtige Dienste erwiesen hat. Die „Ri-
wrma" zählt darauf Caprivi's Verdienste
auf, namentlich seine Handelsverträge mit
Oesterreich, Italien und Rußland, und
schließt mit der Erklärung, Graf Caprivi
dürfe in dieser Hinsicht den Vergleich mit
feinem großen Vorgänger nicht scheuen
Der „Osservatore Romano" äußert sich
lehr pessimistisch, umsomehr,
zialismus immer drohender
erhebe.
Spanien.
Madrid, 26. Okt. In Herrera bei Ba
dajoz sollte dieser Tage eine zum Tode
verurtheilte Mörderin hingerichtet werden
Im letzten Augenblick traf jedoch die tele
graphische Nachricht ein, daß die Verbre
cherin von der Königin begnadigt worden
sei. Das erregte den Zorn des Henkers
Er beklagte sich darüber, daß man ihn
seines 12 Duros (48 Ji) betragenden Ver
diensies beraubt, und erging sich in Schmäh
ungen gegen die Regenlin. Er wurde so
fort verhaftet.
Paris, 26. Okt. Der neueste Einfall
der Gegner des Präsidenten der Republik
ihm unangenehm zu sein, übersteigt an
Rohheit und Gemeinheit Alles bisher Da
gewesene. So erhält Frau Casimir
P eri er mit jeder Post Briefe, von denen
einzelne einfach pornographisch und un
fläthig, andere hingegen recht drohend
lauten. In Begleitung der letzteren sind
zumeist Zeichnungen, welche Herrn Casimir-
Perier auf dem S ch affot oder geköpft
darstellen. Die Dame war ob dieser Roh
heit so aufgeregt, daß der Präsident der
Republik ihr rieth, nur die Briefe zu
öffnen, deren Schrift ihr bekannt ist und
die übrigen durch einen Sekretär lesen zu
lassen. Diejenigen, die zu solchen Mitteln
greifen, um das häusliche Glück des Staats-
Oberhauptes zu stören, werden gewiß von
der öffentlichen Meinung scharf verurtheilt
und zeigen grell, in welcher Verfassung sie
leben.
als der So
sein Haupt
immer als verlobt, und Tante sagt, sie wird
so lange er lebt, nie zugeben, daß ich einen
Anderen heirathe."
„So lange er lebt," wiederholte Hugo
nachdenklich.
(Fortsetzung folgt.)
Inland.
Berlin, 27. Okt. Der Kaiser soll den
Gesandten der Mittelstaaten versichert
haben, bezüglich des Vorgehens gegen den
Umsturz werde er an den Vorschlägen
Caprivi's festhalten. Caprivi reiste heute
Abend nach der Schweiz ab.
- Der „Loc.-Anz." will wissen, auch
der Staatssekretär Freiherr von Mar
schall soll entschlossen sein, seine Ent
lassung zu nehmen.
- Fürst Chlodwig Karl Viktor Fürst
zu Hohenlohe.Schillingfürst, der
Nachfolger Caprivi's, ist am 31. März
1819 geboren. Er studirte in Bonn,
Göttingen und Heidelberg Rechts- und
Staatswissenschaften, trat im Jahre 1842
in den preußischen Staatsdienst und verließ
diesen im Jahre 1845, um die ihm zu
gefallene Standesherrschaft Schillingfürst
in Bayern zu übernehmen. In der Kam
wer der bayerischen Reichsräthe bekämpfte
die ultramontan-österreichische Politik
des Ministeriums und trat nach dem Kriege
von 1866 offen für den Anschluß Bayerns
an Preußen ein. Im December 1866
wurde er zum bayrischen Minister des
Auswärtigen ernannt. Ein eifriger Ver
treter der Zollvereinigung der vier süd
deutschen Staaten mit Preußen wurde er
in das deutsche Zollparlament gewählt.
Im Februar 1870 nahm er seine Ent
lassung als Minister des Auswärtigen
Bekannt ist seine warme Vertheidigung
des Eintritts Bayerns in das deutsche
Reich. Im Jahre 1874 wurde er zum
deutschen Botschafter in Paris ernannt
Seit 1885 ist er Statthalter der deutschen
Reichslande.
— Fürst Hohenlohe giebt einen ehren
vollen unabhängigen, mit 170000 Jl do
tirten Posten auf, — nur auf den Wunsch
— auf den Befehl seines Kaisers. Das
ist ein Opfer, welches das Pflichtgefühl
des Fürsten in ein schönes Licht setzt.
— Herr v. Puttkam er-Plauth
empfahl in seiner Rede im Bunde der
Landwirthe in Marienwerder, das polnische
Element zurückzudrängen in der Weise, daß
jeder preußische Unteroffizier, der sechs oder
zwölf Jahre gedient hat, statt der Geldab-
rndung auf Staatskosten einen kleinen
Bauernhof erhält. Zugleich ist ihm die
Verpflichtung aufzuerlegen, eine deutsche
Frau zu nehmen und für kräftigen deut
schen Nachwuchs zu sorgen.
Berlin, 27. Okt. Vor einer großen
Versammlung berichteten Professor Ehrlich
und Dr. Wassermann über ihre Er
fahrungen mit der Serumther a pie bei
der Diphtherie. Aus den Vorträgen
beider, deren einer Behrings Mitarbeiter,
der andere Assistent des Koch'schen Instituts
für Infektionskrankheiten ist, folgt, daß die
Serumeinspritzungen nur dann sicher wir
ken, wenn es sofort nach dem Ausbruch
der Krankheit angewendet wird. Auch sind
re erfolglos bei Folgekrankheiten, wie
Nierenentzündung, Herzschwäche. Auch
skeptische Fälle werden durch sie nicht be
rührt. Gegen die Krankheit können gesunde
Kinder ca. 2 Monate immunisirt werden.
Damit bestätigen sich die Voraussagungen,
die vor übertriebenen Hoffnungen warnten,
obschon die sichere Heilung frischer
Fälle und die zeitweise Jmmunisirung
einen ungeheuren Erfolg darstellen.
Berlin, 26. Oktober. Als lästige Aus
länder sind der 18 Jahre alte Redaktions
gehilfe Oswald Katz aus Wien, der ohne
Wohnung, ohne Erwerb und ohne Aus
weispapiere ist, sowie der 20 Jahre alte
Handelsmann Max Kotschnoi, der sich nicht
über seine Person ausweisen kann und
keine Beschäftigung hat, durch Verfügung
des Berliner Polizeipräsidenten ausgewiesen
worden.
Köln, 26. Okt. Wie bereits schon mit
getheilt, soll in dem gegen den Redakteur
und Verleger der „Westd. Allg. Ztg."
wegen Beleidigung des Staatssekretärs
v. Marschall angestrengten Prozesse u. A
auch der Abg. Eugen Richter als Zeuge
vernommen werden. Aus der „Kölnischen
Volkszeitung" ersieht man, daß Herr Richter
ein sachverständiges Zeugniß darüber abge
den soll, ob der Ausdruck „Hinterfront-
Marsch all" in der Presse gebräuchlich ist
Danzig, 24. Oktober. Nach einer Mit
theilung der „Danz. Ztg." ist seit etwa
14 Tagen der Premierlieuteuant B. im
Train-Bataillon Nr. 17 von Langfuhr
flüchtig geworden. Vom Corpsgericht
des 17. Armeekorps ist gegen B. der förm
liche Fahnenfluchtprozeß im Ungehorsams
verfahren eröffnet worden. Falls er sich
nicht bis spätestens 8. Februar k. Js dem
Corpsgericht stellt, wird er für sahnen
flüchtig erklärt und bestraft werden.
Ein Nordlicht ist in Neisse vor einigen
Tagen beobachtet worden. Von einem Kern
punkte am nördlichen Horizont ausgehend,
breiteten sich über etwa 60 Grad achr
mächtige Strahlenbüschel wie ein durchsich
tiger Nebelschleier am Firmament über die
Stadt aus, ähnlich dem Scheine, den eine
Reihe dicht neben einander ausgestellter
elektrischer Strahlenwerfer am nächtlichen
Himmel hervorbringt. Mond und Sterne
schimmerten durch. Der Mond erschien
wie mit einem Hofe umgeben, wenn man
ihn durch die Strahlenbüschel betrachtete,
aber ohne Hof und völlig klar, wenn man
ihn zwischen den Strahlenbüscheln sah.
Meiningen, 27. Oktbr. Der Viehhändler
Jakob Nußbaum von Bettenhausen wurde
bei Träbes ermordet und ausge
raubt.
Darmstadt, 26. Oktbr. Ueber die Prin
zessin Alix von Hessen, bekanntlich die
Braut des russischen Kronprinzen, wird
berichtet, daß dieselbe ebenso wie ihre
Schwestern eine gediegene aber allem Prunk
und äußeren Glanz abgewandte Erziehung
genossen hat, besonders aber ist der Sinn
für Wohlthätigkeit und Familienleben ent
wickelt worden. Sonst ist selten etwas von
der künftigen russischen Kaiserin in die
Oeffentlichkeit gedrungen. Mit Bestimmt
heit wissen wir jedoch, das Prinzessin Alix
hübsche Fertigkeit in weiblichen Handar
beiten besitzt und Sinn für gute Lektüre
hat, weniger für Romane als für Reise
beschreibungen und historische Werke. Mit
jungen gleichalterigen Freundinnen — die
meisten derselben sind nicht adelig — pflegte
sie noch vor einigen Jahren harmlose Ge
sellschaftsspiele zu spielen, unter _ welchen
„Russisch Fangchens" (ein Versteckspiel) sich
besonderer Beliebtheit erfreute. Bei einer
Deutsch-Russin, Frl. Schneider, die neben
bei bemerkt, auch schon vie ältere Schwe
ster, die Großfürstin Sergei, unterrichtet
hat, ist sie in die Sprache ihrer neuen
Heimath eingeführt worden. Als sie dieser
Tage Darmstadt verließ, war sie bereits
im Stande, sich ziemlich fließend auf Rus
sisch zu unterhalten. Die Abreise erfolgte
so hastig, daß zu größeren Ovationen keine
Zeit mehr blieb. Die ihr näherstehenden
jungen Damen hatten sich Tags zuvor
noch bei ihr melden lassen und waren auch
Alle empfangen worden. Weinend und mit
zitternden Händen die Blumen entgegen
nehmend, schritt die Prinzession auf ihr
Koupee zu und auch der Großherzog konnte
sich der Thränen kaum enthalten. Die
Spende, welche die Frauen Darmstadts der
Prinzessin Alix zur Hochzeit überreichen
wollen, besteht in einer Ansicht von Rom
rod, wo die Prinzessin viele glückliche
Tage verlebt hat. Vom Komitee der
„Alice-Schule" empfängt sie eine aus grü
nem Seidenpeluche und viaux rose mit
Hochsilberstickerei künstlerisch ausgeführte
Renaissancetruhe, an deren Vorderseite sich
das russische und das hessische Wappen be
enden.
Die Aufmerksamkeit eines Bahnwär.ers
hat am Donnerstag ein großes Unglück
verhütet. An der Eisenbahnstrecke Pirma
enz-Biebermühl, kurz vor dem großen
Tunnel, war in der Nacht von der Böschung
Erdmasse, unterspült vom Regen, herabge
rutscht und hatte die Schienen vollständig
zugedeckt. Der Bahnwärter entdeckte noch
rechtzeitig den Unfall, zündete sofort eine
Pechfackel an und eilte dem Frühzuge durch
den Tunnel entgegen. Der Zugführer sah
den Lichtschein, er hielt an und der Zug
war gerettet.
Hamburg, 27. Oktbr. Das Amtsblatt
bringt eine Bekanntmachung des Senates,
nach welcher die Einfuhr von lebendem
Rindvieh und frischem Rindfleisch aus
Amerika verboten ist, weil zwei Trans
porte Rinder brachten, die am Texasfieber
erkrankt waren. Sendungen, die nach
weislich bis zum 28. ds. Amerika ver
ließen, dürfen noch eingeführt werden,
müssen aber sofort auf dem Hamburger
Schlachthof geschlachtet werden.
Hamburg, 25. Okt. Die Bürgerschaft
verhandelte in ihrer gestrigen Sitzung des
Längeren über die nächtlichen Cafes, welche
in einer Weise überhand genommen haben,
daß jetzt an 500 bis 600 dieser Lokale
die Straßen unsicher machen. Diese Cafäs
bedürfen einer polizeilichen Konzession nicht,
und die Polizeibehörde ist, trotz aller Be
aufsichtigung, ziemlich machtlos gegen
dieselben. In den Lokalen wird zumeist
Völlerei und Unzucht betrieben. Die Bürger
schaft setzte einen Ausschuß ein, um Vor
schläge zur sofortigen Abhülfe zu treffen
Der Volksmund bezeichnet diese Lasterhöhlen
mit dem Namen „Kaffeeklappen"
Provinzielles.
Die Mordtthat in Buschau bei Schles
wig beschäftigt hier immer noch ganz allein
die Gemüther, die eine gewisse Beruhigung
nur darin finden, daß der wahrschein
liche Mörder gefaßt ist. Der Mör
der ist, wie man den „Schl. N." mittheilt,
durch ein von innen nicht verschließbares
Fenster des Kuhstalls eingestiegen und ist
über die große Diele dann in die Wohn
räume eingedrungen, an der Küche, wo in
einem Nebenraum das Dienstmädchen schläft,
vorbei, in die Wohnstube, wo er in einer
dort stehenden Schatulle gewühlt hat
Dann ist er in die Schlafstube des alten
Callsen gegangen und hat sich an eine dort
stehende Schatulle gemacht. Darüber muß
Callsen aufgemacht sein und er ist sofort
durch einen Stich ins Herz von den:
Räuber „kalt" gemacht. Bei der Rück
kehr durch die Küche ist wahrscheinlich der
Mörder von dem Mädchen angerufen, der
ich auf sie stürzte, sie zuerst an Händen
und Armen schwer verletzend, und dann
mit dem Messer ihr den Hals durchschneidend.
Der des Mordes dringend verdächtige
Knecht Michel Brühn ist erst am Mitt-
woch der letzten Woche aus dem Dienst
entlassen, hat bei seinem Abgänge harte
Drohungen gegen Callsen ausgestoßen und
ich seit der Zeit in der Gegend aufge
halten. Am Abend vor dem Morde ist er
der Gastwirthschast in Boholzau ge
rn
wesen und am andern Morgen schon früh
in Tolk angekommen. Ueber seinen Ver
bleib während der Nacht äußert er sich,
daß er unter freiem Himmel kampirt hat.
Obgleich mau ihm andere Kleider, als die,
welche er trägt, nachweisen kann, soll er
nicht wissen, wo solche zu finden sind.
Bisher leugnet er die That. Der Mörder,
der es offenbar auf einen Raub abgesehen
hatte, soll keine große Beute gemacht haben.
Außer dem Gelde von einer verkauften
Kuh soll er nichts erhalten haben. Viel
leicht hat dor Mörder auch Meierergeld
vermuthet, da die Ausbezahlungen rn der
dortigen Meierei eben vorher stattgefunden
hattet Callsen hatte das Geld aber durch
einen Nachbar abholen lassen und war
noch nicht im Besitze desselben.
<L Husum, 25. Oktbr. Heute Morgen
entgleiste ein von Husum nach dem Süden
abgegangener Sonderzug mit ca. 1000
Stück Hornvieh iu der Nähe von Itzehoe
Das Bahngeleise wurde in einer Länge
von 800 Meter aufgerissen. Menschen
sind nicht dabei verunglückt. Wie viel
Vieh beschädigt wurde, ist noch nicht genau
bekannt. Zwei nachfolgende Viehzüge
mußten wieder umkehren und über die Ost
bahn geleitet werden.
-fi Itzehoe, 26. Oktbr. Dem heutigen
sog. „großen Ochsenmarkt" waren ungefähr
1350 Stück Vieh zugetrieben gegen 1200
Stück ini Vorjahre. Der Handel war
schleppend. Beste Waare wurde mit 85
bis 90 Thaler und Magervieh mit 50 bis
65 Thaler pr. Stück bezahlt. Fette Waare
kostete 60 bis 65 Mark Pr. 100 Pfund
Tragende Kühe bedangen 350 bis 400 Mk
Trotz des regnerischen und stürmischen Wet
ters haben sich recht viele Marktbesucher
eingefunden.
Grünenthal, 27. Okt. Von den bisher
im benachbarten Schachte von Bornholt
arbeitenden 6 Trockenbaggern sind jetzt nur
noch 4 Bagger in Thätigkeit. Der bei
Ion 29 arbeitende Bagger ist infolge der
Rutschungen abgebrochen. Man ist auch
mit dem Abbruch des bei km 28 bisher
arbeitenden Baggers beschäftigt, überhaupt
wird die Thätigkeit der anderen Trocken
bagger in diesem Schachte nach ca. 4
Wochen ein Ende haben. Auch mit der
Aufnahme des Gleises bei km 28 und 29
ist man bereits beschäftigt. Der noch ver
bleibende Rest Boden wird nun durch
Handladen soweit fortgeschafft werden, daß
Raum für die Fortschaffung der Böschung
und die Belegung mit Cementplatten und
Basaltsteinen gewonnen wird. Der andere
Rest Boden wird durch einen sogenannten
Gebirgsbagger und später durch Tiefbagger
herausgehoben werden. Die Arbeiten für
die Neuherstellung des Scheelbacheinlaufes
and rasch vorwärts gekommen, so daß in
ca. 14 Tagen die Arbeit fertiggestellt sein
wird. Der durch Quell- und Spülwasser
herausgetriebene Boden ist bis zur Canal-
ohle abgehoben zwischen km 28—28,2
und nun wird mittelst Faschinen und Kies
mengen eine neue Strecke aufgeführt; bis
zum 15. September waren bereits 4000
ebm Faschinen und 3000 Pfähle verarbeitet
und seitdem sind ca. 2500 ebm Faschinen
und 2000 Pfühle noch verbraucht; außer
dem sind täglich noch 30—40 cbm Kies
und Grand dazwischen gelegt worden.
Von der Eider, 27. Okt. Der Ewer
„Rosa", Kapt. Pommer aus Neuhaus a. d.
Oste, fuhr gestern, mit Gerste befrachtet,
von Hamburg nach Rendsburg längs der
Eider. Infolge des stürmischen Windes mußte
südlich von Drage, am Deljerkoog, Anker
geworsen werden. Die Besatzung bestand
aus 3 Mann. Pommer und der Steuer
mann bestiegen ein Boot, um den Anker
zur Stelle zu bringen, wobei aber das
Boot kenterte und die beiden Insassen ins
Wasser fielen. Dieselben konnten indessen
noch rechtzeitig eine am Schiff befestigte
mit ins Boot genommene Leine ergreifen,
mittelst welcher es dem Steuermann gelang,
ans Schiff zurückzukommen, Pommer, den
die Kräfte verließen, und dessen verzweifelter
Ruf nach Zuwerfen einer Stange leider
nicht so schnell befolgt werden konnte, ver
sank in die Tiefe. Seine Leiche wurde
bei der nachher eintretenden Ebbe auf dem
Schlamm am Ufer von zwei vorüberfahren-
deniFischern gesehen, aber von diesen nicht
geborgen, weil sie sich dazu nicht berechtigt
hielten. Sie machten indessen sosort bei
dem Gemeindevorstand in Drage bezügliche
Meldung, doch hat man die Leiche bis
jetzt noch nicht wieder aufgesunden. Das
Schiff wurde in den Friedrichstädter Hafen
zurückgebracht, wo es zur Zeit noch liegt.
- Eckernsörde, 28. Okt. Am gestrigen
Abend war von Seiten des Bürgervereins
eine öffentliche B ü r ger ve rs amm-
lung zwecks Berathung über den heute zu
wählenden Stadtverordneten ein-
berufen, welche von Mit- wie Nichtmil
gliedern äußerst zahlreich besucht war und
an Lebhaftigkeit nichts zu wünschen übrig
ließ. Gleich zu Ansang entspann sich
darüber eine heftige Debatte, wer den Bor-
sitz zu führen habe, indem der Vorstand
des Vereins, der die Versammlung einbe
rufen, die Leitung nicht abtreten, die Mehr-
zahl der Anwesenden, jedoch einen selbst-
gewählten Vorsitz, wie solches bei einer
öffentlichen Versammlung üblich, ver-
langten. Nachdem man sich so reichlich
eine halbe Stunde um des „Kaisers Bart"
gestritten, wurde beschlossen, dem Vorstand
des Vereins die Führung zu übertragen,
jedoch, wie ausbrûàich bemerkt wurde,
nicht in seiner Eigenschaft als solcher, son-
dern als dem von der Versammlung hier
zu erwählten. Die nun vor sich gehende,
erregte Diskussion, welche zum großen
Theile darin bestand, daß sich die Herren
Stadtverordneten bekämpften und gegen
seitig „Schmeicheleien" austauschten, hatte
mit der Tagesordnung nur wenig lleber-
einstimmendes und trat letztere erst später,
nachdem die verschiedensten Sachen erörtert
und bestritten waren, in den Vordergrund,
doch ist der Zweck der Versammlung, eine
Einigung betreffs der heutigen Wahl zu
erzielen, nicht im Entferntesten erreicht
worden. — Die Versammlung entwarf ein
deutliches Bild, wie wenig die Erhöhung
des Wahlcensus, welche ca. 170 Bürgern,
wohl ihrer Rechte, nicht im Mindesten aber
einer Pflicht enthebt, bewirkt hat, sondern
nur dazu geeignet gewesen ist. die seit der
letzten Bürgermeisterwahl bestehende Erbit
terung der Einwohner unserer Stadt zu
vergrößern. — In der heute stattgefun
denen Stadtverordneten-Wahl wurde Herr
Kaufmann Dühr mit 4—5 Stimmen
Mehrheit gewählt.
R. Hohenwcstedt, 28. Oct. In Mörel
hatte am Sonnabend-Morgen der Meierei
verwalter Wieben das Unglück, mit der
linken Hand zwischen die Zahnräder des
Butterkneters zu gerathen. An dem einen
Finger hingen die Fleischlappen nieder, der
andere war ganz blau gekniffen. Zürn
Glück haben wohl Knochen wenig gelitten;
Die Blutung aber wollte garnicht still
werden. Das zeigt wieder, wie vorsichtig
man in der Wartung der Maschinen sein
muß.
* Rendsburg, 26. Okt. Im hiesigen
Kreise sind unlängst drei Schornsteinfeger
stellen neu besetzt worden. Diejenige für
den Kehrbezirk Nortorf ist dem Werkführec
Harlkopf-Nortorf, diejenige für den Krem