Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

mit dem Grafen Caprivi am Dienstag 
über das Vorgehen gegen die Umsturzbe 
bestrebungen einig und überzeugte auch den 
Grafen Eulenburg von dieser Nothwendig 
keit. Am Mittwoch und Donnerstag be 
fand sich der Kaiser zur Jagd in Lieben 
berg, wo auch der Ministerpräsident Graf 
Eulenburg nebst anderen Verwandten bei 
dem Grasen Philipp von Eulenburg er- 
schienen waren. Am Mittwoch Morgen 
nun erschien in der „Köln. Ztg." ein Ar 
tikel über die Lage, in dem Caprivi's 
Sieg verherrlicht und Graf Eulenburg in 
nicht angebrachter Weise behandelt wurde. 
Dies wurde dem Kaiser als das Werk 
Caprivi's dargestellt. Freitag früh nach 
seiner Rückkehr forderte der Kaiser von 
Caprivi Desavouirung des Artikels und 
Genugthuung für den Grafen Eulenburg 
durch den Cabinetschef v. Lucanus. Graf 
Caprivi lehnte dies ab, da er mit dem 
Artikel absolut nichts zu thun habe. Daraus 
erfolgte die Annahme der Demission Beider. 
— Diejenigen übrigens, die mit 
dem Personenwechsel einen weid 
gehenden Systemwechsel erhoffen, 
werden Täuschungen erleben. 
Sehr bemerkenswerth zur Situation 
ist die Aeußerung eines bekannten Parla 
mentariers, der seine Anschauungen zur 
gegenwärtigen Situation wie folgt, ab 
schloß: „Mit Caserio's Attentat hat die 
ganze Bewegung angefangen, mit einem 
Staatsstreich wird sie enden!" 
— Die „Boss. Ztg." äußert die Besorg 
niß, nunmehr stehe mehr auf dem Spiel, 
als die Maßnahmen gegen die Sozial 
demokratie. 
Im Auslande hat die Kanzler- und 
Ministerpräsidentenkrisis eine fast ebenso 
große Aufregung hervorgerufen, als in 
Deutschland selbst. Die leitenden Blätter 
verbreiten sich darüber in Ausdrücken 
welche in Deutschland aus preßgesetzlichen 
Gründen nicht wiederzugeben sind. Ueber- 
all aber begegnet man den schwerwiegendsten 
Bedenken. 
rn 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Aokohama, 26. Okt. Die Japaner 
26. Okt. Die 
erfochten über die Chinesen bei Kiuren einen 
entscheidenden Sieg und eroberten 30 
nonen und viele Munition. 
Rußland. 
Petersburg, 27. Oktober. Das gestern 
Abend um 9 Uhr ausgegebene offizielle 
Bulletin über das Befinden des Kaisers 
lautet: „Im Laufe des Tages speiste der 
Kaiser mit Appetit, fühlte aber einige 
Schwäche. Im Uebrigen aber keine Ver 
änderung." (gez.) Leyden, Sacharjin, Hirsch, 
Popow, Weljaminow. 
England. 
London, 26. Okt. Ein Deutscher, Na- 
mens Schultz, der sich als „Künstler" be 
zeichnete, stand heute vor dem hiesigen 
Polizeigericht des Themse-Distriks unter 
der Anklage, zu ungesetzmäßigen Zwecken 
sich in Frauenkleidern auf der Straße 
Herumgetrieben und verschiedene Herren be 
lästigt zu haben. Der Angeklagte, der 
auch vor Gericht in Damen-Toilette er 
schien: schwarzem Kleide, hellem Jacket, 
schwarzem golddurchwirkten Hut mit rothen 
Blumen und einem Regenschirm mit weißem 
Knopf, alles nach neuester Mode, begann 
während der Verhandlungen zu weinen. 
Es stellte sich nun heraus, daß derselbe 
erst vor vierzehn Tagen nach England ge- 
kommen und seitdem stets in diesem Auf 
zug einherstolzirt war. Zugleich aber wurde 
von der Polizei ausgesagt, daß er noch 
einen Genossen habe, der in derselben Weise 
herummaskeradire. Der Richter vertagte 
daher die Verhandlungen, bis auch dieser 
vor ihn gebracht würde. 
Serbien. 
Belgrad, 27. Oktbr. Nikola C r i 
st i c, genannt der eiserne Korporal, weil 
er gewohnt ist, alle Befehle von oben ohne 
Fragen mit Energie durchzuführen, ist mit 
der Neubildung des Kabinets soeben be 
traut worden. Bezeichnend ist, daß sofort 
nach Annahme der Demission des Ministe 
riums König Alexander den Sohn des Ni 
kola Eristic, den Obersten Eristic, zum 
ersten Adjutanten seines Vaters und für 
ebendenselben auch zwei Ordonnanzoffiziere 
ernannte. Bis jetzt hatte Milan keinen 
Hofstaat. 
Italien. 
Rom, 26. Oktbr. In dem begreiflichen 
Interesse, mit welchem die traurigen Nach 
richten begleitet werden, welche aus Liva 
dia an das Ohr des erschütterten Europa 
schlagen, ist einer bedeutsamen Maßnahme 
wenig Beachtung beigemessen worden, welche 
die italienische Regierung in diesen Tagen 
wohlvorbereitet getroffen hat und wie sie 
in gleichem Umfange sehr selten in einem 
europäischen Staate zur Anwendung ge 
langt ist. Zur gleichen Stunde sind alle 
Vereine und Konventikel im ganzen König 
reich, welche eine ausgesprochen soziali 
stische, anarchistische oder ähnliche Tendenz 
verfolgen, aufgehoben, die Schriftstücke 
beschlagnahmt und eine Anzahl von Mit 
gliedern der Vereine, besonders die leiten 
den Personen, in Haft genommen worden. 
Trotz des Umfanges der Maßregel und 
trotz des bekannten heißen Blutes der Jta- 
liener ist es doch nirgendwo zu bedeuten 
deren Ausschreitungen gekommen, was also 
als selbstverständlich voraussetzt, daß die 
erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen mit 
großer Umsicht getroffen waren, 
schlossen ist allerdings nicht, daß es 
nächster Zeit noch Krawalle geben mag, 
aber nachdem die Arbeiter-Organisation in 
Italien mit einem Schlage zersprengt ist, 
wird es erst einiger Zeit bedürfen, bevor 
ein wirklich geschlossenes Auftreten von 
Neuem erfolgen kann. 
Rom, 27. Oktbr. Die „Riforma", das 
Organ C r i s p i' s, schreibt zur Berliner 
Krise: Der Konflikt sei um so bedauer 
licher, als er das deutsche Reich in einem 
Augenblick, da es angesichts der russischen 
Ereignisse dem Auslande geeint und stark 
gegenübertreten müßte, eines Mannes be 
raubt, der in der äußeren Politik dem 
Frieden Europas wie Deutschlands hoch 
wichtige Dienste erwiesen hat. Die „Ri- 
wrma" zählt darauf Caprivi's Verdienste 
auf, namentlich seine Handelsverträge mit 
Oesterreich, Italien und Rußland, und 
schließt mit der Erklärung, Graf Caprivi 
dürfe in dieser Hinsicht den Vergleich mit 
feinem großen Vorgänger nicht scheuen 
Der „Osservatore Romano" äußert sich 
lehr pessimistisch, umsomehr, 
zialismus immer drohender 
erhebe. 
Spanien. 
Madrid, 26. Okt. In Herrera bei Ba 
dajoz sollte dieser Tage eine zum Tode 
verurtheilte Mörderin hingerichtet werden 
Im letzten Augenblick traf jedoch die tele 
graphische Nachricht ein, daß die Verbre 
cherin von der Königin begnadigt worden 
sei. Das erregte den Zorn des Henkers 
Er beklagte sich darüber, daß man ihn 
seines 12 Duros (48 Ji) betragenden Ver 
diensies beraubt, und erging sich in Schmäh 
ungen gegen die Regenlin. Er wurde so 
fort verhaftet. 
Paris, 26. Okt. Der neueste Einfall 
der Gegner des Präsidenten der Republik 
ihm unangenehm zu sein, übersteigt an 
Rohheit und Gemeinheit Alles bisher Da 
gewesene. So erhält Frau Casimir 
P eri er mit jeder Post Briefe, von denen 
einzelne einfach pornographisch und un 
fläthig, andere hingegen recht drohend 
lauten. In Begleitung der letzteren sind 
zumeist Zeichnungen, welche Herrn Casimir- 
Perier auf dem S ch affot oder geköpft 
darstellen. Die Dame war ob dieser Roh 
heit so aufgeregt, daß der Präsident der 
Republik ihr rieth, nur die Briefe zu 
öffnen, deren Schrift ihr bekannt ist und 
die übrigen durch einen Sekretär lesen zu 
lassen. Diejenigen, die zu solchen Mitteln 
greifen, um das häusliche Glück des Staats- 
Oberhauptes zu stören, werden gewiß von 
der öffentlichen Meinung scharf verurtheilt 
und zeigen grell, in welcher Verfassung sie 
leben. 
als der So 
sein Haupt 
immer als verlobt, und Tante sagt, sie wird 
so lange er lebt, nie zugeben, daß ich einen 
Anderen heirathe." 
„So lange er lebt," wiederholte Hugo 
nachdenklich. 
(Fortsetzung folgt.) 
Inland. 
Berlin, 27. Okt. Der Kaiser soll den 
Gesandten der Mittelstaaten versichert 
haben, bezüglich des Vorgehens gegen den 
Umsturz werde er an den Vorschlägen 
Caprivi's festhalten. Caprivi reiste heute 
Abend nach der Schweiz ab. 
- Der „Loc.-Anz." will wissen, auch 
der Staatssekretär Freiherr von Mar 
schall soll entschlossen sein, seine Ent 
lassung zu nehmen. 
- Fürst Chlodwig Karl Viktor Fürst 
zu Hohenlohe.Schillingfürst, der 
Nachfolger Caprivi's, ist am 31. März 
1819 geboren. Er studirte in Bonn, 
Göttingen und Heidelberg Rechts- und 
Staatswissenschaften, trat im Jahre 1842 
in den preußischen Staatsdienst und verließ 
diesen im Jahre 1845, um die ihm zu 
gefallene Standesherrschaft Schillingfürst 
in Bayern zu übernehmen. In der Kam 
wer der bayerischen Reichsräthe bekämpfte 
die ultramontan-österreichische Politik 
des Ministeriums und trat nach dem Kriege 
von 1866 offen für den Anschluß Bayerns 
an Preußen ein. Im December 1866 
wurde er zum bayrischen Minister des 
Auswärtigen ernannt. Ein eifriger Ver 
treter der Zollvereinigung der vier süd 
deutschen Staaten mit Preußen wurde er 
in das deutsche Zollparlament gewählt. 
Im Februar 1870 nahm er seine Ent 
lassung als Minister des Auswärtigen 
Bekannt ist seine warme Vertheidigung 
des Eintritts Bayerns in das deutsche 
Reich. Im Jahre 1874 wurde er zum 
deutschen Botschafter in Paris ernannt 
Seit 1885 ist er Statthalter der deutschen 
Reichslande. 
— Fürst Hohenlohe giebt einen ehren 
vollen unabhängigen, mit 170000 Jl do 
tirten Posten auf, — nur auf den Wunsch 
— auf den Befehl seines Kaisers. Das 
ist ein Opfer, welches das Pflichtgefühl 
des Fürsten in ein schönes Licht setzt. 
— Herr v. Puttkam er-Plauth 
empfahl in seiner Rede im Bunde der 
Landwirthe in Marienwerder, das polnische 
Element zurückzudrängen in der Weise, daß 
jeder preußische Unteroffizier, der sechs oder 
zwölf Jahre gedient hat, statt der Geldab- 
rndung auf Staatskosten einen kleinen 
Bauernhof erhält. Zugleich ist ihm die 
Verpflichtung aufzuerlegen, eine deutsche 
Frau zu nehmen und für kräftigen deut 
schen Nachwuchs zu sorgen. 
Berlin, 27. Okt. Vor einer großen 
Versammlung berichteten Professor Ehrlich 
und Dr. Wassermann über ihre Er 
fahrungen mit der Serumther a pie bei 
der Diphtherie. Aus den Vorträgen 
beider, deren einer Behrings Mitarbeiter, 
der andere Assistent des Koch'schen Instituts 
für Infektionskrankheiten ist, folgt, daß die 
Serumeinspritzungen nur dann sicher wir 
ken, wenn es sofort nach dem Ausbruch 
der Krankheit angewendet wird. Auch sind 
re erfolglos bei Folgekrankheiten, wie 
Nierenentzündung, Herzschwäche. Auch 
skeptische Fälle werden durch sie nicht be 
rührt. Gegen die Krankheit können gesunde 
Kinder ca. 2 Monate immunisirt werden. 
Damit bestätigen sich die Voraussagungen, 
die vor übertriebenen Hoffnungen warnten, 
obschon die sichere Heilung frischer 
Fälle und die zeitweise Jmmunisirung 
einen ungeheuren Erfolg darstellen. 
Berlin, 26. Oktober. Als lästige Aus 
länder sind der 18 Jahre alte Redaktions 
gehilfe Oswald Katz aus Wien, der ohne 
Wohnung, ohne Erwerb und ohne Aus 
weispapiere ist, sowie der 20 Jahre alte 
Handelsmann Max Kotschnoi, der sich nicht 
über seine Person ausweisen kann und 
keine Beschäftigung hat, durch Verfügung 
des Berliner Polizeipräsidenten ausgewiesen 
worden. 
Köln, 26. Okt. Wie bereits schon mit 
getheilt, soll in dem gegen den Redakteur 
und Verleger der „Westd. Allg. Ztg." 
wegen Beleidigung des Staatssekretärs 
v. Marschall angestrengten Prozesse u. A 
auch der Abg. Eugen Richter als Zeuge 
vernommen werden. Aus der „Kölnischen 
Volkszeitung" ersieht man, daß Herr Richter 
ein sachverständiges Zeugniß darüber abge 
den soll, ob der Ausdruck „Hinterfront- 
Marsch all" in der Presse gebräuchlich ist 
Danzig, 24. Oktober. Nach einer Mit 
theilung der „Danz. Ztg." ist seit etwa 
14 Tagen der Premierlieuteuant B. im 
Train-Bataillon Nr. 17 von Langfuhr 
flüchtig geworden. Vom Corpsgericht 
des 17. Armeekorps ist gegen B. der förm 
liche Fahnenfluchtprozeß im Ungehorsams 
verfahren eröffnet worden. Falls er sich 
nicht bis spätestens 8. Februar k. Js dem 
Corpsgericht stellt, wird er für sahnen 
flüchtig erklärt und bestraft werden. 
Ein Nordlicht ist in Neisse vor einigen 
Tagen beobachtet worden. Von einem Kern 
punkte am nördlichen Horizont ausgehend, 
breiteten sich über etwa 60 Grad achr 
mächtige Strahlenbüschel wie ein durchsich 
tiger Nebelschleier am Firmament über die 
Stadt aus, ähnlich dem Scheine, den eine 
Reihe dicht neben einander ausgestellter 
elektrischer Strahlenwerfer am nächtlichen 
Himmel hervorbringt. Mond und Sterne 
schimmerten durch. Der Mond erschien 
wie mit einem Hofe umgeben, wenn man 
ihn durch die Strahlenbüschel betrachtete, 
aber ohne Hof und völlig klar, wenn man 
ihn zwischen den Strahlenbüscheln sah. 
Meiningen, 27. Oktbr. Der Viehhändler 
Jakob Nußbaum von Bettenhausen wurde 
bei Träbes ermordet und ausge 
raubt. 
Darmstadt, 26. Oktbr. Ueber die Prin 
zessin Alix von Hessen, bekanntlich die 
Braut des russischen Kronprinzen, wird 
berichtet, daß dieselbe ebenso wie ihre 
Schwestern eine gediegene aber allem Prunk 
und äußeren Glanz abgewandte Erziehung 
genossen hat, besonders aber ist der Sinn 
für Wohlthätigkeit und Familienleben ent 
wickelt worden. Sonst ist selten etwas von 
der künftigen russischen Kaiserin in die 
Oeffentlichkeit gedrungen. Mit Bestimmt 
heit wissen wir jedoch, das Prinzessin Alix 
hübsche Fertigkeit in weiblichen Handar 
beiten besitzt und Sinn für gute Lektüre 
hat, weniger für Romane als für Reise 
beschreibungen und historische Werke. Mit 
jungen gleichalterigen Freundinnen — die 
meisten derselben sind nicht adelig — pflegte 
sie noch vor einigen Jahren harmlose Ge 
sellschaftsspiele zu spielen, unter _ welchen 
„Russisch Fangchens" (ein Versteckspiel) sich 
besonderer Beliebtheit erfreute. Bei einer 
Deutsch-Russin, Frl. Schneider, die neben 
bei bemerkt, auch schon vie ältere Schwe 
ster, die Großfürstin Sergei, unterrichtet 
hat, ist sie in die Sprache ihrer neuen 
Heimath eingeführt worden. Als sie dieser 
Tage Darmstadt verließ, war sie bereits 
im Stande, sich ziemlich fließend auf Rus 
sisch zu unterhalten. Die Abreise erfolgte 
so hastig, daß zu größeren Ovationen keine 
Zeit mehr blieb. Die ihr näherstehenden 
jungen Damen hatten sich Tags zuvor 
noch bei ihr melden lassen und waren auch 
Alle empfangen worden. Weinend und mit 
zitternden Händen die Blumen entgegen 
nehmend, schritt die Prinzession auf ihr 
Koupee zu und auch der Großherzog konnte 
sich der Thränen kaum enthalten. Die 
Spende, welche die Frauen Darmstadts der 
Prinzessin Alix zur Hochzeit überreichen 
wollen, besteht in einer Ansicht von Rom 
rod, wo die Prinzessin viele glückliche 
Tage verlebt hat. Vom Komitee der 
„Alice-Schule" empfängt sie eine aus grü 
nem Seidenpeluche und viaux rose mit 
Hochsilberstickerei künstlerisch ausgeführte 
Renaissancetruhe, an deren Vorderseite sich 
das russische und das hessische Wappen be 
enden. 
Die Aufmerksamkeit eines Bahnwär.ers 
hat am Donnerstag ein großes Unglück 
verhütet. An der Eisenbahnstrecke Pirma 
enz-Biebermühl, kurz vor dem großen 
Tunnel, war in der Nacht von der Böschung 
Erdmasse, unterspült vom Regen, herabge 
rutscht und hatte die Schienen vollständig 
zugedeckt. Der Bahnwärter entdeckte noch 
rechtzeitig den Unfall, zündete sofort eine 
Pechfackel an und eilte dem Frühzuge durch 
den Tunnel entgegen. Der Zugführer sah 
den Lichtschein, er hielt an und der Zug 
war gerettet. 
Hamburg, 27. Oktbr. Das Amtsblatt 
bringt eine Bekanntmachung des Senates, 
nach welcher die Einfuhr von lebendem 
Rindvieh und frischem Rindfleisch aus 
Amerika verboten ist, weil zwei Trans 
porte Rinder brachten, die am Texasfieber 
erkrankt waren. Sendungen, die nach 
weislich bis zum 28. ds. Amerika ver 
ließen, dürfen noch eingeführt werden, 
müssen aber sofort auf dem Hamburger 
Schlachthof geschlachtet werden. 
Hamburg, 25. Okt. Die Bürgerschaft 
verhandelte in ihrer gestrigen Sitzung des 
Längeren über die nächtlichen Cafes, welche 
in einer Weise überhand genommen haben, 
daß jetzt an 500 bis 600 dieser Lokale 
die Straßen unsicher machen. Diese Cafäs 
bedürfen einer polizeilichen Konzession nicht, 
und die Polizeibehörde ist, trotz aller Be 
aufsichtigung, ziemlich machtlos gegen 
dieselben. In den Lokalen wird zumeist 
Völlerei und Unzucht betrieben. Die Bürger 
schaft setzte einen Ausschuß ein, um Vor 
schläge zur sofortigen Abhülfe zu treffen 
Der Volksmund bezeichnet diese Lasterhöhlen 
mit dem Namen „Kaffeeklappen" 
Provinzielles. 
Die Mordtthat in Buschau bei Schles 
wig beschäftigt hier immer noch ganz allein 
die Gemüther, die eine gewisse Beruhigung 
nur darin finden, daß der wahrschein 
liche Mörder gefaßt ist. Der Mör 
der ist, wie man den „Schl. N." mittheilt, 
durch ein von innen nicht verschließbares 
Fenster des Kuhstalls eingestiegen und ist 
über die große Diele dann in die Wohn 
räume eingedrungen, an der Küche, wo in 
einem Nebenraum das Dienstmädchen schläft, 
vorbei, in die Wohnstube, wo er in einer 
dort stehenden Schatulle gewühlt hat 
Dann ist er in die Schlafstube des alten 
Callsen gegangen und hat sich an eine dort 
stehende Schatulle gemacht. Darüber muß 
Callsen aufgemacht sein und er ist sofort 
durch einen Stich ins Herz von den: 
Räuber „kalt" gemacht. Bei der Rück 
kehr durch die Küche ist wahrscheinlich der 
Mörder von dem Mädchen angerufen, der 
ich auf sie stürzte, sie zuerst an Händen 
und Armen schwer verletzend, und dann 
mit dem Messer ihr den Hals durchschneidend. 
Der des Mordes dringend verdächtige 
Knecht Michel Brühn ist erst am Mitt- 
woch der letzten Woche aus dem Dienst 
entlassen, hat bei seinem Abgänge harte 
Drohungen gegen Callsen ausgestoßen und 
ich seit der Zeit in der Gegend aufge 
halten. Am Abend vor dem Morde ist er 
der Gastwirthschast in Boholzau ge 
rn 
wesen und am andern Morgen schon früh 
in Tolk angekommen. Ueber seinen Ver 
bleib während der Nacht äußert er sich, 
daß er unter freiem Himmel kampirt hat. 
Obgleich mau ihm andere Kleider, als die, 
welche er trägt, nachweisen kann, soll er 
nicht wissen, wo solche zu finden sind. 
Bisher leugnet er die That. Der Mörder, 
der es offenbar auf einen Raub abgesehen 
hatte, soll keine große Beute gemacht haben. 
Außer dem Gelde von einer verkauften 
Kuh soll er nichts erhalten haben. Viel 
leicht hat dor Mörder auch Meierergeld 
vermuthet, da die Ausbezahlungen rn der 
dortigen Meierei eben vorher stattgefunden 
hattet Callsen hatte das Geld aber durch 
einen Nachbar abholen lassen und war 
noch nicht im Besitze desselben. 
<L Husum, 25. Oktbr. Heute Morgen 
entgleiste ein von Husum nach dem Süden 
abgegangener Sonderzug mit ca. 1000 
Stück Hornvieh iu der Nähe von Itzehoe 
Das Bahngeleise wurde in einer Länge 
von 800 Meter aufgerissen. Menschen 
sind nicht dabei verunglückt. Wie viel 
Vieh beschädigt wurde, ist noch nicht genau 
bekannt. Zwei nachfolgende Viehzüge 
mußten wieder umkehren und über die Ost 
bahn geleitet werden. 
-fi Itzehoe, 26. Oktbr. Dem heutigen 
sog. „großen Ochsenmarkt" waren ungefähr 
1350 Stück Vieh zugetrieben gegen 1200 
Stück ini Vorjahre. Der Handel war 
schleppend. Beste Waare wurde mit 85 
bis 90 Thaler und Magervieh mit 50 bis 
65 Thaler pr. Stück bezahlt. Fette Waare 
kostete 60 bis 65 Mark Pr. 100 Pfund 
Tragende Kühe bedangen 350 bis 400 Mk 
Trotz des regnerischen und stürmischen Wet 
ters haben sich recht viele Marktbesucher 
eingefunden. 
Grünenthal, 27. Okt. Von den bisher 
im benachbarten Schachte von Bornholt 
arbeitenden 6 Trockenbaggern sind jetzt nur 
noch 4 Bagger in Thätigkeit. Der bei 
Ion 29 arbeitende Bagger ist infolge der 
Rutschungen abgebrochen. Man ist auch 
mit dem Abbruch des bei km 28 bisher 
arbeitenden Baggers beschäftigt, überhaupt 
wird die Thätigkeit der anderen Trocken 
bagger in diesem Schachte nach ca. 4 
Wochen ein Ende haben. Auch mit der 
Aufnahme des Gleises bei km 28 und 29 
ist man bereits beschäftigt. Der noch ver 
bleibende Rest Boden wird nun durch 
Handladen soweit fortgeschafft werden, daß 
Raum für die Fortschaffung der Böschung 
und die Belegung mit Cementplatten und 
Basaltsteinen gewonnen wird. Der andere 
Rest Boden wird durch einen sogenannten 
Gebirgsbagger und später durch Tiefbagger 
herausgehoben werden. Die Arbeiten für 
die Neuherstellung des Scheelbacheinlaufes 
and rasch vorwärts gekommen, so daß in 
ca. 14 Tagen die Arbeit fertiggestellt sein 
wird. Der durch Quell- und Spülwasser 
herausgetriebene Boden ist bis zur Canal- 
ohle abgehoben zwischen km 28—28,2 
und nun wird mittelst Faschinen und Kies 
mengen eine neue Strecke aufgeführt; bis 
zum 15. September waren bereits 4000 
ebm Faschinen und 3000 Pfähle verarbeitet 
und seitdem sind ca. 2500 ebm Faschinen 
und 2000 Pfühle noch verbraucht; außer 
dem sind täglich noch 30—40 cbm Kies 
und Grand dazwischen gelegt worden. 
Von der Eider, 27. Okt. Der Ewer 
„Rosa", Kapt. Pommer aus Neuhaus a. d. 
Oste, fuhr gestern, mit Gerste befrachtet, 
von Hamburg nach Rendsburg längs der 
Eider. Infolge des stürmischen Windes mußte 
südlich von Drage, am Deljerkoog, Anker 
geworsen werden. Die Besatzung bestand 
aus 3 Mann. Pommer und der Steuer 
mann bestiegen ein Boot, um den Anker 
zur Stelle zu bringen, wobei aber das 
Boot kenterte und die beiden Insassen ins 
Wasser fielen. Dieselben konnten indessen 
noch rechtzeitig eine am Schiff befestigte 
mit ins Boot genommene Leine ergreifen, 
mittelst welcher es dem Steuermann gelang, 
ans Schiff zurückzukommen, Pommer, den 
die Kräfte verließen, und dessen verzweifelter 
Ruf nach Zuwerfen einer Stange leider 
nicht so schnell befolgt werden konnte, ver 
sank in die Tiefe. Seine Leiche wurde 
bei der nachher eintretenden Ebbe auf dem 
Schlamm am Ufer von zwei vorüberfahren- 
deniFischern gesehen, aber von diesen nicht 
geborgen, weil sie sich dazu nicht berechtigt 
hielten. Sie machten indessen sosort bei 
dem Gemeindevorstand in Drage bezügliche 
Meldung, doch hat man die Leiche bis 
jetzt noch nicht wieder aufgesunden. Das 
Schiff wurde in den Friedrichstädter Hafen 
zurückgebracht, wo es zur Zeit noch liegt. 
- Eckernsörde, 28. Okt. Am gestrigen 
Abend war von Seiten des Bürgervereins 
eine öffentliche B ü r ger ve rs amm- 
lung zwecks Berathung über den heute zu 
wählenden Stadtverordneten ein- 
berufen, welche von Mit- wie Nichtmil 
gliedern äußerst zahlreich besucht war und 
an Lebhaftigkeit nichts zu wünschen übrig 
ließ. Gleich zu Ansang entspann sich 
darüber eine heftige Debatte, wer den Bor- 
sitz zu führen habe, indem der Vorstand 
des Vereins, der die Versammlung einbe 
rufen, die Leitung nicht abtreten, die Mehr- 
zahl der Anwesenden, jedoch einen selbst- 
gewählten Vorsitz, wie solches bei einer 
öffentlichen Versammlung üblich, ver- 
langten. Nachdem man sich so reichlich 
eine halbe Stunde um des „Kaisers Bart" 
gestritten, wurde beschlossen, dem Vorstand 
des Vereins die Führung zu übertragen, 
jedoch, wie ausbrûàich bemerkt wurde, 
nicht in seiner Eigenschaft als solcher, son- 
dern als dem von der Versammlung hier 
zu erwählten. Die nun vor sich gehende, 
erregte Diskussion, welche zum großen 
Theile darin bestand, daß sich die Herren 
Stadtverordneten bekämpften und gegen 
seitig „Schmeicheleien" austauschten, hatte 
mit der Tagesordnung nur wenig lleber- 
einstimmendes und trat letztere erst später, 
nachdem die verschiedensten Sachen erörtert 
und bestritten waren, in den Vordergrund, 
doch ist der Zweck der Versammlung, eine 
Einigung betreffs der heutigen Wahl zu 
erzielen, nicht im Entferntesten erreicht 
worden. — Die Versammlung entwarf ein 
deutliches Bild, wie wenig die Erhöhung 
des Wahlcensus, welche ca. 170 Bürgern, 
wohl ihrer Rechte, nicht im Mindesten aber 
einer Pflicht enthebt, bewirkt hat, sondern 
nur dazu geeignet gewesen ist. die seit der 
letzten Bürgermeisterwahl bestehende Erbit 
terung der Einwohner unserer Stadt zu 
vergrößern. — In der heute stattgefun 
denen Stadtverordneten-Wahl wurde Herr 
Kaufmann Dühr mit 4—5 Stimmen 
Mehrheit gewählt. 
R. Hohenwcstedt, 28. Oct. In Mörel 
hatte am Sonnabend-Morgen der Meierei 
verwalter Wieben das Unglück, mit der 
linken Hand zwischen die Zahnräder des 
Butterkneters zu gerathen. An dem einen 
Finger hingen die Fleischlappen nieder, der 
andere war ganz blau gekniffen. Zürn 
Glück haben wohl Knochen wenig gelitten; 
Die Blutung aber wollte garnicht still 
werden. Das zeigt wieder, wie vorsichtig 
man in der Wartung der Maschinen sein 
muß. 
* Rendsburg, 26. Okt. Im hiesigen 
Kreise sind unlängst drei Schornsteinfeger 
stellen neu besetzt worden. Diejenige für 
den Kehrbezirk Nortorf ist dem Werkführec 
Harlkopf-Nortorf, diejenige für den Krem
	        
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