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lebte, wenn man das „leben" nennen kann.
Die Schwestern waren Waisen und waren
in Cuba, wo sie früher lebten, von einem
Ehepaare, daß sie aufgenommen hatte, als
Erbinnen eines bedeutenden Vermögens
eingesetzt worden. Aber obwohl sie meh
rere ihnen günstige Gerichtsurtheile er-
stritten, wurde ihnen das Geld doch nicht
ausgezahlt, und der Verzweiflung nahe,
wanderten die alleinstehenden Mädchen nach
Spanien aus, wo sie völlig mittellos ein-
trafen. In Madrid befanden sie sich seit
acht Tagen und hatten während der ganzen
Zeit nur einige verschimmelte Brotkrusten
gegessen. Die überlebende Schwester war,
als man sie in ihrer elenden Dachkammer
auffand, gleichfalls dem Verhungern nahe
Jtalie«.
Rom, 12. Oktober. Ein höherer
Offizier der italienischen Marine hat
jüngst einen Edelmann aus Tarent zum
Zweikampf herausgefordert, weil dieser ihn
„Jettatore" (ein mit einem bösen Blick be-
hafteter Mensch) genannt und ihn als den
intellectuellen Urheber eines unlängst in
Tarent vorgekommenen schweren Unglücks
bezeichnet hatte. — Das ist die Aufgeklärt
heit des 19. Jahrhunderts.
Belgien.
Ein Wahlereß wird der „Magdeb.
Ztg." aus Brüssel gemeldet. Der klerikale
Parteiführer und frühere Staatsminister
Wöste, der den Wahlbezirk Alost bereist,
wurde bei der Ortschaft Ophasselt von
Bauern überfallen. Sein Wagen
wurde angehalten und die Bauern hieben
mit Stücken und Knütteln auf ihn ein.
Wöste flüchtete in ein Haus, bis die
Gendarmerie erschien.
England.
Am letzten Sonnabend-Abend barst das
große Wasser-Reservoir bei Osgodby,
welches die Stadt Scarborough mit
Wasser versieht. Es versanken 4000000
Gallonen; wahrscheinlich gab der Cement
boden nach. Die Stadt Scarborough hatte
jedoch nicht darunter zu leiden, da sie eine
zweite Wasserleitung besitzt.
Eine soeben einlaufende Nachricht des
Reuterschen Bureaus aus London erklärt,
eine Schlacht zwischen den Heeren Chinas
und Japans am Dalufluffe scheine u n -
vermeidlich.
Oesterreich.
Innsbruck, 11. Oktbr. Die Geschichte
von dem Frauen Mörder hat eine
eigenthümliche Wendung genommen, wie
seinerzeit berichtet, hat eine hier verheirathete
Frau die zweite lange Zeit unbekannte Er-
niordete als ihre Schwester Philomena
Pellegrini bezeichnet. Wie nun heute seitens
des Untersuchungsrichters publizirt wird,
chat man jetzt in derselben eine gewisse
Anna Jsser aus Axams erkannt. Jene
erste Agnoszirung war also eine Mystifi
kation. Ein in einer hiesigen Brauerei
beschäftigter Bursche befindet sich gegen
wärtig als der That sehr verdächtig in
Haft, ebenso die oben erwähnte Frau.
Aus Perscnberg an der Donau wird
die folgende außerordentliche Geschichte er>
erzählt: Der Gendarmerie-Postenführer
Franz Domes aus Persenbeug hat einen
Mann entlarvt, der weit und breit als
der Scheibbser Stummerl bekannt war,
der aber in Wirklichkeit nie stumm ge
wesen war, sondern sich durch achtzehn
Jahre stumm stellte, um nicht arbei
ten und um nicht beim Militär dienen zu
müssen. Der Mann heißt Josef Bura,
ist im Jahre 1860 geboren, nach Neuhaus
in Böhmen zuständig und der Sohn eines
Webers. Mit sechszehn Jahren ging er
ohne Dokumente von Neuhaus in Böhmen
fort, kam 1877 als Stummer nach Nieder-
Oesterreich und wurde als Landstreicher
der Gemeinde Neustift, Bezirk Scheibbs,
zugewiesen, wo er aufgegriffen worden war.
Am letzten Feierabend schien dem „Scheibb
ser Stummerl" seine Rolle, die er durch
achtzehn Jahre so meisterhaft gespielt, doch
unbequem zu werden und er fing plötz
lich zu sprechen an. Bura wurde vom
Bezirksgerichte Persenbeug eingeliefert.
Schweiz.
Aus der Schweiz, 10. Okt. In Zug
ist am Sonnabend der wegen Raubn, or
des 1882 zu lebenslänglichem Zucht
Haus verurtheilte Josef Schicker von
Blickenstorf, nachdem er bereits zwölf Jahre
im Zuchthaus zugebracht hat, in Wieder-
aufnähme des Verfahrens vom Obergericht
freigesprochen worden. Es bedurfte
jahrelanger und energischer Anstrengungen,
um die Vorurtheile, die sich um diesen
Prozeß gewoben hatten, zu beseitigen,
schreibt das „Zuger Bolksblatt". Die
neuen Erhebungen enthielten keineswegs
sehr gewichtige Entlastungsmomente für
Schicker, allein die vielfachen Zweifel gegen
dessen Schuld, die schon bei der Veruv
theilung und seither immer mehr sich
geltend machten, mochten das Ihrige dazu
beitragen, um das Gericht zur Bewilligung
der Revision zu bestimmen.
Inland.
„Ich danke Dir, Hartwig, das sind die
richtigen," sagte Bertha, als sie dieselben mit
zitternder Hand in Empfang uahni. „Rufe
mir den Hofmarschall, nein — dem Sohne
will ich es zuerst anvertrauen und in Deine
Hand will ich es legen, Du magst beurtheilen,
wie Du von dem, was Dn erfahreu wirst, Ge
brauch machen kannst, um meine und des
verstorbenen Königshofens Ehre zu retten."
Beide setzten sich und lösten schmerzlichen Blickes
das schwarze Band.
„Daß es soweit kommen mußte," sagte sie
leise, als die Briefschaften vor ihr ausein
andersielen. „Dein Vater im Himmel wird
auf uns niedersehen und wissen, daß mich
nur die äußerste Nolhwendigkeit zwang, sein
Geheimniß zu lüsten."
Bertha suchte unter den Papieren, „Hier
ist der Brief, auf den es ankommt, und hier
sind die übrigen, welche zur vollständigen Be
leuchtung des Dramas, welches sich einst in
Meran abspielte, nothwendig sind. — Diese
letzteren hat Heinz Königshofens Vater an
mich gerichtet; fast will es mir scheinen, als
wenn mich damals ein höherer Wille leitete,
sie nicht zu vernichten."
Bertha sprach ruhig, aber mit dem Zeichen
körperlicher und seelischer Erschöpfung. Ihre
Wangen waren bleich, ihre Hände blutleer
und unsicher, während um ihre Augen tiefe
Schatten lagen.
(Fortsetzung folgt.)
— Die Sitzung des Staats mi
nisteriums, in welcher die Maßregeln
gegen den Umsturz berathen werden sollten,
ist am Freitag Nachmittag 2 Uhr unter
Vorsitz des Ministerpräsidenten Grafen
Eulenburg zusammengetreten.
— Die soziale Frage ist wieder
einmal gelöst worden, und zwar „von ei
nem Philosophen", der seine Schrift gerade
zu „die Lösung der sozialen Frage" nennt
(Verlag von Max Spohr). Alles, was
vor ihm gedacht worden ist, war ein Irr
thum. Die Wahrheit ist erst jetzt entdeckt
worden. Und sie besteht darin, daß die
Menschheit nur gerettet werden kann, wenn
jede Person alljährlich 100 Gulden ausge
zahlt erhält. Wie aber wird diese „soziale
Jahresrente" aufgebracht? Nichts leichter
als dies. Man gibt Papiergeld aus; die
„Sozialnoten" sind das Mheilmittel, wel-
ches die Menschheit, „den schönsten Theil
der göttlichen Schöpfung," erlöst. Das
Scherzhafte an diesem Buche ist, daß der
Verfasser seinen Vorschlag mit heiligem
Ernst behandelt. — Ein anderes Buch,
dessen Verfasser sich Dr. Ehrmann nennt,
gibt ebenfalls allerlei sozialpolitische Be
trachtungen unter dem Titel: „Wie war's?
Und was wird werden? (Verlag von Wun-
derling in Regensburg). Aus 123 Seiten
wird die Weltgeschichte von der Weltent-
tehung und dem Mutterrecht bis auf Ca-
privi durchflogen, die der Verfasser auf
„die Statue der absoluten Erfolglosigkeit"
gesetzt zu sehen wünscht. Würde eine
solche Statue dereinst errichtet, so müßte
das Bild des Herrn Ehrmann sie zieren,
vielleicht in Verbindung mit obigem „Phil
losophen". — Eine dritte Broschüre liegt
von Georg von Görne vor und heißt
„Kritik und materielle Grundlagen des
Sozialismus" (Im Selbstverlag des Ver
fassers). Sie ist nichts als ein Auszug
aus den Werken von Constantin Frantz.
— Zum Duellprozeß Kiderlen-
Polstorff berichtigen die „B. N. N."
die Zeitungsberichte über die Aussagen
Polstorff's in einem Punkte dahin, daß
sich dieser für seine Behauptungen nicht
auf Aktienmaterial und Zeugen berufen,
sondern nur den Beweis durch Zeugen an
geboten habe.
— Soeben erschien eine neue politische
Wochenschrift: „Die Kritik", herausl
gegeben von Karl Schneidt. Höchst
interessant ist in der ersten Nummer des
selben der Beitrag: „Caprivi's Floh",
der dem Herrn Maximilian Harden,
dem bekannten „Apostata" und Heraus
geber der „Zukunft" „freundlichst zuge
eignet" wurde. Es ist weiter hochinter
essant, daß dieser leidenschaftliche Bekämpfer
der Juden, des „Thiergarten-Freisinns",
wie er es nennt und — des Reichskanzlers
Grafen v. Caprivi eigentlich gar nicht
Maximilian Harden — sondern: Isidor
Wittkowsky heißt, ein Name, der eigent
lich darauf schließen läßt, daß Herr Har
den dem von ihm bekämpften Judenthum
wohl eigentlich nicht so ferne steht oder
stand.
— Ein neuer Kniff aus der
Praxis der Wucherer und Bau
schwindler wird in folgendem geschib
dert: Darlehnssuchern, welche durch An
noncen größere und kleinere Beträge zu
erhalten wünschen, gehen in letzter Zeit
häufig Anerbieten zu, daß sie gegen 6 pCt.
Zinsen das Darlehen erhalten können,
wenn sie sich entschließen, ein Stockwerk
des dem Geldgeber gehörigen Hauses zu
miethen. Ist der Darlehnssucher bereit,
diese Bedingung zu erfüllen, so muß er
bei hochgeschraubter Miethe einen meist
fünfjährigen Kontrakt unterzeichnen. Auf
diese Weise wird so manches, in der Regel
auf dem Subhastationswege erworbene und
kaum ausgebaute Haus in kurzer Zeit be
völkert. Nun beginnt die Hauptaktion.
Es werden jetzt alle Hebel in Bewegung
gesetzt, um das Haus zu verkaufen. Den
Bewerbern werden die Miethskontrakte
vorgelegt, welche auf Respektspersonen
lauten; es ergibt sich aus denselben ziffern
mäßig ein hübscher Ueberschuß, und bald
ist für die anscheinend günstige Kapitals
anlage ein zahlungsfähiger Käufer gefunden,
an den das Haus mit großem Nutzen ver
äußert wird. Der neue Eigenthümer macht
natürlich bald böse Erfahrungen.
— Daß der „Segen der Konkurrenz"
nicht nur in der Großstadt, sondern auch
in kleinen Provinzialstädten wunder-
bare Blüthen treibt, zeigen wieder einmal
in recht auffallender Weise zwei Inserate
in der „Genthiner Ztg." In derselben
empfiehlt eine Schuhwaarenfabrik in Burg
lederne Damenzugstiefel für 2,20 Mk.,
Herrenzugstiefel für 3,20 Mk. und berechnet
für das Besohlen und Beflecken der von
ihr gekauften Schuhwaaren, für Kinder-
stiefel 15 bis 40 Pfg., Mädchen- und
Knabenstiefel 50—70 Pf., Damenstiefel
80 Pfg., Herrenstiefel 1,20 Mk. — Auf
derselben Seite aber steht folgendes Inserat
von einem Geschäftsnebenbuhler: „Achtung !
Noch billiger als billig! Herrenstiefelsohlen
und -Absätze von 1,10 Mk. an und eine
Zigarre zu; Damenstiefelsohlen und Ab
sätze von 75 Pf. an und eine Zucker-
zigarre zu."
— Ein schweizer Bataillons-
ommandeur ist von derFront
weg in Arrest überführt wor
den! meldet die „Neue Züricher Ztg."
Er strengte die Mannschaft seines Batail-
lons 87 in unerhörter Weise an, ließ sie
gerade in den Tagen grimmigster Kälte
im Gebirge schwierige Uebungen vornehmen
und dabei nur 3 bis 4 Stunden täglich
schlafen! Die Folge davon war, daß ein
großer Theil der Mannschaft gefährlich
erkrankte. In der „Gotthard-Post" findet
ich, nachdem der hauptsächlich angegriffene
Major Gertsch bereits strafweise zur 5.
Division versetzt ist, folgende Darstellung
des bedauerlichen Vorkommnisses:
„Eben ist das Bataillon wieder in Altorf ein
gerückt, aber in höchster Erbitterung und ohne
Major. Er hat fünf Tage Festung in Airolo
'osort angetreten. Der Bataillonsarzt, Haupt
mann Nauer, hat zehn Tage, weil er zu viel
Leute dispensirte.... Die Soldaten erzählen
Unglaubliches über die Schinderei anl Gotthard,
namentlich über den Stabsmajor Gertsch, und
es bedurfte der vereinten Anstrengungen der
Offizier«, um die Mannschaften des Bataillons
87, die noch immer ihre Pflicht thaten, von Aus
schreitungen zurückzuhalten. Vom Mittwoch auf
Donnerstag war das Bataillon 87 zwanzig
Stunden unterwegs; die Leute fielen in den
Reihen nieder vor Schlaf und Müdigkeit. Wir
auf, wo anarchistische Zusammenkünfte
stattfindeu. Neuerdings ist auch in Elber-
feld ein anarchistischer Club „Frei Wort"
gegründet worden. Zur Unterstützung der
Familien inhaftirter Anarchisten sind während
der Zeit vom 1. September bis 8. October
313 J( 80 Pfg. gesammelt. Das Aus
land (London) sandte nur 13 Jl 10 Pfg.
Auf schreckliche Art büßte in Crefrld
am Mittwoch eine Frau, Mutter von acht
Kindern, ihr Leben ein. Sie wollte einen
Topf, dessen aus Fett bestehender Inhalt
sich auf dem Heert entzündet hatte, in den
Hosraum tragen. Hierbei geriethen ihre
Kleider in Brand und im Nu war die
Aermste von Flammen eingehüllt. Der
Tod erlöste die Unglückliche nach kurzer
Zeit von ihren furchtbaren Schmerzen.
Köln, 11. Okt. Eine Anklage wegen
Duells führte -gestern einen Kandidaten
des höheren Lehramts vor die hiesige
Strafkammer. Der Angeklagte war in
einem hiesigen Restaurant mit einem
Architekten in Wortwechsel gerathen, bei
dem es auch zu Thätlichkeiten kam. Die
Folge war ein Pistolen-Duell, das wenige
Tage nachher im Walde bei Liblar statt-
fand. Beide Duellanten, die auf 15 Schritte
Entfernung schossen, wurden durch Streif-
schüffe unerheblich verletzt. Die Straf-
kammer verurtheilte der „Köln. Bolksztg."
zufolge den Angeklagten zu sechs Monaten
Festungshaft. Der Architekt wird als
Reserveoffizier vom Militärgericht abge
urtheilt werden.
Wittenberg, 9. Okt. Ueber einen pein
lichen Vorfall berichtet die „Saaleztg."
wie folgt: Der Hauptmann v. d. Lanken
vom hier garnisonirenden 20. Regiment
begegnete zu Pferde in der dortigen Linden
straße dem Fuhrwerk des Ackerbürgers
Giersch und soll mit ihm, da es eine La
terne nicht führte, nach der Polizeivor-
Ichrift auch nicht zu führen braucht, karam-
bolirt sein. Er begleitete das Fuhrwerk
bis an den Markt, rief hier zwei Soldaten
an, befahl ihnen, den Pferden des Giersch
in die Zügel zu fallen, den Giersch aber
vom Bock herunter zu holen und zu arre-
tiren. Als Giersch sich dem widersetzte,
schickte der Hauptmann einen andern
Soldaten nach der Hauptwache, um eine
iTSSrt? Patrouille zu holen und befahl dem in-
ligten. Er sprach mit höchster Zufriedenheit von
Offizieren und Mannschaften und mit ebensolcher
Entrüstung von der elenden Behandlung, die
ihnen widerfahret.
Auch im Lande der von Seiten unserer
Sozialdemokraten so überschwänglich und
so fälschlich gepriesenen Miliz kommen
also schlimme Soldatenfchmdereien vor.
Wir freuen uns bei dieser Gelegenheit
herzlich, konstatiren zu können, daß ans
unserem Heere seit langer Zeit kein Roth
schrei mißhandelter Soldaten geklungen
ist; das scharfe Kaiserwort: „Ich hätte
nicht geglaubt, so ungebildete Offiziere zu
zu haben",, hat segensreich gewirkt und
Hunderten von Eltern thränenvolle Stun
den erspart.
Berlin, 12. Okt. Die „Kreuzztg." drückt
ihr Mißtrauen aus gegen die von den
Nationalliberalen verlangte Verschärfung der
strafrechtlichen Bestimmungen des
Strafrechts gegen gemeinschädliche Agitati-
onen; sie vermuthet, daß davon alle nicht
mittelparteilichen Bestrebungen getroffen
werden sollen, nicht blos und nicht vor-
zugsweise die Sozialdemokratie und der
Anarchismus; deshalb sei eine Zurück
haltung geboten, bis die Regierung durch
praktisches Vorgehen zeige, daß sie mit den
oberflächlichen und zugleich gewaltthätigen
Besserungsoorschlägen nichts gemein habe.
Braunschweig, 12. Okt. General-Lieute-
nant z. D. Hans Herzu arth v. Bitten-
feld ist heute gestorben.
Ein glückliches Gemeinwesen
ist die Stadt Orb, Soolbad im Spessart.
Es werden dort bei einer Bevölkerung von
3300 Seelen außer Hundesteuer keinerlei
Kommunalsteuern erhoben und es ist
jedes Jahr ein Etatsüberschuß zu verzeich
nen. Die Stadt besitzt einen Wald von
3400 ha, eine Saline und ein Vermögen
von 2 500000 Mark. Eine Wasserleitung
und ein Elektrizitätswerk sind in Aussicht
genommen. Um den Anschluß der Stadt
an den Bahnverkehr recht bald zu ermög
lichen, sind die städtischen Behörden bereit,
das zu einem Babnbau erforderliche Gelände
event, dem Fiskus oder einer Gesellschaft
kostenfrei zur Verfügung zu stellen.
Wie aus Wollstein berichtet wird, hat
am Mittwoch in dem in der Nähe ge
legenen Bleicher-Wäldchen ein Pistolen
duell zwischen dem Premierlieutenant der
Reserve Rademacher, der sich am Woll-
steiner Landrathsamt als Commiffarius
ausbildet, und dem Reservelieutenant
Rechtsanwalt Ziehe-Wollstein stattgefunden.
Ziehe wurde durch einen Schuß in den
linken Lungenflügel tödtlich verletzt. Die
Ursache des Zweikampfes soll, der „Pos.
Ztg." zufolge, ein heftiger Wortwechsel
beim Kartenspiel gewesen sein.
Hannover, 11. Okt. Heute starb hier
der auch in weiteren Kreisen bekannte
Kommerzienrath Adolph Mollin g.
Das Molling'sche Bankhaus befaßte sich
vornehmlich mit der Uebernahme von Ver-
loosungen.
Die Anarchisten - Adressentafel
weist jetzt sechszehn Orte in Deutschland
zwischen herangekommenen Polizeisergeant
Reichardt, den Giersch zu verhaften, was
dieser verweigerte, da Giersch ihm persön
lich bekannt sei. Der Hauptmann ließ
den Giersch nun über den Markt hinweg
nach der Polizeiwache fahren, verlangte
hier, daß der wachthabende Polizeisergeant
ein Protokoll aufnehmen solle und schrieb
dann, als auch dies verweigert wurde, selbst
eine längere Anzeige. Inzwischen hatte sich
eine ungeheure Menschenmenge auf dem
Marktplatze angesammelt, die bereits ein;
drohende Haltung gegen den Hauptmann
anzunehmen begann, als dieser den Markt
platz verließ und die Wache fortschickte.
Dies der einfache Thatbestand. Man darf
gespannt sein, welchen Verlauf die Ange
legenheit nehmen wird.
Vom Westerwalde, 9. Oct. Eine neue
Einrichtung, die einer Anzahl ärmerer
Ortschaften des Westerwaldes zum Wohle
gereicht, ist kürzlich getroffen worden. Nach
dem vor längerer Zeit bereits eine Blech-
waarenfabrik im Aubachthale mit vielen
Opfern für einzelne Gemeinden eine be
sondere Industrie zur Beschäftigung im
eignen Hause eingerichtet hat, ist nun
auch eine Beinknopffabrik in demselben
Thale gefolgt und hat die Fabrikation von
Zahnbürsten, die im Hause von den Frauen
in ihren freien Stunden bewerkstelligt wird,
angeregt und die Mittel hierzu gegeben.
Der armen Landbevölkerung wird hierdurch
passende Gelegenheit geboten, ihre freien
Stunden gewinnbringend auszunutzen.
Leipzig, 9. Okt. Der in Aussicht ge
nommene neue Modus für die Stadtver
ordnetenwahlen beginnt nun außer bei den
Sozialdemokraten auch _ auf Seiten der
Ordnungsparteien auf Widerstand zu stoßen.
„Man glaubt, so wird der „Post" von hier
geschrieben, daß der Mittelstand mundtodt
gemacht und der Sozialdemokratie nur ein
Dienst erwiesen werde, was allerdings die
Sozialdemokraten selbst nicht anzunehmen
scheinen. Ferner nimmt man an, daß sich
des Mittelstandes allmählich eine Verbitte
rung bemächtige, die gefährlicher sein könne,
als wenn ein paar sozialdemokratische
stadverordnete mehr gewählt würden.
Man veranlasse, so heißt es, Nichtsozial
demokraten nur dazu, sozialdemokratisch zu
wählen und führe eine dauernde Zersetzung
der Bürgerschaft herbei. Von verschiedenen
Seiten werden Vorschläge zu praktischerer
Aenderung gemacht, von denen noch nicht
gesagt werden kann, in wie weit sie der
Rath berücksichtigen wird." Der „gute
Wille" scheint demnach bei dem Leipziger
Magistrate stärker zu sein, als die politische
Einsicht, was sächsischen Behörden bei ver
Bekämpfung der Sozialdemokratie bekannt
lich nicht selten passirt.
Leipzig, 10. Okt. Der 20jährige Stein
metz Beyer sollte zum Militärdienst ein-
rücken und scheint davor eine heillose
Angst gehabt zu haben, denn er zog es
vor, durch Einnehmen von Cyankali frei
willig in den Tod zu gehen.
M't ihm nahm sich auch seine Braut, die
19jährige Anna Winkler, das Leben.
Das „Koburger Tagebl." berichtet, daß
beim dortigen 32. Infanterie-Regiment ein
Meininger Stadtkind als Einjähriger
eingestellt worden ist, das einen k u r -
zen Fuß hat und hinkt.
Ein schweres Gewitter, wie es im
Oktober kaum dagewesen, hat am Montag
Nachmittag 4 Stunden lang in verschiedenen
Gegenden Thüringens und der Provinz
Sachsen getobt. Ein Güterzug, welcher
zwischen 6 und 7 Uhr von Greußen nach
Erfurt fährt, kam trotz seiner zwei Loko
motiven, nur bis an die Gangloff-Sömmer-
daer Höhe und mußte des Unwetters wegen
nach Bahnhof Greußen zurückfahren. In
Sömmerda verursachte ein Blitzschlag
einen Hausbrand. Ein anderer Blitz e r>
schlug den 18jährigen Sohn des Restau
rateurs Hildenhagen in Ebeleben, der
mit Feldarbeit beschäftigt war. In Er
furt gab es ein furchtbares Hagelwetter,
und kaum hatte dies nachgelassen, als es
in Strömen zu regnen begann, so daß
bald alles unter Wasser gesetzt wurde. In
verschiedenen Straßen traten Störungen
durch Ueberschwemmungen ein, und das
Wasser strömte in viele Keller. Auch am
neuen Staatsbahnhof herrschte große Ver
wirrung. Das eben erst eingeräumte
Bureau der Stationskaffe wurde unter
Wasser gesetzt.
Neue Erderschütterungen haben am
Sonntag und Montag Abend in Eislebe«
stattgefunden. Sie äußerten sich auch dies
mal durch schwankende Bewegungen des
Erdbodens, während der charakteristische
'tarke Schlag fehlte. Die Gasanstalt
'ieht sich fast außer Stande, die fortwäh
rend eintretenden Rohrbrüche ihrer Gas
röhren umgehend' zu beseitigen. Es ent
lieht diesen Röhren in Folge dessen eine
erhebliche Menge Gas, so daß an verschie
denen Stellen auf der Straße der starke
Gasgeruch bemerkt wird. Das Kaisersche
Eckhaus in der Zeißingstraße, das besonders
rst und stark konstruirt ist und sich bisher
)en Zerstörungen gegenüber ziemlich unan-
-echtbar verhielt, ist in den letzten Tagen
augenscheinlich recht stark mitgenommen
worden.
Baden-Baden, 11. Oktober. Ein Stück
krassen Aberglaubens spielte sich
jüngst in dem nahen Gaisbach ab. Dort
ist ein Haus, von dem die Sage geht, daß
es darin „spuke". Die Bewohner, aber
gläubische Leute, sind auch davon über
zeugt, daß es bei ihnen nicht geheuer sei,
worauf eine Zigeunerbande spekulirte. Die
Zigeuner beschwatzten die Bauersleute,
ihnen Geld zur Hebung eines Schatzes z«
geben, der in dem Haus verborgen sei«
solle; sie erhielten nach und nach 1849 Ji>
Auch Kleider und Eßwaaren im Wert
von 200 Jt ließen sich die Leichtgläubige-,
ablocken. Ein Gensdarm vernahm von der
Sache, worauf die Zigeuner bis auf eine«
festgenommen werden konnten. Die Bauers
leute haben ihr sauer erspartes Geld ver
loren.
Karlsruhe, 10, Okt. Bon 1884 bis
189 l wurden im Großherzogthum 45 200
Personen wegen Bettelei und Land
streichens verurtheilt. Die Zahl der nicht
abgefaßten Vagabunden ist zum mindestens
die gleiche, sod aß. durchschnittlich in jedem
Jahr mehr als 10000 Personen arbeits-
oder obdachlos umherstreichen.
Hamburg, 18. Okt. Eine schlimme
Hüterin der Jugend wurde in del
Person einer 24jährigen Kindergärtnerin
verhaftet. Unter dem Vorgeben, sie besitze
ein Vermögeu von 36 000 Mark, das
theilweise in einem Gute in Lauban ein
getragen, theilweise beim dortigen Amts
gericht deponirt sei, bewog sie eine auf del
kleinen Drehbahn wohnende Wittwe, ihl
für Kost und Logis 220 Mark zu kredi-
tiren. Ferner hat sie sich durch Vermitte
lung eines hiesigen Heirathsvermittlers
mit einem Kaufmann zwecks Heirath i«
Verbindung gesetzt, diesen unter denselbe«
Vorspiegelungen zur Miethung und Ei«'
Achtung einer Wohnung veranlaßt und ist
dann vom Schauplatz ihrer Thätigkeit ver
schwunden.
Provinzielles
Die evangelische Konferenz
Schleswig > Holstein veranstaltete i«
Kiel eine Jahresversammlung, die zahlreich
besucht war. Die Konferenz beabsichtigt
Theologen und Nicht-Theologen zur Be
rathung kirchlicher und religiöser Fraget
im Geiste der Freiheit und Duldsamkeit z»
vereinen. Der Vorsitzende, Pastor Clause«' <
Kiel, betonte, daß die Konferenz die Mit
arbeit der Gemeinde in kirchlichen u«k
religiösen Dingen erstrebe, denn in t»e r
evangelischen Kirche gebe es keinen beso«'
deren Priesterstand, die Konferenz stelle
nicht in den Dienst einer bestimmten Pcü'
tei, sondern wolle das kirchliche Leben rşş
den wahren Grundsätzen des Christenthui«^
fördern. Pastor Johnsen hielt ei«^
Vortrag über den „Materialismus in Wj
Naturwissenschaften und in der Religio«
und verlangte für die theologischen <§*«'
deuten das Studium der Geschichte ^
Philosophie und die Beseitigung der D«Ş"
mengeschichte, die entbehrlich sei. Haş
lehrer Stolle Y-Kiel, betonte daß er «st-
seiner 24jährigen Erfahrung wiffe, daß d«
theologischen Studenten nicht eine ŗ, ^
Höhung ihres Bildungsgrades durch d«
Studium der Naturwissenschaften erstrebte!,
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Ha,
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ger
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