Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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japanischen Feldzugsplan zu bestätigen. 
Nach einer Meldung, die den „Times" aus 
Tientsin unter dem 8. Okt. zugegangen ist, 
setzen die Japaner ihren Marsch au : 
Mukden fort, ohne sich zunächst mit 
anderen Unternehmungen zu zersplittern. 
Anscheinend haben sie selber das bis jetzt 
nicht bestätigte Gerücht von einer Landung 
in der Provinz Shantung verbreitet, um 
die Chinesen irre zu führen. Die im Golf 
von Petschili anwesenden japanischen Kriegs- 
schiffe haben nur den Zweck, die chinesische 
Flotte an einer Störung der wichtigen 
Operation gegen Mukden zu verhindern 
Denn nach einer nicht unwahrscheinlichen 
Nachricht ist ein japanisches Geschwader 
mit Landungstruppen gleichfalls in Ueber- 
einstimmung mit den Auslassungen des 
japanischen Gesandtschaftssekretärs, nach 
Nordosten segelnd gesehen worden, das 
offenbar den Marsch der Japaner nach 
Mukden unterstützen soll. Die Rheder von 
Shanghai senden keine Schiffe mehr nach 
Tschifu und Tientsin ab, weil es heißt, 
daß die japanische Flotte diese Häfen 
blockirt. Mehrere japanische Kriegsschiffe 
kreuzen im Golf von Petschili bei Wei-hai- 
Wei. In der Nacht kommen sie an die 
Küste, und wenn der Tag graut, segeln sie 
in die See hinaus. Jeder erwartet, daß 
die Japaner demnächst auch Shanghai in 
Blockadezustand setzen werden. In der Ge- 
gend von Nütschwang benehmen sich die 
chinesischen Soldaten grausam gegen die 
Bevölkerung. Die schottischen Missionare 
in Liao Yang, wo der Missionar Wylie 
ermordet wurde, sind nach Nütschwang ge- 
flohen. Die europäische Kolonie in Han- 
kau, dem Haupt - Theehandelsorte Chinas, 
ist sehr zahlreich. Wenn es in Hankau zu 
ernsten Pöbelausschreitungen käme, dürfte 
dies auf die Entwickelung des Theegeschäfts 
kaum ohne nachtheilige Folgen bleiben. 
Ten Hauptantheil an dem dortigen Thee 
geschäft haben neben englischen und russi- 
schen die deutschen Firmen. 
Nach einer Meldung des Reuter'schen 
Bureaus aus Shanghai sind in Folge der 
Befürchtung, daß die Japaner eine Lan- 
dung auf chinesischem Gebiete versuchen 
werden, die Wachen ans den Kriegsschiffen 
und die Posten in allen Häfen verstärkt 
worden. 
Chicago, 8. Octbr. Hier wurde eine 
Anarchistin verhaftet. Ihr angeblicher 
Name ist „Lizzie Loftus". Man oder sie 
nannte sich „Königin der Anarchisten". Das 
Weib hatte eine Menge anarchistischer Flug- 
blätter bei sich, in denen die Drohung stand, 
die Stadt Chicago in die Luft zu sprengen. 
Washington, 8. Okt. In hiesigen poli- 
tischen Kreisen glaubt man, daß der Präsi 
dent Cleveland demnächst in einer 
Botschaft den Congreß auffordern wird, 
seine Aufmerksamkeit auf die P r o t e st e 
Deutschlands und anderer 
Mächte betreffs des Zuckertarifs 
und auf die Nützlichkeit einer Abänder 
ung des Tarifs zu richten. Vor Zu 
sammentritt des Congresses kann kein 
Schritt in dieser Richtung erfolgen. 
Oesterreich. 
Wien, 8. Octbr. Nach einem Telegramm 
des „B. T." verlautet, die Regierung werde 
in der kommenden Parlamentssession einen 
Wahlreform.Gesetzentwurf vor 
legen, welcher entsprechend dem Antrage des 
liberalen Abgeordneten Baernreither allen 
jenen Arbeitern das Wahlrecht zuerkennt, 
welche seit einer bestimmten Zeit Kranken 
kassen angehören. Im Ganzen würden 
danach die Arbeiter vicrundvierzig Mandate 
erhalten. 
Lemberg, 8. Okt. Eine gestern hier 
abgehaltene sozialdemokratische Versamm 
lung nahm eine Resolution zu Gunsten 
des allgemeinen W a h l r e ch t s an. Am 
Nachmittage zurchzogen die Arbeiter die 
Stadt unter Hochrufen auf das allgemeine 
Wahlrecht. Die Ruhe wurde nirgends 
gestört. 
Wegen Schmuggels wurden kürzlich 
vom Obergefällsgericht in Lemberg 260 
Kaufleute zusammen zu 600 000 fl 
Strafe und außerdem noch zu Arrest ver 
urtheilt. 
Prag, 8. Okt. Die Elbladeplätze sind 
bereits wasserfrei. Ob die Verladungen 
heute oder spätestens morgen aufgenommen 
werden können, hängt von der heutigen 
Wasserstandsprognose ab. Das Wetter ist 
trübe. 
Frankreich. 
Paris, 8. Okt. Die Regierung hat zur 
erstärkung der französischen 
S t r e i t k r ä f t e in den chinesischen 
Meeren anläßlich des chinesisch-japanischen 
Krieges und zur Sicherung der französi 
schen Unterthanen dort die Kreuzer 1. Cl. 
„Jsly" und „Alger" sowie den Kreuzer 
2. Cl. „Duguay-Trouin" und das Ka- 
nonenboot „Lutin" nach China beordert. 
Der „Jsly", der sich in Brest befindet 
und dort für seine Abreise Vorbereitungen 
trifft, begiebt sich zunächst nach Toulon 
und geht von dort mit dem „Alger" gleich 
zeitig in See. Außerdem hat auch 
auch der Transportdampfer „Europäen" 
Befehl erhalten, seine Reparaturen zu be- 
schleunigen und nach Saigon aufzubrechen. 
Man schreibt aus Paris von gestern: 
Die aus Tonking eintreffenden Zeitungen 
enthalten Mittheilungen über die Er 
mordung des französischen Zollkontro- 
leurs Chaillet durch die Piraten. Letztere 
überfielen dessen Haus und entführten 
dessen Frau und Tochter. Als Herr 
Chaillet ihnen nacheilte, wurde er von 
einer Kugel getroffen, die in die Leisten- 
gegend eindrang und durch Verletzung der 
großen Beinschlagader den sofortigen Tod 
zur Folge hatte. Als die Soldaten der 
Garnison an Ort und Stelle kamen, war 
Chaillet bereits todt und die Seeräuber 
hatten das Weite gesucht. Von dem Ueber- 
nll hatte Niemand etwas bemerkt. Auch 
blieben die Nachforschungen erfolglos. 
Paris, 8. Octbr. Wie der „Voss. Ztg." 
gemeldet wird, bezweifelt der „Figaro", daß 
die Eroberung von Madagaskar 
ür Frankreich Vortheilhaft sei. Auf der 
Insel, so heißt es dort, wohnen bloß 597 
ranzösische Staatsangehörige, darunter 
befinden sich Comorenneger und viele Creolen 
von der Insel Reunion. Außerdem betrage 
der ganze Handel mit Frankreich in Ein- 
und Ausfuhr nur drei Millionen Franken. 
Bei so geringfügigen Interessen sei 
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fraglich, ob die Opfer eines Kriegszuges 
nach Madagaskar sich lohnen. 
Paris, 8. Okt. Der „Verein der ver 
eidigten Makler" hat in seiner letzten Si 
tzung beschlossen, den Zuckermakler Pin 
gault, der eines Unterschleifs von 3'4 
Millionen bezichtigt war, aus der Liste 
seiner Mitglieder zu streichen. 
Rive de Gier, 8. Okt. Bei einem gestern 
Abend in einem Kaffeehause aus unerheblicher 
Ursache entstandenen Streite zwischen 
französischen und italienischen Arbeitern 
wurden 5 Personen verwundet, darunter 
3 schwer. 5 Verhaftungen wurden vor- 
genommen und die Staatsanwaltschalt von 
den Vorgängen unterrichtet. 
Griechenland. 
Offiziellen Nachrichten aus Athen zufolge 
hat der Zar beschlossen, mit der ganzen 
kaiserlichen Familie auf der Insel Korfu 
zu überwintern, wo König Georg ein 
Palais zur Verfügung gestellt hat. Die 
kaiserliche Yacht „Zarewna" ist schon nach 
Piräus beordert. Der König von Griechen 
land wird sich schon vorher nach Korfu be 
geben, um den Zaren dort zu empfangen 
Auch Kaiserin Elisabeth von Oesterreich 
hatte dem Zaren ihr Schloß Achilleion in 
Gasturi auf Korfu angeboten. 
Athen, 8. Oktbr. In dem Prozesse 
wegen der in dem Geschäftshause der Zei 
tung „Akropolis" vorgekommenen Aus 
schreitungen wurden die angeklagten Offiziere 
einstimmig freigesprochen. 
Rutzland. 
Petersburg, 8. Okt. Die Nachricht, daß 
chinesische Räuberbanden Einfälle in das 
Ussuri-Gebiet gemacht haben, bestätigt sich 
jetzt, wenn auch diese Einfälle sich in recht 
bescheidenen Grenzen gehalten haben, da 
dabei nur zwei russische Familien ausge 
plündert und zwei chinesische Bahnarbeiter 
getödtet sind, sodaß diesen vereinzelten Ein 
fällen schwerlich irgend eine Bedeutung bei 
zumessen ist. 
Italien. 
Rom, 8. Okt. Die von der Regierung 
eingesetzte Commission aktiver 
Generale, welche mit der Prüfung 
etwaiger Vorschläge für Ersparnisse in der 
Heeresverwaltung beauftragt war, verneinte 
in ihrem Bericht an den Kriegsminister 
die Möglichkeit, an dem Heeresetat erheb 
liche Ersparungen zu machen, und be 
schränkte sich auf Vorschläge zur Verein 
fachung der Verwaltung. Der Bericht der 
Commission, welche 32 Sitzungen abgehalten 
hat, wird demnächst im Druck erscheinen 
Rom, 8. Oktbr. Die gestrigen Abend 
blätter melden aus Mailand, daß auf einer 
Fensterbank der Polizeidirektion ein Ex- 
Aosivkörper mit brennender Lunte ge- 
unden wurde. Mehrere Personen wurden 
verhaftet. 
Belgien. 
Brüssel, 8. Okt. Die belgische Regie 
rung läßt gegenwärtig eine ganze Reih 
neuer Hafenarbeiten ausführen 
Brügge-Bleist erhält einen großen Meeres 
Hafen, Brüsse umfangreiche maritime In 
tallationen. Die Hafenunlagen in Ant 
werpen und Ostende werden bedeutend er 
weitert, und nun tritt noch Gent hinzu 
Auf Antrag des Finanzministers wird der 
Genter Hafen vergrößert und der nach 
Terneuzen führende, Gent mit der Schelde 
verbindende Kanal auf 8 Meter vertieft 
und mit einer neuen, 15,80 Meter breiten 
und 125 Meter langen Schleuse ausge 
tattet. Die Kosten dieses neuen Unter 
nehmens betragen 20 Millionen Francs, 
wovon der belgische Staat 15 >4 Millionen 
Francs, Gent 4'/2 Millionen Francs über 
nehmen. 
Brüssel, 6. Okt. Wieder einmal macht 
der belgische „Moniteur" bekannt, daß auch 
Ar das Jahr 1895 der P r e i s eine 
militärischenStellvertreter, 
auf 1600 Francs festgesetzt ist. Wer also 
nicht dienen will und 160 Francs dem Staate 
zahlt, dem wird von Amtswegen ein Ersatz, 
mann besorgt. Hoffentlich setzen die neuen 
Kammern diesem Zustande endlich ein Ziel 
Die Offiziere der belgischen Armee sind stimm 
berecytigt und fehlen bei keiner Wahl 
Der Kriegsminister hat aber heute allge 
mein angeordnet, daß kein activer Offizier 
irgend ein Amt in den Wahlvorständen an 
nehmen darf. 
Portugal. 
Lissabon, 8. Okt. Der spanische Partei 
führer Salmeron wurde von der portugic 
fischen Polizei festgenommen und nach zwei 
stündiger Haft aus Portugal ausgewiesen 
wegen eines Banketts, das ihm zu Ehren 
von den hiesigen Republikanern an Bord 
eines auf der Rhede gelegenen Schiffes 
veranstaltet wurde. 
Inland. 
geschossen — der arme Schelm, im Knall 
verendend, streckte sich aus dem weichen Moose. 
„Bock — Bock hossi — hossi — 
— Bock — Bock!" 
Ein starker Bock stürmte heran, bautz, bautz, 
bautz, hallte er wieder durch den Wald. 
Heinz umspannte das Gewehr fester. 
„Bei dem nächsten Schuß ist mein Schick 
sal besiegelt," murmelte er mit blutleeren 
Lippen. 
Die Schützenlinie bewegte sich ein klein 
wenig nach vorn, der Hofniarschall legte an, 
Heinz trat ein wenig vor, hob den Lanf, aber 
die Kräfte versagten, die Schwäche übermannte 
ihn; unfähig, das Todcsblei auf sich sebst 
zu lenken, fiel er bewußtlos nieder. Aber 
in demselben Moment entlud sich sein Gewehr 
und die Kugel drang oberhalb der Schläfe 
in seinen Kopf. 
Herr von Mäurer sah ihn sinken, um 
eines Gedankens Länge starrte er zu ihm 
hinüber, dann warf er seine Waffe zu Boden 
und eilte auf Königshofen zu. 
„Mein Gott, Sie sind verwundet? Sie 
bluten? Königshofen! — Königshofen!" Ihn 
emporrichtend, zog er sein Taschentuch und 
drückte cs auf die Wunde. Kein Lebenszeichen, 
mit geschlossenen Augen ruhte Heinz blutüber 
strömten Angesichts in seinen Armen. 
„Hornist — Hornist! — Halt! — Blasen 
— blasen! Jagd vorbei! — Hülfe!! Hülfe!!!" 
Der Hornist flog herbei und weirhin er 
schallte das Signal. 
Noch ein paar Schüsse, dann Alles still, 
bis sich endlich die Jäger der Ungücksstätte 
u-ckffen. Die Aufregung war grenzenlos. 
„Den Wagen hierher!" befahl Herr von 
Mäurer; zwei Jäger liefen davon, um den 
Kutscher zu bescheiden. 
„Haltet die Damen fern," rief der Hof 
marschall. Aber es war zu spät. Ellinor 
der Sträucher und Dornen nicht achtend, 
stürzte schon herbei, stieß einen herzzerreißenden 
Schrei aus: „Heinz, mein Heinz!" Damit 
warf sie sich über den Geliebten und drückte 
den matt herabhängenden Kopf an ihre Brust. 
Hinter ihr tauchte Bertha auf und starrte 
sprachlos, mit weit geöffneten Augen mt : 
dieses Bild, welches ihr so entsetzliches bot. 
Heinz, ihr geliebter Heinz, todt und in den 
Armrn ihrer Tochter ruhend, deren Liebesich 
in diesem Augenblicke Bahn gebrochen. 
„Ellinor, was thust Du?" 
„Mutter — Mutter, er war mein!" 
Berthas Züge waren wie versteinert, die 
Augenlieder schloffen sich und ihre Lippen 
preßten sich krampfhaft zusammen. Plötzlich 
kam Leben in diese regungslose Gestalt, mit 
einem Satze stand sie neben dem Hofmarschall, 
umspannte sein Handgelenk und sah ihn 
karren Auges an. 
„Mäurer —" kam es langsam, mit graust 
gem Ausdruck über ihre Lippen. Unfähig, sich 
länger austecht zu halten, lag sie bewußtlos 
in seinen Armeen. 
Was hatte sie gesagt? Was hatte dieses 
eine Wort und ihr hinsterbender Blick be 
deutet? Lorenz sann nach, es war ihm nicht 
klar: plötzlich ging ein furchtbares Erkenntniß 
in ihm auf: Er sollte Heinz Königshofen's 
Mörder sein! — Soweit war es gekommen! — 
(Fortsetzung folgt.) 
Berlin, 8. Okt. Zwischen den Groß 
mächten finden Verhandlungen des ge 
meinsamen Schutzes ihrer in China lebew 
den Angehörigen, und insbesondere bezüg 
lich der Festsetzung der Aktionsgebiete für 
die Geschwader der einzelnen Mächte statt. 
— Unter den Vorlagen, welche fflr die 
nächste Session des Reichstags in Vorbe 
reitung begriffen sind, befindet sich auch 
eine, die für die Presse von großem Inter- 
esse ist. Es handelt sich um die wieder- 
holt in Aussicht gestellte anderweitige 
Regelung der P 0 st z e i t u n g s - 
gebühren. Der Entwurf ist bereits 
im Sommer Gegenstand der Verhandlungen 
im Staatsministerium gewesen. Es ver- 
verlautete damals, die Postprooision solle 
in Zukunft nach Maßgabe der Zahl der 
Ausgabe des Gewichts der Zeitungen ge 
regelt werden. 
Berlin, 8. Okt. Es verlautet, daß der 
Colonialrath am 18. Oktober zu- 
ammentritt; die Etats der Schutzgebiete 
werden ihm vorgelegt werden, ferner soll 
die Ausdehnung der Woermann-Linie in 
Südwest-Asrika, sowie über die telegraphi- 
sche Verbindung der Schutzgebiete mit 
Deutschland, über den Ausbau der Swa- 
kop-Mündung und über die Herstellung der 
Eisenbahnlinien in Deutsch-Südafrika be- 
rathen werden. 
— In Sachen des Bier-Boykotts 
wurde am Freitag eine Versammlung der 
Ausgesperrten Brauereiarbeiter und Bött- 
,er abgehalten, die von etwa 4M 
Personen besucht war. Es wurde eine 
Erklärung angenommen, auf jede fernere 
Unterstützung verzichten zu wollen, wenn 
nicht die bedingungslose Wiedereinstellung 
der Ausgesperrten und Anerkennung des 
Arbeitsnachweises den Verrufs-Brauereien 
zur Bedingung gemacht würde. 
— Der fünfte demokratische Par 
teitag wurde gestern Nachmittag hier 
abgehalten. Vertreten waren insgesammt 
18 Wahlkreise durch 32 Delegirte. 18 
Delegirte entfielen auf Berlin. Haupt 
gegenständ der Besprechung war die Ver 
schmelzung der norddeutschen demokratischen 
mit der deutschen Volkspartei, der Antrag 
der Düsseldorfer Parteigenossen. Nach 
etwa fünfstündiger Erörterung einigte man 
sich zur Annahme folgenden, von Kohn 
Dortmund gestellten Antrages: „Im Hin 
blick auf die Aschaffenburger Verhandlungen 
und die dadurch gestärkte Erwartung, daß 
die deutsche Volkspartei auf der Grundlage 
des neuen Programms zu einer socialen 
Reformpartei sich gestalten werde, beauf- 
tragt der Parteitag der demokratischen 
Partei den Parteiausschuß, nach Feststellung 
jenes Programms und der Bereitwilligkeit 
der Parteileitung, die demokratische Agita- 
tion auch in Norddeutschland energisch zu 
unterstützen, den Anschluß der demokrati- 
schen Partei Norddeutschlands an die 
deutsche Volkspartei zur Abstimmung an 
die Mitglieder der einzelnen Wahlkreise zu 
bringen." — Als Vorort der Partei wurde 
Düsseldorf bestimmt. 
Das A e lt e st e n-C 0 l l e g i u m der 
Berliner Kaufmannschaft hat sich 
in seiner heutigen Sitzung, wie der „Local 
anz." hört, mit der Währungsfrage be 
chäftigt. Wie gemeldet, war vor einiger 
Zeit anläßlich der bimetallistischen Agitation 
eine Denkschrift über die Währungsfrage 
ausgearbeitet worden, die zu dem Schluß 
gelangte, daß die jetzt in Deutschland be- 
kehenden Währungsverhältnisse aufrecht zu 
erhalten seien. Das Aeltesten-Collegium 
hat sich nach eingehender Besprechung der 
Angelegenheit nunmehr dahin entschieden, 
der Sache keine weitere Folge zu geben, 
weil es der Meinung ist, daß ein Eingehen 
darauf durch die vor einigen Monaten 
eitens des Staats veranstaltete Silber-En 
quete sich als überflüssig erweise. 
Die Erfolge mit dem Heilserumgegen 
Diphtherie, welches seit einiger Zeit 
m Kaiser, und Kaiserin Friedrich-Kranken 
hause zu Berlin angewandt wird, werden 
von dem Direktor der Anstalt, Prof. Dr. 
Baginsky, jetzt dahin festgestellt, daß 
der Prozentsatz der Todesfälle von 42 auf 
17 herabgesunken ist. Der Aufruf um 
Beiträge für Beschaffung des Mittels hat, 
wie die „Tägl. Rdsch." meint, bereits Er 
folg. Es werden in Berlin unter Zu 
grundelegung der Zahl der erfahrungsqe- 
maß an Diphtherie zu behandelnden Kranken 
etwa 8-10 000 Jl in diesem Jahre noth 
wendig sein. Der Berliner Magistrat be- 
chastigte sich in seiner Donnerstagssitzung 
mit dem Kinder-Krankenhans. Er will 
demselben im nächsten Jahre 50 000 Jl. 
zuwenden und wird die Bewilligung bei 
der Stadtverordneten. Versammlung be 
antragen. 
Der siebenjährige Schulknabe 
tieß in Berlin am Donnerstag Vormittag 
ein fünfjähriges Brüderchen Emil in den 
Pankefluß, weil der kleine den größern 
nicht an einer Butterstulle mit 
essen lassen wollte. Das Kind 
wäre zweifellos ertrunken, wenn nicht ein 
Arbeiter G. in der Nähe war, der das 
Kind auffischte und in Sicherheit brachte. 
Erst nach längerer Zeit kam das gerettete 
Kind, das viel Wasser geschluckt hatte, zum 
Bewußtsein. (Ein Zeichen schon kindlicher 
Gemüthsverrohung.) 
Auf welch' leichtsinnige Art und Weise 
heut zu Tage Ehen geschlossen werden, 
davon ein Beispiel. In Berlin hat ein 
hartnäckiger Schneidermeister ein liebendes 
Paar meuchlings getrennt. Auf einem 
Standesamt war die Trauung des 
Schlossergesellen W. mit seiner Braut an 
gesetzt. In deren Wohnung waren die 
Zeugen schon versammelt und alles wartete 
auf den Bräutigam. Dieser erschien aber 
nicht, sondern sandte durch einen Dienst 
mann folgenden Brief: „Liebe Auguste! 
Ich kann leider nicht zur Trauung kommen 
weil ich keinen Anzug habe. Ich hatte 
mir einen bei einem Schneidermeister be- 
'l'/hn heute haben wollte, 
gab rhn ohne sofortige Bezahlung nicht 
" ich kein Geld hatte, bekam 
heraus. Da 
TrauuÄ -Ä? weswegen die 
slöer Alles"!? ^"finden kann. Wenn ich 
ich heàe * e ^ Iett '°ll, ist es besser, 
Überhaupt nicht." Der Mann 
’ ^rathen und hat noch nicht das 
m ö"m Allernöthigsten. Wie will der 
êv und Kind ernähren? Weshalb denn 
früher heirathen, als bis man das Nöthigste 
zum Dasein, wie auch Sparsamkeit erwor 
ben hat? 
Breslau, 8. Okt. Die Grenzsperre 
bei Myslowitz ist gestern aufgehoben 
worden. Auch der Grenzübergang aus 
Oesterreich wurde gestern für den Verkehr 
wieder geöffnet. 
Beutheu i. Ober-Schl., 9. Okt. Das 
Schwurgericht verurtheilte wegen eines 
Krawalles in Antonienhütte, bei dem es 
unter Arbeitern zu Landfriedensbruch und 
Auflauf gekommen war, die Angeklagten 
Brizlik zu 2, Modzik, Maluschek und 
Nickel zu je V/ 2 , Oolatzek zu je 1'/., 
Schmottemeyer, Jatta, Jung, Bartochek, 
Schwarz und Roszczyk zu je 1 Jahr Ge- 
fängniß, Frau Jung und Kalisch zu je 
9 Monaten, Bukop Soerada, Wiencek, 
Waletzki, Frau Rontek, Wawotzny, Czasolik 
und Passon zu je 1 Monat Gefängniß. 
31 Angeklagte wurden freigesprochen. 
Einer Deputation von Volks- 
s ch u l l e h r e r n aus Elbing die sich über 
die dort besonders ungünstigen Besoldungs- 
Verhältnisse beklagte, hat unlängst der Cultus- 
minister thunlichste Berücksichtigung zugesagt. 
Bon Interesse sind in seinen Ausführungen 
einige Darlegungen allgemeiner Natur über 
die Volksschule und die Lehrerbesoldung, 
die nach der „Nordd. Allg. Ztg." folgenden 
Inhalt hatte: 
Die Wirkung des Gesetzes von 1887 
hinderten den Minister daran, für die Lehrer 
mehr zu erreichen; deshalb sei im vorigen 
Jahre die Aufhebung dieses Gesetzes ver 
sucht worden. Man habe wohl daran ge 
dacht, die Schule zu verstaatlichen, doch 
habe es auch sein Gutes, wenn die Ge- 
meinden an der Schule ein Interesse haben, 
und er würde dieses Interesse gern heben. 
Er freue sich, wenn einzelne Gemeinden bei 
den Leistungen für Schulzwecke über das 
hinausgehen, was die Regierung als Aller- 
nothwendigstes wünscht. Die Komunal- 
steuerreform würde ja einzelnen Gemeinden 
recht bedeutende Mittel zufließen lassen, 
und es sei eine neue Vertheilung der 
Staatszuschüsse nach der Leistungsfähigkeit 
der Gemeinden ohnehin schon früher in 
Aussicht genommen. Eine gesetzliche 
Regelung der Lehrerbesoldung solle ver 
sucht werden, ob sie jedoch möglich werde, 
erscheine zur Zeit noch zweifelhaft. 
Frankfurt a. M., 8. Okt. Die Unter- 
schlagungs-Affaire des Haupt-Stadtkassirers 
Fischer nimmt noch immer das stärkste In- 
tereffe auch in den breiteren Schichten der 
hiesigen Bevölkerung in Anspruch. Fast 
jeder Tag bringt neues Beweismaterial 
für das kaum glaubliche Maaß von Ber- 
trauensseligkeit, welches das „Prinzip des 
Vertrauens" gezeitigt hat. In einer Groß 
stadt, wie Frankfurt, deren Umsatz mit der 
„Frankfurter Bank" etwa 12 Millionen 
Mark umfaßt, sind sämmtliche an vas 
städtischeRechnungsamt gerichteten Briefschaf, 
ten bei einem der Wächter des Römer 
abgegeben, von diesem gelegentlich an 
den Hauptkassirer Fischer abgeliefert und 
von demselben geöffnet wurden. Die Frage 
der Haftbarkeit für den wahrscheinlichen 
Fall, daß der Fischer'sche Nachlaß zur 
Deckung der unterschlagenen Summe nicht 
hinreicht, ist noch eine offene und nur von 
Juristen zu entscheiden. Wie ich indeß 
höre, würden wohl die beiden Stadträthe 
Dr. Varrentrapp und Horkheimer einzu 
treten haben, da ein Regreß an die „Frank 
furter Bank" ausgeschlossen erscheint. Die 
Erregung^ über diese Zustände in einer 
großstädtischen Verwaltung ist eine um so 
nachhaltigere, als dies in kurzer Zeit die 
dritte Unterschlagung ist, von 
welcher die städtische Verwaltung betroffen 
wurde. Dem Fall des Tiefbaubeamten 
Leber, der demnächst wohl zur Aburthei- 
lung gelangt, ist nämlich inzwischen eine 
Unterschlagung von etwa 17,000 Mark 
beim städtischen Pfandamt gefolgt, und jetzt 
der „Fall Fischer". Gegenüber diesem 
reichen Agitationsmaterial der sozialdemo 
kratischen Bewerber um Stadtverordneten- 
Mandate dürfte es den bürgerlichen Par 
teien nicht leicht werden, den Ansturm der 
Arbeiterparteien mit gleichem Erfolg zurück 
zuweisen, wie das noch zuletzt im Jahre 
1882 geschehen ist. 
Meinz, 8. Okt. Mit Rücksicht auf die 
in der nächsten Zeit zu erwartenden Ber- 
Handlungen zwischen den Regierungen 
Deutschlands und den Bereinigten Staaten 
von Nordamerika über Fragen sauf handels 
politischem Gebiet, will sich die Handels- 
kammer Mainz mit dem Antrag an die 
maßgebenden Behörden wenden, daß in 
Bezug auf die Versendung von Weinproben 
nach Amerika eine Aenderung der bestehen 
den Vorschriften dahingehend herbeigeführt 
werde, daß die Versendung auch im Post 
verkehr zugelassen und der Qualilät ent 
sprechend erhoben wird. 
Sommerfeld i. Lausitz, 4. Oktbr. Ein 
19jähriger Oberprimaner, der Sohn 
eines hiesigen Fabrikbesitzers, erschoß sich 
gestern Morgen im hiesigen Hotel zum 
deutschen Hause. Der begabte junge Mensch 
hatte sich einige Versehen auf der Schule 
zu Schulden kommen lassen, die elterliche 
Wohnung gemieden, und sich im hiesigen 
Hotel einlogirt, woselbst er die unheilvolle 
That vollbrachte. 
Dem Musikdirector Rich. Sah la in 
Bückeburg ist durch die Concertdirection 
Wolff in Berlin die Stellung als Leiter 
der Concerte und als erster Violinprofessor 
am Conservatorium in Cincinnati mit ei- 
nem Jahresgehalte von 7000 Dollars (ca. 
29 000 Jl) angeboten worden. Herr Sah- 
ļ" Entschließung über Annahme 
oder Ablehnung des Anerbietens von den 
ihm noch nicht bekannt gegebenen näheren 
Umstanden abhängig gemacht. 
Friedrichsruh, 9. Okt. Fürst Bis- 
marck wird in diesem Jahre früher als 
gewöhnlich nach Friedrichsruh zurückkehren. 
Wenn nicht noch andere Bestimmungen ge 
troffen werden, erwartet man ihn hier 
wieder gegen Ende dieses Monats.
	        
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