soll, haben sehr wahrscheinlich mehr als
diesen einen Zeugen gehabt und sie können
auf dem gar nicht ungewöhnlichen Wege
der Geschichtenträgerei sehr bequem auch
bis zu einer Stelle gelangt sein, die viel
leicht mit der Hofgesellschaft in gar keiner
Verbindung steht. Völlig romanhaft, höch
stens wie eine matte Sardouscene wirkt die
Erzählung von der Beweiskraft der ge
fundenen Löschblätter; ein Mann, der über
eine prächtige Privatwohnung verfügt,
müßte nicht im Besitz seiner gesunden
Sinne sein, wenn er Schmähbriefe, deren
Entdeckung seine Existenz vernichten würde,
in seinem Amtszimmer oder im Casino
schriebe und die Spuren nicht mit äußerster
Sorgfalt vertilgte; der Umstand, daß man
an solchen Orten Löschblätter mit komprn
mittirenden Schriftzügen fand, scheint viel
eher auf ein Komplott zu deuten, dessen
Opfer der vielfach beneidete Herr v. Kotze
werden sollte."
Ausland.
Außereuropäische Gebiete
Chicago, 7. Juli. Gestern Morgen
verhinderten es die Streiker, daß die
M i l ch z ü g e in die Stadt gelangen
konnten. — Im Laufe des Tages griffen
sie aufs neue die Viehhöfe an. Mehrere
kleine Gebäude wurden in Brand gesteckt.
Eine Menge von Tausenden raubte einen
Eisenbahnzug, der Lebensmittel brachte,
aus. Frauen und Kinder füllten ihre
Schürzen voll. Als das reguläre Militär
erschien, wurde es mit Rufen empfangen:
„Fort mit ihnen," „Tödtet die Hunde".
Die Scenen, die sich abspielten, erinnerten
lebhaft an die Pariser Commune. Es
herrschen jetzt fast anarchistische Zustände
in Chicago. Das reguläre Militär konnte
Rauben und Plündern nur auf dem Punkte
verhindern, wo es sich gerade befand.
Während Tausend e verhungern,
verfaulen Tonnen des besten
Fleisches in den Eisenbahn-
waggons, »veil kein Zug fort
fahren kann. Der Gouverneur Alt
geld hat mittlerweile die 1. und 3. Brigade
der Staatsmiliz mobilisirt. In Boston
verzögert sich die Abfahrt der Dainpfer,
weil das Vieh und das Getreide vorn
Westen nicht eintrifft.
Auf dem Weltausstellungsplatze sind
sechs großeGebäude, darunter die Fabrikanten-
Halle, die Maschinen-Halle und das Ge
bäude für Bergbau und Landwirthschaft
in Flammen aufgegangen.
Die Eiseubahngesellschaftvon
Pennsylvanien erklärt, daß 6 6 7
Waggons, davon hu ndertsammt
der Ladung verbrannt »vor
den sind.
Serbien.
Risch, 8. Juli. Die hiesige Polizei ber
haftete vorgestern einen der gefährlichsten
Anarchisten. Seit 10 Tagen weilte
Risch ein Fremder, dessen elegantes Auf
treten nur durch den Umstand Verdacht er
regte, daß er mit einem Arbeiter der kgl
Maschinen-Werkstätte, Wladislaw Markie-
witsch, einen regen Verkehr unterhielt
3 Tage nach seinem Eintreffen meldeten sich
beim Rischer Polizeipräfekten zwei russische
Geheimagenten, welche die Unterstützung
bei der Ergreifung eines gewiffen Cyprian
Jegulhowsky, äs Baron Stern ber
erbaten. Der Verdacht wandte sich sofort
dein bewußten Fremden zn. Seine bei
der Post einlangenden Briefe, darunter
eine an Baron Sternberg adressirte Geld
anweisung über 500 Francs, bei der eine
geivisse, voraussichtlich fingirte „Madame
Maiers" aus Paris als Aufgeberin fungirte
wurden beschlagnahmt. Rachdein an der
Identität kein Zweifel mehr »var, wollte
man zur Verhaftung vorgeht n. Sternberg
war indessen auf einen, von irgend einer
Seite erhaltenen Wink verschwunden
Vorgestern gelang es indessen der Rischer
Polizei, seiner in der Kreisstadt Alexinaz
habhaft zu werden, worauf Sternberg ge
fesselt nach Nisck in's Gefängniß eingeliefert
wurde. Gleichzeitig wurde der Arbeiter
Markiewitsch verhaftet. Letzterer betheuerte,
den angeblichen Sternberg früher nicht ge
konnt zu haben. Sternberg »vollte gegen
hohe Belohnung sechs Bomben von ihm
angefertigt haben, was er aber ablehnte,
şşrankreà
Paris, 9. Juli. Die radikalen Blätter
greifen auf das schärfste das neue anar
chistische Gesetz an. Es sei nicht gegen
die Anarchisten, sondern gegen die Preß
Zeichen gebend, daß das Eisvergnügen für
heutc fein Ende erreicht hatte.
In der Folterkammer ging cs nun lustig
her, die Jugend drängte sich hier zusammen
und die Herren waren bestrebt, den Damen
gegenüber ihre Ritterdienste bis zuni Ab
schnallen der Schlittschuhe auszudehnen, »vas
die meisten derselben jedoch dankend ablehnten.
„Lassen Sie nur, das mache ich allein,"
hatte sich auch Fräulein von Ehlarn an Herrn
Königshofen gewandt, als dieser sich gleich
falls dazu erbot. Die Worte hatten wieder
fehr abweisend geklungen und waren durch
die Art wie Anna den Kopf zum Abschiede
neigte, noch verstärkt worden.
Heinz verdroß dies, so daß er sich mit
einem wenig verbindlichen Gruße entfernte.
(Fortsetzung folgt.)
freiheit gerichtet. Auch einige gemäßigte
Blätter finden die Geheimhaltung der Pro
zesse prinzipiell bedenklich, das wichtigste
wäre eine Reorganisation der Polizei.
Paris, 9. Juli. Der gestern Abend
zusarnmengetretene Ministerrath hat über
einen Gesetzentwurf Beschluß gefaßt,
wonach alle durch Aufreizung zu Mord,
Plünderung, Brandstiftung, Bombenatten
taten und Anschlägen gegen die Staats
sicherheit begangenen, sowie die Ver
herrlichung dieser Verbrechen nicht mehr
den Schwurgerichten, sondern dem Zucht
polizeigericht zugelviesen und die bezüglichen
Strafen erhöht werden. Der Gesetzentwurf
soll in der Kammer eingebracht »verden.
Paris, 9. Juli. Daß das Verbrechen
Caserio's hat ausgeführt werden können,
dafür ist zu einem Theil sicher die m a n g e l-
hafte polizeiliche Organi
sation in Frankreich verantwortlich zu
machen. Caserio hat nämlich schon vorher
förmliche Drohungen gegen Carnot ausge
sprochen. Er war den Behörden seit langer
Zeit als gefährlicher Anarchist bekannt.
Auf der Anarchistenliste, die der Polizei
kommissar in Cette in Folge ministeriellen
Auftrages zu Beginn dieses Jahres an
fertigte, stand Caserio an vierter Stelle.
Bor einiger Zeit sagte er in einem Wirths
Hause, als man von dem Präsidenten
Carnot sprach, ganz laut: „Den Präsi
denten, den habe ich verurtheilt!" Ein
anderes Mal rief er: „Wir brauchen
keine Bomben! Ich weiß was Besseres!"
und machte hierbei die Geberde eines Dolch
stoßes. Gleichwohl konnte er ungehindert einen
Dolch bei dem bekanntesten Waffenschmied
in Cette kaufen und seine Mordreise antreten.
Ferrero theilt im „Figaro" acht Briefe
Caserios mit, die keine neue Thatsachen
enthüllen, aber den anarchistischen Fanatis
mus des Präsidentenmörders erkennen lassen
und einen Einblick in das Leben der Anar
chisten gelvähren. — Drohbriefe sind,
wie nach allen früheren Attentaten, an den
Vorsitzenden des Schwurgerichts, den Staats
anwalt und den Untersuchungsrichter für
den Fall der Verurtheilnng Caserios ge
sandt. Auch Casimir Perier hat eine Reihe
von Drohbriefen erhalten. Mehrere Anar
chisten, die der Absendung der Briefe ver
dächtig sind, wurden verhaftet. — In
C a e n wurde am Sonnabend der Anar
chist Santo Baldi verhaftet; derselbe ist
Oesterreicher, 40 Jahre alt u»»d war Kol-
vorteur anarchistischer Blätter.
Die Stadt Dijon, Carnot's Heimaths-
ort, »vird dem ermordeten Präsidenten der
Republik ein Denkmal auf der Place
d'Armes setzen, welche künftig Place Sadi-
Carnot heißen »vird. Der Stadtrath hat
bereits 10 000 Frcs. für das Denkmal be
willigt. Auch der Stadtrath von Havre
hat beschlossen, am Eingang des Rath
hauses eine Gedenktafel und eine Büste des
Verstorbenen anbringen zu lassen.
Spanien.
Durch Entgleisung eines Eisenbahnzuges
auf der Linie Bilbao-Lezama wurden am
Sonnabend 12 Personen getödtet und
18 verlvundet.
England.
London, 9. Juli. Der englische Premier
minister Lord Rosebery hat den Sieg
seines „Ladas" im letzten Derby-Rennen
u. a. dadurch gefeiert, daß er am Don
nerstag 345 Betvohnern des A r m e n-
h a us es in Epsom einen guten Schmaus
veranstaltete und es dabei auch an der
Ueberreichung von Rauch- und Schnupf
tabak nicht fehlen ließ. Am Abend lvurde
Ball veranstaltet und es t-varen nicht
nur zioei Kapellen dazu engagirt, sondern
der Premierminister hat dem Armenhaus
auch eigens ein Klavier geschenkt, das, mit
entsprechenden Inschrift versehen, den In
sassen des Armenhauses zur Erinnerung
an den Ladassieg auf immer gehören soll
àhland.
Ungewöhnlich heftige Stürme richte
ten in den letzten Tagen in den Go^rverne
ments Warschau, Kiew, Wolhynien gro"
Verheerungen an. Die Drahtverbin
dung ist größtentheils unterbrochen. Am
Freitag mußten über 500 zurückgebliebene
Telcgramine mit der Post befördert werden
Reitende Boten überbrachten einen ganzen
Stoß von Depeschen aus Lodz nachWarschau
Der telegraphische Verkehr von Warschau
nach Petersburg »var bis Freitag gestört,
die Depeschen wurden in Moskau und
Odessa umtelegraphirt.
Dänemark.
Kopenhagen, 5. Juli. Der hiesige
Arbeiterverein „Schutz der Arbeiter" hat
drei Prämien im Betrage von 500,
300 und 200 Kronen ausgesetzt für die
beste Bearbeitung einer Preisaufgabe über
Versicherung gegen Arbeits-
o si g k e i t. Das Comits zur Prüfung
der Arbeiten besteht aus dem Abgeordneten
letzt worden. Zündschnur und Spreng
kapsel »vurden in der Nähe gefunden. In
der betreffenden Straße sind fast alle Fenster
zerstört. Der Urheber der Explosion ist
unbekannt. Der Besitzer des Gebäudes ist
an dem Bergwerke in Nürschan bei Pilsen
betheiligt. Bor dem Bezirksgericht und
dem Kreisgericht sind ebenfalls Bomben
aufgefunden worden, deren Lunte von
Gendarmen ausgelöscht wurde.
Am Sonnabend-Vormittag fand in dem
an dem Förderschachte „Carl" in Karivin
anstoßenden Kanzleizimmer abermals eine
Eplosion schlagender Wetter statt.
Die in dem geschlossenen Schachte ange
sammelten Gase waren durch die Mauern
geströmt. Vier Personen erhielten leichte
Brandwunden im Gesicht. Die Explosion
ist »vahrscheinlich durch das Anzünden eines
Streichholzes verursacht worden. Der
Brand der hölzernen Aussturzbrücke, wel
cher bei der Explosion entstanden »var,
lvurde sofort gelöscht. Die Zugänge zu
sämmtlichen geschlossenen Schächten sind
abgesperrt und werden überwacht. Die
Arbeiten am Tiefbauschachte sind wegen
der auftretenden Kohlenoxydgase unter
brochen.
Inland.
an
Direktor Bramsen, dem Nationalbankdirektor
Ström und dem Professor Westergaard.
Oesterreich.
Prag, 9. Juli. Wie bereits telegraphisch
aus Pilsen gemeldet, ist in der ver
gangenen Nacht eine Bombe unter furcht
barer Detonation vor der Actien-Bierhalle,
wo sich die Lokalitäten des deutschen Turn-
Bereins und des deutschen Handwerker-
Vereins befinden, explodirt. In dem Gar
ten befand sich ein zahlreiches Publikum.
Wie verlautet, ist eine Person schwer ver-
Berliu, 9. Juli. Der Bundesrath
lehnte den Reichstagsbeschluß betreffend die
Aufhebung des Jesuitengesetzes
ab und nahm den Antrag Bayern betr.
die Zulassung der Redemptoristen an.
Berlin, 8. Juli. Der aus dem sog.
um mischlauchprozeß bekannte
Zeuge Ahlfeldt, dem der Vorsitzende
Brauseivetter unmittelbar nach der Ver
eidigung seine abgeleugneten Vorstrafen vor
lesen ließ und der sofort wegen Verdachts
des Meineides verhaftet wurde, ist
gestern von Schwurgericht wegen dieses
Meineides zu anderthalb Jahren Zuchthaus
verurtheilt »vorden. Er eutschuldigte sich
damit, daß er damals betrunken war.
— Der frühere Reichstagsabgeordnete
Freiherr v. Münch soll auf Grund des
Materials, das in dein bekannten Prozeß
Collin gegen Münch gesammelt wurde,
einer Irrenanstalt auf sechs Wochen
zur Beobachtung überwiesen werden.
— Die durch die Presse gehende Nach
richt, daß der Reichstags-Abge
ordnete Haas sein Mandat nieder
gelegt habe, weil der Eintritt seines
Sohnes in eine Kriegsschule die Kritik in
der Oeffentlichkeit hervorgerufen hat, be-
gegnet in den Kreisen, die offiziell Kennt
niß davon haben, starken Anzweiflungen,
jedenfalls ist nach der „Post" soviel sicher,
daß dem Präsidenten des Reichstages die
Niederlegung des Mandats noch nicht
gezeigt ist.
- Eine Verschärfung desBier
b o y k o t t s kündigt der „Vorlvürts" an
offenbar weil der von den Sozialdemo
traten erwartete Erfolg doch ausgeblieben
ist. Er theilt mit, die Maßregeln zur
Verschärfung des Boykotts seien bereits
eingeleitet. Worin die Verschärfung bestehen
soll, »vird noch nicht gesagt, sondern vor
erst begnügt sich der „Vorwärts" mit der
zehnfach wiederholten Aufforderung, kein
Boykottbier zu trinken und kein Lokal,
dem Boykottbier ausgeschänkt »vird, zu be
suchen. Wie wenig der Bierboykott bisher
von Erfolg gewesen ist, ergiebt sich auch
daraus, daß sich die Zahl der Brauereien
welche sich laut Ankündigung des „Vor
wärts" unter den Willen der Sozialdemo
krateu gebeugt haben, wiederum um drei
vermindert hat. Es sind dies die Brauerei
von Bauer in Werder a. d. Havel, die
Brauerei „Phönix" von Radon in Gr
Lichterfelde und die Brauerei Dumer und
Kahl in Charlottenburg. Man wird an
nehmen können, daß diesen drei noch
mehrere folgen werden, da sich der Verlust
der nichtsozialdemokratischen Kundschaft au -
die Dauer für die betreffenden Brauereien
als größer eriveisen »vird, als der Geivinn
aus der sozialdemokratischen Kundschaft
Abgefallen ist nur eine kleine obergährige
Brauerei von Lerch u. Plettenberg in
Werder an der Havel.
AusBerlinwird abermals einFrauen
mord gemeldet. Unter dem Messer eines
Zt. noch unbekannten Mörders ist die
35jährige Hausirerin Bertha Lange in
Schöneberg bei Berlin verblutet. Ein
Raubinord liegt anscheinend nicht vor.
Ueber den Thatort schreibt der „L.-A."
wlgendes: Auf Schöneberger Gebiet hinter
dem Friedhofe der Zwölf-Apostel-Kirchen
gemeinde läuft ein schmaler Fußpfad durch
durch das Feld, der die Verbindung zwischen
Schöneberg und Friedenau verinittelt. Zur
Rechten zieht sich der Bahnkörper der
Wanseebahn hin, zur Linken dehnt sich ein
weites Roggenfeld. Der Verkehr in jener
Gegend ist nicht besonders rege; hingegen
gestattet der Bahnkörper einen guten Ueber
blick über den unterhalb desselben liegenden
Fußweg. Erwägt man, daß auf der Bahn
trecke alle sechs Minuten durchschnittlich
ein Zug verkehrt, so bleibt es räthselhaft,
daß der Verbrecher ungestört seine Unthat
begehen konnte. Etwa 10 Min. von den
Däusern Friedenaus, 5 Min. vom Apostel-
riedhof entfernt, liegt die Thatstelle. Das
Opfer ist, wie große Blutlachen zeigen, auf
dem Fußwege niedergestreckt und später in
das Roggenfeld geschleift worden. Dieses
ist hierbei in ansehnlichem Umfange nieder
getreten worden.
Während der Abwesenheit ihres Mannes
erdrosselte am Sonnabend die Frau
des Bremsers Matauschek in Berlin ihre
beiden ihm zartesten Alter stehenden Kinder
sotvie eine ihrer Pflege anvertraute Nichte
und erhängte sich dann selbst. Anlaß zu
diesein Verbrechen sollen Nahrungssorgen
gewesen sein.
Von den Schandthaten eines
Regenschirmes Iveiß eine Berliner Lo
kalkorrespondenz Folgendes zu erzählen
Dienstag in der siebenten Abendstunde Pas
sirte eine alte Frau mit aufgespanntem
Regenschirm die Wendenstraße und befand
sich an einem Restaurant in der Skalitzer
straße, Plötzlich ein heftiger Wirbelwind sich
erhob, welcher der Passantin den Schirm
entriß und in das Schaufenster des F.'schen
Lokales schleuderte, dessen große Scheibe
im Werthe von 800 Mark zertrümmert
wurde. Aber damit begnügte sich der Nord
oft nicht; auf dem dicht am Schaufenster-
befindlichen Ladentische stand der Koch
apparat nebst mehreren Stößen Tellern
und Schüsseln und alle diese Gegenstände
»vurden durch den durchgegangenen Regen
schirm heruntergeschleudert und zertrümmert,
der auf diese Weise etwa 1000 JL Scha
den verursacht hat. Die Besitzerin des
Schirmes aber konnte dafür nicht haftbar
gemacht »verden, denn diese hatte der
Wirbelwind — nach dem Görlitzer Bahn
höfe hinweggeļoeht! (Vermuthlich in einen
zur Abfahrt bereitstehenden Zug.)
Die Reise des F ü r st e n Bismarck
nach Varzi» ist auf Mittwoch den 11. d
Mts. festgesetzt und wird Mittags mit den»
Schnellzuge 1 Uhr 15 Min. von Fried
richsruh ab erfolgen. Zunächst »vird der
Fürst sich einige Tage in Schönhausen
zum Besuch bei dem Grafen Herbert v.
Bismarck aufhalten und erst dann wird
die Weiterreise über Berlin stattfinden.
Den armen Zahntechnikern, die
bekanntlich bisher noch keine Bezeichnung
nr ihren Beruf gefunden haben, die nicht
gerichtlich geahndet worden »väre, ist nach
einer Notiz der „Tägl. R." die Straf
kammer zu Oppeln zu Hülfe gekommen,
indem sie einen Herrn L., der zur Ver
antwortung gezogen »verden sollte, weil er
ich „Dentist", „Zahntechniker", „Zahn-
arzt-Assistent" genannt hatte in der gericht
lichen Vorladung „Zahngebißarbeiter"
titulirte.
Memel, 9. Juli. Wie das „Memeler
Dampfboot" meldet, ist das sieben Meilen
von hier entfernte russische Grenzstädtchen
Phunjan durch eine ungeheure Feuers-
bru nst völlig vernichtet. 370 Häuser sind
abgebrannt. Ueber 2000 Menschen sind
obdachlos. Einige Kinder sind in den
Flammen umgekoininen. Der gesammte
Viehbestand ist verbrannt.
Bei einem Gewitter am Dienstag
»varen auf dem Felde des Dominiums Ker-
ko»v bei Angermünde 15 Kinder mit dem
Beseitigen von Unkraut beschäftigt. Plötz
lich fuhr ein B l i tz st r a h l nieder und
t ö d t e t e den 12jährigen Sohn
des Arbeiters Ehrenreich. Die anderen
Kinder »vurden zur Erde geworfen, haben
aber keinen besonderen Schaden erlitten.
Nur ein Knabe hat noch ettvas geschtoollene
Füße und ein Mädchen eine geschivollene
Backe.
Drei Geivitter gingen am Sonn
abend in Kassel, »vie der „Post" von dort
geineldet »vird, nieder. In Kassel schlug
der Blitz s e ch s in a l ein. Namentlich in
der Provinz haben Wolkenbruch, Hagel-
schlag und Blitz bedeutenden Schaden an
gerichtet. Mehrfach »verden Häuserbrände
und Tod von Menschen und Vieh gemeldet
Ein fremder unbekannter Radfahrer,
der gestern mit dem Eisenbahnzug Mar
burg-Laasphe um die Wette fahren und bei
der Station Erndtebrueck, da er einen
Vorsprung hatte, sogar vor dem Personen
zugc das Bahngeleise kreuzen wollte, wurde
von der Lokomotive erfaßt und zerinalmt.
Zivei auf der Wachtstation C. an der
Dahme beschäftigte Arbeiter, Namens Knopf
und Jürgens, befanden sich am Sonntag
Abend in einer an der Wusterhausener
Chaussee belegenen Schiffer-Kneipe, wo sich
Beide anderen Gästen gegenüber rühmten,
daß sie im Stande seien, innerhalb 15
Minuten je 3 Glaspistolen voll Rordhänser
(jede Pistole hält ca. 3 /+ Liter) auszu
trinken, „ohne daß sie sich irgend etivas
dabei dächten". Da dies bezlveifelt wurde,
o boten sie eine Wette um Bier an, die
die auch sofort angenommen wurde. Zu
am
allgemeinem Erstaunen tranken Beide auch
je zivei der Pistolen herunter, als aber
Knopf die Dritte zum Theil schon geleert
hatte, da brach er mit lautem Aufschrei
zusammen, wobei ihm das Blut strom
weise aus dem Munde stürzte; bald dar
auf war der Unglückliche auch schon eine
Leiche.
Die Entgleisung des Basel-Kölner
Schnellzug es ist am Freitag dadurch ver
anlaßt »vorden, daß eine Schwelle übe r
ie Geleise gelegt war, die von der
Maschine eine Strecke weit fortgeschleppt
wurde. Der Thäter ist noch nicht bekannt,
gerichtliche Untersuchung ist eingeleitet. Die
Pfälz. Presse" berichtet über den Unfall:
Der Nachtschnellzug Basel-Köln entgleiste
Bahnhof Lambrecht Die Reisenden
kamen mit dem Schrecken davon; auch von»
Dienstpersonal wurde Niemand verletzt
Die Maschine, der Schlafwagen und der
Gepäckwagen sprangen aus dem Geleise-
Die Maschine fuhr noch etwa 100 Meter
auf dem Kiessande zwischen den Schienen
weiter, wobei sich die Räder bis an die
Achsen in den Boden »vühlten, sodaß der
von Hochspeier kommende Nachtschnellzug
Köln-Basel nicht vorbeifahren konnte. Auf
der ganzen Strecke vom Schönthal bis
Lambrecht »vurden abgerissene und abge
stoßene Schienen der Schwelle, die schon
ziemlich morsch »var, aufgefunden. Die
Schivelle hat den Sand und Kies aufge-
»vühlt, »vas von einem Bahnwärter be
merkt und bei der Besichtigung durch den
eur bestätigt wurde. Ein hartes
Stückchen dieser Schtvelle soll sich nun zwi
schen den Aufräumer und das Vorderrad
der Maschine gezwängt und als die Ma
schine im Bahnhof Lambrecht in die Kreu
zung einfuhr, diese zur Entgleisung ge
bracht haben.
Hagen, 4. Juli. Die E i n s ch ä tz u n g
eines hiesigen Gewerbetreibenden »vurde,
wie man der „Mind. Ztg." schreibt, seiner
Zeit vorläufig beanstandet; bei der näheren
Begründung seiner Einschätzung führte der
Gewerbetreibende unter den Unkosten auch
das Gehalt für einen thatsächlich beschäf
tigten Commis mit auf; »vie sehr war
er aber überrascht, als^ihin die Benach
richtigung über seine Steuerquote zukanl
und in dieser Benachrichtigung das Gehalt
des Commis einfach als steuerfähiges Ein
kommen seinem Einkommen wieder hinzu
gezählt fand, Ivobei die Kommission dies
mit folgendem Satz »notillirte: „Das in
Abzug gebrachte Gehalt für den Commis
ist dem steuerpflichtigen Einkommen wieder
hinzugefügt worden, da für Ihr Ge-
'chäft ein Commis nicht ge
braucht wir d."
Ein Leipziger Verehrer Bismarks, Herr
Witzleben, läßt zur Zeit in seiner Heimath-
ladt ein Gebäude aufführen, das den
Namen „Bismarckhaus" tragen soll. Die
Kosten des Hauses, das Herr W. selbst
bewohnen »vird, belaufen sich auf 1'/,
Millionen Mark.
Hannover, 9. Juli. Finanzminister Dr.
Miguel ist zur Theilnahme an der Ben
nigsen-Feier heute Nachmittag hier ein-
troffen.
Wilhelmshafen, 7 Juli. Die Räubereien
der englischen Fischer an den deutschen
Küstengewässern nehmen immer inehr über
hand. Kaum ist von der Strafkammer in
Aurich der letzte Fall dieser Art abgeurtheilt,
da »vird schon gemeldet, daß das mit dem
Schutz der deutschen Hochsee-Fischerei be
auftragte Kanonenboot „Brummer" aber
mals einen englischen Fischkutter einge
bracht hat, der unberechtigt im Bann ver
deutschen Hochsee-Fischerei seine Netze aus
geworfen hatte. „Brummer" hat den Kutter
nach Helgoland gebracht, wo der Fischer
und der Führer in Haft genommen und
die Fanggeräthschaften mit Beschlag belegt
wurden.
Stade, 7. Juli. Der Besuch eines.
hiesigenTanzlokales, in welchem
am letzten Sonntag ein socialdemokratischer
Hamburger Verein sein Vergnügen abhielt, I
ist laut Parolebefehl den Mannschaften der
hiesigen Garnison verboten »vorden.
Lübeck, 7. J»rli. Der hiesige sozial
demokratische Verein schloß vor einiger
Zeit sein Mitglied Lange aus, »veil es
zu anarchistischen Ansichten hinneigte. Lange
vertheidigte sich in einen» bürgerlichen Blatt
(ettvas Anderes stand ihin nicht zu Gebote)
und erhob »vider den ehemaligen sozial
demokratischen Reichstags - Abgeordneten
Schwarz schwere persönliche Beschuldigungen,
die eigentlich von Schwarz hätten beant-
wortet »verden müssen. Schlvarz hüllte sich
aber in Schweigen. Lange gründete nun
mit et»va einem Dutzend seiner Partei
genossen einen neuen revolutionären sozial-
deinokratischen Verein und jetzt erlebte man
das eigenthüinliche Schauspiel, daß Sozial-
demokraten Saalabtreiber wurden. Lange
kann bis auf den heutigen Tag kein Lokal
bekommen, weil die Sozialdemokraten es
nicht »vollen.
Hamburg, 9. Juli. Die Erbärmlich
keit einer Denunciation wurde gestern
von dein Vorsitzenden des Schwurgerichts
in einer Anklage gegen die Wittwe des
Kaufmanns Boley scharf gerügt. „Ein
Hamburger Bürger" hatte einen anonymen
Brief an den Staatsanwalt gerichtet, wo
nach die Angeklagte einen Offenbarungseid
geleistet habe und dennoch eine Forderung
von 700 Ji und die Verschleppung meh
rerer Mobilien verschlviegen haben sollte.
Nach den Zeugenaussagen ist an der gan
zen Beschuldigung kein wahres Wort, so
daß der Staatsantvalt die Anklage sofort
zurückzog. Aber die Frau hatte 14 Wo
chen in Untersuchungshaft zuge
bracht. Der Vorsitzende Dr. Borchardt
bemerkte, daß die ganze Sache einmal
wieder die Folge einer erbärmlichen Denun
ciation sei. Auf einen solchen „Bürger"
könne Hamburg stolz sein! — (Die Schuld
losigkeit der Frau hätte sich doch aber
durch den Staatsanwalt schon früher fest-
kellen lassen können!?) — Der Direktor
der Güstrower Viehversicherungs-Gesellschaft,
welcher Wege»» angeblicher Unterschlagung