ķ» Gŗsche'cnt tägLìch. --Z-
Aeitrstrs und geleseustrs Klatt im Kreist Rendsburg.
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87stee Jahrgang. ^
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Wo. 235.
Sonnabend, den 6^ Hctober
1894.
Morgen- Depeschen.
Berlin, 6. Okt. Die deutsche Tabaks
zeitung bringt Mittheilungen über die
künftige Bemessung der Steuersätze für
Cigarren und Rauchtabacke. Die gemachten
Angaben sind, dem Vernehmen „Post" zu
folge, unrichtig.
Köln, 6. Okt. Ein Petersburger Tele
gramm der „Köln. Ztg." meldet, bereits
seit 4 Tagen fehle jegliche amtliche Nach
richt über das Befinden des Zaren. Keine
Zeitung dürfe irgend eine eigene Mit-
theilung über den Kaiser bringen, son-
dern solche nur wörtlich dem Regierungs^
blatte nachdrucken. Selbst jedes Beileids
wort als Zusatz sei verboten. Dieses
gänzliche Schweigen leiste den zahlreichen
die Residenz durchlaufenden Gerüchten arg
Vorschub und lasse die Schlußfolgerung
laut werden, das Befinden des Zaren sei
nicht befriedigend, denn eine eingetretene
Besserung würde der offizielle Telegraph
sicher gemeldet haben.
Kastei, 6. Okt. Der Waldessaum hinter
dem Dorfe Kirchditmold war heute früh
gegen 6'/2,Uhr der Schauplatz einer Lie b es-
Tragödie. Arbeiter, die dort in der
Nähe aus dem Felde arbeiteten, hörten um
die angegebene Zeit Hilferufe und Angst
gestöhn. Als sie der Richtung des Schalles
nachgingen, fanden sie einen jungen Mann
und ein Mädchen, beide in ihrem Blute
Das Mädchen, die 17jährige einzige Tochter
eines hiesigen Kaufmanns, lvar bereits
todt, eine Revolverkugel hatte ihr das
Herz durchbohrt. Der junge Mann, der
1-?jährige Sohn eines hiesigen Viktualien
Händlers, hatte sich in die Brust geschossen
und darauf die Hilferufe ausgestoßen. Er
wurde nach dem Krankenhaus vom „Rothen
Kreuz" gebracht; an seinem Aufkommen
wird gezweifelt.
Linz, 5. Oktbr. Gestern brach bei der
von der Wolfsegg - Trauenthaler Kohlen
bergwerksgesellschaft unternommenen Tief
bohrung auf Gas infolge des massenhaft
ausströmenden Gases ein großes Feuer
aus. Alle Gebäulichkeiten wurden zerstört
nur das Bohrloch blieb intakt.
Paris, 5. Okt. „Matin" berichtet, daß
der englische Gesandte in Peking russische
Intriguen entdeckt habe. Rußland soll der
chinesischen Regierung seinen Schutz gegen
die Japaner unter der Bedingung ange
boten haben, daß ihm die Erlaubniß zu
Theil wird, mehrere koreanische Häfen be
setzen zu dürfen, wo dann russische See
stationen errichtet werden sollen. Enc land
werde diese Störung des Gleichgewichts
jedoch nicht dulden können.
Paris, 6. Okt. Der Anarchist Devore
welcher kürzlich einen hiesigen Bankdirektor
aufgefordert hatte, an einer bestinimten
Stelle 10 000 Frcs. zu hinterlegen, andern-
ulls sein Haus mittelst Dynamit in die
Luft gespengt werden würde, ist heute zu
2 Jahren Gefängniß und 150 Franken
Geldbuße verurtheilt worden.
Paris, 6. Okt. Ein Priester der Diözöse
Marseille hat an Emile Zola ein öffent
liches Schreiben gerichtet, worin er sich
verpflichtet, an den Romancier 20,000 Frcs.
zu zahlen, wenn er ihm vor einem Ans
chuß aus Mitglielern der Akademie be
weisen könne, daß das, was Zola über
die Jugend Bernadotte's in seinem neuen
Roman „Lourdes" geschrieben, historisch
ei oder aus authentischen Dokumenten
hervorgehe.
London, 6. Ok. Auch im kaiserlichen
Palast in Peking sollen ernsthafte Un
ruhen entstanden sein; viele Europäer haben
ich nach Tientsin begeben.
Leeds, 6. Okt. Als das Herzogs
oaar von Aork heute durch die Stadt
mhr, um der Eröffnung des Erweiterungs
laues im Aorkshire-College beizuwohnen,
'kürzte ein Irrsinniger aufgeregt auf den
Wagen und öffnete den Wagenschlag. Ein
Ulan sprengte heran und hinderte den
Geisteskranken daran, den Wagen zu be
treten. Der Irrsinnige wurde verhaftet.
Belgrad, 6. Okt. Der Aufenthalt des
nigs Alexander von Serbien
in Deutschland wird, wie die „Frks. Ztg."
aus Belgrad erfährt, um einige Tage ver-
längert werden. Der König soll am Bei'
liner Hofe Gelegenheit erhalten, eine
Prinzessin aus einem süddeutschen Fürsten
hause persönlich kennen zu lernen. Es
sei höchst wahrscheinlich, daß eine Bei'
jobung zu Stande komme; sowohl König
Milan wie die serbische Regiegung seien
sehr für eine baldige Verheirathung des
Königs Alexander.
neue KmmMgckWsch.
(Schluß.)
B i er-Ste uer. Es wird vorgeschlagen
pro Hektoliter von Auswärts cinge-
führten Bieres 0,65 JL Steuer zu erheben
Vom hiesig en Bier, d. h. von dem hier
im Orte gebrauten, sind 50 Prozent der
staatlichen Braumalzsteuer zu zahlen. Die
Steuer für das von hier ausgeführte, also
hier im Orte nicht zum Consum gelangte
Bier muß zurückerstattet werden. Eine
Steuer auf Wein zu legen, ist nicht mög
lich, das darf nach dem Gesetze nur in den
log. Weinländern geschehen. Die Erhebung
der Biersteuer ist einfach. Mit Hülfe der
Angaben der Bahnstationen wird alles
mit der Bahn eingehende Bier leicht fest
gestellt. Außerdem werden Importeure
von Bier verpflichtet, ihre eingeführten
Biere anzumelden und die Steuer zu hinter
legen, so ist das pr. Wagen eingeführte
Bier leicht zu besteuern. Bezüglich des
hier gebrauten Bieres ist aus den Büchern
festzustellen, wie viel Braumalzsteuer an
den Staat gezahlt ist, die Hälfte davon
wäre an die Kommune zu leisten. Die
Brauereien haben dann selbst ein Interesse
daran, nachzuweisen, wie viel Bier sie ex-'
portirt haben, da sie dafür die gezahlte
Kommunal-Bier-Steuer zurückerhalten. Es
ist von der Kommission veranschlagt, daß
die Bier-Steuer in Neumünster jährlich
etwa 15 000 einbringen wird, viel'
leicht noch mehr. Eine wesentliche Bei'
theuerung des einzelnen Glases Bier wird
das nicht sein, bei auswärtigem Bier ja
nur ungefähr 2 / 3 Pf. pr. Liter. — Ueber
die Biersteuer entspann sich in den Neu'
inünster'schen Stadtkollegien eine ausge-
dehnte Debatte. Stadtv. Struck erhob in
längerer Ausführung eine Reihe von Be
denken gegen dieselbe. Die Brauereien
würden die Steuer auf die Wirthe über-
wälzen. Diese hätten dann drei Steuern
für ihr Geschäft zu zahlen, nämlich Ge
werbe-, Betriebs-, und Bier-Steuer. Viele
Wirthe könnten dies nicht leisten. Es
wäre auch nicht berechtigt, die Wirthe mit
dieser Steuer zu belegen, denn diese könnten
sie nicht wieder auf die Gäste abwälzen,
da wir es nicht gewöhnt sind, mit Pfg
zu rechnen und etwa ein Glas mit 16 Pf.
zu bezahlen. So hoch ist die Steuer aber
nicht, daß die Wirthe mit dem Preise eines
Glases Bier von 15 auf 20 Pf. berechtig'
ter Weise gehen könnten. Er spreche
wirklich im Namen der Wirthe, für diese
sei es eine Frage von großer Bedeutung
und könne er es nicht für wohlgethan
halten, die Bier-Steuer hier einzuführen
Man möge doch überlegen, ob sie eine ge'
eignete Steuer sei, denn sie belaste ein-
seitig ein Gewerbe. Auch die Kontrolle
halte er für sehr schwierig. — Stadtv
WestphaleII glaubt, in ganz Neumünster
sei kein Mensch, ver nicht gern statt 15 Pf.
16 (?) für ein Glas Bier gebe, und dann
habe der Wirth noch einen halben Pfennig
mehr am Glas Bier verdient als jetzt.
Bürgermeister Röer meint, daß die
Wirthe schon Mittel und wege finden wer-
den, die Steuer auf das Publikum abzu
wälzen. Auch werde die Biersteuer nicht
zur Bedrückung für Wirthe und Brauereien.
Wenn später nach Beseitigung des Zoll-
Vereinsvertrages höhere Steuer auf Bier
noch sollte eingeführt werden können, dann
werden die Wirthe schon leicht einen Aus
gleich finden durch Erhöhung der Bier
preise. — Stadtverord. Struck: Es wird
mehrfach gesagt, die Wirthe können die
Steuer auf das Publikum abwälzen.
Möge man doch diese Wege angeben, möge
man doch sagen, wie dies zu machen. Die
Brauereien werden einfach die Steuer dem
Verkaufspreise zuschlagen, die sind vom
Stamme „Nimm", die Brauereien werden
abwälzen, die Wirthe sollen wieder ab
wälzen, — nun, er glaubt nicht, daß es
0 wird. Er bittet, den Wirthen nicht die
dritte Steuer aufzuerlegen. Bedenken Sie
ich, ehe sie annehmen, viele Städte haben
eine Biersteuer pure abgelehnt. — Stadtv
Dr. Barlach ist für die Steuer. Er be
dauert nur, daß sie nicht höher wird und
werden kann. Zunächst wird die Biersteuer
einige Schwierigkeiten verursachen, es wer
den sich die Leute aber finden, welche die
Steuer zahlen. Wenn sie drückend wird
ür Brauereien und Wirthe, dann werden
ie schon Wege finden, die Steuer abzu
wälzen. Daß wir uns hier von der
Pfennigrechnung entwöhnt haben, ist reine
Großspurigkeit, es wäre ganz gut, wenn
wir uns an diese Pfennigrechnung gewöhnen,
unsere Hausfrauen haben dies ganz schön
gethan. Bezüglich Freilassung des Braun-
bicres bin ich mit Wiese einverstanden.
Dasselbe dient zur Löschung des Durstes,
sonst will uns Kollege Wiese ja nur ein
Drittel für den Durst zugestehen.
Stadtv. Wiese tritt auch noch einmal für
Freilassung des Braunbieres ein.
Bürgermeister Röer saßt jetzt die Debatte
dahin zusammen, daß sich von den Rednern
nur einer gegen die Biersteuer ausgesprochen
hat. — Stadtverord. Stechet: Aus dem
Schweigen verschiedener Herren darf nicht
Zustimmung konstatirt werden ohne Weiteres
Er wolle erküren, daß er Gegner sei, und
zwar, weil er grundsätzlicher Gegner von
indirekter Besteuerung von Konsumartikeln ist
cl) Jmmobilien-Umsatzsteuer. Von
keiner Seite sind Bedenken gegen Jmmobi-
lien-Umsatzsteuer erhoben. In Altona be
trägt sie '/2 Proz., sie hat dort im letzten
Jahre 90000 Mk. erbracht. Beabsichtigt
wird dort, sie auf 1 Prozent zu erhöhen.
In Hildesheim brachte sie im letzten Jahre
24 783 Mk., sie beträgt «/,» Proz. Für
Frankfurt ist eine Umsatzsteuer von IV,
Prozent festgesetzt, ihr Ergebniß war im
letzten Jahre 764 653,60 Mark. Die Er-
hebungsform einer solchen Steuer ist mit
Hülfe des Amtsgerichts, daß die aufge
lassenen Grundstücke mittheilt, sehr einfach.
Die Kommission schlage 1 Proz. vor, das
werde ungefähr 15000 Mk. Einnahme er
bringen, für die Käufer wäre die Last nicht
groß, bei einem Bauplatz von 2000 Mk.
Werth also nur 20 Mark Steuer. Nach
kurzer Verhandlung konstatirt der Bürger
meister, daß diese Steuer allgemeine
Zustimmung findet.
Wenn die mitgetheilten Vorschläge für
Gebühren und indirekte Steuern angenom
men werden, so ergiebt das nach den vor
läufigen Schätzungen: Schulgeld 12 000
Mk., Lustbarkeitssteuer 5000 Mk., Hunde-
steuer 1500 Mark, Markstandsgelder 500
Mk., Abfuhrwesen 7000 Mk., Baukonsens-
Gebühren 1000 Mark, Biersteuer 15 000
Mk., Jmmobilien-Umsatzsteuer 15 000 Mk.,
das sind'zusammen rund 57000 Mk. (denn
die für Abfuhrwesen eingesetzte Summe ist
ein Minusbetrag, es soll nur der städtische
Zuschuß in der angegebenen Höhe weg-
'allen.) Wenn nun der diesjährige Haus
haltungsplan zu Grunde gelegt und dazu
angenommen wird, daß 9000 Mark mehr
erforderlich sein werden (für neue Polizei-
beamten- und Lehrerstellen u. s. w.), wenn
auch dazu beachtet wird der einmalige Aus
fall des Ueberschusses der Gasanstalt, der
in den Betriebsfonds geht, so bleibt für das
nächste Jahr ein Budget von 345 000 Mk.
Hiervon ab obige 57000 Mark, bleiben
durch direkte Steuern zu decken 288000
Mark. Diese sollen nach dem Vorschlage
der Kommission durch gleichmäßige Zu
schläge von 180 Proz. zur Einkommen-
und zur Realsteuer genommen werden.
Jetzt werden in Neumünster gezahlt 260
Prozent Einkommensteuer, da würde also
eine Ermäßigung von 80 Proz. eintreten.
Gebäude- und Grundsteuer wird in Neu
münster 170 Prozent Zuschlag und 100
Prozent an den Staat gezahlt, also im
Ganzen 270 Proz. Die staatliche Steuer
fällt vom 1. April n. I. an weg, also
Ermäßigung von 90 Proz. bei Erhebung
von 180 Prozent. Gewerbesteuer ist bis
jetzt nur an den Staat gezahlt, also 100
e > Ma« sagt.
Roman von E. von Wald-Zedtwitz.
.So sehr auch Cäcilie in der Hoffnung
lebte daß der feurige junge Mann weder an
Fräulein von Romhild, noch an deren Mutter
dachte, sondern sein Herz an Fanny verloren
hatte, so stand die Möglichkeit eines Irrthums
in dieser Beziehung wie ein Schreckgespenst
vor ihr, ein reicher Schwiegersohn, der schließ
lich seine Schwiegereltern doch nicht in Schulden
verkommen lassen konnte, war ja das Ziel
ihres Streb ens. Wer wäre aber dazu geeig
neter gewesen, als Heinz Königshofen?
Frau von Schönwolff wußte, daß Letzterer
morgen zum Besuch des Hofmarschalls nach
Storckwitz abreisen und dort mit Römhild's
zusammentreffen würde. Die Gelegenheit zu
einer erneuten Annäherung war dadurch ge
geben. Dies mußte verhindert werden.
„Es würde unS sehr freuen, Sie vor
Ihrer Abreise noch einmal zum Thee zu
sehen. Hochachtungsvollst und ergebenst Ihre
Cäcilie von Schönwolff." So lautete das
Briefchen, welches Heinz empfing. .
Zu Cäciliens Leidwesen traf eine Absage
ein, dagegen versprach er, kurz vor der Ab
fahrt ihr noch Lebewohl zu sagen.
Er mußte mit dem Zuge um 1V 2 Ahr
abreisen, die Gelegenheit, Herrn Königshofen
vorher ein Frühstück vorzusetzten, war somit
geboten. Cäcilie bereitete am nächsten Tage
Alles vor und sie überflog eben den bedeckten
Tisch, als sich Herr Königshofen melden ließ.
„Sehr freundlich, daß Sie sich noch einmal
hierher bemühen." damit ging ihm Frau von
Schönwolff entgegen.
„Bitte sehr, gnädige Frau! Ich wollte mir
das Vergnügen nicht versagen, um so mehr,
da ich vielleicht von Storckwitz aus auf einige
Zeit verreisen werde.
„So, so! Und werden Sie längere Zeit
'ern bleiben ? Jetzt gerade, wo die Geselligkeit
so lebhaft zu werden beginnt? Unsere jungen
Damen werden das sehr bedauern; Sie haben
doch keine unangenehme Veranlassung?"
„Im Gegentheil, gnädige Frau, ich bin
auf der Suche nach einem Gut."
„Ei! Das ist ja ganz charmant."
„Es ist immer ein sehr wichtiger Schritt."
„Sie nehmen einen kleinen Imbiß, lieber
Herr Königshofen, vor der Reise ist das ja
ganz angebracht!"
Sütig, gnädige Frau."
feilte reichte ihm den Arni und führte
ihn m das anstoßende Speisezimmer.
„Bitte nehmen Sie Platz, Sic müssen
aber mit meiner Gesellschaft allein fürlieb
nehmen- Meine Tochter ist in der Malstunde
und mein Mann m der Probe; es wird ein
neues Stück eingeübt, welches, ist noch Ge
heimniß. Bitte, langen Sie zu."
Es dauerte nicht lange, so überbrachte der
Diener eine Zeitung.
„Herr Baron de Bendrecourt lassen sich
zu Gnaden empfehlen."
Cäcilie griff mit zitternder Hand nach dem
nur ihr bekannten Merancr Kuranzeiger, ihr
Athem stockte, denn der Augenblick war ge
kommen, wo sie das Gift der Vcrläumdung
in Königshofen's Ohr träufeln und somit der
entscheidende Schlag fallen sollte.
„Sic entschuldigen mich einen Moment,
ich "will nur einen Blick hineinwerfen; es
interessirt nnch nämlich, zu erfahren, ob wir
früher einmal mit einem Grafen Brand-
Burghagcn zusammen in Meran waren. Eine
Schwester von mir hat neulich seine Be
kanntschaft gemacht, wobei er sich auf unser
damaliges Zusammensein berufen hat."
„Bitte sehr, gnädige Frau."
Cäcilie entfaltete das Blatt und begann
zu lesen.
„Richtig, da steht er — und — 0, das
wird Sie interessircn; hier finde ich auch den
Namen Römhild und darunter den Ihres
verstorbenen Vaters."
„Meines Vaters? Wirklich?" entfuhr es
Heinz.
„Bitte, wollen Sie lesen?" Sic reichte
ihm das Blatt über den Tisch.
„Wahrhaftig -!"
Es entstand eine lauge Pause, während
welcher Königshofen wie festgebannt auf die
Buchstaben starrte. Und Frau von Römhild
wollte ihn nicht gekannt haben. So sehr er
sich auch früher bemüht hatte, Umstände
hcrvorzusuchen, welche dieses Nichtkennen be
greiflich machten, so stiegen jetzt, wo er die
Namen so unmittelbar untereinander gedruckt
sah, doch leise Zweifel an Bertha's Wahrheits
liebe in ihm auf. Cäcilie las ihm jeden
seiner Gedanken von der Stirne ab, und
ihre Hoffnungen stiegen thurmhoch. Da siel
Heinzens Blick auf den Artikel der anderen
Seite des Blattes, und auch hier leuchtete
ihm der Name Römhild und der seines
Vaters entgegen. Sein Blick ruhte wie fest
gebannt darauf. Die Buchstaben flimmerten
vor seinen Angen, den Teller von sich schiebend,
vergessend, wo er war, las und las er weiter,
bis er zu Ende war. Er glich einer Leiche,
da war ein Geheimniß begraben, Bertha
verschwieg mit Willen die Bekanntschaft.
Aber weshalb, weshalb nur?
Jetzt lag das vcrhangnißvolle Blatt auf
dem Tisch und Heinz fuhr wie aus einem
tiefen Traum empor. Was hatte er nur
gelesen? Wo befand er sich? War die Frau,
die ihm gegenübersaß, die Frau von Schön
wolff? War er cs denn selbst?
„Es wird Zeit — ich — ich muß zur
Bahn." Er sprach, als ob er im Schlafe
wandelte; er erhob sich und seine Hand tastete
unwillkürlich nach dcni verhängnißvvllen
Papier.
„Bitte, Hc'r Königshofen, wenn es Sie
interessirt, so behalten Sic es," sagte Cäcilie
anscheinend vollständig unbefangen.
„Ich danke — ich danke sehr, gnädige
Frau," er schob das Blatt in seine Tasche,
suchte nach seinem Hut und taumelte, ohne
Abschied zu nehmen, zur Thür hinaus.
„Ha — ha — ha — ha — der Pfeil
hat in's Herz getroffen."
Das Gesicht Cäciliens glich dcni eines
Teufels, der eine arme Seele in's Verderben
gerissen.
24. Kapitel.
Wirren Sinnes hatte sich Heinz nach dem
Bahnhof begeben; es schien ihm unbegreiflich,
daß er sich bis hierher geschleppt hatte; wie
war es nur möglich, daß er noch soviel
Ueberlegung besaß, um eine Fahrkarte zu
fordern? Und nun fuhr er wirklich dahin, das
Dampfroß stampfte die Schienen, jeder Schlag
dröhnte in seinem gequälten Hirn wieder.
„O, mein Gott!" Heinz durchflog noch
einmal die gedruckten Zeilen, ihm war es,
als wenn ihm aus ihnen schreckliche Fragen
entgcgenstarrteu. Man wußte in der Gesell
schaft etwas über Bertha, das stand fest, die
gänzliche Veränderung derselben ihr gegenüber,
die Absagen — Alles — Alles trat jetzt
vor seine gcängstigtc Seele. Was wußte
man? Was sagte man? O, wer ihm dies
verrathen hätte!
Nach und nach wurde sein Denken ruhiger;
mit diesem Blatte in der Hand wollte er
der Frau von Römhild gegenübcrtreten und
sie offen fragen. Sie würde dann das ver--
hängnißvolle Schweigen brechen, es würde
sich Alles klären, aus ihrer Hand würde er
seine süße Ellinor empfangen und bic Zu
kunft würde dann einem Rosengarten gleichen,
wo es blühte, wo es grünte, wo jede einzelne
Knospe namenloses, nie endcnwollendes Glück
bedeutete.
„Ja, so soll, so muß cs sein," rief Heinz
und näherte sich nun beruhigten Herzens der
Bahnstation, wo ihn der Wagen erwartete,
welcher ihn nach Storckwitz bringen sollte.
Frau von Römhild mit Ellinor sollten erst
am Morgen, kurz vor Aufbruch der Jagd
anlangen. Hartwig hatte, angeblich weil er
nicht Jäger wäre, die Einladung des Hof-
inarschalls abgesagt, im Grunde genommen
aber nur, weil er befürchtete, dadurch die
langersehnte Unterredung mit Herrn von Ehlarn
noch hinausschieben zu müssen. Eben fuhr
Heinz in den Hof des Schlosses ein, der ihn
erwartende Diener sprang herbei und öffnete
den Schlag.
„Se. Excellenz sind durch die Felder ^ge
gangen, haben aber hinterlassen, daß Herr
Königshofen sich hinauf bemühen möchten.
Der Herr beziehen dasselbe Zimmer, wie
früher und im kleinen Speiscsaal steht das
Frühstück."
„Ich danke," entgcgnete Heinz, „haben Sie
die Güte, meine Sachen hinauf zu besorgen,
ich werde so lange einen Gang durch dm
bas Wetter ist in so schön."