Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

ülle vorherrschen lassen und den et 
waigen Knoten verbergen. Auch 
Schnitt des Kleides wird eine Neuerung 
versucht. Wenigstens fertigen einige Künst 
lerinnen Kleider an, die fast einem Mantel 
gleichen. Der Schoß ist unten fächer 
oder glockenförmig erweitert, dabei die 
Hüften nur eingeengt, ohne Absatz, da der 
Stoff bis zu den Schultern durchgeht. 
Diese sind mit einem doppelten Kragen 
oder Ueberhang umgeben wie bisher gewiss 
Jacken. Das ganze sieht sehr neu und 
einheitlich aus. Aber die Frauengestalt 
erinnert doch etwas an eine (ungleiche) 
Sanduhr, unten und oben breit, in der 
Mitte eingeengt. 
England. 
In der Bank von England sind seit 
einiger Zeit auch Damen angestellt. Die 
Direktoren sind von dem Ergebniß der 
Neuerung so befriedigt, daß sie beschlossen 
haben, noch eine Reihe anderer Stellen 
mit weiblichen Beamten zu besetzen. (Die 
Herren können zu Hause Kinder Pflegen 
und essen kochen. Red.) 
Inland. 
— Die Behandlung des Kaisers, 
so schreibt die „Germania", seitens der 
Bismarckfronde und der Kartellbrüder 
eine gänzlich schamlose. Gerade in den 
jenigen Handlungen seiner Regierung, 
denen der Kaiser persönlich am meisten 
hervorgetreten ist, soll er sich selbst beê 
avouiren, soll er den „Canossagang", wie 
ihn die Kulturkämpfer verstehen, richtiger 
den Varzingang antreten, und dabei muthet 
man dem Kaiser auch noch Feigheit und 
nicht etwa nur Mangel an Noblesse, sow 
dern sogar direkt Niedrigkeit de 
C h a r a k t e r s zu: der Kaiser soll die 
Verantwortung für politische Handlungen 
die gerade er gefordert und durch Wort 
und That unterstützt hat, auf den Grafen 
C a p r i v i abwälzen, den er wiederholt 
gerade wegen dieser Handlungen anerkannt 
und ausgezeichnet hat, er soll dieselben zum 
Anlaß nehmen, den Grafen Caprivi zu 
stürzen. Schmählicheres ist wohl niemals 
einem Fürsten zugemuthet werden! Aber 
in allen Tonarten klingt diese demüthigende 
Zumuthung an den Kaiser aus den mittel 
parteilichen und einigen konservativen 
Blättern, und Fürst Bismarck in seiner 
Rede an die Westpreußen hat die Einla 
dung zum Büßgang des Kaisers nach Bau 
zin eröffnet und den Ton angegeben für 
die Artikel: „Der Kaiser und Fürst Bis. 
r.mrck an der Spitze der Opposition" 
gegen den vom Kaiser gewollten und in 
len wichtigen Fragen sogar öffentlich selbst 
gesteuerten neuen Kurs. Die Zumuthung 
c.n den Kaiser aber ist noch um so frivoler, 
als der Kaiser ihr nicht nachkommen könnte 
außer unter dem Verlust nicht nur jeglicher 
Autorität, sondern sogar jeder moralischen 
Achtung. Denn daß Bismarck selbst eine 
„Ruine" geworden, hat er doch den Po 
senern in Varzin nicht nur gesagt, sondern 
es ist auch durch die ganzen Vorsichtsmaß. 
regeln zum Schutz seiner Gesundheit bei 
beiden Redeveranstaltungen so sehr bewiesen, 
daß man es geradezu als Unbarmherzigkeit 
und Mangel an jeder Rücksicht und sogar 
Gewissenhaftigkeit bezeichnen müßte, sollten 
wirklich, wie es heißt, auch noch sonstige 
Pläne ins Auge gefaßt sein. 
— Die „Voss. Ztg." schreibt: Herr 
v. Koscielski hat seine Lemberger Rede 
über die Einheit aller Polen, die ihm 
wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren, 
vom Kaiser sehr verübelt worden ist, durch 
eine in der „N. Fr. Pr." veröffentlichte 
Erklärung abzuschwächen gesucht, die erficht 
lich darauf berechnet ist, von seinen Be. 
ihres Kleides lautlos über den Teppich huschte. 
Baron de Bendrecourt faltete die mageren, 
gelblichen Hände über der Brust, sah sie kalt 
lächelnd durch die Augengläser an, im Stillen 
belächelnd, zu welchen zornigen Auswallen 
doch die Eifersucht und der Neid ein Weib 
bringen konnte. 
„Was sagen Sie, meine Gnädigste? Eine 
erbauliche, allerliebste Geschichte, nicht wahr?" 
„Ha — ha — ha — ha — so erbaulich, 
daß die Residenz kopfstehen würde, wenn man 
sie ihr erzählen wollte." 
„Woran ich nicht zweifle, daß es geschieht," 
bemerkte Baron de Bendrecourt beißenden 
Spottes. 
„Daher dieses Leugnen der Bekanntschaft 
— deshalb dieses Komödienspiel." 
„Welches Komödienspiel?" 
„Als ob Sie das nicht wüßten — Haus 
freund — junge Frau —" 
„Alter Mann — Iagdausflug — scharfe 
Kante — Gletscher — zufälliges Anrennen 
— unglücklicher — höchst bedauerlicher Sturz 
— augenblicklicher Tod — tiefbetrübte Wittwe 
— zerrüttete Verhältnisse — freundlicher 
Tröster — Goldregen — Reichtthum und 
Ueppigkeit —." 
„Das riecht nach Mord," raunte Cäcilie, 
ihrer Sinne beinahe nicht mehr mächtig, dem 
Baron de Bendrecourt in's Ohr, indem sie 
sein Handgelenk packte und wie in einen 
Schraubstock spannte. Ihr Gesicht war das 
der Medusa; Bendrecourt schauderte davor 
und er bog sich unwillkürlich soweit als mög 
lich in den Sessel zurück, dieses Weib war 
ihm entsetzlich. 
(Fortsetzung folgt.) 
ziehungen pm Deutschen Kaiserhofe zuIGeschäft sich nicht verträgt, 
retten, was möglich ist. Daß das v. Koscielski «lehnte ich eine Candidatur ab. 
gelungen sein sollte oder noch gelingen Beschuldigung berichtige 
ich 
Deshalb 
Die letzte 
dahin: Au' 
wurde, erscheint nach unserer Kenntnißj der meinem Gut, wo ich nicht wohne, hatten 
Lunge ausgeschlossen. . einige dort einquartirte Offiziere mehrere 
~ Der Kaiser soll sich persönlich für steinerne Säulen, die ich zum Schmucke 
die Frage der Bo rsenreform interessiren. ves Gartens beim Abbruch einer Orangerie 
Es wird ■ - - - - — - a 
<rr> a, t geschrieben, daß der hatte stehen lassen, den Scherz gemacht, 
Monarch selbst durch das Clvllkabinett im diese Säulen umzustürzen und zu be- 
schoße des Staatsministeriums die Börsen- schädigen. Ich verlangte Wiederherstellung 
reform auf das Entschiedenste hat anregen derselben, begnügte mich aber damit, daß 
taffen, und auch noch in allerneuster Zeit die Herren 100 Mark an die Diaconissen- 
aus einem besonderen Anlaß Gelegenheit anstatt in Jaroschin zahlten.^ 
nahm, an anderer Stelle direkte Maß- Berlin, 28. Sept. Eine Untersuchung, 
nahmen anzuordnen. Anlaß dazu gab die der zufolge ein Hypotheken-Makler G. ver- 
Immediateingabe einer hochgestellten Dame, haftet worden ist, wird auf vierzehn Per- 
die einen großen Lheil ihres Vermögens sonen ausgedehnt, die wegen Wuchers 
an Werthen des „Unter den Linden Bau- resp. Beihülfe zu demselben unter Anklage 
Vereins verloren hat. Diese Eingabe gestellt worden. Die täglich stattfindende» 
übersandte der Kaiser mit einigen kräftigen Vernehmungen auf dem Polizeipräsidium 
Ausdrücken versehen zur weiteren Er- resp. vor dem Untersuchungsrichter ergeben 
ledigung an den Justizminister, der seiner- ständig so viel neues Material über die 
seits die Aufmerksamkeit der Staatsanwalt. Praxis der Wucherer Berlins, daß ein 
schaft auf den Fall lenkte. Diese hat be- Abschluß der gerichtlichen Untersuchung 
reits eine Untersuchung eingeleitet und die noch gar nicht abzusehen ist und vor Mitte 
Geschäftsbücher der Gesellschaft beschlag- nächsten Jahres der Massenprozeß nicht 
""h"ît. . stattfinden dürfte. Bezüglich des vielge. 
Die Ueberführung der Reichsbib- nannten Wucherers Laboschin ist noch zu 
lro thek in die Räume des neuen Reichs- ermähnen, daß derselbe nicht nur Bauwucher 
tagsgebäudes ist nunmehr erfolgt. Es war gerieben, sondern auch baare Darlehen 
das insbesondere fur dre bethettigten Bib- gegeben hat, welche — so wird behauptet 
ttotheksbeamten ein fihweres Stück Arbeit, — durch Schiebungen bis zu fünfhundert 
zumal die erforderlichen Vorkehrungen der- Präsent von den Opfern verzinst werden 
art getroffen werden mußten, daß die ge- mußten. Um sich vor Bestrafung zu sichern, 
mmmten Bucher auch sofort an den für hat L. fast niemals das Geschäft selbst 
} e . ļ'Ģunmten Plätzen ordnungsmäßige gemacht, sondern er schob, dem „L.-A." 
àŗflbllung ffnden konnten, was bei einer zufolge, einen seiner Agenten vor, der dann 
Bibliothek von 80 000 Bänden immerhin als Capitalist figurirte und gegebenen 
etwas besagen will. Nachdem dies jetzt Falles erbarmungslos gegen die Schuldner 
geschehen ist, wird demnächst auch die so- vorzugehen hatte, 
genannte Handbibliothek, die als solche Ein Wahlfälschungsprozeß ist m 
bisher noch nicht vorhanden war, ent-Kassel verhandelt worden. Der Bürger- 
prechend hergerichtet werden; sie findet meister des Dorfes Rommerode, Kreis 
ihren Platz in dem in der unmittelbaren Witzenhausen, Landrath Johannes Wollen- 
Nähe des großen Sitzungssaales belegenen Haupt, war wegen Fälschung öffentlicher 
Zeitschriftenzimmer, in dem auch der Ober- Wahllisten aus 8 108 des Reichsstrafgesetz, 
bibliothekar Dr. Muller seinen Arbeitsplatz Huches unter Anklage gestellt. W. hatte 
nehmen wird. _ bei der Wahl zum Gemeindeausschusse die 
Ueber die Wahrnehmung be rech- ihm zu Protokoll abgegebenen Stimmen der 
tigter Interessen als Schutz bei Be- Anwohner falsch eingetragen, um einen 
l eidignngsklagen hat das Reichsge- Gemeindeausschuß zusammen zu bringen, 
richt in einem Prozeß eine interessante mie ihn der Bürgermeister wünschte. Diese 
Entscheidung getroffen. Bei der letzten gefälschte Wahlliste legte er dann dem 
Reichstagswahl hatte ein liberaler Wahl- Landrathe vor. Die Gegenpartei zeigte 
ausschuß in einer an den Minister des die Sache an. Das Urtheil lautete auf 
Innern gerichteten Beschwerde angegeben, sechs Monate Gefängniß, 
das der Land rath, der als Delegirter Um eine Hochzeitsfahrt besser be 
des konservativen Vereins in die Wahl- obachten, lehnte sich die erwachsene Tochter 
bewegung eingetreten war, einem Wähler, des königlichen Oberamtmanns Fritsch in 
wenn er für einem ihm bezeichneten Kandi- Görlitz zuweit über die Balkonbrüstung 
daten wirke, die Erlaubniß zur Er- der elterlichen Wohnung, stürzte hinab und 
richtung einer Schankwirthscha ftlmar auf der Stelle todt. 
versprochen habe. Da diese Anführung Eisleben, 29. Sept. Wiederum liegt 
ich als thatsächlich unrichtig herausstellte, ein trauriger Beweis dafür vor, wie groß 
o wurden die Ausschußmitglieder wegen und wie schwer unsere Stadt geschädigt ist 
Beleidigung des Land rat Hs zur Unter- Ein durch die Erdsenkungen beschädigtes 
uchung gezogen. Die Strafkammer er- Haus wurde gestern an Gerichtsstelle zwangs 
kannte aber aus 8 193 des Strafgesetz- weise verkauft. Das Haus war belastet 
buches auf Freisprechung, da die Ange- mit 13000 Mk. Hypotheken. Der gestrige 
klagten m Wahrnehmung berechtigter Inter- Verkaufspreis betrug — 160 Mark. Die 
essen und ohne die Absicht zu beleidigen Gerichtskosten für die Versteigerung be> 
gehandelt hätten. Die von der Staats- tragen 137 Mk., sodaß für die Gläubiger 
anwaltschaft hiergegen eingelegte Revision gerade 23 Mark übrig bleiben. Hieraus 
fl nach Mittheilung der „Jur. Wochenschr." kann man sehen, daß die geschädigten Häuser 
von dem Reichsgericht verworfen völlig entwerthet sind, 
worden, welches ausführte: Berechtigte Eine Fahrt mit Hindernissen 
Interessen, zu deren Wahrnehmung Aeuße- machten Montag-Abend die von Ochsen 
rungen, obwohl sie die Ehre eines andern fürt nach Würzburg zurückkehrenden Theil- 
verletzen, straffrei gethan werden können, nehmer an dem Ochsenfurter landwirth 
sind nicht nur .solche, die im Privatrecht schriftlichen Bezirksfest. Zwischen Heidings- 
wurzeln, vielmehr alle Interessen, die das feld und Würzburg rissen nicht weniger 
Recht anerkennt, also auch solche, welche als dreimal die Kuppelketten und mußte 
dem öffentlichen Rechte erwachsen. Der jedesmal längere Zeit gehalten werden 
193 unterscheidet nicht zwischen privat- Im Bahnhof Würzburg schließlich riß so 
rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Inter- gar die Vorspannmaschine von der zweiten 
essen. Das Recht der Wähler, sich nach Maschine. In dem Zuge befanden sich 
ihrer Parteirichtung zum Betriebe der den auch der Regierungspräsident und der Per 
Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten sonalreferent des Oberbahnamtes, 
zu organisiren, ist gesetzlich anerkannt. Um Mit zwei Stichwunden im Herzen 
eine derartige Verbindung der liberalen und Hals wurde am Sonnabend früh 
Partei in M. und um die Thätigkeit, die München der verheirathete Uhrmacher 
als ihr Organ die zu einem die Geschäfte H u b e r in der Frauenhoferstr. im Zimmer 
führenden Ausschuß vereinigten fünf Ange- seines Logisherren des P olizeikom 
klagten zum Betriebe der Wahlangelegen miss ars Frohnmader todt aufge 
hen ausgeübt haben, handelt es sich im funden. Weder vom Thäter noch dem That 
vorliegenden Falle. Die Angeklagten haben instrument ist die geringste Spur vorhanden 
durch ihre Thätigkeit objectiv berechtigte Nach der „Boss. Ztg." geht das Gerücht 
Interessen wahrnehmen wollen, und sie die That hätte dem Polizeikommissar ' 
waren zur Wahrnehmung derselben berufen gölten. 
und befugt. Hiernach und da der Vorder- Düsseldorf, 29. Sept. Der seltene 
Achter auch die Frage, ob aus der Form Fall, daß sich nach Ansicht des Gerichts 
der Aeßerung und den begleitenden Um-Hofes die Geschworenen zum Nach 
ständen die Absicht zu beleidigen hervor- theile des Angeklagten irrten, ist von 
gehe, geprüft und bedenkenfrei verneint shier zu melden. Es handelt sich um den 
hat, erschien die Freisprechung der Ange 
klagten gerechtfertigt. 
— Landesökoiiomie - Direktor 
des Raubes angeklagten Schneider Gerhard 
Schnoek aus Krefeld, welcher am 3. Mai 
Kenne-Idie Ehefrau des Lokalbahnschaffners Balk 
mann veröffenlicht im „Posener Tagebl." Haus geknebelt und beraubt haben sollte, 
folgende Erklärung: Gegenüber den Er- Der Angeklagte wies sein Alibi nach, das 
klärungen, die Erzbischof von Stablewski selbst der Staatsanwalt als begründet er- 
dem Redakteur des „Börsen-Courier" ge- achtete, weshalb er die Entscheidung der 
macht hat, erkläre ich hiermit, daß solche Schuldfrage, deren Bejahung er nicht be- 
sämmtlich unrichtig sind. Ich habe nie antragen könne, den Geschworenen anheim 
mit der „Kölnischen Zeitung" in Ver- stellte Die Geschworenen sprachen trotzdem 
bindung gestanden, habe den fraglichen das Schuldig. Der Staatsanwalt be- 
Artikel nicht verfaßt, bin dabei nicht be- antragte 14 Jahre Zuchthaus. Der Ge- 
theiligt gewesen und kenne den Verfasser richtshof verkündete den Beschluß, daß jdie 
nicht. In einer Branntwein-Commission Sache auf Grund des 8 317 des Str.-G.-B. 
bin ich nie gewesen, kann deshalb auch vor die nächste Schwurgerichtspcriode zur 
das Verbot der Verschwiegenheit nicht ver- a n derweitigenErledigung ver 
letzt haben. Ich wollte nach Ablauf der wiesen werde. 
Legislaturperiode nicht wieder ins Abge- Hof, 29. Sept. Eine E l e p h a n t en- 
ordnetenhaus, weil die parlamentarische h a u t zu gerben ist hier dem Dampf- 
ubätigkeit mir nicht zusagt und mit meinemI gerbeibesitzec Weidner gelungen. In einer 
Menagerie, die vor etwa neun Jahren 
der Einsteighalle des alten Bahnhoft unter 
bracht war, kam ein Riesenelephant um 
Weidner erstand damals die Haut, ließ sie 
sorgfältig abziehen und den Gerbprozeß 
durchmachen. Nach fast neun Jahren 
konnte nun endlich die Haut lohgar aus 
der Grube genommen werden. Die Haut 
hat ihr dunkles Pigment nicht verloren 
und sieht fast wie die Haut am lebenden 
Thier aus. Das „Bischen" Haut, 
die am Rüssel nur kartenblatt dick ist, 
iM durchschnittlich zwei Zoll und an 
den stärksten Stellen, am Rücken, bis zu 
vier Zoll dick. Sie wiegt „nur" ' 20 
Centner. 
Hamburg, 29. Sept. Vor den Schranken 
des hies. Landgerichts standen heute unter 
der Anklage eines großartigen Juwelen 
diebstahls die Agenten Wagner u. Schön. 
Ersterer hatte von Paris aus an Schön 
16 Stück imitirte Saphire abgesandt, um 
sie hier verkaufen zu lassen. Schön fand 
auch einen Nehmer, der gegen 3000 Mark 
für die Steine gab, nachdem er sie von 
drei Juwelieren auf ihre Echtheit hatte 
prüfen laffen. Sämmtliche Fachleute, die 
damals die Steine gesehen hatten, behaup 
teten, keinen Zweifel an deren Echtheit ge- 
hegt zu haben, wenngleich die Steine von 
auffallender Schönheit gewesen seien. Nach 
träglich stellte sich aber doch heraus, daß 
die Steine Imitationen waren. In der 
heutigen Verhandlung erklärten die Sach 
verständigen, daß die vorliegenden Saphire 
in Wirklichkeit gefärbte und geschliffene 
Glasstücke wären. Schön, der sich in Ham 
burg aufhielt, wurde daraufhin verhaftet 
und der andere Mitschuldige Wagner auf 
einer Reise in Frankfurt a. M. in Haft 
genommen. Die beiden Angeklagten be 
haupteten, über die Unechtheit der Steine 
nicht in Kenntniß gewesen zu sein, doch 
ergab sich aus der aufgefundenen Korre 
spondenz zwischen den Beiden, daß es sich 
um einen vorbedachten Betrug gehandelt 
hatte. Nach der Korrespondenz scheinen 
die Angeklagten auch in andern deutschen 
Städten ähnliche Betrügereien verübt zu 
haben. Das Gericht verurtheilte Schön 
zu 2 Jahren, Wagner zu 1 Jahr 9 Mo 
naten Gefängniß. 
Aus Hamburg schreibt man dem „Volk" : 
„Wirklich skandalöseAuftritte kamen 
während der in dieser Woche beendeten 
Concerte der Kapelle der zweiten Matrosen 
division im hiesigen Zoologischen Garten 
vor. Hatten schon in früheren Jahren 
gelegentlich der Concerte dieser Kapelle 
Damen der feinsten Kreise ihrer Ver 
ehrung für die Marinemusiker und deren 
Kapellmeister Wohlbier in äußerst anstößiger 
Weise Ausdruck gegeben, so überstieg doch 
das kaum glaubliche Betragen dieser Damen 
während der diesjährigen Saiion alles 
bisher Dagewesene. Schreiber dieses sah 
am verflossenen Sonntag, wie Damen am 
Tische, Stühle, Stackets u. s. w. stiegen 
und ungenirt die widerlichsten Stel 
lungen annahmen, um die Musiker besser 
sehen und ihnen Blumensträuße, Briefchen 
und Kußhändchen zuwerfen zu können. Ver 
ließen die Musiker während der Pausen 
den Pavillon, so wurden sie in der un 
glaublichsten Weise von Frauen und Mäd 
chen, nicht etwa der niedrigeren Stände 
sondern der thatsächlich „besten" Hamburger 
Familien belästigt. Selbst in der Rubrik 
„Aus und mit dem Publikum" des Ham 
burger Fremdenblattes gaben Damen ihrem 
Gefallen an dem Kapellmeister Wohlbier 
und seinen Musikern öffentlichen Ausdruck. 
Das Blatt fügt hinzu: Der Zoologische 
Garten ist durch diese Szenen so in Ver 
ruf gerathen, daß ein anständiges Mädchen 
es nicht mehr wagen darf, ihn zu besuchen." 
Wir lassen es dahingestellt, ob es wirklich 
die Damen der „besseren Kreise" gewesen 
sind, die solche Schamlosigkeit begingen 
Die „feinen Damen" werden wohl Subjekte 
anderer Kategorien sein. Wenigstens ist 
die bessere Gesellschaft in Hamburg, soweit 
uns bekannt, im Ganzen und Großen noch 
nicht so entsittlicht, wie es in obigem Be 
richt geschildert wird. 
Hamburg, 29. Sept. Der Kassirer der 
„Volksbank", E. G., seit einer Reihe von 
Jahren im Dienste des alten Instituts, 
ist nach einer Unterschlagung von 30 000 
àark, wie gemeldet, flüchtig geworden. Es 
ist indeß ^ Aussicht vorhanden, daß das 
mit Hülfe des Vaters und der ge 
teilten Caution, zum größeren Theil ge- 
deckt werde. Der Ungetreue hat die regel 
mäßig stattgefundenen Revisionen dadurch 
zu täuschen gewußt, daß er in die Gold 
rollen und in die aufgezählten Goldstapel 
Spielmarken zu stecken wußte. Erst 
als der Kassirer gestern nicht im Dienst er- 
chien, revidirte man eingehender und ent 
deckte das recht erhebliche Manko. — Wie 
groß die Arbeitslosigkeit in Hamburg ist, 
erhellt aus der Mittheilung, daß die hies. 
Freihafen-Lagerhausgesellschaft gestern 30 
Arbeiter zum Getreide-Ausladen suchte, 
und sich ca. 600 Mann meldeten. 
Hamburg, 28. Sept. Der Einbrecher 
Gustav Hermann Schulze, welcher bei 
dem Bankier M. Jakobsen, Großen- 
Bleiche mit einer seltenen Seelenruhe das 
Schloß aus dem Geldschrank herausbohrte, 
hat sein Werk mit einer seltenen Frechheit 
ausgeführt. Zunächst hat Schulze mehrere 
Flaschen Bier, welche im Comtoir standen, 
in ausgetrunken und dann mit großer Kenner 
schaft den Schrank angebohrt, die Geld 
kassette mit Gold aufgebrochen und den- 
Jnhalt eingesteckt. Es würde seine Thätig 
keit auch kaum bemerkt worden sein, wenn 
er nicht schließlich das regelmäßig im 
Comtoir brennende Licht ausgelöscht hätte, 
denn erst durch die plötzliche Dunkelheit 
der Schaufenster wurde der Schutzmann 
aufmerksam. Bei der Flucht rannte der 
Dieb den Schutzmann über den Haufen 
und wurde im entscheidenven Augenblick 
von einen Droschkenkutscher gefaßt. Schulze 
war mit einem sechsläufigen Revolver 
versehen. 
Aus Bierlande«. Obwohl der dies' 
jährige Herbst bisher noch nicht die 
schönsten Sommertage aufzuweisen hat, ft 
sind andererseits die Nächte recht empfind 
lich kühl. So war vor einigen Nächten 
das Thermometer fast bis auf den Gefrier 
punkt zurückgegangen, sodaß Morgens die 
Pflanzen mit Reif überzogen und manches 
Gemüse, besonders aber die türkischen 
Erbsen, die gegen Frost äußerst empfind 
lich sind, stellenweise total erfroren waren- 
Andererseits sieht man den diesjährigen 
Herbst mit seinen warmen Tagen Blüthen 
und Früchte zeitigen, wie es in viele« 
Jahren nicht vorgekommen ist. So erblickt 
man, der „Verged. Ztg." zufolge, ganze 
Erdbeerselder mit weißen 
Blüthen bedeckt, gerade so, als seien 
es die ersten Blüthen dieses Jahres. Selbst 
der Hollunderstrauch prangt hier und da 
im schönsten Blüthenschmuck, daneben noch 
die schwarzen glänzenden Beeren auf 
weisend. 
Die Vernehmung des Banknoten 
fälschers Nestler in Hamburg hat z« 
ganz neuen Entdeckungen über die Mit 
thäter Veranlassung gegeben und fanden 
infolgedessen wieder neue Haussuchungen 
tatt. Das bei den Fälschungen verdiente 
Geld soll wesentlich in Hypothekposten 
angelegt sein. 
Provinzielles. 
Direktor Dr. Klapp vom Wandsbeker 
Gymnasium ist wegen schweren Gehörleidens 
nach 22jähriger Amtsthätigkeit in den 
Ruhestand getreten. 
Der Kaufmann Hansen in Heide über 
gab durch seinen Hausknecht dem Arbeiter 
Schröder einen Geldbrief mit 600 JK zur 
Weiterbeförderung. Der jedoch rückte damit 
aus. Zwei Radfahrer fuhren hinterher. 
Bei Meldorf ward Schröder eingeholt und 
hatte noch 590 JL bei sich. 
Selbst nach dem Genusse guter Pilze 
treten in Flensburg in diesem Herbst 
Krankheits - Erscheinungen auf. Dazu ist 
zu bemerken, daß allerdings jeder Piiz 
schädlich wirken kann, wenn er zu alt ist 
oder in anhaltender Nässe gewachsen ist- 
Die Pilze sind immer etwas angefault- 
Schneidet man z. B. den Stiel eines 
Schwammes der Länge nach auf, so findet 
man, sobald der Pilz durchwässert ist, 
eine schlissige Masse, die die eingetretene 
Fäulniß schon anzeigt, obioohl der Pilz 
äußerlich noch kerngesund erscheint. Derart 
durchwässerte Pilze sind schwer verdaulich- 
Von Tönning aus beabsichtigt man, nach 
einer Zuschrift der „I. N.", ein neuesļ 
Unternehmen ins Werk zu setzen. Es hat 
sich nämlich ein Konsortium zusammen- 
gethan, um Rindvieh aus Irland dorthin 
herüberzuführen. In diesen Tagen sind 
bereits einige Herren nach dort abgereist, 
um die Einkäufe zu besoffen, sodaß wir 
voraussichtlich in der nach,ten Zeit in Tön 
ning einen Viehdampfer erwarten können. 
Wie gemeldet, wird in Kiel die Grün 
dung einer Kaltwasserheilanstalt 
geplant. Inklusive Aufführung des neuen 
Kurhauses stellen sich die Gesammtkosten 
auf ca. 500 000 Jl. —- Der hiesige Stadt- 
rath W i ch m a n n, ein um unsere Stadt 
hochverdienter Mann, begeht im nächsten 
Monat sein 25j. Jubiläum als Mit 
glied der Kieler Stadtvertretung; dreizehn 
Jahre hat er dem Stadtverordneten-Kolle- 
gium und zwölf Jahre dem Magistrat als 
unbesoldetes Mitglied angehört. An der 
Wiederwahl Wichmanns ist bei der dem 
nächst erfolgenden Neuwahl eines unbesol 
deten Stadtraths nicht zu zweifeln. — Der 
hiesige Bürgervercin richtete kürzlich eine 
Eingabe an dem Magistrat, um Vermeh 
rung der Stadtverordneten, 
deren Zahl sich jetzt auf 24 beläuft. Der 
Magistrat hat jetzt erwidert, daß der be 
schränkte Raum im Sitzungssaale des Rath 
hauses eine Vermehrung der Zahl der 
Stadtverordneten nicht zulasse. 
Kiel, 29. Sept. Zur heutigen Betriebs- 
-Eröffnung der Ostseeschleuse des Nord- 
ostseekanals fhnd eine größere Feier 
statt. Holtenau war herrlich geschmückt. 
In der Maschinenhalle, in der das Modell 
der Schleuse aufgestellt war, hielt Bau- 
inspektor Sympher eine Ansprache, dann 
der Kanalkommission, den 
und der Festgesellschaft die 
wurden von 
Baubeamten 
Dampfer „Berlin", „München", „Dresden" 
und „Stuttgart" bestiegen. „Berlin" 
passirte zuerst die Schleuse und zerschnitt 
ein über die Schleusengrube gespanntes 
schwarz-weiß.rothes Band. Mit Hochrufen 
auf den deutschen Kaiser ging es durch die 
Schleuse bis zur Hochbrücke bei Levensau. 
Unterwegs wurde die Gesellschaft durch 
Böllerschüsse begrüßt.
	        
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