ülle vorherrschen lassen und den et
waigen Knoten verbergen. Auch
Schnitt des Kleides wird eine Neuerung
versucht. Wenigstens fertigen einige Künst
lerinnen Kleider an, die fast einem Mantel
gleichen. Der Schoß ist unten fächer
oder glockenförmig erweitert, dabei die
Hüften nur eingeengt, ohne Absatz, da der
Stoff bis zu den Schultern durchgeht.
Diese sind mit einem doppelten Kragen
oder Ueberhang umgeben wie bisher gewiss
Jacken. Das ganze sieht sehr neu und
einheitlich aus. Aber die Frauengestalt
erinnert doch etwas an eine (ungleiche)
Sanduhr, unten und oben breit, in der
Mitte eingeengt.
England.
In der Bank von England sind seit
einiger Zeit auch Damen angestellt. Die
Direktoren sind von dem Ergebniß der
Neuerung so befriedigt, daß sie beschlossen
haben, noch eine Reihe anderer Stellen
mit weiblichen Beamten zu besetzen. (Die
Herren können zu Hause Kinder Pflegen
und essen kochen. Red.)
Inland.
— Die Behandlung des Kaisers,
so schreibt die „Germania", seitens der
Bismarckfronde und der Kartellbrüder
eine gänzlich schamlose. Gerade in den
jenigen Handlungen seiner Regierung,
denen der Kaiser persönlich am meisten
hervorgetreten ist, soll er sich selbst beê
avouiren, soll er den „Canossagang", wie
ihn die Kulturkämpfer verstehen, richtiger
den Varzingang antreten, und dabei muthet
man dem Kaiser auch noch Feigheit und
nicht etwa nur Mangel an Noblesse, sow
dern sogar direkt Niedrigkeit de
C h a r a k t e r s zu: der Kaiser soll die
Verantwortung für politische Handlungen
die gerade er gefordert und durch Wort
und That unterstützt hat, auf den Grafen
C a p r i v i abwälzen, den er wiederholt
gerade wegen dieser Handlungen anerkannt
und ausgezeichnet hat, er soll dieselben zum
Anlaß nehmen, den Grafen Caprivi zu
stürzen. Schmählicheres ist wohl niemals
einem Fürsten zugemuthet werden! Aber
in allen Tonarten klingt diese demüthigende
Zumuthung an den Kaiser aus den mittel
parteilichen und einigen konservativen
Blättern, und Fürst Bismarck in seiner
Rede an die Westpreußen hat die Einla
dung zum Büßgang des Kaisers nach Bau
zin eröffnet und den Ton angegeben für
die Artikel: „Der Kaiser und Fürst Bis.
r.mrck an der Spitze der Opposition"
gegen den vom Kaiser gewollten und in
len wichtigen Fragen sogar öffentlich selbst
gesteuerten neuen Kurs. Die Zumuthung
c.n den Kaiser aber ist noch um so frivoler,
als der Kaiser ihr nicht nachkommen könnte
außer unter dem Verlust nicht nur jeglicher
Autorität, sondern sogar jeder moralischen
Achtung. Denn daß Bismarck selbst eine
„Ruine" geworden, hat er doch den Po
senern in Varzin nicht nur gesagt, sondern
es ist auch durch die ganzen Vorsichtsmaß.
regeln zum Schutz seiner Gesundheit bei
beiden Redeveranstaltungen so sehr bewiesen,
daß man es geradezu als Unbarmherzigkeit
und Mangel an jeder Rücksicht und sogar
Gewissenhaftigkeit bezeichnen müßte, sollten
wirklich, wie es heißt, auch noch sonstige
Pläne ins Auge gefaßt sein.
— Die „Voss. Ztg." schreibt: Herr
v. Koscielski hat seine Lemberger Rede
über die Einheit aller Polen, die ihm
wie wir aus zuverlässiger Quelle erfahren,
vom Kaiser sehr verübelt worden ist, durch
eine in der „N. Fr. Pr." veröffentlichte
Erklärung abzuschwächen gesucht, die erficht
lich darauf berechnet ist, von seinen Be.
ihres Kleides lautlos über den Teppich huschte.
Baron de Bendrecourt faltete die mageren,
gelblichen Hände über der Brust, sah sie kalt
lächelnd durch die Augengläser an, im Stillen
belächelnd, zu welchen zornigen Auswallen
doch die Eifersucht und der Neid ein Weib
bringen konnte.
„Was sagen Sie, meine Gnädigste? Eine
erbauliche, allerliebste Geschichte, nicht wahr?"
„Ha — ha — ha — ha — so erbaulich,
daß die Residenz kopfstehen würde, wenn man
sie ihr erzählen wollte."
„Woran ich nicht zweifle, daß es geschieht,"
bemerkte Baron de Bendrecourt beißenden
Spottes.
„Daher dieses Leugnen der Bekanntschaft
— deshalb dieses Komödienspiel."
„Welches Komödienspiel?"
„Als ob Sie das nicht wüßten — Haus
freund — junge Frau —"
„Alter Mann — Iagdausflug — scharfe
Kante — Gletscher — zufälliges Anrennen
— unglücklicher — höchst bedauerlicher Sturz
— augenblicklicher Tod — tiefbetrübte Wittwe
— zerrüttete Verhältnisse — freundlicher
Tröster — Goldregen — Reichtthum und
Ueppigkeit —."
„Das riecht nach Mord," raunte Cäcilie,
ihrer Sinne beinahe nicht mehr mächtig, dem
Baron de Bendrecourt in's Ohr, indem sie
sein Handgelenk packte und wie in einen
Schraubstock spannte. Ihr Gesicht war das
der Medusa; Bendrecourt schauderte davor
und er bog sich unwillkürlich soweit als mög
lich in den Sessel zurück, dieses Weib war
ihm entsetzlich.
(Fortsetzung folgt.)
ziehungen pm Deutschen Kaiserhofe zuIGeschäft sich nicht verträgt,
retten, was möglich ist. Daß das v. Koscielski «lehnte ich eine Candidatur ab.
gelungen sein sollte oder noch gelingen Beschuldigung berichtige
ich
Deshalb
Die letzte
dahin: Au'
wurde, erscheint nach unserer Kenntnißj der meinem Gut, wo ich nicht wohne, hatten
Lunge ausgeschlossen. . einige dort einquartirte Offiziere mehrere
~ Der Kaiser soll sich persönlich für steinerne Säulen, die ich zum Schmucke
die Frage der Bo rsenreform interessiren. ves Gartens beim Abbruch einer Orangerie
Es wird ■ - - - - — - a
<rr> a, t geschrieben, daß der hatte stehen lassen, den Scherz gemacht,
Monarch selbst durch das Clvllkabinett im diese Säulen umzustürzen und zu be-
schoße des Staatsministeriums die Börsen- schädigen. Ich verlangte Wiederherstellung
reform auf das Entschiedenste hat anregen derselben, begnügte mich aber damit, daß
taffen, und auch noch in allerneuster Zeit die Herren 100 Mark an die Diaconissen-
aus einem besonderen Anlaß Gelegenheit anstatt in Jaroschin zahlten.^
nahm, an anderer Stelle direkte Maß- Berlin, 28. Sept. Eine Untersuchung,
nahmen anzuordnen. Anlaß dazu gab die der zufolge ein Hypotheken-Makler G. ver-
Immediateingabe einer hochgestellten Dame, haftet worden ist, wird auf vierzehn Per-
die einen großen Lheil ihres Vermögens sonen ausgedehnt, die wegen Wuchers
an Werthen des „Unter den Linden Bau- resp. Beihülfe zu demselben unter Anklage
Vereins verloren hat. Diese Eingabe gestellt worden. Die täglich stattfindende»
übersandte der Kaiser mit einigen kräftigen Vernehmungen auf dem Polizeipräsidium
Ausdrücken versehen zur weiteren Er- resp. vor dem Untersuchungsrichter ergeben
ledigung an den Justizminister, der seiner- ständig so viel neues Material über die
seits die Aufmerksamkeit der Staatsanwalt. Praxis der Wucherer Berlins, daß ein
schaft auf den Fall lenkte. Diese hat be- Abschluß der gerichtlichen Untersuchung
reits eine Untersuchung eingeleitet und die noch gar nicht abzusehen ist und vor Mitte
Geschäftsbücher der Gesellschaft beschlag- nächsten Jahres der Massenprozeß nicht
""h"ît. . stattfinden dürfte. Bezüglich des vielge.
Die Ueberführung der Reichsbib- nannten Wucherers Laboschin ist noch zu
lro thek in die Räume des neuen Reichs- ermähnen, daß derselbe nicht nur Bauwucher
tagsgebäudes ist nunmehr erfolgt. Es war gerieben, sondern auch baare Darlehen
das insbesondere fur dre bethettigten Bib- gegeben hat, welche — so wird behauptet
ttotheksbeamten ein fihweres Stück Arbeit, — durch Schiebungen bis zu fünfhundert
zumal die erforderlichen Vorkehrungen der- Präsent von den Opfern verzinst werden
art getroffen werden mußten, daß die ge- mußten. Um sich vor Bestrafung zu sichern,
mmmten Bucher auch sofort an den für hat L. fast niemals das Geschäft selbst
} e . ļ'Ģunmten Plätzen ordnungsmäßige gemacht, sondern er schob, dem „L.-A."
àŗflbllung ffnden konnten, was bei einer zufolge, einen seiner Agenten vor, der dann
Bibliothek von 80 000 Bänden immerhin als Capitalist figurirte und gegebenen
etwas besagen will. Nachdem dies jetzt Falles erbarmungslos gegen die Schuldner
geschehen ist, wird demnächst auch die so- vorzugehen hatte,
genannte Handbibliothek, die als solche Ein Wahlfälschungsprozeß ist m
bisher noch nicht vorhanden war, ent-Kassel verhandelt worden. Der Bürger-
prechend hergerichtet werden; sie findet meister des Dorfes Rommerode, Kreis
ihren Platz in dem in der unmittelbaren Witzenhausen, Landrath Johannes Wollen-
Nähe des großen Sitzungssaales belegenen Haupt, war wegen Fälschung öffentlicher
Zeitschriftenzimmer, in dem auch der Ober- Wahllisten aus 8 108 des Reichsstrafgesetz,
bibliothekar Dr. Muller seinen Arbeitsplatz Huches unter Anklage gestellt. W. hatte
nehmen wird. _ bei der Wahl zum Gemeindeausschusse die
Ueber die Wahrnehmung be rech- ihm zu Protokoll abgegebenen Stimmen der
tigter Interessen als Schutz bei Be- Anwohner falsch eingetragen, um einen
l eidignngsklagen hat das Reichsge- Gemeindeausschuß zusammen zu bringen,
richt in einem Prozeß eine interessante mie ihn der Bürgermeister wünschte. Diese
Entscheidung getroffen. Bei der letzten gefälschte Wahlliste legte er dann dem
Reichstagswahl hatte ein liberaler Wahl- Landrathe vor. Die Gegenpartei zeigte
ausschuß in einer an den Minister des die Sache an. Das Urtheil lautete auf
Innern gerichteten Beschwerde angegeben, sechs Monate Gefängniß,
das der Land rath, der als Delegirter Um eine Hochzeitsfahrt besser be
des konservativen Vereins in die Wahl- obachten, lehnte sich die erwachsene Tochter
bewegung eingetreten war, einem Wähler, des königlichen Oberamtmanns Fritsch in
wenn er für einem ihm bezeichneten Kandi- Görlitz zuweit über die Balkonbrüstung
daten wirke, die Erlaubniß zur Er- der elterlichen Wohnung, stürzte hinab und
richtung einer Schankwirthscha ftlmar auf der Stelle todt.
versprochen habe. Da diese Anführung Eisleben, 29. Sept. Wiederum liegt
ich als thatsächlich unrichtig herausstellte, ein trauriger Beweis dafür vor, wie groß
o wurden die Ausschußmitglieder wegen und wie schwer unsere Stadt geschädigt ist
Beleidigung des Land rat Hs zur Unter- Ein durch die Erdsenkungen beschädigtes
uchung gezogen. Die Strafkammer er- Haus wurde gestern an Gerichtsstelle zwangs
kannte aber aus 8 193 des Strafgesetz- weise verkauft. Das Haus war belastet
buches auf Freisprechung, da die Ange- mit 13000 Mk. Hypotheken. Der gestrige
klagten m Wahrnehmung berechtigter Inter- Verkaufspreis betrug — 160 Mark. Die
essen und ohne die Absicht zu beleidigen Gerichtskosten für die Versteigerung be>
gehandelt hätten. Die von der Staats- tragen 137 Mk., sodaß für die Gläubiger
anwaltschaft hiergegen eingelegte Revision gerade 23 Mark übrig bleiben. Hieraus
fl nach Mittheilung der „Jur. Wochenschr." kann man sehen, daß die geschädigten Häuser
von dem Reichsgericht verworfen völlig entwerthet sind,
worden, welches ausführte: Berechtigte Eine Fahrt mit Hindernissen
Interessen, zu deren Wahrnehmung Aeuße- machten Montag-Abend die von Ochsen
rungen, obwohl sie die Ehre eines andern fürt nach Würzburg zurückkehrenden Theil-
verletzen, straffrei gethan werden können, nehmer an dem Ochsenfurter landwirth
sind nicht nur .solche, die im Privatrecht schriftlichen Bezirksfest. Zwischen Heidings-
wurzeln, vielmehr alle Interessen, die das feld und Würzburg rissen nicht weniger
Recht anerkennt, also auch solche, welche als dreimal die Kuppelketten und mußte
dem öffentlichen Rechte erwachsen. Der jedesmal längere Zeit gehalten werden
193 unterscheidet nicht zwischen privat- Im Bahnhof Würzburg schließlich riß so
rechtlichen und öffentlich-rechtlichen Inter- gar die Vorspannmaschine von der zweiten
essen. Das Recht der Wähler, sich nach Maschine. In dem Zuge befanden sich
ihrer Parteirichtung zum Betriebe der den auch der Regierungspräsident und der Per
Reichstag betreffenden Wahlangelegenheiten sonalreferent des Oberbahnamtes,
zu organisiren, ist gesetzlich anerkannt. Um Mit zwei Stichwunden im Herzen
eine derartige Verbindung der liberalen und Hals wurde am Sonnabend früh
Partei in M. und um die Thätigkeit, die München der verheirathete Uhrmacher
als ihr Organ die zu einem die Geschäfte H u b e r in der Frauenhoferstr. im Zimmer
führenden Ausschuß vereinigten fünf Ange- seines Logisherren des P olizeikom
klagten zum Betriebe der Wahlangelegen miss ars Frohnmader todt aufge
hen ausgeübt haben, handelt es sich im funden. Weder vom Thäter noch dem That
vorliegenden Falle. Die Angeklagten haben instrument ist die geringste Spur vorhanden
durch ihre Thätigkeit objectiv berechtigte Nach der „Boss. Ztg." geht das Gerücht
Interessen wahrnehmen wollen, und sie die That hätte dem Polizeikommissar '
waren zur Wahrnehmung derselben berufen gölten.
und befugt. Hiernach und da der Vorder- Düsseldorf, 29. Sept. Der seltene
Achter auch die Frage, ob aus der Form Fall, daß sich nach Ansicht des Gerichts
der Aeßerung und den begleitenden Um-Hofes die Geschworenen zum Nach
ständen die Absicht zu beleidigen hervor- theile des Angeklagten irrten, ist von
gehe, geprüft und bedenkenfrei verneint shier zu melden. Es handelt sich um den
hat, erschien die Freisprechung der Ange
klagten gerechtfertigt.
— Landesökoiiomie - Direktor
des Raubes angeklagten Schneider Gerhard
Schnoek aus Krefeld, welcher am 3. Mai
Kenne-Idie Ehefrau des Lokalbahnschaffners Balk
mann veröffenlicht im „Posener Tagebl." Haus geknebelt und beraubt haben sollte,
folgende Erklärung: Gegenüber den Er- Der Angeklagte wies sein Alibi nach, das
klärungen, die Erzbischof von Stablewski selbst der Staatsanwalt als begründet er-
dem Redakteur des „Börsen-Courier" ge- achtete, weshalb er die Entscheidung der
macht hat, erkläre ich hiermit, daß solche Schuldfrage, deren Bejahung er nicht be-
sämmtlich unrichtig sind. Ich habe nie antragen könne, den Geschworenen anheim
mit der „Kölnischen Zeitung" in Ver- stellte Die Geschworenen sprachen trotzdem
bindung gestanden, habe den fraglichen das Schuldig. Der Staatsanwalt be-
Artikel nicht verfaßt, bin dabei nicht be- antragte 14 Jahre Zuchthaus. Der Ge-
theiligt gewesen und kenne den Verfasser richtshof verkündete den Beschluß, daß jdie
nicht. In einer Branntwein-Commission Sache auf Grund des 8 317 des Str.-G.-B.
bin ich nie gewesen, kann deshalb auch vor die nächste Schwurgerichtspcriode zur
das Verbot der Verschwiegenheit nicht ver- a n derweitigenErledigung ver
letzt haben. Ich wollte nach Ablauf der wiesen werde.
Legislaturperiode nicht wieder ins Abge- Hof, 29. Sept. Eine E l e p h a n t en-
ordnetenhaus, weil die parlamentarische h a u t zu gerben ist hier dem Dampf-
ubätigkeit mir nicht zusagt und mit meinemI gerbeibesitzec Weidner gelungen. In einer
Menagerie, die vor etwa neun Jahren
der Einsteighalle des alten Bahnhoft unter
bracht war, kam ein Riesenelephant um
Weidner erstand damals die Haut, ließ sie
sorgfältig abziehen und den Gerbprozeß
durchmachen. Nach fast neun Jahren
konnte nun endlich die Haut lohgar aus
der Grube genommen werden. Die Haut
hat ihr dunkles Pigment nicht verloren
und sieht fast wie die Haut am lebenden
Thier aus. Das „Bischen" Haut,
die am Rüssel nur kartenblatt dick ist,
iM durchschnittlich zwei Zoll und an
den stärksten Stellen, am Rücken, bis zu
vier Zoll dick. Sie wiegt „nur" ' 20
Centner.
Hamburg, 29. Sept. Vor den Schranken
des hies. Landgerichts standen heute unter
der Anklage eines großartigen Juwelen
diebstahls die Agenten Wagner u. Schön.
Ersterer hatte von Paris aus an Schön
16 Stück imitirte Saphire abgesandt, um
sie hier verkaufen zu lassen. Schön fand
auch einen Nehmer, der gegen 3000 Mark
für die Steine gab, nachdem er sie von
drei Juwelieren auf ihre Echtheit hatte
prüfen laffen. Sämmtliche Fachleute, die
damals die Steine gesehen hatten, behaup
teten, keinen Zweifel an deren Echtheit ge-
hegt zu haben, wenngleich die Steine von
auffallender Schönheit gewesen seien. Nach
träglich stellte sich aber doch heraus, daß
die Steine Imitationen waren. In der
heutigen Verhandlung erklärten die Sach
verständigen, daß die vorliegenden Saphire
in Wirklichkeit gefärbte und geschliffene
Glasstücke wären. Schön, der sich in Ham
burg aufhielt, wurde daraufhin verhaftet
und der andere Mitschuldige Wagner auf
einer Reise in Frankfurt a. M. in Haft
genommen. Die beiden Angeklagten be
haupteten, über die Unechtheit der Steine
nicht in Kenntniß gewesen zu sein, doch
ergab sich aus der aufgefundenen Korre
spondenz zwischen den Beiden, daß es sich
um einen vorbedachten Betrug gehandelt
hatte. Nach der Korrespondenz scheinen
die Angeklagten auch in andern deutschen
Städten ähnliche Betrügereien verübt zu
haben. Das Gericht verurtheilte Schön
zu 2 Jahren, Wagner zu 1 Jahr 9 Mo
naten Gefängniß.
Aus Hamburg schreibt man dem „Volk" :
„Wirklich skandalöseAuftritte kamen
während der in dieser Woche beendeten
Concerte der Kapelle der zweiten Matrosen
division im hiesigen Zoologischen Garten
vor. Hatten schon in früheren Jahren
gelegentlich der Concerte dieser Kapelle
Damen der feinsten Kreise ihrer Ver
ehrung für die Marinemusiker und deren
Kapellmeister Wohlbier in äußerst anstößiger
Weise Ausdruck gegeben, so überstieg doch
das kaum glaubliche Betragen dieser Damen
während der diesjährigen Saiion alles
bisher Dagewesene. Schreiber dieses sah
am verflossenen Sonntag, wie Damen am
Tische, Stühle, Stackets u. s. w. stiegen
und ungenirt die widerlichsten Stel
lungen annahmen, um die Musiker besser
sehen und ihnen Blumensträuße, Briefchen
und Kußhändchen zuwerfen zu können. Ver
ließen die Musiker während der Pausen
den Pavillon, so wurden sie in der un
glaublichsten Weise von Frauen und Mäd
chen, nicht etwa der niedrigeren Stände
sondern der thatsächlich „besten" Hamburger
Familien belästigt. Selbst in der Rubrik
„Aus und mit dem Publikum" des Ham
burger Fremdenblattes gaben Damen ihrem
Gefallen an dem Kapellmeister Wohlbier
und seinen Musikern öffentlichen Ausdruck.
Das Blatt fügt hinzu: Der Zoologische
Garten ist durch diese Szenen so in Ver
ruf gerathen, daß ein anständiges Mädchen
es nicht mehr wagen darf, ihn zu besuchen."
Wir lassen es dahingestellt, ob es wirklich
die Damen der „besseren Kreise" gewesen
sind, die solche Schamlosigkeit begingen
Die „feinen Damen" werden wohl Subjekte
anderer Kategorien sein. Wenigstens ist
die bessere Gesellschaft in Hamburg, soweit
uns bekannt, im Ganzen und Großen noch
nicht so entsittlicht, wie es in obigem Be
richt geschildert wird.
Hamburg, 29. Sept. Der Kassirer der
„Volksbank", E. G., seit einer Reihe von
Jahren im Dienste des alten Instituts,
ist nach einer Unterschlagung von 30 000
àark, wie gemeldet, flüchtig geworden. Es
ist indeß ^ Aussicht vorhanden, daß das
mit Hülfe des Vaters und der ge
teilten Caution, zum größeren Theil ge-
deckt werde. Der Ungetreue hat die regel
mäßig stattgefundenen Revisionen dadurch
zu täuschen gewußt, daß er in die Gold
rollen und in die aufgezählten Goldstapel
Spielmarken zu stecken wußte. Erst
als der Kassirer gestern nicht im Dienst er-
chien, revidirte man eingehender und ent
deckte das recht erhebliche Manko. — Wie
groß die Arbeitslosigkeit in Hamburg ist,
erhellt aus der Mittheilung, daß die hies.
Freihafen-Lagerhausgesellschaft gestern 30
Arbeiter zum Getreide-Ausladen suchte,
und sich ca. 600 Mann meldeten.
Hamburg, 28. Sept. Der Einbrecher
Gustav Hermann Schulze, welcher bei
dem Bankier M. Jakobsen, Großen-
Bleiche mit einer seltenen Seelenruhe das
Schloß aus dem Geldschrank herausbohrte,
hat sein Werk mit einer seltenen Frechheit
ausgeführt. Zunächst hat Schulze mehrere
Flaschen Bier, welche im Comtoir standen,
in ausgetrunken und dann mit großer Kenner
schaft den Schrank angebohrt, die Geld
kassette mit Gold aufgebrochen und den-
Jnhalt eingesteckt. Es würde seine Thätig
keit auch kaum bemerkt worden sein, wenn
er nicht schließlich das regelmäßig im
Comtoir brennende Licht ausgelöscht hätte,
denn erst durch die plötzliche Dunkelheit
der Schaufenster wurde der Schutzmann
aufmerksam. Bei der Flucht rannte der
Dieb den Schutzmann über den Haufen
und wurde im entscheidenven Augenblick
von einen Droschkenkutscher gefaßt. Schulze
war mit einem sechsläufigen Revolver
versehen.
Aus Bierlande«. Obwohl der dies'
jährige Herbst bisher noch nicht die
schönsten Sommertage aufzuweisen hat, ft
sind andererseits die Nächte recht empfind
lich kühl. So war vor einigen Nächten
das Thermometer fast bis auf den Gefrier
punkt zurückgegangen, sodaß Morgens die
Pflanzen mit Reif überzogen und manches
Gemüse, besonders aber die türkischen
Erbsen, die gegen Frost äußerst empfind
lich sind, stellenweise total erfroren waren-
Andererseits sieht man den diesjährigen
Herbst mit seinen warmen Tagen Blüthen
und Früchte zeitigen, wie es in viele«
Jahren nicht vorgekommen ist. So erblickt
man, der „Verged. Ztg." zufolge, ganze
Erdbeerselder mit weißen
Blüthen bedeckt, gerade so, als seien
es die ersten Blüthen dieses Jahres. Selbst
der Hollunderstrauch prangt hier und da
im schönsten Blüthenschmuck, daneben noch
die schwarzen glänzenden Beeren auf
weisend.
Die Vernehmung des Banknoten
fälschers Nestler in Hamburg hat z«
ganz neuen Entdeckungen über die Mit
thäter Veranlassung gegeben und fanden
infolgedessen wieder neue Haussuchungen
tatt. Das bei den Fälschungen verdiente
Geld soll wesentlich in Hypothekposten
angelegt sein.
Provinzielles.
Direktor Dr. Klapp vom Wandsbeker
Gymnasium ist wegen schweren Gehörleidens
nach 22jähriger Amtsthätigkeit in den
Ruhestand getreten.
Der Kaufmann Hansen in Heide über
gab durch seinen Hausknecht dem Arbeiter
Schröder einen Geldbrief mit 600 JK zur
Weiterbeförderung. Der jedoch rückte damit
aus. Zwei Radfahrer fuhren hinterher.
Bei Meldorf ward Schröder eingeholt und
hatte noch 590 JL bei sich.
Selbst nach dem Genusse guter Pilze
treten in Flensburg in diesem Herbst
Krankheits - Erscheinungen auf. Dazu ist
zu bemerken, daß allerdings jeder Piiz
schädlich wirken kann, wenn er zu alt ist
oder in anhaltender Nässe gewachsen ist-
Die Pilze sind immer etwas angefault-
Schneidet man z. B. den Stiel eines
Schwammes der Länge nach auf, so findet
man, sobald der Pilz durchwässert ist,
eine schlissige Masse, die die eingetretene
Fäulniß schon anzeigt, obioohl der Pilz
äußerlich noch kerngesund erscheint. Derart
durchwässerte Pilze sind schwer verdaulich-
Von Tönning aus beabsichtigt man, nach
einer Zuschrift der „I. N.", ein neuesļ
Unternehmen ins Werk zu setzen. Es hat
sich nämlich ein Konsortium zusammen-
gethan, um Rindvieh aus Irland dorthin
herüberzuführen. In diesen Tagen sind
bereits einige Herren nach dort abgereist,
um die Einkäufe zu besoffen, sodaß wir
voraussichtlich in der nach,ten Zeit in Tön
ning einen Viehdampfer erwarten können.
Wie gemeldet, wird in Kiel die Grün
dung einer Kaltwasserheilanstalt
geplant. Inklusive Aufführung des neuen
Kurhauses stellen sich die Gesammtkosten
auf ca. 500 000 Jl. —- Der hiesige Stadt-
rath W i ch m a n n, ein um unsere Stadt
hochverdienter Mann, begeht im nächsten
Monat sein 25j. Jubiläum als Mit
glied der Kieler Stadtvertretung; dreizehn
Jahre hat er dem Stadtverordneten-Kolle-
gium und zwölf Jahre dem Magistrat als
unbesoldetes Mitglied angehört. An der
Wiederwahl Wichmanns ist bei der dem
nächst erfolgenden Neuwahl eines unbesol
deten Stadtraths nicht zu zweifeln. — Der
hiesige Bürgervercin richtete kürzlich eine
Eingabe an dem Magistrat, um Vermeh
rung der Stadtverordneten,
deren Zahl sich jetzt auf 24 beläuft. Der
Magistrat hat jetzt erwidert, daß der be
schränkte Raum im Sitzungssaale des Rath
hauses eine Vermehrung der Zahl der
Stadtverordneten nicht zulasse.
Kiel, 29. Sept. Zur heutigen Betriebs-
-Eröffnung der Ostseeschleuse des Nord-
ostseekanals fhnd eine größere Feier
statt. Holtenau war herrlich geschmückt.
In der Maschinenhalle, in der das Modell
der Schleuse aufgestellt war, hielt Bau-
inspektor Sympher eine Ansprache, dann
der Kanalkommission, den
und der Festgesellschaft die
wurden von
Baubeamten
Dampfer „Berlin", „München", „Dresden"
und „Stuttgart" bestiegen. „Berlin"
passirte zuerst die Schleuse und zerschnitt
ein über die Schleusengrube gespanntes
schwarz-weiß.rothes Band. Mit Hochrufen
auf den deutschen Kaiser ging es durch die
Schleuse bis zur Hochbrücke bei Levensau.
Unterwegs wurde die Gesellschaft durch
Böllerschüsse begrüßt.