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-H- 87ster Jahrgang.
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Ireitog, den 28. September
1894.
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Redaction und Expedition
des Neudsburger Wochenblattes.
Morgen- Depeschen.
Wilhelmshaven, 28. Septbr. Kontread
nnral Hoffmann wurde zum Kommandeur
des deutschen Geschwaders vor Korea er
nannt.
Brüssel, 28. Sept. Die Staatsanwalt
schaft in Essen hat die hiesige Polizei be-
nachrichtigt, daß ein Dieb, der in Essen
30 000 Mark gestohlen, nach Brüssel ge
flüchtet sei. Die Staatsanwaltschaft fordert
die Verhaftung des Diebes.
Marseille, 28. Sept. Zwei Italiener,
welche photographische Aufnahmen der Fe
stungswerke machten, wurden hierbei abge
faßt und heute in Nizza verhaftet.
. London, 28. Sept. Wie „Daily Chro
nicle" aus Moskau meldet, wurde Pro-
Şacharjin vorgestern Nacht nach
Llvadia zum Zaren berufen, welcher ernst
lich erkrankt sein soll. '
London, 28. Sept Nach einer „Times"-
Meldung aus Shanghai soll der Kapitän
Fong-Bizuen wegen Feigheit vor dem Feinde
hingerichtet worden sein. Der Kapitän
hatte bei der letzten Seeschlacht die Flucht
ergriffen, worauf die Japaner sein Schiff
in die Luft sprengten.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
Wie aus Ncwyork vom 25. d. Mts.
dem Bureau Reuter telegraphisch gemeldet
wird, hat ein furchtbarer Sturm die
Insel Cuba heimgesucht und große Ver
heerungen angerichtet. Menschenleben hat
der Orkan jedoch nicht gefordert.
Ein Proceß um ein Bein schlvebt
gegenwärtig in Brooklyn. Dr. Hawthorn
hat dem Millionär Bridges sein rechtes
Bein amputirt. Um sich nun Reclame zu
machen, hat der Doctor das Bein in
Spiritus in seinem Wartezimmer aufge
stellt und es mit der Aufschrift versehen:
„Dieses Bein gehörte einst Mr. Dash
Bridges; ich habe es ihm am 14. August
1894 glücklich amputirt" Mr. Bridges
will aber „fein" Bein nicht zu Schau-
und Reclamezwecken hergeben und hat den
Arzt der sich weigert, das Bein zu ent
fernen, des Diebstahls angeklagt. Die
Verhandlung wurde bereits zweimal vertagt,
was natürlich das Interesse an den Proceß
noch mehr steigert.
»Hraukreich.
In der Paulskirche zu LourdeS, die
von Pilgern dicht gefüllt war, ertönte
kürzlich während der Andacht ein lauter
Hochruf auf die Anarchie. Zugleich
erhielt ein Pilger von dem Manne, der
diesen Ruf ausgcstoßen hatte, mehrere
Schläge. Als der Schweizer dazwischen
kam, fiel der Anarchist auch über ihn her
und riß ihm seinen Degen fort. Mit
Mühe gelang es endlich, den Menschen
zu fesseln und den Gendarmen zu über
geben.
Paris, 27. Sept. Recht drollig ent
wickelt sich — so schreibt das „B. T." —
der Fall des sozialistischen Depu-
tirten Mir man. Her Mirman, seines
Zeichens Mathematiklehrer und als solcher
am Lycee zu Reims angestellt, erhielt Be
freiung vom Militärdienst auf Grund eines
sogenannten zehnjährigen Kontraktes, den
er mit der Unterrichsvertvaltung schloß.
Seine zehn Jahre, die er mit dem Unter-
richtsminister zur Verfügung gestellt hatte,
um Dienstfreiheit zu erlangen, waren noch
nicht abgelaufen, als die sozialistische Wäh
lerschaft der alten Königstadt Reims den
neunundzwanzigjährigen Lehrer ins Palais
Bourbon entsandte, wo Mirmans üppiger
Haarwuchs seinem Träger eine ähnliche
Berühmtheit verschaffte, wie diejenige, deren
sich kein Kollege auf den sozialistischen
Bänken, der Clovis Hugues, zu erfreuen
hat. Herr Mirman fand, daß Gesetze
machen und unartigen Schulbuben den Py-
thagoräischen Lehrsatz zu erklären, zwei
miteinander unerträgliche Beschäftigungen
seien, und legte deshalb seine Lehrerstelle
nieder, um sich ganz der Politik zu wid-
men. Flugs kommt der Kriegsminister
und sagt dem jugendlichen Deputirten:
„Wenn Du Deinen zehnjährigen Kontrakt
mit der Unterrichtsverwaltung nicht er
füllst, so gehörst Du wieder mir und wirst
Deine Zeit nachdienen; Du wirst da
her zum 1. November in das Jäger-
Bataillon als Rekrut eingesteckt." Soweit
hat die Sache nichts besonderes Bemerkens-
werthes. Nun versteifen sich aber die so
zialistischen Wähler von Reims auf ihren
ehemaligen Mathematikprofessor und er
klären ihm: „Du bleibst unser Deputirter,
zu dem wir Dich gewählt haben; das
wäre noch schöner, wenn der Kriegsminister
souveräner wäre, als der souveräne Volks
wille." Herr Mirman bleibt also Depu
tirter, muß aber Soldat werden. Fragt
sich: giebt es kein Mittel, um dieser Dop
pelexistenz ein Ende zu bereiten? Und da
erklären Sachverständige und Kenner der
französischen Verfassung: „Nein, es giebt
kein Mittel, um den Deputirten Mirman
zur Niederlegung seines Mandats zu zwin
gen. Ein Artikel der Verfassung heißt
zwar: „Aktive Militärpersonen können nicht
in die Parlamente gewählt werden", aber
mit diesem Paragraphen ist hier nichts zu
machen, da man nicht einen Soldaten zum
Deputirten gewählt hat, sondern einen
Deputirten in das zweifarbige Tuch stecken
will. Herr Mirman bleibt also Deputirter
und wird den Verhandlungen im Palais
Bourbon beiwohnen dürfen, — wenn es
ihm sein Dienst gestattet." Will er aber
seinen Platz einnehmen, so werden die Be
amten im Palais Bourbon ihm den Ein
tritt verweigern — im Interesse der Un
abhängigkeit der Berathungen der parla-
mentarischen Körperschaft darf kein Soldat
den Sitzungssaal betreten. Die Befehle
darüber sind formell. Will Herr Mirman,
um Schwierigkeiten aus dem Weg zu
gehen, sich in Civil werfen, kommt ihm
seine Militärbehörde auf den Nacken und
verdonnert ihn zu längerem oder kürzerem
Arrest. Das braucht sich ein freier Volks
vertreter aber nicht gefallen zu lassen, ist
doch die erste Garantie für die Ausübung
eines hohen Mandets seine Unverletzlich,
keit. Und so dreht man sich immer weiter
im Kreise. Einstweilen zerbricht sich die
Pariser Presse den Kopf des Herrn Mir
man und stellt Prognostiken darüber auf,
ob der Kriegsminister ihn schließlich haben
wird oder die Kammer. Jedenfalls ist die
anfänglich als möglich gedachte Doppel-
Existenz ein Unding.
Rußland.
Petersburg, 27. Sept. Ueber die Krank-
heit des Zaren wird so viel Widersprechen-
des berichtet, daß man in der That in
Verlegenheit geräth, weiteres darüber zu
veröffentlichen. Schlagfluß, Nierenentzün
dung, Bright'sche Nierenkrankheit, haben
als Ursache des Leidens bereits im Vorder
gründe gestanden. Heute wird alles wider
rufen. Man thut also am besten, vor der
Hand anzunehmen, daß alle Meldungen
einer ziemlich willkürlichen Kombination
entspringen.
Ueber eine sensationelle Ent
deckung läßt sich die „Morning Post" aus
Petersburg telegraphiren: „Eine Anzahl
Skelette wurden in geringer Tiefe auf dem
Hofe des Zollamtes von Petersburg ge
funden. Dieselben trugen Eisenringe um
die Knöchel, an Armen und Füßen. Schon
vor 15 Jahren fand man auf demselben
Hofe eine Anzahl Marterwerkzeuge. Die
Erklärung dieser hier großes Aufsehen er
regenden Funde wird darin gesucht, daß
an jener Stelle die Geheimkanzlei des Re
genten Biron, des Günstlings der Kaiserin
Anna stand, und daß über dem Fundorte
sich offenbar die Geheimkammern befanden,
in denen der tyrannische Günstling seine
Opfer martern ließ."
Oesterreich.
Innsbruck, 24. Septbr. Das reizende
Mittelgebirge oberhalb des Schlosses Am
bras war am letzten Freitag-Nacht die
Stätte eines abscheulichen Verbrechens,
das sogar die Erinnerung an „Jack den
Aufschlitzer" wachruft. Gestern früh fand
man nämlich an der Straße Ambras-
Aldraus unter Erlengebüsch die Leiche eines
jungen Mädchens, welches alsbald als die
22jährige Philomena Würtenberger aus
Ambras, die in dem unweit davon im
Mittelgebirge gelegenen Orte Lans als
Kellnerin bedienstet war, erkannt wurde.
Das Mädchen war am Freitag-Abend gegen
7 Uhr von Ambras, wo man das Kirchen
fest gefeiert hatte, nach ihrem Dienstort
zurückgekehrt und fiel unterwegs dem bis
her noch nicht eruirten Mörder in die
Hände. Es mußte einen harten Kampf
gegeben haben; das Mädchen hielt noch
einen Büschel Kopfhaare krampfhaft in der
Faust, während von ihr Haare unweit des
Thatortes gefunden wurden. Das Opfer
hatte vier Stiche im Halse. Tragkörbchen
und ein Sparkassenbuch (sie hatte erst am
Freitag-Mittag in Innsbruck eine Einlage
gemacht) fehlten. Heute früh machte man
unweit der Ainbraser Schloßmauer einen
anderen grausigen Fund; in einem Graben
lag die gräßlich verstümmelte Leiche einer
etwas über 30 Jahre alten Fauensperson;
die Kleider waren herabgerissen und der
Unterleib bis zur Brust aufgeschnitten;
unweit davon lag der noch ungeschickt her
ausgeschnittene Uterus mit einem vier Mo-
nate alten Kinde. Bisher konnte man die
Identität der Unglücklichen, deren Leiche
ebenso wie die erste Leiche in das hiesige
pathologische Institut gebracht wurde, noch
nicht feststellen. Den Thäter hat man noch
nicht, doch glaubt die Behörde, eine ziem
lich genaue Beschreibung desselben zu be
sitzen. Heute haben zwei Bataillone Kaiser-
jäger, die Gensdarmen von Innsbruck,
Wilten und Jgls, sowie die Bauern der
Mittelgebirgsdörfer die Gegend durchstreift,
leider ohne Erfolg. Die Wuth der Bauern
ist ungeheuer. Der Mörder würde, wenn
er in ihre Hände gekommen wäre, gelyncht
worden sein. Die weiblichen Bewohner
des Mittelgebirges anderseits sind in großer
Angst; sie getrauen sich kaum mehr, die
Milch in die Stadt hinabzubringen. Man
vermuthet übrigens bezüglich der beiden
Morde, daß der letzterwähnte zuerst voll
bracht wurde, daß das Ambraser Mädchen
dazu kam und von dem Mörder, damit
auch die Zeugin aus dem Wege geräumt
würde, nachher getödtet wurde.
Jni«rrrd.
— Als Nachklang zu den Preußischen
Kaisertagen wird der „Elbinger Ztg."
folgende kleine Manövergeschichte gemeldet.
Während des dreitägigen Korpsmanövers
passirte dem Höchstkommandirenden, dem
General von Werder, ein eigenartiges
Mißgeschick. General von Werder nebst
seiner Suite wurde von einer Infanterie-
Compagnie gefangen genommen. Der
Kaiser, der sich mit seinem Stabe ganz in
der Nähe befand und das Malheur seines
Generals mit angesehen, rief diesem lachend
zu, daß, da Exzellenz doch „geliefert" sei,
er das das Kommando des Korps für den
Rest des Gefechtstages übernehmen werde.
Und so geschah es in der That; die Ge
fechtsdispositionen wurden von dem obersten
Kriegsherrn ertheilt und das Korps
manövrirte, ohne daß Offiziere und Sol
daten es wußten, nach den Ideen und
Angaben Kaiser Wilhelms.
— Das freikonservative „Deutsche
Wochenblatt" des Abg. Arendt bringt
unter der Ueberschrift „Bismarck" einen
heftigen Artikel gegen den Reichskanzler
Grafen Caprivi. Niemand achte
heute mehr auf die persönliche Meinung
73 Man sagt.
Roman von E. vo» Wald-Zcdtwitz.
„Excellenz! Herr Hofmarschall! Ercellcn;
Mäurer!" Lorenz war es als wenn Jemand
ihm die Kehle zudruckte, denn er fühlte sich
unfähig, auf Heinzens Ruf zu antworten
„Herr von Mäurer! Sic werden sich sllt f
den Tod erkälten, hier ist ihr Ueberrock, ziehen
Sic den an! Frau von Römhild ist sehr be
sorgt um Sie."
Dem Hofmarschall war es, als müsse er
Heinz in's Gesicht schlagen, aber die schon
erhobene Hand senkte sich wieder, der junge
Mensch sah so ehrlich aus und aus seinen
Augen sprach nichts, als aufrichtige Theil
nahme.
„Ich danke Ihnen!" Herr von Mäurer
schlüpfte mit Hülfe Königshofcn's in die
Acrmel.
„Sie fühlen sich nicht Wohl, Excellenz, ich
darf Sic nach Hause geleiten, fragte Heinz
weiter.
„Nein, nein! Gehen Sie zu Frau von
Römhild zurück und beruhigen Sic dieselbe
über meinen Zustand."
„Aber, das hat noch Zeit, vorläufig —"
„Ich bitte darum!" sagte Herr von Mäu
rer so entschieden, daß Königshöfen nur übrig
blieb, sich seinem Willen zu fügen.
Der Hofmarschall ging eilig weiter, es war
die höchste Zeit, das sich die Entfernung
zwischen ihm und Jenem legte, denn schon
wieder fühlte er die Wuth in sich aufsteigen,
so daß er nicht wußte, ob er sich ixtdjt bei
längerem Zusammensein mit demselben doch
zu einer That hätte hinreißen lassen, welche
er später vielleicht bereuet?.
Aber je mehr er sich in seine Gedanken
vertiefte, desto lebhafter erwachte die ruhige
Uebcrlegung und das Bestreben, che er han
delte, sachgemäß zu prüfen, wie er dies in
seinem langen Leben gewohnt war.
„Ja, so soll cs sein," entschied er endlich
und nun zog er in Erwägung, wie dies ani
Besten geschehen könne.
Schon längst lag es in seiner Absicht, welche
er den B-theiligtcn auch bereits gesprächsweise
eröffnet hatte, auf Storckwitz einige Freunde
zur Jagd einzuladen. Heinz Königshofen
tollte auch unter denselben sein, ebenso die
aronm mit Hartwig und Ellinor und noch
eungc Schützen. Die Jagd sollte bald statt
weiterer Beobachtung! H ^ @etc 8 c ^ cit
der'WiÜÄ*Annahme, dann fällt
dnckwi.? Gott mein ganzes Leben in-
dmch war es mem Stolz, mich von Hofin-
trrgnen fern zii halten und nun bin ich auf
leiten ^ — st dnC f0W,C àzu-
Heinz Königshofen hatte nur Frau von
Römhild Bescheid gebracht und sich dann
auch entfernt, um sich von hier aus, den
Wünschen Fanny von Schönwolff's ent
sprechend, zu deren Eltern zu begeben und
den Abend dort zu verleben, während Lieutenant
Mohrberg sich bei Frau von Römhild hatte
ansagen lassen.
Unterwegs begegneten sich beide Freunde,
sie brachen in helles Lachen aus und trugen
sich Grüße an Fanny bezüglich Ellinor auf,
welche in dieses kleine Jntriguenspicl eingeweiht
waren und sich im Voraus schon darauf
freuten.
„Das ist einmal ein netter, vernünftiger
Gedanke, Herr Königshofen, daß sie auch
ungeladen zu uns kommen!" empfing ihn
Frau von Schöuwolff, „nur müssen Sie
vorläufig allein mit mir fürlicb nehmen, mein
Mann ist noch auf der Kanzlei und meine
Tochter befindet sich noch unter dem Kom
mando der Französin!"
„Also Fräulein Fanny hat noch Unterricht?"
fragte Heinz, indem er den angebotenen
Sessel annahm.
„O, natürlich! Ein Mädchen kann nie
genug lernen, und bei Fanny's natürlicher
Begabung wäre es ein schreiendes Unrecht
der Eltern, wenn wir jetzt schon die Zeit des
Lernens aufhören lassen wollten, ich weiß
nicht — die Lampe —"
Frau von Schöuwolff schraubte dieselbe
ein wenig nieder, so daß sich der niatte röth-
liche Schein, welcher durch den rothen Spitzen
schleier hervorgebracht wurde, noch etwas
verdüsterte, wußte sie doch, daß diese Beleuch
tung für sie besonders günstig war.
„Ich mag das grelle Licht nicht leiden,
so, nun lassen Sie uns plaudern. Ein ab
scheuliches Wette heute. Ich mag um diese
Jahrcszeitig unser liebes Deutschland garnicht,
es ist so kalt, so unfreundlich."
„Da müssen gnädige Frau den Winter
im Süden verbringen."
. „Die Stellung meines Mannes —, wenn
wir nicht gezwungen wären, hier zu bleiben,
würden wir selbstredend während dieser rauhen
Jahreszeit an den itatienischen Seen leben;
warum dies auch nicht alle Menschen thun,
welche in der Lage dazu sind, begreife ich
nicht. . So ist es mir unfaßbar, daß die
Baronin von Römhild sich entschließt, hier
zu bleiben. Was hindert sie denn nur daran,
wärmere Regionen aufzusuchen?"
„Sie ist viel gereist und verspricht sich
wohl für Fräulein Ellinor hier mehr Ver
gnügen, als in einem derartigen klimatischen
Kurort."
„Aber, ich bitte Sie, Herr Königshofen,
Rom, Florenz, Neapel, ja selbst Venedig
bieten doch Zerstreuungen genug und noch
dazu viel edlere, wie man hier in der kleinen
Residenz findet."
„Gewiß, gewiß, aber darüber läßt sich
garnicht streiten, daß ist eben Geschmackssache."
„Natürlich, sie hat ja außerdem wohl auch
den Süden reichlich genossen, damals zum
Beispiel, als sie mit ihrem verstorbenen Gatten
in Meran lebte. — Sie entsinnen sich, Herr
Königshofen, daß wir uns zu jener Zeit
auch dort aufhielten -—; wir sprachen, glaube
ich, schon einmal davon —. Ihr Herr Vater
machte ja dort seine Studien."
„Ja, ja!" warf Heinz ein und Cäcilie
bemerkte, daß ihm die Ecwähnung dieses
Umstandes peinlich war.
„Es ist doch wunderbar, daß Frau von
Römhild sich Ihres Vaters gar nicht mehr
entsinnt."
„Es giebt Leute, die absolut kein Gedächt
niß für Physiognomien haben."
„Aber, ich bitte Sie, wenn man mit
Jemand verkehrt?"
„Aber es muß doch so sein, meine Gnädigste,
nicht wahr?"
„Natürlich, aber di: Achnlichkeit jenes
Bildes," fuhr Cäcilie, das steigende Unbe
hagen Königshofcn's scheinbar nicht bemer
kend, fort.
„Ich vermuthe, daß mein Vater sie aus
dem Gedächtniß gemalt hat, denn seine Fähig
keit, die menschlichen Züge zu behalten, war
bei ihm stark entwickelt."
„Wohl möglich," warf Frau von Schön-
wolff leicht hin, aber es lag etwas dabei in
ihren Mienen, was Heinz beunruhigte, und
ihre Augen machten den Eindruck, als ob sie
mehr wüßte, was sie nur aus Rücksichten für
ihn und Bertha nicht aussprcchm wollte.
Heinz wurde unruhig, am liebsten wäre er
aufgestanden und hätte das Zimmer verlassen;
aber er wollte nicht, daß Frau von Schön-
wolff bemerkte, wie ihn diese Angelegenheit
erregte.
Ein wahres Glück, die Thür des Neben
zimmers wurde geöffnet, leichte, flinke Schritte
nahten, Fanny erschien und blieb etwas kokett
auf der Schwell: stehen, so daß der türkische
Sammetvorhang ihrer zierlichen, in ein helles
Wollkleid gehüllten Gestalt den denkbar günstig
sten Hintergrund bot.
„Gott sei Dank, endlich," rief Fanny, tief
anfathmend. „Guten Abend, Herr Königs
hofen, ich habe sic schon kommen hören. Sie
können sich denken, daß mein Pariser Plage-
geist sich nicht gerade über allzu große Auf
merksamkeit meinerseits zu beklagen hatte."
„Das glaube ich gern, nun, Alles glück
lich abgelaufen?"
„Das wollen wir nicht so genau unter
suchen, aber Mania, Du thätest wirklich-
besser, wenn wir Besuch bekommen, die Stunde
abzubestellen."
„Hören Sic nur das Kind, sie spricht
schon ordentlich mit," fiel Frau von Schön-
wolff lachend ein, Fanny dabei zärtlich strei
chelnd, fest überzeugt, daß Herr Königshofen
diese freundliche Familienscene anheimeln mußte.
(Fortsetzung folgt.)