selbst, so schreibt der „Bau", ein Bau-
Handwerker und verlor durch Ausfallen
seiner Baugelder-Hypotheken den mühe-
vollen Erwerb langer Jahre. Aber was
unseren Mann ursprünglich zu Grunde
richtete, gewährt ihm heute die Mittel zu
einem behaglichen Leben. Er ist jetzt eine
eine oft gesuchte Person, die ihre Hülfe
jederzeit bereitwilligst zur Verfügung stellt.
Unter den Baumeistern befindet sich eine
ganze Anzahl, die nicht gern in die Zeitungen
kommen wollen, und sobald sie daher sehen,
daß sie das von ihnen bebaute Grundstück
nicht mehr halten können, wollen sie wenig-
stens nicht bei der Zwangsvollstreckung in
den öffentlichen Bekanntmachungen genannt
werden. Das sind die Kunden des Hypo-
thekenhercules. Sofort ist er bereit, das
Grundstück für die eingetragenen Hypotheken
zu übernehmen, und nach wenigen Tagen
ist er bereits eingetragener Eigenthümer
eines der Zwangsvollstreckung unfehlbar
geweihten Grundstücks. Rasch sucht er
noch so viel wie möglich Miethen einzu
ziehen, und hat er Glück, verpfändet er
noch die des nächsten Vierteljahrs. Einige
hundert, ja tausend Mark werden bei jedem
Geschäft „verdient", und 5—6 „Geschäfte"
macht er durchschnittlich das Jahr. In
jeder Zwangsvollstreckung fallen dann zwar
10 bis 30 000 Mark aus, für die er per
sönlich haftet. Aber wo nichts ist, hat ja
selbst der Kaiser das Recht verloren. Von
Jahr zu Jahr sammeln sich auf den
Schultern unseres Mannes Tausende von
ausgefallenen Hypotheken; er aber, ein
moderner Atlas, trägt die Last lächelnd.
Berlin, 21. Septbr. Die Selbstbe-
wirthschaftung der Kantinen durch
die Truppen soll bis 1896 aufgehoben
werden.
— Ein Berliner Tanzlehrer hat jetzt
besondere Tanzlehrkurse für — Blinde ein
gerichtet.
— Eine ringfreie Brauerei im Sinne
der Sozialdemokratie ist das Münchener
Brauhaus des Herrn Direktor Arendt.
Dasselde wird daher auch von der Boykott
kommission in jeder Weise b e g ü n st i g t.
Gerade diese Begünstigung aber führt zu
schweren Nachtheilen für die in dieser
Brauerei beschäftigten Arbeiter. Solches
ergibt sich, wie wir der „Bolksztg." ent-
nehmen, aus einer Verhandlung des Ge-
Werbegerichts am vorigen Montag. Ein
Bierfahrer der Brauerei klagt darüber, daß
in Folge des größeren Absatzes an die
Sozialdemokratie er genöthigt gewesen sei,
für 17 JL. pro Woche von 6 Uhr früh
bis 12 oder 1 Uhr Nachts zu arbeiten.
Dies würde also einem 19stündigen
Arbeitstag gleichkommen. Die Bier-
fahrer erklärten, nur für einige Wochen
einen Zuschuß von 5 JL erhalten zu haben.
Direktor Arendt entgegnete, daß über die
Dauer der Arbeitszeit mit den Fahrern
überhaupt nichts ausgemacht worden sei.
Nach dem Aufhören des Wochenzuschusses
von 5 Ji hätten die Fahrer für jedes
fremde Faß von außerhalb 25 Pf. erhal
ten, so daß die Gehaltsbezüge nicht ver
mindert worden seien. Der Kläger Peters
behauptete aber, nicht einen Pfennig für
zurückgebrachte Fässer erhalten zu haben.
Kläger fügte auch noch hinzu, Direktor
Arendt habe jeden „rauszuschmeißen" ge
droht, der nochmals Lohnzulage verlange.
Der Vorsitzende Dr. Leo erklärte, daß da,
wo eine feste Arbeitszeit nicht verabredet
worden, der Arbeitgeber berechtigt sei, eine
zwanzigstündige Arbeitszeit zu verlangen;
wer sich verpflichtet habe, 24 Stunden zu
arbeiten, der müsse es auch thun. — Der
gesammte Gerichtshof schien aber nicht
dieser Ansicht zu sein, sondern beschloß,
Beweis darüber zu erheben, ob Kläger in
der That kein Geld für zurückgebrachte
Fässer erhalten habe.
Im Krankenhause zu Spandau starb
gestern morgen infolge einer Operation die
24-jährige Tochter des Transporteurs
Sieber. Das junge Mädchen verunglückte
vor einiger Zeit durch unvorsichtiges
Abspringenvon einemPferde-
bahnwagen; seit dieser Zeit war sie
leidend und wurde zunächst im elterlichen
Hause gepflegt; später verschlimmerte sich
ihr Zustand, was ihre Aufnahme im
Krankenhause nothwendig machte, das sie
lebend nicht mehr verlassen sollte.
Spandau, 20. Sept. Ueber ein selt-
sames Abenteuer, das sich in der letzten
denn Fanny fester am Arm und zog die Halb
widerstrebende vorwärts.
„Aber was hast Du denn, Anna?"
„Komm nur, nichts, nichts, komm nur,"
sagte die Andere.
„Aber, wir können doch zusammen gehen?"
„Fanny! Mädchen! Süße kleine Blind
schleiche. nicrkst Du denn nichts?"
Fanny's ganze Gesicht leuchtete. „Du
glaubst, daß dort die Beiden? Ach, das wäre
ja himmlisch."
„Ich hoffe es wenigstens, was nicht ist,
kann noch werden, sei hübsch vernünftig und
schweig still darüber."
Und nun gingen die Beiden, anscheinend
in die interessantesten Gespräche vertieft, so
daß sie gar keine Zeit fanden, sich nach dem
ihnen folgenden Pärchen umzusehen, weiter
und bogen — ganz zufällig natürlich — in
den dichtbelaubtesten Gang des Parkes ein.
(Fortsetzung folgt.)
Nacht hier auf der städtischen Gasanstalt
zutrug, berichtet der „Anz. f. d. H.": Gegen
11 Uhr vernahm man in der Nähe eines
Gasbehälters lauten Gesang und weithin
hörbaren Vortrag. Bei Nachforschung, es
war klarer Mondschein, sah man auf der
höchsten Höhe eines Gasbehälters
auf der eisernen dünnen Zugstange der
Gasbehälter-Führungssäulen einen Mann
sitzen, der irre Reden führte, von Bölker-
frieden, Blut und Mord sprach und dabei
heftig gestikulirte; er bewegte sich auf dem
gefährlichen Platz, von wo er leicht ab-
stürzen konnte, ohne Scheu mit erstaun
licher Sicherheit. Der Geisteskranke war
über den Zaun der Gasanstalt geklettert
und hatte den Gasometer mit kaum glaub
licher Gewandtheit an einer eisernen Füh
rungssäule erklommen. Die Zugstange, die
ihm als Sitz diente, befindet sich noch acht
Meter über dem Bassinmauerwerk. Das
Personal der Anstalt, das unter Führung
des Direktors Rother die Stätte des auf
regenden Schauspiels umstand, berath
schlagte, was zu thun sei, um den Unglück
lichen herunterzubringen. Man versuchte
es erst durch Zurufe, die jedoch erfolglos
waren; der Wahnsinnige hörte wohl darauf,
fuhr jedoch in seinen unverständlichen De
klamationen fort und erklärte auch, er
würde nur herabkommen, wenn man ihn
mit „lieber Bruder" anrede; er hielt aber
nicht Wort. Gewalt wollte man bei der
Gefährlichkeit der Sache nicht sogleich an
wenden; es wurde die Polizeiwache tele
phonisch von dem Vorfall in Kenntniß ge
setzt, und bald kam auch Hilfe von dort.
Jetzt erstiegen mehrere Personen mittels
einer Leiter den Gasbehälter, aber es
kostete fast zweistündige unsägliche Mühe,
den Unglücklichen, ohne ihn in die Gefahr
des Absturzes zu bringen, herunterzuholen;
der Fremde leistete Widerstand und ent
wickelte dabei fast übermenschliche Kräfte.
Es war ein körperlich gesunder Mann,
Ende der dreißiger Jahre, mir schönem,
blonden Vollbart, gut gekleidet und den
Eindruck eines GebilSeten hervorrufend.
Man behandelte ihn mit großer Schonung
und gelangte mit ihm auch ohne Schwierig
keit zum Rathhause. Als man ihn hier
aber in eine Zelle brachte, verfiel er in
Tobsucht und zerstörte alle Geräthschaften,
deren er habhaft werden konnte; die Pritsche
zerschlug er in unzählige Stücke. Mit
vieler Anstrengung konnte er dann ge
schlossen werden. Der Wahnsinnige ist,
wie aus den bei ihm vorgefundenen Pa-
Pieren zu ersehen, ein pensionirter Lehrer
Ernst Schultze aus der Gegend von Guben;
durch die Papiere wurde auch bestätigt,
daß er in hohem Grade irrsinnig sei; ob
er seinen Angehörigen oder aus einer An
stalt entwichen ist, weiß man noch nicht.
Er hatte auch ein Sparkassenbuch bei sich.
Hannover, 19. Sept. Ein Millionen-
project erregt gegenwärtig das Interesse
der Bevölkerung. Im Centrum der Alt
stadt befinden sich einige Straßen, die in
nichts den Hamburger Gängevierteln nach
stehen. Drei dieser Gassen liegen in un
mittelbarer Nähe der Hauptgeschäftsadern
der Stadt. Es ist deshalb begreiflich, daß
der größte Theil der Bevölkerung sich
sympatisch zu einem Project stellt, das die
Niederlegung der betreffenden Häuserblocks
herbeiführen will, um dadurch Raum zu
einer im größten Style gedachten Passage,
sowie für das demnächst neu zu erbauende
Rathhaus zu gewinnen. Die Kosten sind
auf 7 Millionen Mark veranschlagt.
Die Wittwe Ludwig Windthorst's
vollendete dieser Tage in Hannover bei
leidlichem Wohlsein das 90. Lebensjahr.
Hildcsheim, 20. Sept. Die Ueberschüsse
aus den landwirthschaftlichen Zöllen sind
bekanntlich in diesem Jahre zum letzten
Male an die Kreis- bezw. Kommunalver
bände vertheilt worden. Mit diesen zum
Theil recht bedeutenden Einnahmen ist in
der Provinz Hannover durchweg recht spar
sam umgegangen, selten ist das Geld zu
theuren Häuserbauten angewandt worden.
Vielfach hat man es zur Schul- und Wege
verbesserung benutzt. Hier und dort hat
man auch einen Theil der jährlichen Ein
nahme zu einem Grundkapital angelegt,
dessen Zinsen in Fällen der Noth ange
wandt werden sollen. Die Ueberschüsse
dieses Jahres sind recht gute zu nennen.
— Das Wegfallen dieser Einnahmen wird
in den Folgejahreu mancher Kreisverwal-
tung recht unangenehm sein.
Breslau, 21. Sept. Der Regierungs
präsident von Heydebrand verbot infolge
der Choleragefahr die Abhaltung der Kram-
und Viehmärkte in den meisten
Orten Oberschlesiens.
Stabsarzt Dr. Behring, der Entdecker
des Diphtherie-Heilserums, ist zum
außerordentlichen Professor in der medici-
nischen Facultät der Universität Halle
ernannt und daselbst bis Ende März mit
der Vertretung des durch die Berufung von
Rank nach Dresden erledigten Ordinariats,
sowie mit der Leitung des hygienischen
Instituts beauftragt worden. Behring hat
bisher überhaupt noch keine Lehrthätigkeit
ausgeübt.
Schneidemühl, 21. Sept. Der Brunnen-
techniker Beyer aus Berlin beabsichtigt
in Schneidemühl ein Wasserwerk anzulegen,
welches vie ganze Stadt reichlich mit gutem
Wasser versorgen soll. Es würden zwei
artesische Brunnen, welche auf einer An
höhe außerhalb der Stadt anzulegen sind,
zur Beschaffung der nöthigen Wassermenge
genügen. Wenn die Stadt sich an dem
Unternehmen nicht betheiligen wolle, sei er
bereit, die Anlage auf seine Kosten zu
machen, eventuell durch eine Aktiengesell
schaft. Die gestrige StadtverordnetewVer-
sammlung beschloß, die Angelegenheit durch
eine Kommission vorberathen zu lassen.
Koblenz, 21. Septbr. Der Musiklehrer
Rettich vom hies. Konservatorium wurde
heute, der „Köln. Ztg." zufolge, von der
Strafkammer wegen Majestätsbeleidi
gung zu drei Monaten Gefängniß verur-
theilt. Rettich hatte die Ermordung Car
nots gutgeheißen und daran eine alberne
Bemerkung mit Bezug auf den Kaiser ge
knüpft.
Einen sehr unglücklichen Schuß
that dieser Tage in Geldern der Kreis-
secretär B. Als er auf eine Katze an
legte, traf er eine vom Friedhof heim
kehrende Frau. Die Schrotladung ging
derselben in den Unterleib und verletzte
sie so schwer, daß an ihrem Aufkommen
gezweifelt wird.
Frankfurt a. M. Im evangelische n
Arbeiterverein sprach Pfarrer Nau-
mann über den A ntisemitismus. Der
Evangelische Arbeiterverein stehe den lär-
menden antisemitischen Versammlungen
völlig fern. Wir wollen nichts zu thun
haben, sagte der Redner, mit einer Be
wegung, die den Gegnern gegenüber nur
Lungenkraft, aber keine Gedanken ins Feld
führt. Selbst das richtige, was von solcher
Seite gesprochen werden mag, verliert
seine Kraft durch die Hintansetzung der
Grundbedingung alles parlamentarischen
Lebens: der Achtung vor dem Gegner.
Das kleinste Dorf in Deutschland ist
unstreitig das wenige Kilometer von Neu-
markt in Schlesien entfernte Hubendorf;
dasselbe besteht, wie das „Liegn. Tagebl."
berichtet, gegenwärtig nur noch aus einer
— Scheune.
Leipzig, 18. Sept. Muß ein Kauf
mann bei Waarenbestellungen seine etwaige
Insolvenz aus freien Stücken bekennen?
Vom Landgerichte Glatz ist am 2. Mai
der Handelsmann Heinrich Zwiener wegen
versuchten Betruges zu 4 Monaten Ge-
sängniß verurtheilt worden. Als er schon
vor dem Konkurse stand, hatte er bei einer
Firma in Schmölln eine Parthie Holz-
schuhe für 54 JL und bald darauf für
273 Jl bestellt. Die erste Parthie er
hielt er, die zweite nicht, weil die Firma
sich inzwischen nach seinen Verhältnissen
erkundigt hatte. In der ersten Bestellung
wurde kein strafbarer Thatbestand erblickt,
in der zweiten dagegen sah das Landgc-
richt die Kriterien des versuchten Betruges.
Es meinte, der Angeklagte habe sich durch
Aufgabe einer so umfangreichen Bestellung
stillschweigend als einen zahlungsfähigen
Abnehmer hingestellt, also eine falsche
Thatsache vorgespiegelt und die wahre
Thatsache seiner Zahlungsunfähigkeit unter
drückt, obwohl es seine Pflicht gewesen
wäre, der Firma nach den Grundsätzen
von Treue und Glauben Aufklärung darüber
zu geben. Auf die Revision des Ange
klagten hob heute das Reichsgericht das
Urtheil auf, soweit der erwähnte Betrugs
versuch in Frage kommt, und verwies die
Sache an das Landgericht zurück. In den
Urtheilsgründen wurde ausgeführt, es sei
rechtsirrt hümlich, wenn das Land
gericht mit Rücksicht auf die Pflicht, die
Wahrheit zu sagen, in der Verschweigung
der Insolvenz die Unterdrückung einer
wahren Thatsache finde.
— Nach einem Erkenntniß des Reichs
gerichts macht ein Arzt, der gegen den
ausdrücklich erklärten Willen des Kranken
oder seines gesetzlichen Vertreters eine
chirurgische Operation an demselben
vornimmt, sich der vorsätzlichen Körper
verletzung schuldig und ist zu bestrafen,
selbst wenn die Operation medizinisch ge
rechtfertigt war und einen guten Erfolg
hatte.
Offenburg, 20. Septbr. Eine gerechte
Strafe ist dieser Tage zwei Weinpant-
schern schlimmster Sorte von der hiesigen
Strafkammer zu Theil geworden; es waren
die Gebrüder Hermann aus Oberkirch, die
den Naturwein mit wässeriger Zuckerlösung
vermengten und auch direkt Kunstwein
aus Wasser mit Zusatz von Hefe und
Zucker herstellten. Das Geschäft war au
genscheinlich recht umfangreich, denn im
Herbst 1892 bezogen sie 100 Ctr. Zucker,
im Frühjahr 1893 4 Ctr. Rosinen. Der
eine Angeklagte erhielt 3, der andere
1 Monat Gefängniß.
Mannheim, 19. Septbr. Eine gestern
Abend stattgehabte Mitglieder-Versammlung
des hiesigen Journalisten- und
Schriftsteller-Vereins lehnte de-
finitiv die Uebernahme des nächstjährigen
Deutschen Journalisten- und Schriftsteller-
tages ab.
Mannheim. 20. Sept. In einer zahl-
reich besuchten Versammlung des Demo
kratischen Vereins sprach unter
großem Beifall Professor Q u i d d e -
München über ausländische Anarchistenge-
setze und reaktionäre Strömungen in
Deutschland. Eine dem Referenten zu
stimmende Resolution wurde widerspruchs
los angenommen.
Augsburg, 20. Sept. Der Kassirer der
hiesigen Filiale der Buchbinder-Kasse
hat insgesammt 95 Jl mitgenommen.
Seine Flucht wurde bekanntlich vom Wolff'-
schen Depeschenbureau telegraphisch an alle
Blätter gemeldet mit dem Hinzufügen, daß
der Räuber S ozialdemokrat sei.
Es ist hiernach ersichtlich, daß nur die
letztere Eigenschaft das Bureau veranlaßte,
von dem Ereigniß Notiz zu nehmen.
Aus Slngrist schreibt man der Straß
burger Post: Hier hat sich ein köstliches
Manövergeschichtchen abgespielt.
Vier junge Krieger kamen zu einem Bäuer
lein ins Quartier und übergaben demselben
ihre aus Fleisch, Reis und Kartoffeln be
stehende Menage zur Zubereitung. Vom
Dienst in der Erwartung zurückkehrend,
das Tischlein gedeckt zu finden, sahen un-
sere hungrigen Soldaten nur das land-
läufige Abendgericht: „Grumbäre (Grum-
beeren: Kartoffeln) mit süre Milch". „Und
das Fleisch, Bauer?" „Das Fleisch?" er-
widert mein Bäuerlein strahlend, „des
Fleisch ham mer gesse!"
Beim Kahnfahren sind nach dem
„Bayer. Volksboten" bei Straubing sechs
Personen ertrunken. Sie hatten sich
auf einer sog. Ulmer Schachtel befunden,
die an der Donaubrücke zerschellte.
Ein Aufsehen erregender Prozeß ist
in Stuttgart abgeschlossen worden Der
Landgerichtsrath Pfizer aus Ulm stand
dort vor dem Disziplinarhofe, weil er sich
Vorwürfe und Beschuldigungen der Rechts
beugung gegen die höchsten Justizbeamten
hatte zu Schulden kommen lassen. Der
Staatsanwalt beantragte Dienstentlassung
und der Disziplinarhof erkannte demgemäß
indem er dem Beklagten die Tragung der
Kosten des Verfahrens auferlegte.
Mühlhausen, 19. Sept. In der hiesigen
Fabrik chemischer Produkte brach
heute Morgen Feuer aus. Eine Menge
in Tonnen aufbewahrter Säuren verbrannte.
Leider kam auch ein Arbeiter in den rasch
um sich greifenden Flammen um, dessen
Leiche noch nicht aufgefunden werden konnte.
An Gebäulichkeiten ist kein Schaden zu
verzeichnen.
Die gemeinsame Kommission des Lübecker
Senats und der dortigen Bürgerschaft
schlägt zur Deckung der Unkosten des Elbe-
Trave-Kanals vor: die progressive Ausge
staltung der Einkommensteuer, Einfüh
rung einer Geschäfts st euer, Erhöhung
von Erbschaftssteuer, Hundesteuer,
Vergnügungssteuer, der Kataster-
und Veräußerungsabgaben und
die Einführung einer Staatslotterie.
Das künftige Mehrerforderniß beträgt zu
nächst jährlich 700,000 Jl.
Hamburg, 19. Sept. Ueber die Noth.
läge der Hamburger Grundbesitzer, nament-
lich unter der ungünstigen Welthandelslage
gibt der eben erschienene Jahresbericht der
Hamburger Justizverwaltung einen trauri-
gen statistischen Anhalt. Es mußten im
Jahre 1893 allein 435 Grundstücke zwangs
weise verkauft werden, und es wurde ein
Kaufpreis von 30 259 350 Jl erzielt, wäh
rend die Grundstücke mit 40 722 312 JL
belastet waren. Hiernach entstand für die
Hypothekgläubiger ein Verlust von nahezu
10'/2 Mill. Mark. Diese Summen treten
erst in die Erscheinung, wenn man z. B.
das normale Jahr 1889 zum Vergleich
herbeizieht. Damals wurden nur 69 Grund
stücke zwangsweise verkauft, zu 6 395 000
Mark Kaufpreis und mit einer Belastung
von 6 115 000 JL Wie der Vorsitzende
des Grundeigenthümervereins in der letzten
Versammlung mittheilte, dürfte die Noth
lage endlich überwunden sein, da sich in
den letzten Monaten Anzeichen der Besse-
rung zeigten.
Ein im Hamburger Landgebiet mit un
glaublicher Frechheit vollführter Raub be
schäftigt z. Zt. die Criminalpolizei. In
ein zwischen Neuhaus und Kattwyk be-
legenes Bauernhaus drangen während der
Nacht von Sonntag auf Montag
als sämmtlicke männliche Hausbewohner
auswärts und nur die Frau nnt der
Tochter allein war, mehrere verkappte Ge-
sellen, bedrohten die Frauen mit gezückten
Meffern falls sie Lärm schlagen würden,
ließen einen Genossen als Wache bei den
Frauen zurück und begannen dann sammt-
liche Schränke, Koffer und Kästen zu durch-
wühlen und des Inhalts zu berauben. Als
nichts mehr zu stehlen war, zogen sie un
behelligt mit ihrer Beute ab, da die
Frauen weder einen Widerstand noch eine
Verfolgung wagten.
Hamburg, 21. Septbr. In der gestern
nach den Ferien wieder zusammengetretenen
Bürgerschaft entspann sich, wie der „Holst.
Corr." meldet, eine interessante Debatte
über den Senatsantrag, der katholischen
Gemeinde zur Unterhaltung ihres Schul
wesens eine Jahres-Subvention von 9810
Mark zu bewilligen. Die Bürgerschaft
lehnte diesen Antrag aus triftigen Gründen
ab: für den Hamburger Staat bestehe nur
eine allgemeine Volksschule, in
welche alle Religionsgesellschaften ihre Kin
der zu schicken hätten; wollten dieselben
eine besondere Schule unterhalten, so
hätten sie auch die Kosten derselben zu
tragen. Das Bestreben der katholischen
Kirche, ihre Schulen der Einwirkung der
Geistlichen zu unterstellen, könne staatlich
nicht gefördert werden, da in Hamburg
seit Jahren Kirche und Schule vollständig
getrennt seien.
— Ein hiesiger Kaufmann, Mitinhaber
einer angesehenen Firma, welcher an
„Kleptomanie" leiden soll, wurde
kürzlich bei Beraubung eines Damen
portemonnaies im eigenen Geschäft über
rascht. In seinem Hause befand sich ein
ganzes Arsenal von gestohlenen Gegen-
ständen. Der Betreffende ist gegen eine
Kaution von 30 000 jl vorläufig auf
freiem Fuß gelassen.
BroVinrieAes
Gestern fand in Itzehoe die feierliche
Beerdigung des dortigen seitherigen Be-
zirks-Commandanten Major Bramerel statt,
dessen Leben ein Herzschlag jäh in Kelling-
Husen beendet. Der Verstorbene hatte am
15. d. Mts. in Kellinghusen einer kleinen
Festlichkeit beigewohnt und befand sich auf
dem Wege zum Bahnhöfe, als er in der
Nähe desselben Plötzlich von einem Unwohl-
sein befallen wurde, so daß er die Hülse
eines gerade Ankommenden in Anspruch
nehmen mußte, die ihm auch sogleich ge
währt wurde. Aber schon nach wenigen
Augenblicken, ehe noch der schnell herzuge
rufene Arzt zur Stelle war, hatte ein
Herzschlag dem Leben des Offiziers ein
Ende gemacht.
Preetz, 20. Sept. (Zur Bürgermeister-
wähl.) Die drei Herren, die aus den 65
Bewerbern um den vakanten Bürgermeister-
Posten in Preetz von der Stadtvertretung
ausgewählt worden sind, Hardesvogt z. V.
Klinger - Hadersleben, Major a. D. v.
Chappuis - Christiansthal bei Hadersleben
und Gutsinspektor Ehrich-Farve, wurden
gestern den Wählern in den Tonhalle in
Preetz von den Rathmännern vorgestellt.
Heute Abend wurde eine Versammlung
vom Vorstand des Preetzer Bürgervereins
berufen; den Hauptpunkt der Tagesordnung
bildete die Besprechung über die Kandidaten
frage zu ver bevorstehenden Bürgermeister-
wahl. Hier einigten sich die Bürger für
die Wahl des Hardesvogts z. V. Klinger
einzutreten. Drei Stadtverordnete stellen
als Gegenkandidaten den seitherigen Bürger-
meister Engel auf.
Kiel, 21. Sept. Anfangs nächster Woche
wird der Schiffsverkehr durch die
neuen Holtenauer Schleusenwerke in ven
Nordostsekanal geleitet.
Neumünster, 19. Sept. Hin und wieder
ist man mit der Hasenjagd bereits begonnen,
während die Mehrzahl der Waidmänner
damit bis Mitte Oktober wartet. Hasen
giebt's reichlich. In der Gegend Bordes-
holm-Boorde-Schierensee sind seit Sonn
abend bereits Hunderte von Hasen ge
schossen. In Kiel werden gespickte Hasen
mit 2.50 Jl bezahlt, gegen 4 Jl ju Be-
ginn der Hasenjagd im Vorjahre. (H. C.)
Neumünster, 21. Sept. Trotz aller
Warnungen der Presse, nicht das Ein-
k l e b en v 0 n I n v a l i d i t ä t s < und
Altersversicherungsmarkenzu
vergessen oder zu unterlassen, haben sich
doch eine große Anzahl hiesiger Ver
pflichteter Nachlässigkeit darin zu Schulden
kommen kaffen. Der kürzlich zum Zwecke
der Revision hier anwesende Beamte der
Versicherungsanstalt, der bei der Revision
peinlich genau verfuhr, hat ca. 400 Ueber-
tretungen, resp. Contraventionen zur An
zeige gebracht.
In der Umgegend von Schöuberg tritt
die Maul- und Klauenseuche ganz bedenk-
lich auf. Es ist bereits der dritte Vieh-
stand von derselben befallen, und mehrere
Erkrankungsfälle sollen vorgekommen sein,
ohne başi man dieselben enloeA und ange*
meldet hat. Der Landrath und die Orts
polizeibehörden greifen jetzt ganz energisch
ein, da die Bevölkerung nicht den nöthigen
Ernst bei der Sache zeigt.
Das Stadtverordneten - Kollegium in
Garding hat die Gemeindesteuern für das
Rechnungsjahr 1895/96 wie folgt festge-
setzt: 250 pCt. Einkommensteuer, 200 pCt.
Grundsteuer, 200 pCt. Gebäudesteuer und
75 pCt. Gewerbesteuer. Es wurde be
schlossen, auchPersonenmiteinem
Einkommen von unter 900 Jl
z u r Steuer heranzuziehen,
was auch nur gerechtfertigt ist.
Bad Westerland, 21. Sept. In der
letzten Zeit haben Verhandlungen zwischen
Westerland und einer Aktiengesellschaft in
Dresden über den Verkauf des Bades
stattgefunden. Die Aktiengesellschaft soll
2 'U Millionen geboten haben. Trotz dieses
glänzenden Gebots hat die Kommune doch
ernstliche Bedenken, den Handel abzuschließen.
Diese Bedenken sind von verschiedener Art.
Es heißt nämlich, daß die Aktiengesellschaft
die Absicht hat, das Bad zu einem Weltbad
zu machen und zu dem Zwecke nicht weni
ger als fünf Millionen für Neubauten und
sonstige Einrichtungen verwenden will. Es
sollen dann großartige Hotels auf
den Dünen mit Aussicht auf das Meer
erbaut werden, und Westerland, das unter
den Dünen liegt, wird dann von den Hotels
der Aktiengesellschaft überflügelt werden.
Dazu kommt noch ein Zweites. Es ist
nur eine Zeitfrage, daß die Regierung von
der Kommune die Anlage eines Kloaken-
Kanals verlangen wird, der schweres Geld
kosten wird. Wird die Aktiengesellschaft
diese Verpflichtung übernehmen, so werden
die Einwohner Westerlands wahrscheinlich
die Augen vor dem ersteren Bedenken