letzten Blutstropfen, ehe wir das Elsaß auf
geben. Aber München und Stuttgart sind
durch feindliche Positionen nicht mehr gefährdet
als Berlin durch feindliche Positionen in der
Nähe der Oder. Daher ist wohl anzunehmen,
wenn je die Entscheidung an der Ostgrenze
falle, werde der letzte Mann und die letzte
Münze aufgeopfert werden. Wir haben juns
beschränkt auf das, was zum freien Athmen
nothwendig ist; wir haben nicht an das ge
dacht, was außerhalb unserer Grenzen alles
noch deutsch spricht. Was wir nach außen
aufgaben, haben wir an Jntensivität im
Innern gewonnen. Die älteren Herren, wenn
sie zurückblicken auf die Zeiten vor Kaiser
Wilhelm, werden wissen, daß damals der
Mangel an Liebe zwischen den deutschen
Stämmen viel größer war. Standen wir
noch vor 40 Jahren an landsmannschaftlicher
Liebe gegen alle anderen Nationen zurück,
heute nicht mehr. Ein einig Volk wurde in
merkwürdig kurzer Zeit geschaffen. Das ist
der Beweis, daß die ärztliche Kur, wenn
auch mit Blut und Eisen, nur ein Geschwür
traf, das längst reif war, und daß sie Wohl
befinden geschaffen. Gott gebe, daß es so
bleibe. Wir singen: „Fest sicht und treu die
Wacht am Rhein", aber die Wacht an der
Warthe und Weichsel steht ebenso fest. Wir
können nach keiner Seite hin auch nur einen
Morgen Landes missen, und märe es auch
nur um des Prinzips willen."
Der Fürst spricht dann von der politischen
Bewegung der vierziger Jahre, dem polnischen
Adel und der polnischen Bevölkerung.
Der Fürst spricht nun wieder von der
Polenbegeisterung in den dreißiger Jahren,
von den Platenschen Polenliedern, die in der
Schule neben der Marseilleise gesungen wurden.
Er betont, daß es besser geworden.
Einmal stockt er, faßt mit der Linken in
die Seite und sagt: „Ich muß mich etwas
auf Ihre Nachsicht berufen, mein Hexenschuß."
Auf den Ruf: „Setzen, Durchlaucht!" ant
wortet er: „Es wird nicht besser durch
Sitzen, ich kenne diesen Gast," dann führt
er in seiner Rede fort, die sich über die
Möglichkeit friedlichen Zusammenlebens beider
Nationalitäten verbreitet.
In einer abermaligen Rückschau auf frühere
polenfreundliche Zeiten spricht Fürst von
Bismarck von dem Mangel an poli-
t i s ch e m Blick, und sagt: „Ich habe
dabei besonders die Berliner Bürger im Auge."
Der Fürst schließt mit einem Hoch auf
die Frauen Posens.
Nachdem der zweite Vers der Bismarck
hymne verklungen und der Fürst ein Glas
Champagner geleert, sagte er lächelnd:
„Das Mittel gegen das Leiden, das ich
habe, ist, wie ich eben finde, wenn ich mich
frei aussprechen kann. Ich sah der Noth
wendigkeit, mit Ihnen heute zu verkehren,
ehrlich gesagt, mit einer gewissen Sorge ent
gegen, aber nun ist mir wohler als vorher."
Während darauf Gymnasialdirektor Kiel
eine Rede auf die Fürstin hält, läßt der Fürst
sich von einem nahestehenden Militairmusiker
die Fesffchleife reichen und befestigt sie im
Knopfloch.
Darauf steigt der blondbärtige Freiherr
v. Tiedemann-Bomst auf die Terrasse und
überreicht dem Fürsten eine Flasche Rothwein,
Bomster Auslese, der auf dem Gut des ver
storbenen Herrn v. Unruh-Bomst gewachsen
ist. Dieser habe ihn Lacrimae Petri getauft,
das heißt, wer davon trank, der ging hinaus
und weinte bitterlich. Es gebe besseren
Wein, aber keinen reineren. Der Fürst nahm
ihn lächelnd entgegen und meinte: „Ich werde
ihn im Andenken an meinen lieben verstor
denen Freund Unruh-Bomst in Ergebenheit
trinken."
Andere Sprecher überreichten Päckchen
Zucker, Kartoffelmehlstärke und einen Hopfen-
kranz. Das war jedenfalls gut gemeint.
Ein alter Herr brachte ein Glas Grätzer
Bier, das der Fürst mit einem Schluck aus
trank, wobei er sagte: „Es ist mir nicht neu,
und ich bezog cs früher sogar, besonders in
heißen Sommern. Es ist ein wohlschmecken
des Bier, und ich wundere mich, daß
nicht größeren Absatz hat."
Dann stieg der Fürst, vom Grasen Wil
helm Bismarck, Schweninger, einem Diener
und dem Oberförster geleitet, in ven Hof
hinunter und sprach mit vielen der Anwesen
den, besonders den Dekorirten. Er nahm
darauf in einer Thür des Seitenflügels Platz-
worauf unter der Musik von zwei Musikcorps
mit Hoch und Hurrah und Hüteschwenken
die Posener Schaaren desilirtcn.
Die Bataillone marschirten im Tritt ins
Dorf hinein und zogen durchs Dorf zum
Bahnhof, von wo Abends die Abfahrt er-
folgte. (Brl. Tgbl.)
Ausland.
Außereuropäische Gebiete
Neue Waldbrände werden aus New
York telegraphisch gemeldet: In den Graf-
schäften Gogebie und Ontonagan in Michi
gan sind 400 Millionen Fuß Holz in
Flammen ausgegangen. Die Pulverfabrik
in Bessemer ist bedroht. — Waldbrände
kommen auch in der Nähe von Shell Lake
in Wiskonsin vor. Nur mit Mühe wurde
die Stadt Spooner gerettet.
Maskirte Viehhirten haben kürzlich
beim Mehafluß, unweit von Parachute in
Colorado, 2200 Schafe mit Knütteln
und Messern getödtet. 2000 Schafe
atten sie vorher in den Abgrund gestürzt.
Als Grund geben sie an. daß die Schafe
der Viehzucht hinderlich seien. Die Schaf-
Hirten verfolgen jetzt die Schuldigen.
Griechenland.
Athen, 16. Septbr. Gestern wurde in
Lokris eine starke Erderschütterung
wahrgenommen.
«vauien.
Sevilla, 16. Sept. Heute wurde hier
in einer Buchhandlung eine Blechbüchse
aufgefunden, welche 100 mit Kugeln ge
ladene Dynamitpatronen enthielt. Der
Inhaber der Buchhandlung behauptet, durch
aus nicht zu wissen, wie die Büchse in
den Laden gekommen ist.
Serbien.
Wie die „Franks. Ztg." aus Belgrad
meldet, hat der Führer der radikalen Par
tei, Pasitsch, dessen Verhaftung wegen der
angeblichen Theilnahme an den Hochver-
rathsbestrebungen Cebinatsch's täglich er-
wartet wurde, gestern Belgrad verlassen
und ist nach Fiume abgereist.
Oesterreich.
Ein Apotheker wurde in Troyas ver
haftet, der aus Rache eine dort lebende
Polin durch vergiftete Bonbons, die er ihr
zum Geschenk gemacht, getödtet hatte.
Die Spaziergänger der Tivoli-Allee
in Laibach hatten am Freitag einen großen
Schrecken auszustehen, da ihnen plötzlich
ein riesiger Bär entgegenkam, der aus
der Menagerie entwichen war. Nachdem
sich der Bär in längerer Promenade er-
gangen und dabei einen neugierigen Hund
arg zugerichtet hatte, wurde er ohne weiteren
Schaden eingefangen.
Belgien.
Ein erschütternder Vorgang hat
sich am Donnerstag auf der Eisenbahn
linie Lüttich-Troints-Ponts bei dem Babn-
hofe Roanne-Coo zugetragen. Die beiden
kleinen Kinder des Bahnwärters spielten
zwischen den Geleisen; da naht der Lütti
cher Personenzug. Die Mutter der Kinder,
die Gefahr erkennend, stürzt hinzu, um die
Kinder zu retten, aber zu spät. Obwohl
der Lokomotivführer den Zug zum Stehen
bringen wollte, wurden alle drei von der
Lokomotive ergriffen. Das zehn Jahre
alte Mädchen wurde sofort zermalmt; die
Mutter so schwer verletzt, daß sie bald
ihren Geist aushauchte; das andere Kind
wurde zur Seite geschleudert und kam mit
leichten Verletzungen davon.
Schweiz.
Ueber den Raubmord in Beatenberg
bei Interlaken wird vom „Bund folgendes
Nähere berichtet: Das Opfer des Raub-
mordes bei der Beatenbucht ist ein fran
zösischer Pfarrer Ollier ans Lille, der
sich den ganzen Sommer über mit Frau,
zwei Kindern und den Schwiegereltern im
„Bären" in Wilderswyl aufhielt. Er
unternahm Mittwoch-Vormittag einen Aus
flug nach Unterseen-Merligen. Das Ver
brechen geschah Nachmittags zwischen 2 und
3 Uhr auf offener Landstraße bei der söge
nannten „Nase". Die Mörder suchten ihr
Opfer in den See zu werfen, flohen aber,
als sie sich bemerkt sahen, eiligst in das
Gehölz oberhalb der Straße.
Dänemark.
Ein Pferdehändler in Veile, der vor
14 Tagen nach Hamburg reiste, um Pferde
auf dem dortigen Markt zu verkaufen, ist
nicht wieder nach Veile zurückgekehrt, son
dern hat unter Zurücklassung seiner Fa
milie die Reise über den Atlantischen
Ozean angetreten. Seine gesammten
Schulden werden auf ca. 100000 Kronen
geschätzt.
Inland.
- Die „Kieler Zeitung" veröffentlicht
ein Schreiben des Kaisers an den
Herzog Ernst Günther zu Schleswig-Holstein,
in welchem es heißt, der Kaiser habe da-
durch, daß er dem Fort VII zu Königsberg
den Namen „Fort Herzog von Holstein"
gegeben habe, erneut die hohen Verdienste
ehren wollen, welche die Fürsten und Prinzen
des SchleSwig.Holsteinschen Hauses von
den Zeiten des Großen Kurfürsten an sich
um das Vaterland und die Armee erworben
haben.
- Noch niemals, so schreibt der „B
B.-C.", ist eine Komposition lange vor
ihrem Erscheinen so stürmisch begehrt wor
den, wie eine, die der Verlag von Bote
& Bock vor einiger Zeit anzeigte. Frei
lich ist der Komponist auch — Kaiser
ilhelm II. Die Bestellungen auf
den „Sang an Aegir" sollen erstaunlich
zahlreich sein, und von Amerika aus
wurde für das Recht der Veröffentlichung
in einem großen Blatte eine bedeutende
Summe geboten. Die Komposition wird
indeß erst im Oktober an die Oeffentlich-
keit gelangen, da vorher die erste öffent
liche Aufführung im königl. Opernhause
stattfinden soll. In etwa vier Wochen soll
da ein Wohlthätigkeitskonzert veranstaltet
werden, für das man eine Widerholung
des vor drei Monaten im Neuen Palais
zu Potsdamm abgehaltenen Hofkonzerts
Kant. Auch die von unserm Kaiser nach
einem Text des deutschen Botschafters zu
Wien, des Grafen Philipp Eulenburg,
verfaßte Tondichtung „Sang an Aegir"
oll zum Vortrage gelangen. Die Kompo
rtion ist, wie man weiß, von dem Diri-
genten des königl. Domchors. Prof. Albert
Becker, für Chor und Orchester eingerichtet
und auch im Neuen Palais, von dem ge-
nannten Chor gesungen, von Prof. Becker
dirigiert worden. Die Ausführung soll
auch im königl. Opernhause Herrn Pro'
Becker anheimfallen und 'wohl nur der
aus fünfundzwanzig Männern und etwa
hundert Knaben bestehende Doinchor eine
Verstärkung durch Chordirektor Gräfen's
sangeskundige Truppen erfahren.
Berlin, 17. Sept. Der Kaiser erwiderte
auf die Ansprache des Bürgermeisters von
Swinemünde am Donnerstag, er sei schon
als Knabe mit seinen Eltern in Swinemünde
gewesen, es freue ihn, daß die Stadtdurchihre
günstige Lage den Vorzug habe, die deutsche
Flotte öfter in ihren Gewässern zu sehen, und
er hoffe, daß Swinemünde und Stettin ein
mal ans dem Wasserwege mit Berlin ver
bunden werden würden. „Ob ich das aber
selbst erlebe", fügte der Kaiser lächelnd hin
zu, „weiß ich nicht".
— Auf eigenhändige Cabinetsordre des
a i s e r s sind jetzt beim ersten Garde
Regiment z. F., jedoch zunächst nur bei
diesem, auch für die Offiziere Schützen
fangschnüre eingeführt worden. Und
zwar wird die erste Fangschnur bereits
von dem Lieutenant Freiherrn von Wilczeck
vom Füsilier-Bataillon des 1. Garde-Regi
ments getragen. Sie gleicht den breiten
Generalfangschnüren, ist jedoch von Silber
und wird auf der linken Brustseite befestigt
Zu betonen ist, daß diese Schießauszeich
nung nicht, wie die silbernen Gürtel, nur
probeweise, sondern definitiv eingeführt ist.
— Gegen die Kaiserrede legt sich
das Organ des Bundes der Landwirthe,
die „D. Tagesztg.", mit jedem Tage schärfer
ins Zeug. Als Wirkung der Kaiserrede
bezeichnet das Blatt jetzt, daß alle Parteien,
welche die jetzige Wirthschaftspolitik der
Regierung verurteilen, keineswegs von ihrem
'Standpunkt abgehen werden, „ja es scheint
uns sicher, daß der Kampf, wenn er viel-
leicht auch in der Form sich etwas ändern
sollte, in der Sache an Schärfe zunehmen
muß."
Berlin, 13. Sept. Die agrarisch
Agitation knüpft bekanntlich an den
Abschluß der Handelsverträge an. Das
ist allerdings nur eine Kulisse, da die
Agitation sonst mit dem Abschluß der
Handelsverträge ziellos geworden wäre und
naturgemäß hätte aufhören müssen. Es
ist aber trotzdem nicht uninteressant, gerade
die wirklichen F o l g e n der Handels
Verträge, speziell für den Osten, von Zeit
zu Zeit festzustellen. So schreibt neuer
dings die „Königsb. Hart. Ztg." zur
Aushebung des Jdentit ütsnach
weises, die bekanntlich nur unter gleich
zeitiger Beseitigung des Differenzialzolles
gegen Rußland möglich war: Selbstver
ständlich hat die Landwirthschaft von
der Aufhebung des Identitätsnachweises
den Hauptvortheil gehabt. Die Wieder
Eröffnung der vorteilhafteren ausländi
schen Absatzgebiete, die Befreiung von dem
Zwang, für ostdeutsches Getreide, Absatz
im Zollgebiet zu suchen, hat bewirkt, daß
besonders der ostpreußichen Landwirth
schaft der Getreidezoll in den gezahlten
Preisen nunmehr voll zu gute kommt
Während bis zum Februar dieses Jahres
an der Königsberger Börse der Unterschied
der Preise für inländisches und unverzolltes
ausländisches Brodgetreide trotz eines
Kämpfzolles von 75 jl für die Tonne
nur einen Bruchtheil des Vertragszolles
von 35 Jt ausmachte, zeigt ein Blick an
dre Börsennotirungen, daß seit dem Monat
Mai inländisches Getreide um mindestens
den vollen Zollbetrag höher steht
Auch die Preisdifferenz zwischen den oft
preußischen und den westpreußischen Märk
ten hat sich zu Gunsten Ostpreußens ver
schoben. Im Durchschnitt hat der Preisstand
des ostpreußischen Brodgetreides im Ver
hältniß zum Preise für unverzolltes ruf
sisches Getreide seit dem Jahre 1893 sich
um 15 bis 17 J( für die Tonne gehoben
Natürlich hat dieses mit dem absoluten
Preisstand, der sich nach den Ernten
nach Angebot und Anfrage auf dem Welt
markte richtet, nichts zu thun. Aber ohne
Aufhebung des Identitätsnachweises würde
unser Getreide um 15 — 17 Jt schlech
ter stehen, und deshalb kann man sagen
daß es diesen Betrag durch die Maßregel
profitirt hat." Hiergegen nimmt sich das
Geschrei der Plötz'schen, die auch durch
wahre ztffermäßige Darstellungen nicht ihre
Meinung ändern, weil sie nicht wollen
daß der Vertrag mit Rußland die Land
wirthschaft „ruinirt" habe, geradezu komisch
aus. Ostpreußen hat naturgemäß den
Hauptvortheil von der Aufhebung des
Identitätsnachweises. Aber auch der Westen
'ühlt dessen Einwirkung, besonders durch
die Erleichterung des Marktes.
— Der Vorwärts fährt fort, von
dem Unrecht zu reden, welches die „greif.
Ztg." Herrn Vogtherr zugefügt hat.
Diese konstatirt nochnials, daß sie bereit
ist, den Beweis anzutreten, daß Herr
Bogtherr wiederholt ein Lokal besucht hat
;» dem das boykottirte Schultheiß
bier geschänkt wird, und daß er in diesem
Lokal Pilsener Bier verzehrt hat. Herr
Vogtherr h-tt darauf weiter nichts zu er-
widern gewußt, als daß er aus geschäfl-
lichen Gründen diese Restauration besucht
habe. Damit kann sich jeder Genosse auch
entschuldigen, wenn er eine solche Restau
ration mit Ringbier besucht. Entweder
muß ein solcher Besuch auch den Führern
der Sozialdemokratie nicht gestattet sein,
oder man muß ihn allen Genossen frei
geben.
In der Frage der Boykottirungen
billigt das Organ des Fürsten Bismarck,
die „Hamb. Nachr.", die Unabhängigkeit
der sächsischen Behörden. Denn wenn es
überhaupt einen strafbaren Unfug gebe, so
lege derselbe vor bei Boykottirungen. Hat
Fürst Bismarck vergessen, wie er selbst in
der Oeffentlichkeit Zeitungen boy
kottirt hat, die ihm nicht gefielen? Bon
der Tribüne des Reichstages aus forderte
Fürst Bismarck in den schärfsten Worten
solches Blatt nicht zu
dasselbe nicht zu unter
nicht unbedingt sich ihm
Kritik gegen seine Maß
auf, auf ein
abonniren und
stützen, welches
unterwerfe und
nahmen sich ertaube.
Berlin, 17. Septbr. Die „Nat. Ztg."
meldet: In der Conferenz von Abgeord
neten des Vereins nordwestdeutscher Holz-
Händler und des Vereins ostdeutscher Holz-
Händler bezüglich der Modalitäten des
Holzverkaufs in Staatsforsten wur
den die Zahlungsbedingungen und Cautions-
angelegenheiten erledigt, bezüglich einer
Reihe von Punkten wurde völlige Ueber
einstimmung erzielt. Die Vertreter der
Forstverivaltung sagten zu, mehrere Wünsche
der Holzhändler wohlwollend zu erwägen.
Berlin, 15. Septbr. Hinsichtlich der
Kundschafterdienste, welche der hies. rufst*
che Marine - Attachee, Herr Dubassow,
während der Manöver seiner Regierung
Pillau zu leisten beflissen war, wird
der „Dtsch. Tgsztg." aus Königsberg ge
meldet, daß auch der dortige Konsul sich
einer etwas unbequemen Lage befinde,
weil er seinen Landsmann begleitet habe,
als ein wachsamer Gensdarm beide dort
entdeckte, wo weder ein Konsul noch ein
Marine-Attachee etwas zu suchen hat.
Wegen Gotteslästerung ist ein Han-
dels mann der Staatsanwaltschaft vor
geführt worden. W. war zugegen, als
vor einigen Tagen ein Arbeiter in der
Weidinger Straße krank wurde. Der
Kranke wurde in den Hof eines Hauses
getragen, und dorthin folgte ihm W. Zu
deu Leuten, die sich um den Kranken be-
mühten, gewendet, sagte W., daß er dem
Arbeiter, der in den letzten Zügen liege,
helfen wolle, er werde ihm die Sakra
mente reichen und auf diese Weise seine
Genesung bewerkstelligen. W. setzte sich,
so berichtet eine Lokal-Korrespondenz, jetzt
ein Käppchen auf, fertigte aus weißem
Papier einen Halskragen an, den er sich
umlegte, und hielt den Mann, indem er
die bei Reichung des Abendmahles
üblichen Gebräuche nachmachte, die Brann t
Weinflasche hin. Zeugen des Vorganges,
die sich durch diese scheußliche Rohheit ver
letzt fühlten, ließen den W. festnehmen.
Aus Marieuburg wird berichtet: Als
der Kaiser auf dem Wege zum Schlosse
an einem kleinen Hause vorüberfuhr, stieg
der in dem Hause gerade mit dem Kehren
beschäftigte Schornsteinfeger, den Cylinder
Hut auf dem Kopfe, auf den Schornstein
hinaus und postirte sich dort in luftiger
Höhe mit präsentirtem Besen. Se. Maje
tät, welch den Schwarzkünstler bemerkte,
ächte recht herzlich über diese eigenartige
Huldigung.
Für die Festung Thorn, die in den
letzten Jahrzehnten an Stärke, Wichtigkeit
und Bedeutung erheblich gewachsen ist/soll
nach einer Meldung der „Voss. Ztg." in
nächster Zeit neben dem Kommandanten
ein Gouverneur mit einem entsprechen
den Stabe ernannt werden.
In der am Sonnabend in Gotha abge
haltenen Versammlung der Freisin
nigen Vereinigung machte der Abg
Rickert die Aeußerung, er habe sich in
der 1. Fractionssitzung über die Militär
Vorlage ausdrücklich die Endabstimmung
vorbehalten und dann aus Ueberzeugung
mit Ja gestimmt. Ein Liberalismus, der
'ein „Ja" oder „Nein" von 10 000 Wäh
lerstimmen mehr oder weniger abhängig
mache, sei kein Liberalismus. Bamberger,
der gegen die Militärvorlage gestimmt habe,
ei trotzdem aus der Fraction hinausqe
miesen worden. Das sei doch Unduldsam
keit rm höchsten Grade. In Gotha habe
inc ļî l tm- 00r 12 ^ļwen zusammengefunden
,mh Banner wie Hänel, Lasker, Dr.
^êh^r-Jena (jetzt Heidelberg), Barth und
auch Redner hätten den Zusammenschluß
efurwortet. Unmittelbar nachher sei Rich
er zu ihm gekommen und habe einen Zu-
amnienschluß zwischen den Secessionisten
and seiner Partei verlangt, den Redner
stir nützlich und nothwendig erklärt habe,
weil Richter allein die große politische
Last nicht mehr tragen und bewältigen
könnte. „Wir haben, so fuhr Redner fort,
die Fusion, die man uns anbot, geschlossen;
aber wir haben unsere Bedingungen ge
stellt, wir verlangten freie Bewegung
des Einzelnen. Wir wollten einen
Rahmen schaffen, der fest genug wäre, alle
Meinungsverschiedenheiten zu umspannen.
Wir haben uns stets an das alte Pro
gramm gehalten. Und was war die Folge?
Wir sind ausgeschlossen worden ohne eine
orherige Anzeige, mit einem Beschluß
überrumpelt und hinausgemaßregelt. Das
ist der klare Sachverhalt. In der freisin-
nigen Partei ist sowohl beim Socialisten
gesetz wie beim Jesuitengesetz
verschieden abgestimmt worden, ohne
daß deßwegen ein Scherbengericht abgehal
ten wurde. In der Heeresfrage aber hat
man die Partei durch Personencultus und
Unduldsamkeit zu Fall gebracht." Redner
schloß, er sage das alles, um einer späteren
Verdunkelung der Thatsachen vorzubeugen.
Mainz, 14. Sept. Der Schlosser Rath
von Kastel, der Mörder der Näherin
v. d. Heydt, wurde für irrsinnig er
klärt und auf freien Fuß gesetzt. Da man
Rath für gemeingefährlich hält, machte
seine Entlassung aus der Haft
größeres Aufsehen. Wie die Blätter
melden, benahm sich Rath alsbald gegen
den Schwager seiner getödteten Geliebten
auf der Straße in einer so auffallenden
Weise, daß dieser die Polizei in Anspruch
nehmen und unter deren Begleitung den
Heimweg antreten mußte. Auf den eben
erst Entlassenen werde deshalb wiederum
gefahndet. Er ist bereits wieder festge
nommen.
Erfurt, 17. Sept. Auf dem gestrigen
Parteitage der Deutsch-Conserv ativen
Thüringens hielt Freiherr v. Manteuffel
eine längere Rede. Es wurde beschlossen,
die Organisation auf ganz Thüringen aus
zudehnen, und ein Ausschuß gewählt, der
die Leitung der Geschäfte übernehmen soll.
In der Münchener Vorstadt Neuhausen
wurde die Bronzebüste des P r i n z r e g e n t e n
vom Sockel gestoßen, ohne daß sie eine
Beschädigung erlitt. Als der That ver
dächtig wurden ein Tagelöhner und ein
Kesselschmied verhaftet; diese sind geständig,
ebenso ein weiterer Tagelöhner, der den
Aufpasser spielte. Sie wollen die That im
Rausche „zum Spaß" verübt haben.
Einem gr o den Betrug ist dieser Tage
ein Bankgeschäft in Köln zum Opier
gefallen. Es wurde nämlich mittels
Briefes, welchem der Briefkopf eines aus
ländischen Consulats vorgedruckt war, in
der Bank angefragt, ob man dem Consul
englisches Geld im Betrage von 2000 bis
2500 ^tL zustellen könne. Das Bankhaus
antwortete zustimmend und schickte einen
Commis mit dem 'gewünschten Betrag zu
dem angeblichen Konsul, der in einem
Privathause Wohnung genommen hatte.
Auf die Anfrage des Commis, ob der Herr
Consul zu sprechen sei, trat dieser aus
einem Zimmer und bemerkt dem Commis,
der Curs des überbrachten englischen
Geldes erscheine ihm zwar etwas hoch,
indessen habe er dasselbe unbedingt nöthig.
Er nahm darauf die Summe in Empfang
und ersuchte den Commis, etwas zu warten.
Diesem wurde indeß die Zeit verdächtig
lang; auf Erkundigung nach dem Ver
bleib des „Consuls" erhielt er zur Ant
wort, derselbe habe vor kurzer Zeit das
Haus verlassen. Es stellte sich nun heraus,
daß das Bankgeschäft einem Schwindler
zum Opfer gefallen war.
Swinemünde, 12. Sept. Dieser Tage
ereignete sich ein Konflikt zwischen der
hiesigen Badedirektion und dem Offi
zierkorps, der dadurch entstanden war,
daß ein Lieutenant im Tanzsaal den Säbel
nicht ablegen wollte. Von dem Vorfalle
wurde dem Kaiser bald nach seinem
Eintreffen auf der „Hohenzollern" Meldung
gemacht. Der Kaiser hat sofort die Unter-
suchung in der Angelegenheit einzuleiten
befohlen. Wir geben die Mittheilungen
eines Mitgliedes des Vorstandes der Krie-
gervereine zu Swinemünde wieder, das
dem Kaiser die Angelegenheit persönlich
vorgetragen hat. Als dem Monarchen an
der zur „Hohenzollern" hinaufführenden
Brücke die dort anwesenden Herren vor
gestellt waren, trat aus deren Reihe der
zuin Borstande des Marinevcreins gehörende
ehemalige Obermaschinist Brunk an den
Kaişer heran, mit der Bitte, ihm ein Ge
such vortragen zu dürfen. Ungefähr nach
einer Stunde wurde Herr Brunk durch
den Chef des Marinekabinets, Freiherrn
Senden-Bibran, an Bord gerufen und
von diesem zum Monarcheu geführt, der
sich die Ballangelegenheit in allen Einzel
heiten erzählen ließ und dann Herrn Brunk
mit dem Bescheide entließ, daß er, ivenn
das Ergebniß der Untersuchung mit dem
Inhalte der Beschwerde übereinstimme, die
gebührende Strafe über die Schuldigen
verhängen werde. Die Meldung einiger
Blätter, daß in Folge dieser Streitfrage
der Kommandeur und ein Major des Fuß-
Artillerie - Regiments Nr. 2 versetzt
worden seien, beruht nach eingezogener Er
kundigung auf Erfindung.
Von einem eigenartigen Brand
unglück wird aus Hamburg berichtet:
Ein in St. Pauli wohnender Kaufmann
hatte mit seiner Frau am Mittwoch Abend
ein Theater besucht und kehrte gegen 11
Uhr in seine Wohnung zurück. Auf der
dunklen Treppe rieb er ein Streichholz an,
kam aber unglücklicher Weise dem Spitzen-
umhange seiner Frau zu nahe, und alsbald
landen nicht nur der Umhang, sondern
auch das Kleid der Dame in hellen Flam
men. Der Mann versuchte vergebens, die
Flammen zu ersticken. Erst als zufolge
der furchtbaren Hilferufe der Unglücklichen
Nachbarn herbeieilten, gelang es, durch
Begießen mit Wasser und Einhüllen in
Decken die Flammen zu ersticken. Die Be-