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Hìàburger
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WS. 219.
Dienstag, den 18. September
1894.
Morgen-Depeschen.
Nordhauscn, 17. Sept. In der gestern
in Harzburg abgehaltenen Hauptversamm
lung des Harzklubs waren 82 Vereine
mit 7785 Mitgliedern vertreten. An den
Kaiser wurde ein Telegramm abgesandt,
worin der Klub sich zum Kampfe für
Religion, Sitte und Ordnung un
erschrocken zur Verfügung stellt.
Graz, 18. Sept. Der muthmaßlichc
Mörder des am 12. d. M. nächst Aflenz in
Obersteier ermordeten und beraubten Er
bauers des neuen Schutzhauses am Hoch
schwab, des Zimmermeisters Treitler, wurde
im Kapfenberg bei Bruck in >der Person
des Tischlers Alois Munk aus Aflenz ver
haftet.
Mainz, 18. Sept. Am Sonnabend-
Abend wurde an dem alten Winterhafen-
damm eine von Weisenau kommende Frau
von einem fremden Schiffer überfallen
und bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen,
worauf der Schiffer an der Armen ein
Sittlichkeitsverbrechen verübte. Der Thäter
ist verhaftet.
Schlangenbad. 16. Sept. Auf den hie
sigen Badekommissär Oberst z. D. v. Jh-
l e n f e l d wurde heute Abend ein Atten-
tat verübt. Der frühere Ortspolizeidiener
Hoßfeld, der aus irgend einem Grunde
Haß gegen den Kurdircktor hegte, lauerte
ihm am Abend mit geladenem Revolver
auf und versuchte ihn zu erschießen. Das
Versagen des Revolvers und die Geistes,
gegenwart des Bedrohten, der dem Ver
brecher die Waffe entriß und ihn nieder
schlug, vereitelten das Vorhaben. Von
Hoßfeld, dem es in der Dunkelheit gelang
zu entfliehen, fehlt bis jetzt jede Spur.
Paris, 18. Sept. Die Morgenblätter
publiciren das Testament des Grafen von
Paris. In demselben heißt es, daß es
für ihn ein Trost sei, denken zu dürfen,
daß sich alle Freunde der Monarchie seiner
erinnern werden, wenn für Frankreich ein
mal glückliche Tage kommen. Ein politv
scher Friede werde aber erst nach der Rück
kehr zur nationalen und traditionellen
Monarchie herbeigeführt werden können.
Im weiteren Wortlaut des Testamentes
schildert der Graf seine politische Rolle
feit dem Kriege von 1870/71; dann fährt
er fort: „Sollte ich mich getäuscht haben,
so ist es in guter Absicht geschehen. Meine
sämmtlichen Handlungen sind nur durch
meine Hingebung an Frankreich und an
die Sache, welche ich vertrete, mir einge
geben worden. Ich habe immer denselben
Zweck verfolgt: das traditionelle Prinzip
zu bewahren, zu dessen Hüter mich meine
Geburt gemacht hat. Ich wollte Frank
reich beweisen, daß dieses Prinzip mit
modernen Ideen und der jetzigen Gesell-
Ichaftsordnung zu vereinbaren ist." Am
Schlüsse des Dokuments gibt der Gras
dem Wunsche Ausdruck, daß Frankreich
zur christlichen, monarchischen Politik zu
rückkehren möge. Das Testament ist datirt:
Stowehouse, den 21. Juli 1894 und ist
überschrieben: „Letzter Wille."
London, 17. Sept. Wie die „Times"
aus Shanghai melden, sind die Behörden
von Tientsin davon bcnachricht worden,
daß 21 japanische Transportschiffe mit
10 000 Mann Truppen abgesegelt sind,
um einen Einfall in China zu bewirken.
Die chinesischen Hafenbehörden haben auf
diese Nachricht hin alle nothwendigen Vor
sichtsmaßregeln ergriffen. Der chinesische
Admiral Ding fährt in südlicher Richtung
den japanischen Schiffen entgegen.
London, 17. Sept. Heute vom ost
asiatischen Kriegsschauplätze eingetroffenen
Depeschen zufolge, ist es zwischen Japanern
und Chinesen bei der Festung Ping-Aang
zu einer entscheidenden Schlacht gekommen,
wobei die Japaner den Sieg davon ge
tragen haben. Die Festung, von 20,000
Mann zuerst hartnäckig vertheidigt, mußte
schließlich kapituliren; Die Japaner erbeu
teten Waffen, Lebensmittel und viele
Fahnen. Die Verluste auf chinesischer
Seite betragen 16,000 Mann an Todten,
Verwundeten und Gefangenen. Unter den
Letzteren befinden sich mehrere hohe chinesi
sche Würdenträger und Offiziere, unter
Anderen der General Trofonk, der Ober
befehlshaber der Mandschurenarmee. Die
Japaner hatten 30 Todte zu verzeichnen.
Lemberg, 17. Sept. Die Stadt Mos
ciska in Ostgalizien steht in Flammen.
Konstantinopel, 17. Sept. Im Bezirk
Erzerum fanden zwischen Steuerneinziehern
und Armeniern blutige Straßenkämpfe statt,
die solchen Umfang annahmen, daß eine
Truppenverstärkung dort nothwendig wurde.
Warschau, 17. Sept. In der Nähe der
Stadt Minsk ist gestern ein dreistöckiges
Naphtareservoir - Gebäude einge st ürzt.
Bisher sind 13 auf entsetzliche Weise vev
stümmclte Leichen aus den Trümmern her.
vorgezogen worden. Viele Arbeiter wurden
schwer verletzt.
Petersburg, 17. Sept. Zwei Kanonen
und vier Torpedoboote gingen von Krom
stabt nach dem Mittelländischen Meere ab,
um sich mit den Kreuzern „Dschigid,"
„Haidamask" und „Wsadnik" sowie mit dem
Panzerschiff „Kaiser Nicolaus I." nach
den koreanischen Gewässern zu begeben.
Zu dem Mittelmeergeschwader werden das
Panzerschiff „Gangert" und der Kreuzer
Wladimir Monomach" stoßen.
Die Dosener in Varzin.
Varzin, 16. September.
Es sind fast zweitausend Männer
aus Posen gekommen. Um einviertcl zwölf
Uhr traf der erste riesige Zug auf dem Bahn
hof Hammcrmühle ein, ein Zug von sicben-
undfünfzig Wagen mit zwei Lokomotiven. Es
gab Waggons erster, zweiter und dritter Klasse.
Eine gute Weile dauerte cs, bis die Thcil-
nehmer sich nach Ortschaften in Bataillone
getheilt hatten. Das erste Bataillon bildete
die Stadt Posen, dann kamen die kleineren
Städte.
Frühmorgens hatten sie in Neustcttin unent
geltlich Kaffee und belegte Brötchen bekonmicn,
jetzt in Varzin erfolgte die zweite Bcwirthung.
In den Straßen des kleinen Dorfes, überall,
wo nur ein wenig freier Platz, waren hölzerne
Tische und Bänke, roh gezimmert, aufgestellt.
Und auf dem Platz eines jeden Festtheilnehmers
stand immer ein Tellcrchen mit einer Kalbs
bratenstulle, eine Tasse Kaffee, ein Glas Grog,
ein Paar warme Würstchen. Bald wurde im
ganzen Dorf getafelt und die Landleute, die
von allen Seiten herübcrgepilgert waren, und
die neugierige Dorfsugend standen herum.
Es wurden verzehrt 138 Pfund Kalbsbraten,
135 Pfund Schweinebraten, 130 Pfund
Butter, 150 Pfund Käse, 150 Laib Brot,
1600 Paar Würste, 100 Tonnen Schlawer
städtisches Lagerbier, 2000 Glas Grog.
Schräg vor der Schloßtreppe ist ein hölzernes,
hohes Rednerpult aufgestellt. Rechts und links
von der Veranda stehen Tische für die zahl
reichen Korrespondenten deutscher und aus
ländischer Journale. Die Presse ist aufs
Liebenswürdigste behandelt worden.
Um halb ein Uhr trat der Fürst niit
Schweninger auf die Veranda hinaus. Er
trug einen schwarzen Ueberrock, ein weißes
Halstuch, Schlapphut. Der Fürst ging ein
wenig schwerfällig am Stock. , Er begrüßte
die Mitglieder der Presse sehr freundlich und
fragte Schweninger: „Sind die Herren alle
von der Presse?" Als Schweninger bejahte,
machte der Fürst überrascht „häh" ! Dann
sagte der Fürst zu den Journalisten:
„Meine Herren, ich bedauere nur, daß Sie
hier eine ziemlich schlechte Verpflegung finden
werden, sowohl was Essen und Schlafen
angeht, als auch was das angeht, was Sie
für Ihre Blätter zu berichten wünschen. Es
wird hier garnicht so viel los sein, wie man
vielleicht gedacht hat. Ich habe gräßliches
Podagra, Lumbago, Hexenschuß. Kennen
Sie das vielleicht? Und das hindert mich,
mich so zu rühren, wie ich gern möchte."
Dann wandte sich der Fürst an den Lieute
nant Fischer, den Arrangeur der Hnldigungs-
fahrt, mit den Worten: „Ich bedauere nur,
daß die Herren, um zu mir zu kommen, zwei
Nächte durchwacht haben. Sic haben Strapazen
erlitten, um nicht mehr, als eine Ruine zu
finden. Viel was anderes ist das doch nicht
mehr."
Lieutenant Fischer entgcgnctc: „Durchlaucht
haben manche Nacht für uns gewacht."
Darauf der Fürst: „Ja, heute könnte ich
das nicht mehr. Ich habe jetzt, wie gesagt,
den schönsten Hexenschuß und weiß nicht, ob
ich ihn liegend oder stehend besser pflegen soll."
Dann fuhr er, sich zum Zimmer wendend
fort: „Na, ich werde nun wohl lieber wieder
hineingehen." Und mit freundlichem Gruß
verabschiedete sich der Fürst.
Kurz nach ein Viertel zwei Uhr hört man
den Pariser Einzugsmarsch, der Einzug
der Huldigungsbataillone in den Hof beginnt.
Voran dieOrdnermit schwarz-weißen Schärpen,
dann das Musikkorps der Stargarder Neuner.
Zu achten marschiren die Festgcnossen dicht
an der Terrasse auf. Der Hof reicht kaum
aus, sie aufzunehmen. Vorn in der Front
stehen viele alte, ordengeschmückte Herren.
Der Fürst betrachtet, von den Gästen
ungesehen, hinter einem geschlossenen Fenster
den Aufmarsch. An den Fenstern des Stall-
gebäudes sicht man die Söhne des Grafen
Rantzau zwischen der Dorfjugend auf den
Fensterbrettern turnend. Auf einem Scheunen
dach befindet sich ein Photograph.
Nachdem der Aufmarsch in militärischem
Schritt und Tritt — die Marschirenden
hielten Schirme und Stöcke an der Schulter
- beendet ist, tritt der Fürst heraus und
wird mit einem Ricsenhurrah begrüßt. Dann
steigt der alte Oekonomiedirektor Kennemann,
ein weißbärtiger Herr mit vielen Orden, ans
die Rednertribüne und liest aus einer blau-
gebundenen Adresse eine lange Ansprache vor,
in welcher er die Hoffnung ausdrückt, daß
in der Provinz Posen die nationalen Gegen
sätze bald verschwinden mögen. Er endet mit
einem Hoch ans den Fürsten.
Darauf singt die ganze Versammlung den
ersten Vers einer Bismarckhynme nach der
Melodie „Deutschland, Deutschland über
Allcs". Als die Festgcnossen die zweite Strophe
beginnen wollen, winkt der Fürst, der, den
Hut in der linken Hand haltend, sich mit der
rechten an der Eiscnsäule der Veranda halt.
Allmälig tritt Schweigen ein, der Fürst beginnt
zu reden.
Zuerst zittert die Sprache ein wenig, der
Fürst sucht ersichtlich Worte, dann spricht er
freier, lauter, eigentlich lauter und deutlicher
als in früheren Jahren im Reichstag. Wäh
rend der Fürst spricht, steht Schweninger
vor ihm, auf der untersten Treppenstufe, und
läßt keinen Blick von ihm. Tyras liegt zu
des Redners Füßen, zu ihm aufblickend. Im
Halbkreis hinter dem Fürsten steht die Familie
und die Eingeladenen, unter ihnen Herr von
Hansemann. Die Rede des Fürsten währte
volle dreiviertel Stunden.
Der Fürst spricht zunächst von seinem
unpolitischen Gegner, dem Hexenschuß, der
ihn seit sechs Jahren quäle; er hoffe, ihn
bald zu überwinden, um dann wieder nach
allen Richtungen hin gerade stehen zu können.
Dann fuhr der Fürst fort:
„Der Herr Vorredner und ich sind beide
gleich alt, beide 1815 geboren. Es ist mir
eine große Freude, meinen Lebensgefährten
wieder zu sehen, wenn ich auch diese Lebens
weise nicht so unbeschädigt zurückgelegt, wie
der Herr Oekonomiedirektor. Ich bin ein
Invalide der Arbeit, er vielleicht auch, aber
seine Arbeit ist gesünder. Es ist ein Unter
schied zwischen einem Landwirth und einem
Diplomaten. Die Diplomatie füllt mehr ans
die Nerven.
Ich danke Ihnen für alle ihre Wünsche
und würde Ihnen noch dankbarer sein, wenn
Sie sich alle bedecken wollen. Sonst kann ich
es auch nicht. Daß Sie vor den Anstrengungen
der Nachtfahrt, den Unbequemlichkeiten, der
schlechten Verpflegung nicht zurückgeschreckt
sind, zeugt von der Stärke Ihres nationalen
Gefühls. Daß sich das gerade hier ausdrückt,
ist für mich eine hohe Ehre, ich sche darin
die Anerkennung meiner Mitarbeiter an den
Zuständen, in denen wir heute leben, die
zwar nicht vollkommen, aber doch auch nicht
so schlecht sind. Wir haben nie gefragt:
Was können wir wünschen?", sondern „Was
müssen wir haben?" In dieser Maßhaltung
ist die Hauptvorbcdingung des Erfolges ge
legen."
„Der Fürst geht dann auf das Verhältniß
der Stärke und Kopfzahl der nationalen und
der fremden Elemente ein und sagt u. A.:
Wir könnten das Elsaß noch eher missen,
als die Ostgrenze. Aber wir lassen Beides
nicht; wir werden uns schlagen bis ans den
°‘> Man sagt.
Roman von E. von Wald»Zcdtwitz.
Bertha blieb nun noch etwas mit den
Ihrigen in Berlin, eine Zeit, welche sich durch
Hartwig s Gegenwart, welcher die Dann»
unter seinen Schutz nahm, zu einer besonders
genußreichen gestaltete, noch erhöht dadurch,
daß Frau von Romhild Ellrnor's Wunsch
nachgab und Anna von Ehlarn nach Berlin
einlud. Das waren schöne Wochen gewesen
und mehr als einmal hatte Anna verwundert
Hartwig angesehen, wenn er der „wüde
Sumatrese", wie sie ihn wohl scherzend nannte,
sinnend vor einem schönen Gemälde gestanden
und es mit einer wahren Inbrunst betrachtet
hatte.
„Aber sagen Sic mir nur, Herr von Röm-
hild, wie ist es nur möglich, daß Sic, der
Sie doch ans Ihren Kaffee- und Tabacks-
Plantagcn wirklich den Kunstsinn nicht üben
konnten, so viel Geschmack an der Kunst
finden und auch immer das Gute von dem
Schlechten zu unterscheiden vermögen. Sie
sehen mich lächelnd an."
„Das Gute von: Schlechten unterscheidest
scheint mir nicht so leicht zu sein, denn wie
oft schreitet in der Kunst die Mittelmäßigkeit
im schönsten Gewände umher. Und —
nehmen Sic mir's nicht übel, Naturmenschen
gleichen in diesem Falle zunicist den Kindern,
und Kinder pflegen nach dem Buntesten zu
greifen," sagte Anna.
Hartwig belächelte Anna's Aeußerung wirk
lich. „Ich könnte Ihnen einen anderen Aus
spruch entgegensetzen: Menschen, die in reiner,
unschnldvoller Umgebung leben, wie wir in
Sumatra, bewahren sich ein reines, ich möchte
sagen unschuldiges Verständniß für alles
Schöne, träte cs ihnen in einer Gestalt ent
gegen, in welcher es wolle. Sie vermögen
daher leichter das Echte vom Falschen, den
Schein von der Wahrheit zu unterscheiden,
sei cs bei dem Kunstwerk, welches die Hand
des Sterblichen geschaffen oder bei dem er
habensten Kunstwerke Gottes — dem Menschen."
Anna erröthete, fühlend, auf wen sich seine
letzten Worte bezogen. Frau von Römhild
gewahrte mit getheilten Gefühlen die Annähe
rung Anna's an Hartwig. Aber hätte sie
ihm eine bessere Lebensgefährtin wünschen
können? Nein, nein doch geschah dies,
fanden sich Heinz Königshofen und Anna
(Y.f(k? un şiàri die Schleusen, welche ihre
csuhle so mühsam eindämmten, in Trümmer,
er rom brauste hervor und riß sic selbst
wieder in den furchtbaren Wirbel.
Da am, ob Absicht, ob Zufall, auch Heinz
Königshöfen nach der Reichshauptstadt. Seine
Freude war gr-enzenlos, und mit stürmischer
Dankbartett lohnte er ;ede Stunde, welche cr
mit Römhilds zusammen sein konnte.
Anna und Ellinor hatten sich viel zu ver
trauen und Bertha überließ sie gern dem
ungestörten Austausch ihrer Gefühle. Heller
Jubel erscholl eben in, Nebenzimmer und
Frau von Römhild glaubte nicht recht zu
hören, als Anna niit lauter Stimme: „Hans!
Hans!" zum Fenster hinausricf. Eine Minute
später trat Lieutenant Mohrberg i» das
Zimmer, von Ellinor mit endlosem Jubel
begrüßt. . x „
„Jetzt wird es erst jchön — jetzt soll cs
lustig zugehen! Wo kommen ^ie her? Wie
lange bleiben Sie hier? Die essen heute mit
uns bei Hiller, dann gehen wir rn die Oper."
„Famos, famos! — Und dann?"
„Dann?"
„Ja, nach dem Theater, da gcht's ja crst
recht an."
Helle Freude herrschte, Ellinor war plötzlich
so vergnügt, daß Frau von Römhilds Gedanke,
den sic schon in Storckwitz hegte, neue Nahrung
fand. Lieutenant Mohrbcrg hatte ein kurzes
Kommando zur Schießschulc nach Spandau
bekommen und brachte seine freie Zeit in
Berlin mit Römhilds und Heinz zu.
Auch Letzterer begrüßte die Gegenwart des
Freundes mit großer Freude, wußte er doch,
daß er von ihm nichts zu fürchte» hatte, daß
er selbstverständlich einem schönen Mädchen
wie Ellinor den Hof machte, in seinem Herzen
aber nur das Bild Fanny's lrug. „Wenn
Fanny, meine süße Fanny, doch jetzt hier
wäre und daß mit genießen könnte." flüsterte
er Heinz mehr als einmal zu.
Bertha sah lächelnd, wie Ellinor und Hans
sich mit einander unterhielten. Mochten sic,
— sie waren jung und berechtigt zum Glück;
sie hatte nichts dagegen, wenn sich ihre Herzen
für's Leben fanden. Das Blut schoß ihr zu
den Schläfen, das Herz klopfte stärker. Ja,
konnte sie sich etwas Schönens denken, erst
das Glück ihrer Tochter zu begründen und
dann an ihr eigenes zu denken? —- So lange
Ellinor im Hause war, konnte sic unmöglich
zu einem zweiten Ehebundc schreiten, besonders
mit einem so viel jüngeren Manne, wie Heinz
Königshofen. -
„Nun ist leider die schöne Zeit vorbei,"
wandte sich Hans, als er kam, um Abschied
zu nehmen, weil sein Kommando beendet war.
„Und wann kehren gnädige Frau in die
Hcimath zurück?"
„Bald und dann hoffe ich, daß Sic den
weiten Weg von der Kaserne zu unserem
Hause nicht scheuen.
„Ach ja, Herr Lieutenant," fiel Ellinor
ein, „kommen Sie nur recht oft."
„denn gehe ich noch einmal so freudigen
Herzens nach unserem kleinen Neste zurück.
Sic glauben nicht, wie dankbar wir Junggesellen
sind, wenn sich uns ein Haus eröffnet, wo
wir freundschaftlich verkehren können."
„Sind Sic musikalisch?" fragte Ellinor.
„Na, so für's Haus," antwortete Hans
lächelnd.
„Herr von der Molde weiß ein Liedchen
davon zu singen," scherzte Bertha.
„Ha — ha! Ein Liedchen von meinem
Liebchen," rief Hans lachend und empfahl sich.
„Es war die höchste Zeit, Mama, sonst
hätte er den Zug vcrsäunit," sagte Ellinor,
trat ans Fenster, sah ihm nach und erwiderte
seinen Gruß, welchen er in dem Augenblick,
als er in die Droschke sprang, heraufsandte.
„Leichtfüßig wie ein Gemsböckchen. Ein zu
lieber, netter Mensch," wandte sie sich an
ihre Mutter.
„Ich freue mich, daß er sich uns so hin
gezogen fühlt," cntgegnctc diese.
„Nun kann es ein reizender Winter werden,"
warf Ellinor hin, sich eben wieder kurz ver
neigend.
„Wen grüßest Du den» da?"
„Herr Königshofen kommt mit Anna ans
der Kunstausstellung zurück," kam es gleich
gültig von Ellinor's Lippen.
Heinz und Anna von Ehlarn erschienen
bald darauf. Frau von Römhild hatte einige
nöthige Besorgungen zu machen. „Ich komme
bald wieder," wandle sie sich, indem sie Hut
und Mantel anlegte, an die beiden jungen
Mädchen und Heinz. „Ich denke, Ihr werdet
Euch wohl zu unterhalten wissen."
„Das heißt auf gut Deutsch: Ihr werdet
wohl vernünftig sein und nicht das Sprich
wort von der Katze und den Mäusen illustriren,"
entgcgnete Anna.
„Nehntt's, wie Ihr wollt!" ries Frau von
Römhild heiter, winkte Heinz freundlich zu
und ging hinaus. Die drei jungen Leute
unterhielten sich von den neuesten Erscheinungen
der Kunstausstellung, ein Gespräch, welches
für Anna jedoch so wenig Interesse zu haben
schien, daß sie das Zimmer unler irgend
einem Vorwände verließ, Ellinor's flehenden
Blick nicht beachtend. Eine Zeit lang saß Herr-
Königshofen da, wie auf den Mund ge
schlagen, während Fräulein von Römhild jich
eifrig mit einer Handarbeit zu schaffen machte,
obgleich sie, wie Heinz wußte, an dergleichen
Beschäftigungen keine Freude fand.
„Soll ich gehen, gnädiges Fräulein?" fragte
Heinz endlich. Ellinor's große Augen ruhten
fragend auf ihm.
„Warum, Herr Königshofen?" Das klang
zaghaft.
„Weil — nun, weil ich Ihnen zur Last
falle.
„Zur Last?
Ja. — Ich weiß cs. — Sic fühlen jich
in meiner Gegenwart befangen — •"
Ellinor beugte sich tiefer auf ihre Arbeit.
„Vergessen Sie doch —_
„Herr Königshofen! Ich bitte!"
„Verzeihen Sie, wenn ich dennoch fortfahre.
Einmal muß es doch gesagt sein, oder
.— —" Er seufzte tief auf und wieder war
das große, sprechende Auge dieses schönen
Mädchens voll auf ihn gerichtet.
(Fortsetzung folgt.)