Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

-ķ- Erscheint ļâgt'ich. 
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WS. 219. 
Dienstag, den 18. September 
1894. 
Morgen-Depeschen. 
Nordhauscn, 17. Sept. In der gestern 
in Harzburg abgehaltenen Hauptversamm 
lung des Harzklubs waren 82 Vereine 
mit 7785 Mitgliedern vertreten. An den 
Kaiser wurde ein Telegramm abgesandt, 
worin der Klub sich zum Kampfe für 
Religion, Sitte und Ordnung un 
erschrocken zur Verfügung stellt. 
Graz, 18. Sept. Der muthmaßlichc 
Mörder des am 12. d. M. nächst Aflenz in 
Obersteier ermordeten und beraubten Er 
bauers des neuen Schutzhauses am Hoch 
schwab, des Zimmermeisters Treitler, wurde 
im Kapfenberg bei Bruck in >der Person 
des Tischlers Alois Munk aus Aflenz ver 
haftet. 
Mainz, 18. Sept. Am Sonnabend- 
Abend wurde an dem alten Winterhafen- 
damm eine von Weisenau kommende Frau 
von einem fremden Schiffer überfallen 
und bis zur Bewußtlosigkeit geschlagen, 
worauf der Schiffer an der Armen ein 
Sittlichkeitsverbrechen verübte. Der Thäter 
ist verhaftet. 
Schlangenbad. 16. Sept. Auf den hie 
sigen Badekommissär Oberst z. D. v. Jh- 
l e n f e l d wurde heute Abend ein Atten- 
tat verübt. Der frühere Ortspolizeidiener 
Hoßfeld, der aus irgend einem Grunde 
Haß gegen den Kurdircktor hegte, lauerte 
ihm am Abend mit geladenem Revolver 
auf und versuchte ihn zu erschießen. Das 
Versagen des Revolvers und die Geistes, 
gegenwart des Bedrohten, der dem Ver 
brecher die Waffe entriß und ihn nieder 
schlug, vereitelten das Vorhaben. Von 
Hoßfeld, dem es in der Dunkelheit gelang 
zu entfliehen, fehlt bis jetzt jede Spur. 
Paris, 18. Sept. Die Morgenblätter 
publiciren das Testament des Grafen von 
Paris. In demselben heißt es, daß es 
für ihn ein Trost sei, denken zu dürfen, 
daß sich alle Freunde der Monarchie seiner 
erinnern werden, wenn für Frankreich ein 
mal glückliche Tage kommen. Ein politv 
scher Friede werde aber erst nach der Rück 
kehr zur nationalen und traditionellen 
Monarchie herbeigeführt werden können. 
Im weiteren Wortlaut des Testamentes 
schildert der Graf seine politische Rolle 
feit dem Kriege von 1870/71; dann fährt 
er fort: „Sollte ich mich getäuscht haben, 
so ist es in guter Absicht geschehen. Meine 
sämmtlichen Handlungen sind nur durch 
meine Hingebung an Frankreich und an 
die Sache, welche ich vertrete, mir einge 
geben worden. Ich habe immer denselben 
Zweck verfolgt: das traditionelle Prinzip 
zu bewahren, zu dessen Hüter mich meine 
Geburt gemacht hat. Ich wollte Frank 
reich beweisen, daß dieses Prinzip mit 
modernen Ideen und der jetzigen Gesell- 
Ichaftsordnung zu vereinbaren ist." Am 
Schlüsse des Dokuments gibt der Gras 
dem Wunsche Ausdruck, daß Frankreich 
zur christlichen, monarchischen Politik zu 
rückkehren möge. Das Testament ist datirt: 
Stowehouse, den 21. Juli 1894 und ist 
überschrieben: „Letzter Wille." 
London, 17. Sept. Wie die „Times" 
aus Shanghai melden, sind die Behörden 
von Tientsin davon bcnachricht worden, 
daß 21 japanische Transportschiffe mit 
10 000 Mann Truppen abgesegelt sind, 
um einen Einfall in China zu bewirken. 
Die chinesischen Hafenbehörden haben auf 
diese Nachricht hin alle nothwendigen Vor 
sichtsmaßregeln ergriffen. Der chinesische 
Admiral Ding fährt in südlicher Richtung 
den japanischen Schiffen entgegen. 
London, 17. Sept. Heute vom ost 
asiatischen Kriegsschauplätze eingetroffenen 
Depeschen zufolge, ist es zwischen Japanern 
und Chinesen bei der Festung Ping-Aang 
zu einer entscheidenden Schlacht gekommen, 
wobei die Japaner den Sieg davon ge 
tragen haben. Die Festung, von 20,000 
Mann zuerst hartnäckig vertheidigt, mußte 
schließlich kapituliren; Die Japaner erbeu 
teten Waffen, Lebensmittel und viele 
Fahnen. Die Verluste auf chinesischer 
Seite betragen 16,000 Mann an Todten, 
Verwundeten und Gefangenen. Unter den 
Letzteren befinden sich mehrere hohe chinesi 
sche Würdenträger und Offiziere, unter 
Anderen der General Trofonk, der Ober 
befehlshaber der Mandschurenarmee. Die 
Japaner hatten 30 Todte zu verzeichnen. 
Lemberg, 17. Sept. Die Stadt Mos 
ciska in Ostgalizien steht in Flammen. 
Konstantinopel, 17. Sept. Im Bezirk 
Erzerum fanden zwischen Steuerneinziehern 
und Armeniern blutige Straßenkämpfe statt, 
die solchen Umfang annahmen, daß eine 
Truppenverstärkung dort nothwendig wurde. 
Warschau, 17. Sept. In der Nähe der 
Stadt Minsk ist gestern ein dreistöckiges 
Naphtareservoir - Gebäude einge st ürzt. 
Bisher sind 13 auf entsetzliche Weise vev 
stümmclte Leichen aus den Trümmern her. 
vorgezogen worden. Viele Arbeiter wurden 
schwer verletzt. 
Petersburg, 17. Sept. Zwei Kanonen 
und vier Torpedoboote gingen von Krom 
stabt nach dem Mittelländischen Meere ab, 
um sich mit den Kreuzern „Dschigid," 
„Haidamask" und „Wsadnik" sowie mit dem 
Panzerschiff „Kaiser Nicolaus I." nach 
den koreanischen Gewässern zu begeben. 
Zu dem Mittelmeergeschwader werden das 
Panzerschiff „Gangert" und der Kreuzer 
Wladimir Monomach" stoßen. 
Die Dosener in Varzin. 
Varzin, 16. September. 
Es sind fast zweitausend Männer 
aus Posen gekommen. Um einviertcl zwölf 
Uhr traf der erste riesige Zug auf dem Bahn 
hof Hammcrmühle ein, ein Zug von sicben- 
undfünfzig Wagen mit zwei Lokomotiven. Es 
gab Waggons erster, zweiter und dritter Klasse. 
Eine gute Weile dauerte cs, bis die Thcil- 
nehmer sich nach Ortschaften in Bataillone 
getheilt hatten. Das erste Bataillon bildete 
die Stadt Posen, dann kamen die kleineren 
Städte. 
Frühmorgens hatten sie in Neustcttin unent 
geltlich Kaffee und belegte Brötchen bekonmicn, 
jetzt in Varzin erfolgte die zweite Bcwirthung. 
In den Straßen des kleinen Dorfes, überall, 
wo nur ein wenig freier Platz, waren hölzerne 
Tische und Bänke, roh gezimmert, aufgestellt. 
Und auf dem Platz eines jeden Festtheilnehmers 
stand immer ein Tellcrchen mit einer Kalbs 
bratenstulle, eine Tasse Kaffee, ein Glas Grog, 
ein Paar warme Würstchen. Bald wurde im 
ganzen Dorf getafelt und die Landleute, die 
von allen Seiten herübcrgepilgert waren, und 
die neugierige Dorfsugend standen herum. 
Es wurden verzehrt 138 Pfund Kalbsbraten, 
135 Pfund Schweinebraten, 130 Pfund 
Butter, 150 Pfund Käse, 150 Laib Brot, 
1600 Paar Würste, 100 Tonnen Schlawer 
städtisches Lagerbier, 2000 Glas Grog. 
Schräg vor der Schloßtreppe ist ein hölzernes, 
hohes Rednerpult aufgestellt. Rechts und links 
von der Veranda stehen Tische für die zahl 
reichen Korrespondenten deutscher und aus 
ländischer Journale. Die Presse ist aufs 
Liebenswürdigste behandelt worden. 
Um halb ein Uhr trat der Fürst niit 
Schweninger auf die Veranda hinaus. Er 
trug einen schwarzen Ueberrock, ein weißes 
Halstuch, Schlapphut. Der Fürst ging ein 
wenig schwerfällig am Stock. , Er begrüßte 
die Mitglieder der Presse sehr freundlich und 
fragte Schweninger: „Sind die Herren alle 
von der Presse?" Als Schweninger bejahte, 
machte der Fürst überrascht „häh" ! Dann 
sagte der Fürst zu den Journalisten: 
„Meine Herren, ich bedauere nur, daß Sie 
hier eine ziemlich schlechte Verpflegung finden 
werden, sowohl was Essen und Schlafen 
angeht, als auch was das angeht, was Sie 
für Ihre Blätter zu berichten wünschen. Es 
wird hier garnicht so viel los sein, wie man 
vielleicht gedacht hat. Ich habe gräßliches 
Podagra, Lumbago, Hexenschuß. Kennen 
Sie das vielleicht? Und das hindert mich, 
mich so zu rühren, wie ich gern möchte." 
Dann wandte sich der Fürst an den Lieute 
nant Fischer, den Arrangeur der Hnldigungs- 
fahrt, mit den Worten: „Ich bedauere nur, 
daß die Herren, um zu mir zu kommen, zwei 
Nächte durchwacht haben. Sic haben Strapazen 
erlitten, um nicht mehr, als eine Ruine zu 
finden. Viel was anderes ist das doch nicht 
mehr." 
Lieutenant Fischer entgcgnctc: „Durchlaucht 
haben manche Nacht für uns gewacht." 
Darauf der Fürst: „Ja, heute könnte ich 
das nicht mehr. Ich habe jetzt, wie gesagt, 
den schönsten Hexenschuß und weiß nicht, ob 
ich ihn liegend oder stehend besser pflegen soll." 
Dann fuhr er, sich zum Zimmer wendend 
fort: „Na, ich werde nun wohl lieber wieder 
hineingehen." Und mit freundlichem Gruß 
verabschiedete sich der Fürst. 
Kurz nach ein Viertel zwei Uhr hört man 
den Pariser Einzugsmarsch, der Einzug 
der Huldigungsbataillone in den Hof beginnt. 
Voran dieOrdnermit schwarz-weißen Schärpen, 
dann das Musikkorps der Stargarder Neuner. 
Zu achten marschiren die Festgcnossen dicht 
an der Terrasse auf. Der Hof reicht kaum 
aus, sie aufzunehmen. Vorn in der Front 
stehen viele alte, ordengeschmückte Herren. 
Der Fürst betrachtet, von den Gästen 
ungesehen, hinter einem geschlossenen Fenster 
den Aufmarsch. An den Fenstern des Stall- 
gebäudes sicht man die Söhne des Grafen 
Rantzau zwischen der Dorfjugend auf den 
Fensterbrettern turnend. Auf einem Scheunen 
dach befindet sich ein Photograph. 
Nachdem der Aufmarsch in militärischem 
Schritt und Tritt — die Marschirenden 
hielten Schirme und Stöcke an der Schulter 
- beendet ist, tritt der Fürst heraus und 
wird mit einem Ricsenhurrah begrüßt. Dann 
steigt der alte Oekonomiedirektor Kennemann, 
ein weißbärtiger Herr mit vielen Orden, ans 
die Rednertribüne und liest aus einer blau- 
gebundenen Adresse eine lange Ansprache vor, 
in welcher er die Hoffnung ausdrückt, daß 
in der Provinz Posen die nationalen Gegen 
sätze bald verschwinden mögen. Er endet mit 
einem Hoch ans den Fürsten. 
Darauf singt die ganze Versammlung den 
ersten Vers einer Bismarckhynme nach der 
Melodie „Deutschland, Deutschland über 
Allcs". Als die Festgcnossen die zweite Strophe 
beginnen wollen, winkt der Fürst, der, den 
Hut in der linken Hand haltend, sich mit der 
rechten an der Eiscnsäule der Veranda halt. 
Allmälig tritt Schweigen ein, der Fürst beginnt 
zu reden. 
Zuerst zittert die Sprache ein wenig, der 
Fürst sucht ersichtlich Worte, dann spricht er 
freier, lauter, eigentlich lauter und deutlicher 
als in früheren Jahren im Reichstag. Wäh 
rend der Fürst spricht, steht Schweninger 
vor ihm, auf der untersten Treppenstufe, und 
läßt keinen Blick von ihm. Tyras liegt zu 
des Redners Füßen, zu ihm aufblickend. Im 
Halbkreis hinter dem Fürsten steht die Familie 
und die Eingeladenen, unter ihnen Herr von 
Hansemann. Die Rede des Fürsten währte 
volle dreiviertel Stunden. 
Der Fürst spricht zunächst von seinem 
unpolitischen Gegner, dem Hexenschuß, der 
ihn seit sechs Jahren quäle; er hoffe, ihn 
bald zu überwinden, um dann wieder nach 
allen Richtungen hin gerade stehen zu können. 
Dann fuhr der Fürst fort: 
„Der Herr Vorredner und ich sind beide 
gleich alt, beide 1815 geboren. Es ist mir 
eine große Freude, meinen Lebensgefährten 
wieder zu sehen, wenn ich auch diese Lebens 
weise nicht so unbeschädigt zurückgelegt, wie 
der Herr Oekonomiedirektor. Ich bin ein 
Invalide der Arbeit, er vielleicht auch, aber 
seine Arbeit ist gesünder. Es ist ein Unter 
schied zwischen einem Landwirth und einem 
Diplomaten. Die Diplomatie füllt mehr ans 
die Nerven. 
Ich danke Ihnen für alle ihre Wünsche 
und würde Ihnen noch dankbarer sein, wenn 
Sie sich alle bedecken wollen. Sonst kann ich 
es auch nicht. Daß Sie vor den Anstrengungen 
der Nachtfahrt, den Unbequemlichkeiten, der 
schlechten Verpflegung nicht zurückgeschreckt 
sind, zeugt von der Stärke Ihres nationalen 
Gefühls. Daß sich das gerade hier ausdrückt, 
ist für mich eine hohe Ehre, ich sche darin 
die Anerkennung meiner Mitarbeiter an den 
Zuständen, in denen wir heute leben, die 
zwar nicht vollkommen, aber doch auch nicht 
so schlecht sind. Wir haben nie gefragt: 
Was können wir wünschen?", sondern „Was 
müssen wir haben?" In dieser Maßhaltung 
ist die Hauptvorbcdingung des Erfolges ge 
legen." 
„Der Fürst geht dann auf das Verhältniß 
der Stärke und Kopfzahl der nationalen und 
der fremden Elemente ein und sagt u. A.: 
Wir könnten das Elsaß noch eher missen, 
als die Ostgrenze. Aber wir lassen Beides 
nicht; wir werden uns schlagen bis ans den 
°‘> Man sagt. 
Roman von E. von Wald»Zcdtwitz. 
Bertha blieb nun noch etwas mit den 
Ihrigen in Berlin, eine Zeit, welche sich durch 
Hartwig s Gegenwart, welcher die Dann» 
unter seinen Schutz nahm, zu einer besonders 
genußreichen gestaltete, noch erhöht dadurch, 
daß Frau von Romhild Ellrnor's Wunsch 
nachgab und Anna von Ehlarn nach Berlin 
einlud. Das waren schöne Wochen gewesen 
und mehr als einmal hatte Anna verwundert 
Hartwig angesehen, wenn er der „wüde 
Sumatrese", wie sie ihn wohl scherzend nannte, 
sinnend vor einem schönen Gemälde gestanden 
und es mit einer wahren Inbrunst betrachtet 
hatte. 
„Aber sagen Sic mir nur, Herr von Röm- 
hild, wie ist es nur möglich, daß Sic, der 
Sie doch ans Ihren Kaffee- und Tabacks- 
Plantagcn wirklich den Kunstsinn nicht üben 
konnten, so viel Geschmack an der Kunst 
finden und auch immer das Gute von dem 
Schlechten zu unterscheiden vermögen. Sie 
sehen mich lächelnd an." 
„Das Gute von: Schlechten unterscheidest 
scheint mir nicht so leicht zu sein, denn wie 
oft schreitet in der Kunst die Mittelmäßigkeit 
im schönsten Gewände umher. Und — 
nehmen Sic mir's nicht übel, Naturmenschen 
gleichen in diesem Falle zunicist den Kindern, 
und Kinder pflegen nach dem Buntesten zu 
greifen," sagte Anna. 
Hartwig belächelte Anna's Aeußerung wirk 
lich. „Ich könnte Ihnen einen anderen Aus 
spruch entgegensetzen: Menschen, die in reiner, 
unschnldvoller Umgebung leben, wie wir in 
Sumatra, bewahren sich ein reines, ich möchte 
sagen unschuldiges Verständniß für alles 
Schöne, träte cs ihnen in einer Gestalt ent 
gegen, in welcher es wolle. Sie vermögen 
daher leichter das Echte vom Falschen, den 
Schein von der Wahrheit zu unterscheiden, 
sei cs bei dem Kunstwerk, welches die Hand 
des Sterblichen geschaffen oder bei dem er 
habensten Kunstwerke Gottes — dem Menschen." 
Anna erröthete, fühlend, auf wen sich seine 
letzten Worte bezogen. Frau von Römhild 
gewahrte mit getheilten Gefühlen die Annähe 
rung Anna's an Hartwig. Aber hätte sie 
ihm eine bessere Lebensgefährtin wünschen 
können? Nein, nein doch geschah dies, 
fanden sich Heinz Königshofen und Anna 
(Y.f(k? un şiàri die Schleusen, welche ihre 
csuhle so mühsam eindämmten, in Trümmer, 
er rom brauste hervor und riß sic selbst 
wieder in den furchtbaren Wirbel. 
Da am, ob Absicht, ob Zufall, auch Heinz 
Königshöfen nach der Reichshauptstadt. Seine 
Freude war gr-enzenlos, und mit stürmischer 
Dankbartett lohnte er ;ede Stunde, welche cr 
mit Römhilds zusammen sein konnte. 
Anna und Ellinor hatten sich viel zu ver 
trauen und Bertha überließ sie gern dem 
ungestörten Austausch ihrer Gefühle. Heller 
Jubel erscholl eben in, Nebenzimmer und 
Frau von Römhild glaubte nicht recht zu 
hören, als Anna niit lauter Stimme: „Hans! 
Hans!" zum Fenster hinausricf. Eine Minute 
später trat Lieutenant Mohrberg i» das 
Zimmer, von Ellinor mit endlosem Jubel 
begrüßt. . x „ 
„Jetzt wird es erst jchön — jetzt soll cs 
lustig zugehen! Wo kommen ^ie her? Wie 
lange bleiben Sie hier? Die essen heute mit 
uns bei Hiller, dann gehen wir rn die Oper." 
„Famos, famos! — Und dann?" 
„Dann?" 
„Ja, nach dem Theater, da gcht's ja crst 
recht an." 
Helle Freude herrschte, Ellinor war plötzlich 
so vergnügt, daß Frau von Römhilds Gedanke, 
den sic schon in Storckwitz hegte, neue Nahrung 
fand. Lieutenant Mohrbcrg hatte ein kurzes 
Kommando zur Schießschulc nach Spandau 
bekommen und brachte seine freie Zeit in 
Berlin mit Römhilds und Heinz zu. 
Auch Letzterer begrüßte die Gegenwart des 
Freundes mit großer Freude, wußte er doch, 
daß er von ihm nichts zu fürchte» hatte, daß 
er selbstverständlich einem schönen Mädchen 
wie Ellinor den Hof machte, in seinem Herzen 
aber nur das Bild Fanny's lrug. „Wenn 
Fanny, meine süße Fanny, doch jetzt hier 
wäre und daß mit genießen könnte." flüsterte 
er Heinz mehr als einmal zu. 
Bertha sah lächelnd, wie Ellinor und Hans 
sich mit einander unterhielten. Mochten sic, 
— sie waren jung und berechtigt zum Glück; 
sie hatte nichts dagegen, wenn sich ihre Herzen 
für's Leben fanden. Das Blut schoß ihr zu 
den Schläfen, das Herz klopfte stärker. Ja, 
konnte sie sich etwas Schönens denken, erst 
das Glück ihrer Tochter zu begründen und 
dann an ihr eigenes zu denken? —- So lange 
Ellinor im Hause war, konnte sic unmöglich 
zu einem zweiten Ehebundc schreiten, besonders 
mit einem so viel jüngeren Manne, wie Heinz 
Königshofen. - 
„Nun ist leider die schöne Zeit vorbei," 
wandte sich Hans, als er kam, um Abschied 
zu nehmen, weil sein Kommando beendet war. 
„Und wann kehren gnädige Frau in die 
Hcimath zurück?" 
„Bald und dann hoffe ich, daß Sic den 
weiten Weg von der Kaserne zu unserem 
Hause nicht scheuen. 
„Ach ja, Herr Lieutenant," fiel Ellinor 
ein, „kommen Sie nur recht oft." 
„denn gehe ich noch einmal so freudigen 
Herzens nach unserem kleinen Neste zurück. 
Sic glauben nicht, wie dankbar wir Junggesellen 
sind, wenn sich uns ein Haus eröffnet, wo 
wir freundschaftlich verkehren können." 
„Sind Sic musikalisch?" fragte Ellinor. 
„Na, so für's Haus," antwortete Hans 
lächelnd. 
„Herr von der Molde weiß ein Liedchen 
davon zu singen," scherzte Bertha. 
„Ha — ha! Ein Liedchen von meinem 
Liebchen," rief Hans lachend und empfahl sich. 
„Es war die höchste Zeit, Mama, sonst 
hätte er den Zug vcrsäunit," sagte Ellinor, 
trat ans Fenster, sah ihm nach und erwiderte 
seinen Gruß, welchen er in dem Augenblick, 
als er in die Droschke sprang, heraufsandte. 
„Leichtfüßig wie ein Gemsböckchen. Ein zu 
lieber, netter Mensch," wandte sie sich an 
ihre Mutter. 
„Ich freue mich, daß er sich uns so hin 
gezogen fühlt," cntgegnctc diese. 
„Nun kann es ein reizender Winter werden," 
warf Ellinor hin, sich eben wieder kurz ver 
neigend. 
„Wen grüßest Du den» da?" 
„Herr Königshofen kommt mit Anna ans 
der Kunstausstellung zurück," kam es gleich 
gültig von Ellinor's Lippen. 
Heinz und Anna von Ehlarn erschienen 
bald darauf. Frau von Römhild hatte einige 
nöthige Besorgungen zu machen. „Ich komme 
bald wieder," wandle sie sich, indem sie Hut 
und Mantel anlegte, an die beiden jungen 
Mädchen und Heinz. „Ich denke, Ihr werdet 
Euch wohl zu unterhalten wissen." 
„Das heißt auf gut Deutsch: Ihr werdet 
wohl vernünftig sein und nicht das Sprich 
wort von der Katze und den Mäusen illustriren," 
entgcgnete Anna. 
„Nehntt's, wie Ihr wollt!" ries Frau von 
Römhild heiter, winkte Heinz freundlich zu 
und ging hinaus. Die drei jungen Leute 
unterhielten sich von den neuesten Erscheinungen 
der Kunstausstellung, ein Gespräch, welches 
für Anna jedoch so wenig Interesse zu haben 
schien, daß sie das Zimmer unler irgend 
einem Vorwände verließ, Ellinor's flehenden 
Blick nicht beachtend. Eine Zeit lang saß Herr- 
Königshofen da, wie auf den Mund ge 
schlagen, während Fräulein von Römhild jich 
eifrig mit einer Handarbeit zu schaffen machte, 
obgleich sie, wie Heinz wußte, an dergleichen 
Beschäftigungen keine Freude fand. 
„Soll ich gehen, gnädiges Fräulein?" fragte 
Heinz endlich. Ellinor's große Augen ruhten 
fragend auf ihm. 
„Warum, Herr Königshofen?" Das klang 
zaghaft. 
„Weil — nun, weil ich Ihnen zur Last 
falle. 
„Zur Last? 
Ja. — Ich weiß cs. — Sic fühlen jich 
in meiner Gegenwart befangen — •" 
Ellinor beugte sich tiefer auf ihre Arbeit. 
„Vergessen Sie doch —_ 
„Herr Königshofen! Ich bitte!" 
„Verzeihen Sie, wenn ich dennoch fortfahre. 
Einmal muß es doch gesagt sein, oder 
.— —" Er seufzte tief auf und wieder war 
das große, sprechende Auge dieses schönen 
Mädchens voll auf ihn gerichtet. 
(Fortsetzung folgt.)
	        
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