Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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87ster Jahrgang. 
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Wo. 213. 
Dienstag, den 11. September 
1894. 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 11. Sept. Die „Nordd. Allg. 
Ztg." meldet: Der kaiserliche außerordent 
liche Gesandte und bevollmächtigte Mi 
nister in Stockholm, Generallieutenant und 
Generaladjutant des Kaisers, Graf von 
Wedel, ist auf seinen Antrag von 
seinem Posten abberufen und wird zur 
Disposition treten. Zu seinem Nachfolger 
ist der bisherige Gesandte in Lissabon, 
Graf Bray-Steinburg ernannt. 
Frankfurt a. M., 11. Sept. Wie der 
„Frkf. Ztg." gemeldet wird, ist der be- 
bckannte Bankier Victor Freiherr von 
Erlanger gestern in Genf gestorben. 
Lütjenburg, 11. Sept. In voriger Nacht 
hat ein großes Feuer die berühmte Boll- 
sche Branntwein- und Spiri 
tus-Brennerei zerstört. Im Ganzen 
sind, wie der „Lüb. Ztg." gemeldet wird, 
18 Gebäude dem verheerenden Element 
zum Opfer gefallen. 
Spandau, 11. Sept. Ein Zahl- 
meisteraspirant der kgl. Artillerie- 
Werkstatt, Möllenthien, ist wegen 
Majestätsbeleidigung verhaftet 
worden; einSchreiber dieses Instituts, 
der ihm untergeben war, hat ihn denunzirt, 
und zwar aus Rache dafür, deß er wegen 
Beleidigung des Vorgesetzten bestraft wor- 
den war. Die inkriminirte Aeußerung soll 
vor Jahr und Tag gefallen sein. 
Darmstadt, 11. Sept. Am hiesigen 
Hofe wird für die nächste Zeit der Be 
such des Großfürsten-Thronfolgers von 
Rußland erwartet. Seine Braut, die 
Prinzessin Alix, weilt zur Zeit hier. 
Myslowitz, 11. Sept. Der Magistrat 
hat bei der Regierung wegen Zunahme der 
Cholera vollständige Grenzsperre beantragt. 
Wien, 11. Sept. Einer Meldung aus 
Lemberg zufolge ereignete sich dort vor- 
gestern Abend, kurz, nachdem der Kaiser 
die Ausstellung verlassen hatte, ein Un- 
glück. Die elektrische Bahn wurde von 
einem dichtgedrängten Publikum fast ge- 
stürmt; in Folge der Ueberfüllung der 
Waggons versagte plötzlich die Bremse, 
sodaß die Wagen haltlos mit rasender 
Schnelligkeit bergab fuhren. Dieselben 
stießen mit einem vorher abgelassenen Zuge 
zusammen und wurden durch den heftigen 
Zusammenstoß 7 Personen schwer, mehrere 
leicht verletzt. 
Paris, 11. Sept. Von den bei dem 
gestrigen Eisenbahnunglück bei Apilly 
schmerverwundcten Personen liegen zwanzig 
in Compiegne darnieder; man ist ohne 
Hoffnung, sie am Leben zu erhalten. In 
St. Quentin befinden sich 60 Leichtverletzte. 
Mehrere der Leichtverletzten setzten die 
Reise nach Deutschland fort. Es sind im 
Ganzen gegen 100 Personen verletzt wor 
den. Unter den Trümmern wurden be 
reits 4 Todte hervorgezogen. 
London, 11. Sept. Wie aus Peking 
gemeldet wird, sandte der König von Korea 
eine besondere Gesandtschaft mit Geschenken 
an die Kaiserin von China anläßlich deren 
Geburtstages. 
Tientsin, 11. Sept. In gut unter- 
richteten chinesischen Kreisen verlautet, daß 
das japanische Kriegsschiff 
„H y e i" in dem letzten Kampfe mit dem 
chinesischen Schiffe „Tschenyuen" so be- 
schädigt wurde, daß es auf der Rückfahrt 
nach Japan gesunken ist. 
RealkreM. 
Der Grund und Boden ist überschuldet; 
mit dieser Thatsache Hand in Hand geht 
natürlich eine andere: die Versagung des 
Kredits. Der Realkredit ist erschöpft, mit 
Hypotheken überlastet; das ist eine Lage, 
welche die landwirtschaftliche Krisis unge 
mein verschärfen muß. 
Die Frage ist jetzt die, wie kann geholfen 
werden: durch Beschränkung des Real 
kredits, weil seine Ueberspannung schädlich, 
oder durch Erweiterung desselben, weil 
seine Anspannung sich als ungenügend er' 
wiesen hat. 
Der jüngst einberufenen Agrarkonfe 
renz lag die Lösung der Frage ob, wenn 
auch nur durch Abgabe eines Sentiments. 
Ueberraschenderweise hat diese Konferenz 
in ihrer Mehrheit sich strikte gegen jegliche 
Beschränkung des Realkredits ausgesprochen 
und, wenn auch verschämt, durchblicken 
lassen, daß sie eine Erweiterung desselben 
für wünschenswerth erachte. Dieses Re 
sultat mußte insofern überraschen, als der 
Anstoß für die Berufung der Agrarkonfe 
renz in der Neberschuldung des land- 
lichen Grundbesitzes gegeben war. Einer 
Neberschuldung kann aber nicht abgeholfen 
werden durch neue Schulden. 
Der Ertrinkende, der um Hilfe ruft, 
hat offenbar die rettende Hand, die ihm 
entgegengestreckt wurde, nicht erkannt, er 
hat sie zurückgewiesen, statt sie zu ergreifen. 
Es ist sicher, daß die Erweiterung des 
Realkredits den Ruin der Landwirthe nur 
beschleunigen wird. Schon die heutige 
Krisis ist durch theuren Boden, hohe Löhne 
im Jnlande und billiges Getreide auf dem 
Weltmarkt hervorgerufen, mit Erweiterung 
des Kredits werden aber der Bodenwerth 
sowohl als die Löhne noch weiter steigen. 
Deshalb sollte man sich gar sehr be 
sinnen, ehe man dem Landwirth die Mög 
lichkeit bietet, in noch höherem Grade als 
bisher Schulden zu machen. Es kann ihm 
dies nie zum Vortheil gereichen. (D. W.) 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Der Krieg um Korea scheint den Chi 
nesen sehr unangenehm zu werden. We 
nigstens lassen die folgenden Mitheilungen, 
die der am 6. d. M. in San Franzisko 
eingetroffene Dampfer „Peru" mitgebracht 
hat, darauf schließen: Nach den Zeitungen 
Pekings zu urtheilen, ist die Stellung Li' 
Hung-Changs ernstlich untergraben. Er 
flößt seinen Untergebenen nicht mehr all' 
gemeine Furcht ein, und seine Vorgesetzten 
haben das Vertrauen zu ihm als Staats 
mann verloren. Während die Zeitungen 
Pekings einst nicht ein Wort gegen den 
Vizekönig zu bringen vermochten, kritisiren 
sie ihn jetzt in der heftigsten Weise und 
machen ihn sogar verantwortlich für den 
Verzug und die Schlappen seit der Kriegs- 
erklärung. Der „Hochi" sagt sogar, es 
sei schon ein Ausschuß eingesetzt worden, 
um Li-Hung-Chang in Anklagezustand zu 
setzen und ihn wegen seiner Unfähigkeit, 
welche die Ehre des Reiches befleckt hat, 
zur Verantwortung zu ziehen Der „Hochi" 
giebt sogar die Namen der Mitglieder des 
Ausschusses an: lauter persönliche Feinde 
Li-Hung-Changs. Es ist jetzt bekannt, daß 
die Hofpartei für eine Friedenspolitik war. 
Li-Hung-Chang aber war für Krieg und 
trug den Sieg davon, trotz des erbittertsten 
Widerstandes. Man sagt, daß er durch 
den chinesischen Gesandten in Söul, Duan, 
irregeführt worden ist. Juan unterschätzte 
die Macht der Japaner. Wiederholt er 
klärte er dem Vizekönig, Japan werde in 
seinen Prätensionen auf Korea nachgeben, 
sobald man ihm die Zähne zeige. 
Japan sei gar nicht in der Lage, China 
den Krieg zu erklären, noch weniger einen 
Krieg zu führen. Darum ist Li-Huug- 
Chang erbost gegen Juan. Er hat aber 
augenscheinlich nicht die Macht, seine Rache 
fühlen zu lassen, wie er es vor sechs Mv' 
naten hätte thun können. (B. T.) 
Rumänien. 
Ueber einen Attentatsversuch in der 
Kirche wird aus Bukarest unter dem 
gestrigen Datum Folgendes gemeldet: In 
der hiesigen katholischen Kathedrale 
drängte sich zu Beginn der heiligen Hand 
lung ein Individuum in die erste Reihe 
der Andächtigen. Dasselbe kniete anfäng 
lich wie zum Gebet nieder, stürzte dann 
aber plötzlich gegen den Altar vor, stieß 
Drohrufe gegen die dort befindlichen drei 
Priester aus und drang mit einem lan 
gen Messer auf sie ein. Der Mann, 
welcher irrsinnig zu sein schien, wurde 
von zwei Andächtigen ergriffen und an der 
Ausführung der beabsichtigten Blutthat 
gehindert. 
Türkei. 
Zwanzig bewaffnete Räuber plünderten 
den Bahnhof Akkya (Türkei) und raubten 
69 000 Francs. 
Serbien. 
Der „Franks. Ztg." wird aus Belgrad 
gemeldet: Als König Alexander am 7. d. 
von einem Ausfluge mit der Eisenbahn 
nach Nisch zurückkehrte, wurde kurz vor 
Nisch bei der Station Appellovatz der 
königliche Salonwagen von mehreren 
Personen mit Steinen beworfen. Fast alle 
Fenster des Wagens wurden zertrümmert, 
aber weder der König, noch Jemand des 
Gefolges wurde verletzt. Den Attentätern 
gelang es, unter dem Schutze der ange- 
brochenen Nacht zu entkommen. 
Luxemburg. 
Luxemburg, 10. Sept. Der Wein- 
Großhändler Haal wurde auf dem Wege 
nach Wassenlierch ermordet und be 
raubt. Die Mörocr entwendeten ihrem 
Opfer 16 000 Ji. baares Geld. 
Belgien. 
VermummteRäuber drangen in 
Brügge in das Schloß Wynege, knebelten 
den Schloßbesitzer Christiaens und raubten 
für 100 000 Francs Werthpapiere. Die 
Räuber wurden verhaftet. 
England. 
London. 10. Sept. Aus zuverlässiger 
Quelle verlautet, daß des Grafen von 
Paris persönliches Einkommen 
ohne das der Gräfin und ohne die ihm 
von der Herzogin von Galliera für poli 
tische Zwecke zur Verfügung gestellten 
Fonds 1,500,000 Francs jährlich betrug. 
Oesterreich. 
Wien, 10. Sept. Eine gestern Abend 
abgehaltene Versammlung von Tapezier' 
gehülfen beschloß, morgen den Streik 
zu beginnen. Die Gehülfen verlangen ver 
kürzte Arbeitszeit, Festsetzung jeines Mini 
mallohnes und Abschaffung der Akkord- 
Arbeit. 
Das Neue Wiener Tagblatt meldet aus 
Wien vom 7. ds.: Der 20jährige Private 
Otto Lusum, Sohn einer Hofgärtners 
wittwe, sprang gestern Abend in den 
Donaukanal, wurde jedoch gerettet und der 
psychiatrischen Klinik übergeben. Der junge 
Mann gab an, er habe, was ihm selbst 
unbegreiflich sei, den Selbstmordversuch, 
den er jetzt bereue, lediglich zu dem Zwecke 
verübt, um die Empfindungen eines 
freiwillig Sterbenden kennen zu 
lernen und um zu erfahren, wie einem 
solchen im Kampfe um Tod und Leben zu 
Muthe sei. Nun aber habe er genug ge 
fühlt und werde in der Folge nie mehr 
an einen Selbstmord denken. Er fügte 
hinzu: Wenn die Selbstmordkandidaten 
beiderlei Geschlechts seine entsetzlichen Er 
fahrungen kennten, würden sie von der 
Verwirklichung ihrer Selbstniordgedanken 
Abstand nehmen. Es sei ein unbeschreib 
lich grauenhaftes Gefühl dort unter 
den schauderhaft rauschenden Wellen. Da 
die Geistesstörung des reuigen Selbstmord- 
Experimentators von blos vorübergehender 
Natur zu sein .scheint, so dürfte derselbe 
in Bälde die Anstalt verlassen. 
Dänemark. 
Kopenhagen. 10. Sept. Ein früher be 
reits abgestrafter Mann, der vor einigen 
Wochen wegen Diebstahls zu 18 Mo 
naten Zuchthaus verurthcilt worden, wurde 
gestern mit einem jungen Mädchen, Tochter 
eines wohlhabenden Bürgers ge 
traut. Gleich nach der Ceremonie wurde 
der junge Ehemann ins Gefängniß zurück 
geführt. Sobald er seine Strafe absolvirt 
hat, will das Paar nach Amerika aus 
wandern. 
Frankreich. 
Paris. 9. Sept. Der um 12 Uhr 40 
Min. von hier nach Köln abgegangene 
Schnellzug ist bei Apilly zwischen Noyon 
und Chauny entgleist. (Wiederholt.) 
Paris. 10. Sept. Unter den bei dem 
gestrigen Eisenbahnunglück in Apilly 
Verwundeten befindet sich ein Deutscher, 
Namens Löwenstein aus Elberfeld, der 
einen Beinbruch erlitt. Unter den Todten 
ist kein Deutscher. 
St. Quentin, 10. Seplbr. Das Eisen 
bahnunglück bei Apilly ereignete sich in 
Folge des Zusammenstoßes des Schnell 
zuges mit dem Wagen eines im Rangiren 
Ma« sagt. 
Roman von E. von Wald-Zedtwitz. 
„Was meinen die Damen zu einer Partie 
Croquet. sagte einer der Ulanenoffizicrc. 
„Angenommen!" erklang es in der Runde. 
Die Parteien bildeten sich und jetzt erst stellte 
i es sich heraus, daß noch eine Person fehlte 
„Ich werde Fräulem von Römhild holen," 
sagte Anna. 
„Darf ich das nicht besorgen, gnädiges 
Fräulein?" fragte einer der Herren dagegen. 
„Nein — danke — danke — ich glaube, 
cs wird einige Diplomatie dazu gehören, 
Fräulein von Römhild's hier habhaft zu 
werden, wo sie als artige Tochter überall 
das Händchen reichen muß." 
„Dann freilich — zum Diplomaten tauge 
ich wohl kaum," scherzte der junge Offizier, 
worauf sich Anna, froh, der Croquctpartie 
entronnen zu sein, entfernte. Jetzt bercuete sie 
cs fast, denn sie sah Herrn von Römhild auf 
sich zukommen und empfand, obgleich sie seine 
Gesellschaft noch eben herbeigesehnt hatte, doch 
eine Scheu, mit ihm allein zu lustwandeln. 
Schnell in einen Seitcnpfad einbiegend, kam 
sie aus dem Regen in die Traufe, denn hier 
stand Heinz Königshofen, offenbar unschlüssig, 
wohin er sich wenden sollte. — An ein Aus 
weichen war, ohne auffällig zu erscheinen, 
nicht zu denken. Warum sollte sie es auch? 
■— Eine Spannung, wie sie jetzt zwischen 
Herrn Königshofen und ihr bestand, war ja 
bei öfterem Sehen auch unerträglich. Ein 
offenes Wort war hier allein am Platze, und 
das sollte gesprochen werden, das hatte sie ja 
stets verstanden, warum sollte sic es jetzt ge 
rade verlernt haben? 
„Halt, Herr Königshofen, halten Sie mir 
nur Stand!" rief sic so heiter, wie ihr die 
immerhin peinliche Lage irgendwie gestattete, 
„ich thue Ihnen wirklich nichts." 
Heinz stand da, wie mit Blut übergössen. 
„Guten Tag, mein Herr! — Ja — guten 
Tag! — Reichen Sie mir nur erst 'mal die 
Hand, denn bis jetzt haben Sie mich heute 
geradezu grandios geschnitten." 
„Gnädiges Fräulein — ich —Heinz 
reichte ihr schüchtern die Hand, welche sie desto 
herzhafter ergriff. 
„Sie haben ein schlechtes Gewissen! Na 
türlich und mit vollem Fug und Recht, denn 
~i" Anna wurde ernst. „Sie haben sich 
neulich zu einer grenzenlosen Ucbereilunq hin- 
r°.ßen lassen - still - so war es." 
„Jch^ninß emgestchcn — daß * 
., aß ich furchtbar feuriger Natur bin. 
Aber, mem lieber Herr Königshofen, was soll 
denn das werden, wenn sie einmal die Bretter 
betreten, welche dre Welt bedeuten? Da führen 
Sic ja Liebesscenen vor und hinter den Con- 
lisscn auf." 
Heinz nickte und sah lächelnd zu Anna auf 
die ihm in ihrer Natürlichkeit so reizend erschien! 
„Nun kommen Sie, wir gehen zusammen." 
Avna schritt mit Heinz vorwärts und ge 
wahrte nicht, daß Hartwig von fern Zeuge 
dieser Unterredung war, welche schon in den 
sie begleitenden Bewegungen den Charakter 
außergewöhnlicher Vertraulichkeit trug, sie hätte 
nicht auf diesem stillen, abseits gelegenen Park- 
wege geführt zu werden brauchen. 
Sie spielt mit ihm denn sie kann 
es nicht ehrlich mit ihm meinen, wenn sie, 
wie sic selbst ja sagte, schon vergleicht. 
Beide waren Hartwigs Augen entschwunden. 
„Nun malm Sie sich nur ordentlich aus, 
was für ein Unglück cs geworden wäre, hätte 
ich ebenso den Kopf verloren, wie Sie — und 
wir wären plötzlich verlobt gewesen." 
Heinz konnte nicht anders, er mußte lachen. 
„Gräßlich wär's gewesen — Sie lieben 
mich garnicht, wenn man so — so — nun, 
Sie wissen schon, wie Strohfcuer flackert — 
und mir — ich will offen sein — ging es 
ebenso. — Wir wären ein nettes Brautpaar 
gewesen. Ha — ha —ha." 
„Reizender kann Niemand einen Korb geben, 
mein hochverehrtes, liebes, gnädiges Fräulein!" 
rief Heinz voller Wärme, ihre Hand ergreifend, 
ohne Frau von Römhild zu bcnierken, welche 
jenseits des mit Büschen besetzten Teiches in 
Begleitung einiger Damen vorüberging und 
der dieser Vertranlichkcitsbcweis nicht ent 
gangen war. 
„Und vergnügter ihn Niemand einzuheimsen? 
Aber wir wollen nun aus Herzenslust Freunde 
sein." 
„Anna! Anna! Fräulein von Ehlarn! - 
Aber Sie erfüllen ihre Sendungen ja mit 
einer Pünktlichkeit, um der Sic jeder Soldat 
beneiden könnte!" erklangen jetzt von allen 
Seiten Stimmen, denn Anna hatte sich mit 
Heinz unvorsichtiger Weise dem Croquetplatzc 
genähert. Es blieb ihnen so nur übrig, sich 
an der Partie zu betheiligen. Sic waren 
Beide recht zerstreute Spieler. 
Erfrischungen wurden gereicht, auf dem 
gutgcschorenen, saftgrünen Rasen wurde der 
Federball geworfen, einzelne Paare ruderten 
auf dem großen Teiche und belustigten sich 
damit, die Schwäne zu füttern; die Herren 
ließen sich die Pferde vorführen und besich 
tigten die Hunde, dabei spielte die RcgimcntS- 
musik, kurz, das angeregteste gesellschaftliche 
Treiben herrschte. Herr von Mäurer als 
Wirth konnte zufrieden sein, seine Gäste unter 
hielten sich herrlich. 
Nach und nach leerten sich die schattigen 
Gänge und die freien Plätze des Parkes, die 
Gäste zogen sich auf ihre, theils im Schlosse, 
theils in der Jnspektorwohnung oder im 
Dorfkruge gelegenen Zimmer zurück, um zu 
ruhen und sich demnächst zum Mittagessen 
umzukleiden. 
„Entzückend, mein lieber Mäurer," sagte 
der Fürst, als er sich vorläufig vom Hof 
marschall verabschiedete, „und doch fehlte das 
Beste — nicht wahr, meine Gnädigste?" 
wandte er sich scherzend an die Baronin 
Römhild. „Nun, Sie wissen ja, was ich 
meine die Schloßfrau." 
Kurz grüßend verschwand der Fürst im 
Schloß, während Bertha, ohne ein Wort zu 
sagen, Ellinor beim Arm nahm und schleunigst 
den Rückzug antrat. Lorenz starrte den Da 
vongehenden seufzend nach, um sich dann auch 
auf seine Stube zu begeben. 
Gegen sieben Uhr ertönte das erste Glocken 
läuten als Zeichen zum Anziehen, eine halbe 
Stunde später das zweite, bald darauf ver 
sammelte sich die Gesellschaft wieder, dieses 
Mal in großer Toilette, um im weiten Ahnen 
saale das Mittagessen einzunehmen. 
Excellenz von Mäurer hätte nicht so lange 
der Hofhaltung seines hohen Herrn vorstehm 
müssen, als daß die Folge der Speisen und 
diese selbst nicht Hütten exquisit sein sollen. 
Feurige, alte Weine, schäumender Champagner 
erhöhten die Feststimmung, so daß die an 
schließende Tanzlustbarkcit mit lautem Jubel 
begrüßt wurde. 
Kaum daß die ersten Töne der Musik er 
klangen, so wirbelten auch die Paare schon 
durcheinander. Seine Durchlaucht der Fürst 
eröffnete in höchsteigener Person den Ball 
mit der Erzherzogin. Anna von Ehlarn 
tanzte mit Heinz Königshofen, Hans Mohr- 
berg — zu Fanny's Kummer — mit Ellinor, 
Herr van Römhild dagegen betheiligte sich 
nicht an dem Tanze, sondern beobachtete mit 
kläglichem Gefühle Anna und Heinz, welche 
wie auf Windesflügeln dahin sausten, um 
sich in den Pausen angeregt zu unterhalten. 
Auch Bertha machte dieselbe Wahrnehmung, 
und erweckte dieselbe, wie schon vorher, die 
gctheiltesten Gefühle in ihr. Bisher hatte 
Heinz sie nur mit einigen Worten begrüßt. 
Würde er keine Gelegenheit nehmen, ihr mehr 
von seiner kostbaren Zeit zu widmen? 
Sie würde sich nicht gescheut haben,^ sich 
am Tanze zu betheiligen, selbst auf die 
Gefahr hin, daß man mißliebige Bemerkungen 
machen würde, weil sie mit ihrer Tochter 
zugleich tanzte; aber das Schicksal schien 
es nicht zu wollen, und so fügte sie sich denn. 
Sie that es nicht, weil ihr von Baron de 
Bendrecourt die erste Aufforderung zu -theil 
wurde, und mit ihm wollte sie nicht tanzen, 
geschweige denn zum ersten Male. Er war 
ihr unangenehm, sein süßliches, zudringliches 
Wesen stieß sie ab und ihr Gefühl sagte rhr, 
daß sic cs mit einer unlauteren Natur zu 
thun hatte. So kam cs, daß sic gar nicht 
tanzte, obgleich ihr von allen L-eitcn Auf 
forderungen dazu wurden. Frau von Schön- 
wolff hatte dies Alles genau beobachtet, denn 
die Baronin von Römhild, in der sic nun 
einmal eine gefährliche Konkurrentin, sowohl 
in der gesellschaftlichen Stellung, als auch 
in der Gunst der Männerwelt erblickte, erschien 
ihr heute als die bcobachtungswcrthestc Per 
sönlichkeit des ganzen Festes, während sie sich
	        
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