Berlin, 4. Sept. Der bei der Dis
conto-Gesellschaft angestellte Assessor Dr.
Sattler wurde im Forst bei Köpenick
todt aufgefunden. Es ist noch nicht fest'
gestellt, ob es sich um einen Selbstmord
oder um ein Verbrechen handelt.
— Der „Kreuzzeitung" zufolge wird
seitens des Bundes der Landwirthe geplant,
ländliche Kreditvereine auf genossenschaft'
licher Grundlage zu errichten. So weit
uns bekannt ist, existiren ähnliche Institute
schon lange. Dieselben haben es nicht
allzuweit gebracht. Wenn ein Landbesitzer
Geld gebraucht, kann er es gegen Sicher'
heit überall haben.
— Gurkenbowle soll jetzt im
kaiserlichen Hofhält das bevor
zugte Getränk sein. Der K a i s e r hat es
während seines jüngsten Aufenthalts in
England bei den Offizieren seiner Royal
Dragroons kennen gelernt und das Recept
zur Bereitung mit herüber gebracht.
— Wie gefährlich das Asphalt
Pflaster fürPferde undReiter
ist, erfuhren Dienstag die Garde-Ulanen,
als sie aus der Stadt zum Manöver ritten.
Vor der Dragonerkaserne in der Blücher,
straße stürzten ziemlich gleichzeitig nicht
weniger als 4 Pferde zu Boden. Die ge'
sammte Schwadron gerieth in Unordnung.
Zwei der Gäule konnten erst dann bewogen
werden, wieder aufzustehen, als man ihnen
mit Decken unter die Beine griff. Die
Ulanen benahmen sich ausnahmlos tadellos.
Mit anerkcnnungswerther Geschicklichkeit
sprangen sie in dem verhängnißvollen Augen'
blick des Sturzes aus den Bügeln, unter'
stützten die mit vollem Manövergepäck bk'
lasteten Thiere beim Aufstehen, beruhigten
die zitternden Streitrosse und schwangen
sich sofort wieder in den Sattel. Einige
zogen es allerdings vor, die Polizeiverord
nung zu übertreten und auf dem Trottoir
in das Manövergelände zu reiten.
— Zu dem Programmentwurf der frei
sinnigen Volkspartei hat der „Ber
liner Arbeiterverein" in einer Montag-
Abend abgehaltenen Versammlung folgende
Resolution beschlossen, welche dem Eisenacher
Parteitage unterbreitet werden soll:
„Der Berliner Arbeiterverein erklärt,
daß ein Programm, welches den Anfor
derungen einer zielbewußten Demokratie
in politischer und sozialer Beziehung ge
nügen soll, mindestens auch nachstehende
Forderungen klar enthalten muß: 1. Das
allgemeine, gleiche, direkte und geheime
Wahlrecht nicht nur zu allen gesetzgebenden
Körperschaften im Reich und Einzelstaaten,
sondern auch in den Kommunen für alle
heimathsberechtigten Männer. 2. Trennung
der Kirche von Staat und Schule, Aufbau
des gesummten Unterrichts auf der Volks
schule, Unentgeltlichkeit des Unterrichts und
der Lehrmittel. 3. Verbot der Fabrik'
arbeit von verheiratheten Frauen, der Er
werbsarbeit von Kindern unter 14 Jahren,
möglichste Einschränkung der Arbeitszeit
für unverheiratete Arbeiterinnen und
jugendliche Arbeiter, Erstrebung eines ge'
setzlichen Maximalarbeitstages für erwachsene
Arbeiter. Stellung aller gegen Lohn oder
Gehalt arbeitenden Personen unter die
Gewerbeordnung, also auch der Dienstboten
und ländlichen Arbeiter, der Handlungs
gehilfen und Bureauangestellten, somit Aus
dehnung des Koalitionsrechtes bezw. der
Zuständigkeit der Gewerbeschiedsgerichte auf
dieselben. Neben Sicherung der Koalitions
freiheit Ertheilung von Korporationsrechten
an Arbeiterverbände aller Art. Vermehrung
der Fabrikinspektoren und Wahl derselben
aus den Kreisen der Aerzte, Techniker,
Arbeiter und Arbeiterinnen, Erweiterung
der Befugnisse derselben und Errichtung
einer Inspektion der landwirthschaftlichen
Betriebe. 4. Bekämpfung der Unreellität
im Gewerbebetriebe, insbesondere Sicherung
der Bauhandwerker durch Gewährung eines
Vorrechts ihrer Forderungen vor den
Hypotheken. 5. Aufhebung aller indirekten
Steuern und Zölle; dagegen steigende Be
auf ihre Freundschaft allein beziehen? — So
klang es nicht. Aber auch Fanny erschrak bei
Hans Mohrbergs Frage, daß sie kleinlaut
fortfuhr:
„Ich habe mich nun so riesig gefreut und
habe Mama's Schelte und heimliche Püffe —"
„Sagen wir Püffchen —"
„Nein, Püffe — Du glaubst nicht, wie
wüthend sie werden kann, geduldig ertragen
— und nun ärgerst Du mich schon wieder
mit dem dummen Backfisch."
„Fanny — meine gute liebe Fanny
— ich schwöre es Dir, ich will es nie, nie
wieder thun. Ich will Dich nie mehr necken."
„Doch, das kannst Du. Necken ist hübsch,
da kann ich Dich auch wieder necket," fiel
Fanny schon wieder vollständig versöhnt ein,
„aber nur nicht mit dem — Du weißt schon
— und wenn man, wie ich, heute Hofdame
spielt und ganz erwachsen angezogen ist, keinen
Baumclzopf mehr hat —."
„Ah — richtig — ganz grande dame.
Ich schwöre es! Hier meine Hand darauf."
Hans nahm Fanny's Rechte in die seine und
drückte sie kräftig.
„Au — nicht so — furchtbar — stark."
„Du siehst reizend aus, Fanny, ganz er
wachsen."
„Ach, geh' doch," sagte die Kleine ge
schmeichelt und leicht geziert.
(Fortsetzung folgt.)
steuerung der reinen Grund-Rente als des
einzigen arbeitslosen Einkommens. 6. Bei'
staatlichung resp. Kommunalisirung aller
Gewerbebetriebe, (welche einen vonMatur
aus monopolartigen Charakter haben, als
Verkehrsmittel, Bergwerke, Wasserkräfte,
Beleuchtungswesen, Wasserversorgung der
Städte usw. und selbstverständlich Gestaltung
derselben zu Musterbetrieben wie auch
Vermeidung der Ausbeutung derselben zu
fiskalischen Zwecken. 7. Reorganisation
des Beamtenwesens, Abschaffung der Be'
vorzugung der sogenannten Militäran
Wärter bei der Besetzung von Beamten
stellen."
Der Resolution ist hinzugefügt, daß
vorstehend nur solche Forderungen aufge
führt sind, welche in dem offiziellen Ent
Wurfe eines Programms für die fret
sinnige Volkspartei ungenügend «der über-
Haupt nicht enthalten sind. Die Resolution
wurde schließlich trotz der Gegenreden
mehrerer zum Parteitag gewählten Dele
girten nach langer Diskussion angenommen
Berlin, 4. Sept. Wie der „Berliner
Börsencourier" meldet, war heute im Nord
osten Berlins das Gerücht von einem
Cholerafall verbreitet. Es handelt
sich um eine Frau, die vor kurzem aus
Starkow eingetroffen war, Plötzlich unter
choleraähnlichen Erscheinungen erkrankte
und gestern Nachmittag starb. Die Des'
infection der Wohnung wurde alsbald vor
genommen. . Allem Anschein nach liegt
jedoch nur ein tödtlich verlaufener Brech
durchfall vor. (Als ob Cholera etwas
Anderes wäre als ein starker Brechdurchfall.)
-Die große Landwirthschafts
Ausstellung im Treptower Park hat
einen Fehlbetrag von rund 33000
Mark ergeben.
Eine Quittung über eine Tracht
Prügel hat ein in Berlin wohnender
Schneider in eine Zeitung einrücken lassen.
Das kuriose Inserat lautet: Ich erkläre
hiermit den Grobschmiedgesellen 36. für
einen vollgültigen Ehrenmann und nehme
die ausgestoßenen ehrenrührigen Beleidi
gungen reumüthig zurück. Herr Karl 36.
hat mich schon für die Verleumdung ge
schlagen, aber dem Herrn Schiedsmann
versprochen, er will es nicht wieder thun,
wenn ich ihn als Ehrenmann in die Zeitung
'etze und einen Thaler in die Armen-Kasse
zahle.
Zwölf Wochen unschuldig in
Untersuchungshaft zugebracht hat der
Kirchschullehrer Hönisch aus Witznitz bei
Borna in Sachsen, der verschiedener Sitt-
lichkcitsverbrechen angeschuldigt war. Vor
dem Leipziger Landgericht wurde er dieser
Tage glänzend freigesprochen,
da alle die Anschuldigungen, die man gegen
den im Amte ergrauten Lehrer vorgebracht
hatte, nichts Anderes waren als unbe
gründetes Weibergerede, ein Gemisch von
Aerger und Rache.
Infolge eines verhängnißvollen
Irrthums ist am verflossenen Dienstag
der 22jährige Musketier Michel aus Gau
bickelheim, welcher im 117. Regiment steht,
in Groß-Zimmern gestorben. Ein junger
Civilarzt, der zur Ableistung seiner Dienst'
zeit während des Manövers zum 117. Re
giment kommandiert war, wollte — so be'
richten die „Neuen Mainzer Nachr." —
dem Verstorbenen, welcher über Verdau
ungsbeschwerden klagte, Dienstag früh
Uhr, als er zu ihm in die Wohnung kam,
einen Löffel Arznei geben. Infolge des
Nebels befand sich die niedere Dorfstube
in völligem Dunkel, der Arzt vergriff sich
in der Arznei und gab dem Manne Karbol'
säure. Trotzdem der Irrthum sofort de'
merkt und alle Gegenmittel angewendet
wurden, unter Beihülfe der schleunigst
herbeigeholten anderen Aerzte, verstarb
der Unglückliche nach zwölfstündigen Wieder
belebungsversuchen. Die von dem Regt
mentsarzte vorgenommene Obduktion stellte
als Todesursache Karbolsäurevergiftung fest.
Durch den Hufschlag eines Pfer
des, welches der Bataillons < Adjutant
Lieutenant v. Malokte ritt, ist in, Ma
növergelände in der Nähe von Rhinow,
der Hauptmann Petrich von der 3.
Kompagnie des 24. Infanterie-Regiments
derartig ins Gesicht getroffen worden, daß
er mehrere Zähne verlor und besinnungs
los vom Platze getragen wurde.
Wie der „Post" aus Kassel gemeldet
wird, hat die Cholera bei Bürgeln
seit gestern nicht zugenommen, was die
Zahl der Erkrankungen anbetrifft. Die
Aerzte hoffen, die Seuche zu lokalisiren
Außerhalb Bürgelns ist keine Erkrankung
vorgekommen. Bei Bürgeln ist eine Jsolir
baracke zur Aufnahme Cholerakranker auf-
geschlagen worden. Die Kasseler Diako-
konissen sind dort eingetroffen.
Naumburg a. S., 3. Sept. Das
Naumb. Kreisblatt Nr. 180 enthält fol
gende naturwissenschaftlich zweifelhafte An-
zeige, die aber dessenungeachtet „tief blicken"
läßt: „Vertreter-Gesuch. Suche einen
tüchtigen zuverlässigen Vertreter zum Ver
treter meiner Katerheringe für
vcaumburg und Umgegend. Verdienst sehr
gut. Näheres bei F. S., Unterkoskau bei
Tanna. Katerheringsfabrik,,
Aurich, 1. Sept. Die Landwirthe
Ostfrieslands haben dem „Hann. Cour."
zufolge mit Rücksicht auf die günstige Ent-
Wickelung der freien Vereine sich
allgemein gegen die Errichtung 'von Land'
Wirthschaftskammern ausgesprochen. Der
Ausschuß des ostfriesischen Hauptvereins
hat daher seine Vertreter im Central-Aus-
schusse der königlichen Landwirthschafts'
Gesellschaft Hannover ersucht, entschieden
gegen diese neue Organisation aufzutreten.
Marburg, 3. Sept. Professor Fränkel
erklärt: Der Ursprung der plötzlich aus
tretenden Cholera in Bürgeln ist ebenso
räthselhaft, wie das Auftreten derselben
seinerzeit in Dietleben und schließlich auch
in Hamburg. Die Cholera ist im wesent'
lichen auf zwei Familien beschränkt. Ein
alter Mann, Großvater, ist zuerst an der
Cholera gestorben; woher er sie bekommen,
ist unbekannt. Von ihm wurden dann
offenbar Familienmitglieder angesteckt. Die
betreffenden Leute leben in den denkbar
schlimmsten Verhältnissen, die aller
Hygiene Hohn sprechen, in Schmutz und
Elend. Sie waren völlig mittellos, Leib
Wäsche und das Nöthigste fehlen. Daß
die Seuche von Soldaten eingeschleppt
worden, scheint ausgeschlossen. Festgestellt
ist, daß in der Ulanenschwadcon Niemand
krank, Niemand in einer choleraverdächtigen
Gegend auf Urlaub gewesen ist, Niemand
aus einer solchen Gegend Sachen erhalten
hat. Ebenso fehlt jeder Anhaltspunkt für
sonstige Einschleppung. Weder im Fluß-
wasser noch in den allerdings un
gesunden Brunnen wurden bisher
Bazillen nachgewiesen. Der er
krankte Ulan war nur schlapp geworden.
Bis heute Abend 9 Uhr ist kein nener
Todesfall, keine Neuerkrankung vorgekom'
men. Es wird nicht befürchtet, daß die
Cholera über Bürgeln sich weiter verbreitet.
Die Erkrankten befinden sich Verhältniß-
mäßig gut. Die Ulanen bleiben vorläufig
zwecks Beobachtung in den Quartieren.
Lippstadt, 1. Sept. Seit geraumer Zeit
setzen z a h l r e i ch e Bra lldstif tun ge n
die hiesige Bevölkerung in Aufregung. In
einem Zeitraum von ca. 3 Wochen sind
acht bis neun Gebäude in nächtlicher Stunde
in Brand gesteckt worden; außerdem sind
Pferden auf der Weide die Schweife ab
geschnitten und die Obstbäume an den
Chausseeen gefällt worden. Die polizei
lichen Recherchen haben bisher nichts
Wesentliches zu Tage gefördert. Gestern
Abend ist wiederum ein großes Gehöft
in unmittelbarer Nähe der Stadt abgebrannt.
Zahlreiche Drohbriefe lassen weitere Uebel
thaten erwarten.
Aus Wiesbaden wird der Magdeburger
Zeitung gemeldet: Ein Herr dem vor meh
reren Monaten in Frankfurt 100 Mark
gestohlen worden waren, erhielt jüngst
wlgenden Brief: „Sehr geehrter Herr:
Ich habe Ihnen Ihr Geld gestohlen. Nun
krieg ich's auf einmal mit Gewissensbissen
zu thun und schicke Ihnen deshalb an
liegend einen Zwanzigmarkschein. Sobald
ich wieder Gewissensbisse kriege, schicke
ich Ihnen wieder etwas."
Ein Arbeiter bei Franlfurt war mit
einer Wittwe verlobt. Eines Tages gab
sie ihm aus irgend welchen Gründen den
Abschied. Das wurmte ihn, er prügelte
seine Angebetete wie nur ein Wilder
seinen ungeneigten Fetisch prügeln kann,
und sie belangte ihn dafür gerichtlich.
Jetzt aber, als sie starb, vermachte sie ihm
2000 Ji mit der Begründung: „Weil
Du ledig geblieben bist."
Bingen, 3. Sept. Ein Problem, das
die Bergungsfirma Winschemann & Cie.
aus Mülheim a. d. Ruhr bei Hebung
gesunkener Schiffe gegenwärtig
hier zu lösen sucht, erregt in Fachkreisen
allgemeines Interesse. Die Firma hat es
übernommen, den dem Schiffer Engelmann
aus Caub gehörenden Schleppkahn „Her'
mine", der vor etwa sechs Wochen mit
einer Ladung von nahezu 14,000 Centnern
Kohlen im Binger Loch gesunken war,
gegen eine Vergütung von Mk. 8200.
wieder zu heben. Die mißliche Lage des
Fahrzeuges, das beinahe quer und theil'
weise zwischen kleinere Felsen eingeklemmt,
direkt vor dem großen Lochfelsen liegt, er'
schwert eine Entfernung nach der bisher
bei derartigen Fällen üblichen Methode un
gemein. Dies legte den Unternehmern den
Gedanken nahe, die Bergung auf andere
Weise zu versuchen. Sie ließen in Folge
dessen für jede Abtheilung des noch nicht
ganz entleerten Schiffes große vierkantige
Kasten, genau nach der Form und Größe
der Laderäume verfertigen, und zwar^so,
daß die Ränder der Kasten die Wasser'
linie überragen, wobei der zurückgehende
Wasserstand sehr zu Statten kam. Die
Kasten wurden in die Abtheilungen emge
paßt, mit Wasser bis oben angefüllt und
dann in das Schiffsinnere versenkt; ihrem
Emportanchen ist dadurch vorgebeugt, daß
man sie zu beiden Seiten unterhalb der
Gang borde mit Ketten verschnürt hat.
Während so sämmtliche beschädigte Schiffs'
räume eine innere wasserdichte Verkleidung
erhalten haben, sucht ein Taucher die Leck
agen von außen nach Möglichkeit zu ver
dichten. Der leitende Gedanke der Unter
nehmung ist, daß sobald das Wasser aus
dem Innern des Fahrzeuges mittelst einer
Dampspumpe vollständig ausgepumpt ist,
ich das ganze Schiff von selbst heben
muß. Gestern hat die Dampfpumpe bereiks
ihre Thätigkeit begonnen und es wird sich
in den nächsten Tagen zeigen, ob die Vor-
Jn
aussetzung eine richtige gewesen ist.
Fachkreisen ist man getheilter Meinung
darum erwartet man mit um so größerer
Spannung das Resultat.
Heilbronn, 3. Sept. Heute Nacht 12
Uhr entluden sich über unsere Stadt mehrere
großartige Gewitter. Ein Blitz
strahl traf das Rathhaus und brachte die
berühmte historische Uhr zum Stillstand.
Ziemlich viel Schaden richteten die eleftrx
sehen Entladungen an den Telephon- und
Telegraphenleitungen an, zu Bündeln zu
sammengerollt hingen die Drähte an den
Trägern. Die Schläge waren so gewaltig,
daß die Häuser in ihren Grundfesten er
zitterten.
Mannheim, 3. Sept. Mit einem eigen'
artigen Mißgeschick tragikomischerNa-
tur nahm gestern Abend die neue Saison
unseres Hoftheaters ihren Anfang.
In Folge eines heillosen Zufalls war
nämlich das Theater bei einer Außenwärme
von 24 Grad Reaumur im „Schatten"
geheizt. Die Sache kam so: Um die
in dem Bacchanale der Oper „Margarethe"
erforderlichen Dämpfe zu erzeugen, wurde
der zu diesem Zwecke vorhandene Apparat
in den Brand gesetzt. Ob nun Mißver
ständniß oder Bosheit daran die Schuld
trägt, die Luftheizung wurde gleich
falls bei dieser Gelegenheit in Thätigkeit
gesetzt und erfüllte ihre Funktion so vor
trefflich, daß im Hause die Temperatur
eines römischen Bades herrschte. Es war
zum Ersticken. Während das Publikum
aber die Hitze lediglich der im Freien Herr-
chenden Gewitterschwüle zuschrieb, kamen
die ausübenden Künstler sehr bald dem
Quell des Unheils ans die Spur.
Konstanz, 3. Sept. Ein verheeren
des Gewitter mit furchtbarem Hagel-
chlag ging gestern Nachmittag über die
badische Bodenseegegend nieder. Ueber eine
Viertelstunde prasselten die Hagelkörner
nieder, vielfach in der Größe von kleinen
Hühnereiern und richteten an den Obst-
bäumen und in den Rebbergen schweren
Schaden an. Hauptsächlich wurden All
mannsdorf mit der Insel Mainau, Woll
matingen und die Insel Reichenau betroffen,
wo der Herbst zum größten Theil zerstört
ist. In den Weinbergen war der Boden
dicht mit abgeschlagenen Trauben und
Beeren bedeckt, an den hängen gebliebenen
Trauben sind die Beeren aufgerissen. Der
Blitz hat an mehreren Orten eingeschlagen,
in Hagenau setzte er ein Bauernanwesen
in Brand, das mit dem Ernteerträgniß
ein Raub der Flammen wurde.
Stade, 3. Sept. Gestern Morgen
wurde der 75 Jahre alte Anbauer Claus
Rohbom, Schifferthorsvorstbdt 11 wohn-
haft, in seinem Bett liegend mit durch
schnittener Pulsader der einen Hand todt
aufgefunden. Das aus der Wunde ent
stoffene Blut war in einen vor dem Bett
stehenden Eimer gelaufen, die Hand mit
der Wunde lag indessen auf der Bettdecke,
während das Rasirmesser, mit welchem an
scheinend die That ausgeführt war, in einem
Pantoffel unter dem Bett steckte. Da nun
nicht anzunehmen ist, daß der alte, sehr
kränkliche Mann nach dem Verlust des
Blutes noch so viel Kraft besessen hat, die
Hand wieder auf das Bett zu legen und
das Messer bei Seite zu legen, andererseits
die ebenfalls in dem Hause wohnhafte sep.
Frau Schröder, die mit Rohbom Verkehr
Pflegte, beim Eintritt des herbeigerufenen
Polizeibeamten erklärte, sie hätte den
Todten nicht angerührt, sich überhaupt sehr
auffällig benahm und, ohne gefragt zu sein,
ausrief: „Ich habe ihn nicht er-
mordet!" wurde die Frau unter dem
Verdachte, an dem Ableben des Rohbom
nicht unbetheiligt zu sein, in Haft genom
men. Die Untersuchung ist in vollem
Gange.
Hamburg, 4. Sept. Ein hoffnungs
voller Sohn scheint ein 19jähriger
Realschüler zu sein, der vor einigen Tagen
mit einem Schiffe von Süd-Amerika hier
eintraf. Der junge Mann entfloh ini
vorigen Jahre seinen in Oesterreich wohn-
haften Eltern und reiste über Hamburg
nach Brasilien. Das Glück lächelte dem
Taugenichts jenseits des Ozeans jedoch
nicht, er kam so weit herunter, daß er auf
der Straße campiren mußte. In Valpa
raiso ließ sich ein norwegischer Kapitän
herbei, den Ausreißer nach Deutschland
mitzunehmen. Das Schiff traf unlängst
auf der Elbe ein, worauf der anscheinend
0OI J it eUe ^şaffte Sohn sich an die gut
gestellten Eltern wandte, um dem Kapitän
die Ueberfahrt bezahlen zu können. Diese
waren auch nicht abgeneigt, sie wollten
aber mit dem Kapitän selbst in Verbindung
treten. Als der Schiffsführer eines Tages
ans Land gegangen war, stahl ihm der
Bursche 120 mexikanische Dollars und
verjubelte das Geld in der Stadt. Ein
Criminalbeamter hat den undankbaren Sohn
gestern Abend ermittelt und zur Haft ge
bracht.
Hamburg, 3. Sept. Seit einigen Ta
gen macht sich eine Frau ein Gewerbe
daraus, D i e n st m ä d ch e n unter allerlei
alschen Vorspiegelungen Geld abzulocken
und zwar führt sie dies in der Weise aus,
daß sie angeblich im Aufträge von Ver-
wandten der Mädchen, welche sie aus-
zukundschaften weiß, denselben mittheilt,
die Verwandten hätten einen Unfall er
litten, seien krank geworden u. s. w. und
bäten um Darlehen, welche ihr vielfach
auch verabreicht wurden. Kürzlich er
schienen ihr drei Schwestern, welche
auf verschiedenen Stellen dienten, will
kommene Opfer. Zunächst begab sie sich
zu einer der drei Schwestern, welche bei
einer Herrschaft an der Hagedornstraße
im Dienst steht und erzählte derselben, daß
ihre bei einer Herrschaft an der Alster-
Terrasse dienende Schwester krank geworden
sei und um 10 Mk. bitte. Das Mädchen,
das nicht mehr entbehren konnte, gab der
Frau 3 Mark. Hierauf begab sich dir
Schwindlerin zu der zweiten Schwester am
Eppendorferweg. Dieser machte sie die
unwahre Mittheilung, die an der Hagedorn
straße dienende Schwester habe einen Teppich
zerrissen (!) und sollte denselben sofort er-
etzen; die Schwester lasse um 20 Mark
bitten. Hier hatte sie indeß kein Glück,
denn die Angesprochene erklärte, das Geld
ihrer Schwester persönlich bringen zu wol
len, da sie doch zur Stadt müsse. Mit
gleich ungünstigem Erfolg operirte sie bei
der Schwester an der Alster-Terasse, bei
welcher sie unter ähnlichen falschen An
gaben für die am Eppendorferweg dienende
L-chwestcr 6 Mark zu erschwindeln ver
achte. Die Polizeibehörde ist nun eifrigst
bemüht, das gemeingefährliche Frauen
zimmer zu ermitteln.
Hamburg, 4. Sept. Bon der preußi-
chen Regierung soll, wie verlautet, auf
Grund der Elbschifffahrtsakte Einspruch
erhoben worden sein gegen die geplanten
Bauten zur Umgestaltung des
Hamburgischen Freihafens in St.
Pauli. Bevor die Baupläne die Zu-
Ummung der preußischen Regierung er
halten, kann mit den Bauarbeiten nicht
begonnen werden.
Hamburg. Bei dem Bau der elektri-
chen Straßenbahn kommen gar sonderbare
Forderungen zu Tage; bei der Enge un
serer Straßen sucht die Straßenbahn-Ge-
ellschaft anstatt der Mastbäume die Halte
mr die elektrischen Leitungen möglich an
ben_ Häusern anzubringen. Um dies zu
dürfen, muß sie die Erlaubniß der Eigen
thümer einholen, die unentgeltlich gegeben
werden muß, ebenso wie bei den Telephon
leitungen. Viele Hausbesitzer wollen das
nicht und dann bleibt nichts anderes übrig,
als ihnen einen Mastbaum vor die Thür
zu pflanzen. Einer dieser Hausbesitzer
hat nun eine gar zu kuriose Forderung
an die Straßenbahn-Gesellschaft gestellt;
er wollte für die bezeichnete Erlaubniß
das Recht genießen, lebenslänglich unent
geltlich auf allen Linien der Hamburger-
Straßenbahn zu fahren. Mit Rücksickt
ans die Gesundheit des betreffenden Haus
besitzers hat die Gesellschaft diese Ent
schädigung abgelehnt.
Hamburg. Bei der Hamburger Polizei-
kasse sollen in der jüngsten Zeit Fehlbeträge
von erheblichem Umfange festgestellt, und
soll bereits ein Angestellter der Polizei
in Untersuchungshaft genommen sein. Die
Höhe der veruntreuten Gelder wird auf
75 000 Mk. angegeben.
Der frühere Kassirer der Hamburger
Filiale I der „Bereinigung deutscher Maler"
hat in den letzten 2'/2 Jahren nach und
nach die Summe von 1725,25 Mk. unter
schlagen. Derselbe hat sich am 2. Sept.
Abends 9 Uhr erschossen und sich dadurch
einer richterlichen Strafe entzogen. — Der
Kassirer des früheren „Vereins der Haus
knechte und Komptorboten Hamburgs und
Vororte von 1890", jetziger „Verein aller
im Transport- und Handelsgewerbe be
schäftigten Hülfsarbeiter", Sch., hat seine
Kommittenten um ca. 500 Mk. geschädigt.
Provinzielles.
m a ^^öoland ist, wie der dortige
Pastor Schröder der „Köln. Ztg." schreibt,
noch fein Standesamt errichtet. Es wer
den deshalb auch keine standesamtlichen
Trauungen vollzogen, vielmehr besteht
dort nach wie vor nur die kirchliche Trau
ung zu Recht, die unter denselben Be
dingungen und Formen vollzogen wird,
wie zur englischen Zeit, und überall rechts
verbindliche Kraft hat.
Kiel, 4. Sept. Einen interessanten
Beitragung zur Beurtheilung
derKielerAusstellung bringt die
Kiel. Ztg.", indem sie unter dem Titel:
Bon der Ausstellungs-Lotterie, schreibt:
Gestern fand in der „Waldwiese" im An
schluß an die Ausstellung eine Verloosung
tatt. Es waren für den Verkauf der
Loose ca. 20 000 Mark erzielt und Ge-
winn-Gegenstände im Werthe von 13 500
Mark angekauft. Die Verloosungs-Com-
mission bestand aus dem Rentier Martini,
vem Zimmermeister Ströh, dem Kanzlei
rath Böger, dem Zeitungs-Herausqeber
Bökel und dem bisherigen Director Eck-
tz 0 f f. Die Verloosung selbst wurde von
dem Polizei-Inspektor Ehmsen überwacht.
Die Ziehungslisten werden demnächst ver
öffentlicht werden. Nach den in den Blät-
tern erlassenen Anzeigen sollte die Zahl
der zur Ausgabe gelangenden Loose 75 000
betragen, dem ein Gewinn-Betrag
von 50000 Mk., darunter ein Haupt
treffer von 10 000 Mk., gegenüber
tehen sollte. Vergleicht man diese Zahlen
mit den oben mitgetheilten, so ergibt sich/
daß die Käufer von Loosen nicht eben
glücklich in der Verwendung ihres Geldes