Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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rungsmittel. Jetzt wird geplant, zwei 
Eisenbahnen zu bauen, eine von Reyk- 
javik nach dem Rangarvattnbezirk, die an- 
dere von Reykjavik oder Akranes zum 
Jnselsjord, also guer durch das ganze 
Land. Der Bau soll einer Aktiengesell 
schaft übertragen werden, die zunächst eine 
kleinere Eisenbahn von etwa 50 engl. 
Meilen von Reykjavik ab bauen will. Vom 
15. April bis 15. Oktober sollen sechsmal 
in der Woche Züge gehen; im Winter so 
oft es die Verhältnisse zulassen. Der betr. 
Aktiengesellschaft sollen für einen Zeitraum 
von 30 Jahren jährlich 50 000 Kronen 
bewilligt werden. Unter denselben Bedin 
gungen erbietet sich die Gesellschaft, einen 
Dampferverkehr zwischen Island und Eng 
land, sowie um die Insel zu unterhalten. 
Die Isländer wollen dadurch den Touristen 
ström von England, der Norwegen so viele 
Vortheile bietet, nach ihrer einsamen Insel 
lenken und es ist möglich, daß bei besserer 
Verbindung sich eine neue Quelle des 
Wohlstandes öffnet. Gegenwärtig geht der 
Wohlstand wie die Bevölkerungsziffer zurück 
und jedes Jahr wandern einige Tausend 
Isländer nach Kanada aus. 
Schweiz. 
Thun, 31. Aug. Das in Beatenberg 
gänzlich niedergebrannte Hotel „Victoria" 
war mit Gästen angefüllt, die gerade bei 
Tische saßen, als der Brand ausbrach. 
Das ganz aus Holz erbaute Hotel war 
für 229 000 Frcs., das Mobilar für 150000 
Frcs. versichert. Die Habe der Pächterin 
dagegen war nicht versichert. Viele Effek 
ten der Gäste gingen im Feuer verloren, 
ebenso diejenigen der Dienstboten, welch 
letztere noch ihre Ersparnisse einbüßten. 
Es wurde eine Sammlung für sie veran 
staltet, die bereits 5000 Frcs. einbrachte. 
Am Wegräumen des Schuttes wird nach 
dem „Bund" eifrig gearbeitet und es wer 
den die Schuttmassen sorgfältig untersucht. 
Zahlreiche Werthgegenstände kommen zum 
Vorschein. 
Griechenland. 
Athen, 1. Sept. In Folge eines Schmäh- 
artikels auf das Heer erstürmte heute 
Mittag eine große Anzahl von Offizieren 
und Mannschaften die Bureaus der 
Zeitung „Akropolis" und zerstörte alles. 
Die Ergrimmten warfen den Widerstand, 
den man ihnen entgegensetzte, mit den 
Waffen in der Hand nieder. Es sind viele 
Verwundungen vorgekommen, doch wurde 
Niemand schwer verletzt. 
Inland. 
Die „Nat.-Ztg." schreibt: Es ist schon 
berichtet worden, daß am Donnerstag Abend 
in Sanssouci beim Kaiser eine kleine 
Abendgesellschaft stattfand, in der auch 
musicirt wurde. Es war das erste Mal 
seit langer Zeit, daß das Schloß von 
Sanssouci zu einem Zwecke der ©efellig 
feit wieder benutzt wurde, und zwar waren 
die Zimmer Friedrich's des Großen dazu 
gewählt. Das Concert fand im Musik 
zimmer des großen Königs statt und die 
mitwirkenden Künstler waren in der Tracht 
der damaligen Zeit; unter anderem wurden 
Flötencompositionen Friedrich's in dem 
Raume, wo er sie selbst so oft gespielt hat, 
vorgetragen. 
— Das zukünftige famose Seu 
ch enge setz wirft bereits seine Schatten 
voraus. Eine Anklage ist gegen einen 
hiesigen Arzt wegen Vergehens gegen § 327 
St.-G.-B. anläßlich der «Diphtheritis-Er- 
krankungen in einem Hotel erhoben wor 
den. Der Arzt wird beschuldigt, die bei 
Diphtheritis > Erkrankungen vorgeschriebene 
Anzeigepflicht und somit „Absperrungs 
oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhr 
Verbote, welche von der zuständigen Be 
Hörde zur Verhütung des Einführens oder 
Verbreitens einer ansteckenden Krankheit 
angeordnet worden sind, wissentlich ver 
letzt" zu haben. Es ist dies unseres 
Wissens der erste Fall einer Anwendung 
des § 327 auf einen Arzt. Die Situa 
ist für den Angeklagten, der sich demnächst 
vor der Strafkammer zu verantworten 
hat, insofern sehr ernst, da der § 327 für 
den Fall, daß in Folge dieser Pflicht-Ver 
letzung ein Mensch von der ansteckenden 
Krankheit ergriffen worden ist, Gefängniß, 
strafe von drei Monaten bis zu 3 Jahren 
androht. 
Berlin, 30. Aug. Als ein Zeichen der 
Zeit wird mitgetheilt, daß in Folge des 
beträchtlich zurückgegangenen Fremdenver 
kehrs in den letzten fünfviertel Jahren in 
Berlin nicht weniger als 27 H otels ver- 
kracht sind. 
dm Uebcrmuth so schnell gefunden hatten, 
durch die Räume, wo Einer immer an den 
andern stieß, dabei plaudernd, lachend und 
die alte eigenartige Ausstattung betrachtend. 
„Sieh' da, das ist das reizendste Fleckchen 
hier im ganzen Schlosse, jetzt ist cs noch leer 
von Menschen, denn die drängen sich alle so 
viel als möglich in die oberen Salons, um 
die Strahlen der fürstlichen Sonne, welche 
dort nun bald aufgehen wird, so früh als 
möglich auf ihre Häupter scheinen zu lassen. 
Setzten wir uns. So — das thut gut nach 
der Steherei." 
Beide nahmen auf einem Doppelsessel, 
welcher vor einem mächtigen, mit alten Schweins- 
lederbänden gefüllten Büchergestell stand, Platz. 
(Fortsetzung folgt.) 
Berlin, 31. Aug. Ueber den Termin 
der Einweihung des neuen Reichs 
tagsgebäudes steht immer noch nichts 
fest. Die „N.-L. C." hält aber nicht für 
wahrscheinlich, daß der früher in Aussicht 
genommene Tag, der 18. Oktober, wird 
eingehalten werden können. Mit der Er 
öffnung des neuen Gebäudes steht auch 
der Zeitpunkt des Beginnens der nächsten 
Reichstagssession im Zusammenhang. Wenn 
es sich irgend machen läßt, beabsichtigt 
man, die neue Session gleich mit der Ein 
weihungsfeier zu verbinden und sonach 
von dem alten Gebäude überhaupt für den 
Reichstag keinen Erdrauch mehr zu machen 
— Zu den Klagen darüber, daß man 
die Besitzer einzelner Gehöfte ge 
zwungen habe, diese während der Dauer 
militärischer Schießübungen zu 
verlassen, weil sie sonst von den weit 
tragenden Gewehren getroffen werden 
könnten, bemerkt die „Köln. Ztg.": Es ist 
dies zweifellos für die Betreffenden nichts 
weniger als angenehm, aber da die weit 
tragenden Gewehre nun einmal da sind 
und da es sich aus Rücksichten auf die 
Staatskassen nicht machen läßt, daß man 
überall vollständig ausreichende Schießplätze 
einrichtet, so ist diese vorübergehende Be 
schränkung des Eigenthums nicht zu ver 
meiden. In vielen Fällen handelt es sich 
dabei um Schießplätze, die nur ein einziges 
Mal benutzt werden, und es wäre Hand- 
greiflicher Unsinn, wenn man zu diesem 
Zweck große Landgebiete ankaufen wollte. 
Andrerseits machen aber die verschiedenen 
Berichte den Eindruck, als ob nicht überall 
ganz richtig verfahren worden wäre. Zu 
nächst sollten solche Anordnungen nicht 
durch die Militärbehörde, sondern nur durch 
die Civilbehörde getroffen werden. Dann 
aber kann man mit Recht die Forderung 
'tellen, daß solche Verordnungen nicht von 
einem Tage zum andern getroffen werden, 
andern daß man durch vorherige An 
kündigung den Bewohnern Zeit lassen muß, 
ich auf die ihnen auferlegte Beschränkung 
einzurichten. Endlich ist in solchen Fällen 
nicht nur eine billige, sondern eine reich 
liche Entschädigung zu gewähren, denn der 
Eingriff in das Privateigenthum ist hier 
o stark, daß dem auch eine entsprechende 
Gegenleistung gegenüberstehen muß. Eine 
allgemein gültige Regelung dieser Ange- 
legenheit wäre durchaus angezeigt, da solche 
Fälle sich ber der großen Tragweite unserer 
Gewehre aller Voraussicht nach nicht selten 
wiederholen werden. 
— Rund 406 000 Postsendungen 
blieben im Jahre 1892 bei der Reichspost- 
Verwaltung endgültig unbestellbar. An die 
bei den verschiedenen Ober-Postdirektionen 
befindlichen Ausschüsse zur Eröffnung un 
bestellbarer Postsendungen gelangten über 
1 Million Stück, von welchen es gelang, 
rund 700000 an die Absender zurückzugeben. 
Die Ursache dieser feststehenden Thatsache 
haben wir fast ausschließlich in Verab 
säumungen seitens der Briefschreiber zu 
suchen, unter denen aller Wahrscheinlichkeit 
nach das schöne Geschlecht in hervorragen 
der Weise beitheiligt ist. 
- „Versöhnungs-Thaler" sollen in 
diesem Jahr aus Anlaß der „Versöhnung" 
zwischen dem Kaiser und dem Altreichs 
kanzler in der Berliner Münze geprägt 
worden sein. Es sind im Ganzen 5000 
Stück, die wohl nie öffentlich ausgegeben 
und bald den kostbarsten Werthmünzen sich 
anreihen werden. Die eine Seite zeigt 
das Brustbild des Kaisers in Generals 
uniform mit Helm; die Unterschrift lautet: 
„Wilhelm II., Deutscher Kaiser, König 
von Preußen, 1894." Die andere Seite 
enthält das Brustbild des Altreichskanzlers 
in Kürassier-Uniform ohne Helm mit der 
Unterschrift: „Otto Fürst von Bismarck, 
Herzog von Lauenburg". Am Rande der 
Münze liest man: „Ein Gedächtnißthaler". 
Das „Berl. T.", welches diese Meldung 
bringt, fügt hinzu: „Von zuständiger 
Seite haben wir dagegen erfahren, daß es 
ich hier lediglich um ein Privatunter 
nehmen handelt, und daß die oben be 
schriebenen Münzen nicht in der Reichs 
münze, sondern in einer Nürnberger Privat- 
Prägeanstalt hergestellt wurden, somit gar 
keinen numismatischen Werth haben." 
— Bei der Neuregelung der 
widerruflichen Staatsbeihilfen für Volks 
-chulzwecke gehen die Ministerien von dem 
Grundsatz aus, daß als Durchschnittsbe- 
lastung der Gemeinde für Volksschul. 
zwecke die Höhe von 7 5 p C t. der 
Einkommen st euer anzusehen ist; 
eine solche Last müsse von den Gemeinden 
ohne Staatsbeihilse getragen werden. 
Aus Berlin wird berichtet: Der singende 
Händler ist eine neue Spezies von 
Originalen, die in den Kneipen der 
Friedrichstadt und vielleicht auch anderswo 
verkehren. Während man sich in die feuch- 
ten Gründe des Maßkruges vertieft, dringt 
Nützlich eine helle Männerstimme an das 
Ohr. Mitten in der Kneipe steht ein junger 
Mann von etwa 20 Jahren, der nach einem 
reundlichen Blick, den er mit der Wirthin 
austauscht, ohne Vorrede ein Lied anstimmt. 
Seine Stimme ist gar nicht so übel, und 
der junge Tenorist, der von Lenz und 
Liebe singt, findet daher meist freundliche 
Aufmerksamkeit. In der Regel wählt er 
chwermüthige Weisen, die das Herz der 
Frau Wirchin rühren und auch sonst em 
pfindliche Seelen erweichen. Ist diese 
thränenfeuchte Wirkung eingetreten, so ver 
wandelt sich der poetische Sänger in einen 
nüchternen Handelsmann; er umgürtet sich 
mit einem Kasten, der Wachsstreichhölzer 
enthält und geht dann von Tisch zu Tisch 
Zum Bierkrieg in Berlin wird ge 
meldet, daß die vereinigten Brauereien zu 
einem erneuten Vorstoß geschritten sind, 
nachdem in der sozialdemokratischen Parte, 
offenkundige Anzeichen für eine eingetretene 
E r m a t t u n g an die Oeffentlichkeit ge 
drungen sind. Die Brauereien haben Cir 
kularschreiben an eine große Anzahl besser 
gestellter Gastwirthe ergehen lassen, die 
auf die durch das Verhalten der Sozial 
demokraten herbeigeführte Schädigung der 
kleineren Wirthe hinweisen und 
nicht blos zu Beiträgen an die Unter- 
stützungskasse von Seiten der Empfänger 
solcher Cirkulare, sondern auch zu Samm 
lungen in den bezüglichen Bekanntenkreisen 
auffordern. 
Trotzdem zur Durchführung des Bier 
boykotts in Berlin ein ganzes Heer von 
Bierschnüfflern angestellt ist, läßt sich die 
Ueberwachung des Bierverbrauchs nicht 
mit der Strenge durchführen, daß den be- 
klagenswerthen „Genossen" boycottirtes 
Bier mit absoluter Sicherheit ferngehalten 
werden kann. Tagtäglich muß der „Vor 
wärts" neue Namen von Wirthen, die sich 
in die Tafel der parteilich approbirten 
Schankwirthschaften hatten eintragen lassen, 
'treichen, weil sie trotzdem boycottirtes 
Bier weiter verzapft hatten; es zeigt sich 
eben, daß die Magen der Genossen sich 
nicht so leicht wie die Köpfe für sozialistische 
Einrichtungen gewinnen lassen. Und nicht 
jeder sozialdemokratische Schankwirth ist so 
glücklich wie ein „Genosse", der im „Vor 
wärts" anzeigt, daß er seine Kundschaft, 
die Boycottbier verlangt, „verkauft" habe 
und nunmehr nur boycottfreies Bier ver 
sänke. Glückliche Kundschaft, die so durch 
ein Kaufgeschäft einer Gefahr entrückt ist 
Die Umgehung des Boycottverbots zeigt 
indessen, daß der Parteileitung schließlich 
nichts übrig bleiben wird, als das 
boycottfreie Bier nach dem Rezepte zu 
brauen, das einmal im Reichstag für 
Kunstbutter in Vorschlag gebracht worden 
ist: Mit veilchenblauem oder moosgrünem 
boycottirtem Bier, meint die „Magdeb. 
Ztg." wird nicht gemogelt werden können 
- Auf zwei recht bezeichnende Zeitungs 
anzeigen lenkt das „Bromberger Tageblatt" 
die Aufmerksamkeit. In der einen wird 
eine musikalische Erzieherin gegen ein 
Jahresgehalt von 80 Jt, in der anderen 
eine „Mamsell" gesucht, welche in der Auf 
zucht von Schweinen, Federvieh und Jung 
vieh bewandert sein muß. Lohn: 240 Ji 
Da werden die jungen Damen, welche sich 
dem Lehrerinnenberuf zu widmen beabsich 
tigen, gut thun zu überlegen, ob sie nicht 
besser fahren, wenn sie sich mit der Schweine 
zucht befassen. 
Auch Staatsanwälte haben zuweilen gute 
Laune! Unter dieser Spitzmarke berichten 
Berliner Blätter: Von einem dieser Herren 
der erst neuerdings in großen Prozessen 
durch sein scharfes Auftreten sich bemerkbar 
gemacht hat, erzählt man in Juristenkreiseu 
eine artige Geschichte. Der Staatsanwalt 
führte einst eine Sache, in der es sich um 
einen jugendlichen Angeklagten handelte, 
der die unfreiwillige Muße im Untersuchungs- 
gefängniß dazu benutzte, seine Geliebte in 
einer Reihe von Gedichten zu besingen. 
Die Verse waren in die Hände des Staats 
anwalts gelangt, und der Vertheidiger, 
einer unserer bekanntesten Anwälte, hielt 
es auch seinerseits für geboten, in die 
poetischen Erzeugnisse seines Clienten Ein 
blick zu nehmen — vielleicht um aus „des 
Dichters schönem Wahnsinn" einen gewissen 
Milderungsgrund herzuleiten. Er stellte 
also den formellen Antrag, ihm eine Ab 
schrift der Gedichte zu senden. Der Staats 
anwalt aber verfügte kurzer Hand den 
launigen Bescheid: 
„Die Verse sind für Röschen 
Und nicht für Sie erdacht, 
Die Abschrift aus den Acten 
Wird darum nicht gemacht." 
Ueber das Attentat in Essen, wo ein 
verurtheilter Bergmann auf den Ge 
richtshof schoß, wird weiter gemeldet: 
Der Gerichtshof zieht sich zur Berathung 
zurück, worauf der Angeklagte seine Weste 
aufknöpft und sich in die Bank zurücklehnt. 
Als der Gerichtshof wieder eintritt, steht 
der Angeklagte auf, hält die rechte Hand 
in der Jackettasche und wühlt mit nervöser 
Hand in der Tasche herum. Das Gericht 
hat nur aus 14 Tage Gefängniß erkannt, 
owie den Beleidigten die Befugniß zuge- 
prochen, den Urtheilstenor 4 Wochen nach 
erlangter Rechtskraft im „Reichsanz." und 
ln der „Gelsenk. Ztg." je einmal auf 
Kosten des Angeklagten zu veröffentlichen. 
Der Angeklagte zieht dann Plötzlich 
einen Revolver und erhebt ihn zum 
Schießen. Unter lautem Schreien flieht 
das Publikum in panikartiger Weise, der 
Gerichtshof flüchtet ins Berathungszimmer, 
der Wachtmeister zieht den Degen und 
versucht auf den Angeklagten einzudringen, 
der ihm den Revolver entgegenhält, wo 
rauf auch er in den Korridor flüchtet. 
Der Staatsanwalt und der Zeitungs- 
Korrespondent decken sich hinter ihren 
Tischen. Zunächst unschlüssig, auf wen er 
feuern soll, giebt der Angeklagte emen 
Schuß nach der Ecke ab, wo sonst der 
Protokollführer sitzt, dann richtet er die 
Waffe auf seine linke Brust und drückt 
ab. Er läßt dann den Revolver fallen 
und fällt in die Bank zurück. Während 
der Staatsanwalt den Revolver nimmt, 
wird der Bergmann hinausgeschleppt und 
auf eine Zeugenbank im Flur gelegt. Es 
stellt sich heraus, daß wohl der Rock ver 
brannt ist, die Kugel muß aber wahr 
scheinlich auf der Tragbandschnalle abge 
prallt sein, man fand sie im Flur liegen 
Nach kräftiger Gegenwehr wurde der An 
geklagte gefesselt wieder in die Anklage 
bank gebracht und dann wegen Ungebühr 
vor Gericht, vorbehaltlich weiterer Maß 
nahmen, zu einer sofortigen Haftstrafe von 
drei Tagen verurtheilt. Ein Arzt wurde 
sofort geholt, anscheinend ist der Ange 
klagte unverletzt geblieben. 
Auf seine eigene Mutter hat in 
Benrath ein junger Mensch in kindlicher 
schon oft gerügter Spielerei mit einem 
Gewehr geschossen. Als er seiner Mut 
ter ansichtig wurde, rief er ihr zu: „Soll 
ich Dich erschießen" und drückte, ohne die 
Gefahr zu kennen, das Gewehr los. Die 
Kugel ging in die Brust der armen Frau, 
die nun hoffnungslos darniederliegt. 
Bei dem letzten Unwetter in Obcrschlesien 
ind auf drei Eisenbahnstrecken Wagen durch 
den Sturm in Bewegung gesetzt und auf 
weite Strecken fortgetrieben. Der Wagen, 
der bei Burowietz zwei Bahnarbeiter 
tödtete, stammte von Paulineschacht. Von 
Karolinegrube fuhren fünf Wagen in größter 
Geschwindigkeit nach Zalenze und sausten 
an dem dortigen Bahnübergänge in dem 
Augenblicke vorüber, wo Fußgänger eben 
das Geleise überschreiten wollten. Auch 
auf der Kleophasgrube wurden mehrere 
leere Eisenbahnwagen vom Sturme bis 
zum Prellbock getrieben, wo sie aus dem 
Geleise gehoben wurden. So selten der 
Fall vorkommen mag, daß Eisenbahnwagen 
durch den Sturm fortgetrieben werden, 
mahnen die Vorgänge dieses Tages doch 
die Eisenbahnverwaltung, namentlich da, 
da, wo ein starkes Gefälle der Bahn die 
die Fortbewegung der Wagen beschleunigt, 
Veranstaltungen zu treffen, um die Wagen 
aufzuhalten. 
Ein Schildbürger st ücklein wird 
den „N. H. Vbl." aus Griesheim be 
richtet. Dort brannte dieser Tage 
ein Gehöft nieder, ohne daß rechtzeitig 
energische Löscharbeiten vorgenommen wer 
den konnten Man hatte nämlich von 
Kirchweihwegeu ein Karrussel vor 
dem Spritzenhaus errichtet, und zwar 
so unmittelbar davor, daß das Karrussel 
erst abgebrochen werden mußte, ehe man 
die Spritze aus ihrem Gehäuse heraus 
ziehen konnte. 
Köln, 1. Sept. Die Strafkammer 
verurtheilte jenes Individuum, das jüngst 
die Georgskirche verunreinigte, was die 
antisemitische Partei ungerechtfertigter Weise 
zu einer Skandalgeschichte gegen 
die Juden ausnutzte, zu sechs Monaten 
Gefängniß und einer Woche Haft. Die 
Kölner Antisemiten hatten s. Zt. die un 
wahre Behauptung aufrechterhalten, der 
Thäter sei ein Jude, trotzdem die ultra- 
montane „Köln. Volksztg." ausdrücklich 
erklärte, daß er ein Christ sei. Gegen den 
Vorstand des Antisemitenvereins ist des 
halb Anklage erhoben worden. 
Papenburg, 31. Aug. Der bereits be 
richtete B erg i ftungsfal l in dem Ge 
höfte bei Walchum hat noch zwei weitere 
Opfer gefordert, so daß im Ganzen 4 
Personen dem tückischen Zufall erlegen 
ind. Die alte Bäuerin soll ob des Vor 
kommnisses beinahe den Verstand verloren 
haben. Die fünfte Person dürfte jeden 
falls am Leben bleiben. 
Ein größerer Diebstahl an Werth- 
a p i e r e n ist, wie die Staatsanwalt 
schaft in Karlsruhe mittheilt, am 28. v. 
Mts. in Baden-Baden ausgeführt. Dort 
wurden 15 französische Noten zu je 1000 
Francs und 11 zu je 100 Frcs. und ein 
Creditbrief über 60000 Frcs. von der 
Creditanstalt für Handel und Gewerbe 
Berlin durch einen Unbekannten, der 
erscheinend Engländer, und im Anfang 
der vierzieger „Lahre ist, braunen Schnurr 
bart und ein eingefallenes, gebräuntes Ge- 
ächt hat, gestohlen. 
Breslau, 31. August. In Josefsdorf- 
Domb, Kreis Kattowitz, erkrankten binnen 
drei -Lagen unter choleraverdächtigen Sym- 
Nomen 28 Personen, wovon fünf starben. 
Dle bakteriologische Untersuchung ergab 
asiatische Cholera. 
Bremen, 1. Sept. Gebrandschatzt von 
emem Schwindler wurden in den letzten 
Wochen mehrere hiesige Familien 
und zwar solche, deren Söhne z. Zt- 
in Freiburg i. B. studiren oder bis 
vor kurzem dort studirt haben. Bei seinen 
Besuchen, die der Schwindler den Familien 
machte, hat er sich für den Sohn eines 
Professors der Universität zu Freiburg 
ausgegeben, der auf einem Lloyddampfer 
als Maschinist eine Reise nach Südamerika 
mitmachen will. Fast in allen Fällen hat 
die studirenden Söhne, obwohl sie 
während der Ferien, hier sind, nicht zu 
Hause getroffen; den Angehörigen gegen- 
über gerirte er sich dann als inlimer 
Freund ihrer Söhne, die er fast alle bei 
Vornamen zu nennen wußte. Dieser Um 
stand sowohl wie sein gewandtes Auftreten 
verschafften ihm allenthalben freundliche 
Aufnahme; er wurde sogar in einigen 
Häusern zu Tisch geladen. Beim Verab 
schieden wußte er dann noch in verschämter 
Weise seine augenblickliche Geldverlegen 
heit kundzugeben und um ein kleines Dar 
lehen zu bitten mit dem Versprechen bal 
diger Rückzahlung. Nach Empfang des 
Geldes in Beträgen von 10 bis 20 M 
verschwand der Gauner unter verbindlich stem 
Dank und erschien nicht wieder; selbst die 
Einladungen zu Tisch ließ er unberück 
sichtigt. Wie einer der Betrogenen durch 
eine Anfrage in Freiburg festgestellt hat, 
ist dem betreffenden Professor der Gauner 
völlig unbekannt. Dieser muß mit den 
dortigen Verhältnissen genau vertraut fein- 
Aus Metz wird der „V. Z." geschrie 
ben: Die wegen Verdach tes der Spio 
nage von Noveaunt hier eingelieferte Frau 
Jsmert ist eine geborene Elsässerin aus 
der Gegend von Zabern, und ihr Mann, 
der früher Grenzkommissar war, ist eben 
falls Elsässer. Beide sind der deutschen 
und französischen Sprache mächtig. Schon 
seit längerer Zeit war es aufgefallen, daß 
die Frau so häufig die Grenze passirte, 
ohne einen erkennbaren Zweck damit zu 
verbinden. Sie wurde nun strenge über 
wacht, und es stellte sich heraus, daß sie 
nur in Kreisen verkehre, die allgemein als 
deutsch-feindlich bekannt sind, und die, wie 
es schien, in Metz zusammenkamen. Bei 
ihrer Untersuchung wurden zwei Briefe 
verdächtigen Inhalts vorgefunden, die zur 
Verhaftung führten. Nach einem Verhör 
durch den Ersten Staatsanwalt wurde die 
Verhaftung aufrecht erhalten, und der Land 
gerichtsrath Schiber mit der vorläufigen 
Untersuchung beauftragt. Es verlautet ge 
rüchtweise, daß ein deutscher Militärbeam 
ter und ein Civilbeamter, oder deren 
Frauen, die geborene Lothringer sind, in 
die Sache verwickelt sind, jedoch ist Zu 
verlässiges darüber nicht zu erfahren. 
Bon Rügen. Dieser Tage hat sich, 
eine Viertelstunde von Saßnitz entfernt 
bei den sogenannten Wissower Klinken 
infolge der in der letzten Zeit eingetretenen 
Regengüsse ein etwa 20 m hoher und 
Tausende von Zentnern schwerer Kreide 
felsen abgelöst und ist in die See gestürzt. 
Zwei in demselben Augenblick daneben 
womenirenden Badegäste aus Preußisch- 
Schlesien, welche noch rechtzeitig zur Seite 
Prinzen konnten, wären von den Wogen 
der hochgehenden See wegespült worden, 
wenn nicht zufällig mehrere in der Nähe 
beschäftigte Dammarbeiter hilfreich beige 
sprungen wären. 
Harburg, 30. Aug. Ein bedauerlicher 
Unglücksfall ereignete sich in der Kies 
grube bei Neugraben. Daselbst ist eine 
ganze Anzahl Arbeiter mit dem Ausschachten 
von Kies, der auf das zweite Geleise der 
Strecke Harburg-Stade gebracht wird, be 
schäftigt. Da man den Kies stellenweise 
ziemlich tief herausnimmt, löste sich aw 
Montag eine größere Erdmasse und ver 
schüttete zwei Arbeiter, die sich in der 
Nähe befanden. Obwohl man sich sofort 
mit aller Macht daran machte, die Ver 
unglückten zu retten, gelang dies doch nur 
bei einem Arbeiter. Der Andere konnte 
nur als Leiche unter den Erdmassen heraus 
geholt werden. Der Gerettete hat starke 
innere Verletzungen erlitten. 
Am 9.September d. I- wird inSchwartau 
ein größeres Sängerfest abgehalten. Man 
erwartet 12—14 Vereine mit 200—300 
Sängern. 
Hamburg, 29. Aug. Tie gestern abge 
haltene Delegirtenversammlung des Ham 
burger Gewerkschaftskartells 
verdient nicht wegen ihrer Verhandlungen, 
die kein allgemeines Interesse boten, wohl 
aber wegen der aus einem ungewöhnlichen 
Grunde erfolgten polizeilichen Auflösung 
einer Erwähnung. Als die Mitternachts 
stunde geschlagen hatte, forderte der über 
wachende Polizeikommissar den Vorsitzenden 
auf, wegen dieses Umstandes die Versamm 
lung zu schließen und als dieser sich dessen 
weigerte, weil er die Versammlung für den 
28. und 29. bei der Polizeibehörde ange 
meldet habe, löste der Beamte die Ver- 
ammlung auf mit der Aufforderung an 
die Anwesenden, sofort das Lokal zu räu 
men. Ruhig und in größter OrdnungI 
verließen die Delegirten den Saal. 
Seit Erbauung der ersten Eisenbahn in 
der Provinz Schleswig-Holstein wird aM 
18. September ein halbes Jahrhundert 
verflossen sein. Es war dies nämlich die 
etwa 100 Kilometer lange Bahn von 
Altona nach Kiel. Jetzt beträgt in Schles 
wig-Holstein die Länge der Schienenstraßen 
etwa 1400 Kilometer, worin reichlich 1000 
Kilometer auf Staatsbahnen entfallen 
Unter diesen ist die längste die Marschbahn 
mit 220 Kilometer, die längste Privat- 
bahn ist die 80 Kilometer lange Strecke von 
Flensburg nach Kiel und die kürzeste die 
Sylter Dampfspurbahn vom Hafen zn 
Munkmarsch nach Westerland mit einer 
Strecke von 4 Kilometern. 
Durch Allerhöchste Kabinetsordre vom 
11. d. Mts. ist dem in Altona liegenden 
1.Thüringischen Infanterie-Regiment Nr.3l, 
dessen Chef üer kürzlich verstorbene General 
der Jnfanlerie Graf Bose war, zum An-
	        
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