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rungsmittel. Jetzt wird geplant, zwei
Eisenbahnen zu bauen, eine von Reyk-
javik nach dem Rangarvattnbezirk, die an-
dere von Reykjavik oder Akranes zum
Jnselsjord, also guer durch das ganze
Land. Der Bau soll einer Aktiengesell
schaft übertragen werden, die zunächst eine
kleinere Eisenbahn von etwa 50 engl.
Meilen von Reykjavik ab bauen will. Vom
15. April bis 15. Oktober sollen sechsmal
in der Woche Züge gehen; im Winter so
oft es die Verhältnisse zulassen. Der betr.
Aktiengesellschaft sollen für einen Zeitraum
von 30 Jahren jährlich 50 000 Kronen
bewilligt werden. Unter denselben Bedin
gungen erbietet sich die Gesellschaft, einen
Dampferverkehr zwischen Island und Eng
land, sowie um die Insel zu unterhalten.
Die Isländer wollen dadurch den Touristen
ström von England, der Norwegen so viele
Vortheile bietet, nach ihrer einsamen Insel
lenken und es ist möglich, daß bei besserer
Verbindung sich eine neue Quelle des
Wohlstandes öffnet. Gegenwärtig geht der
Wohlstand wie die Bevölkerungsziffer zurück
und jedes Jahr wandern einige Tausend
Isländer nach Kanada aus.
Schweiz.
Thun, 31. Aug. Das in Beatenberg
gänzlich niedergebrannte Hotel „Victoria"
war mit Gästen angefüllt, die gerade bei
Tische saßen, als der Brand ausbrach.
Das ganz aus Holz erbaute Hotel war
für 229 000 Frcs., das Mobilar für 150000
Frcs. versichert. Die Habe der Pächterin
dagegen war nicht versichert. Viele Effek
ten der Gäste gingen im Feuer verloren,
ebenso diejenigen der Dienstboten, welch
letztere noch ihre Ersparnisse einbüßten.
Es wurde eine Sammlung für sie veran
staltet, die bereits 5000 Frcs. einbrachte.
Am Wegräumen des Schuttes wird nach
dem „Bund" eifrig gearbeitet und es wer
den die Schuttmassen sorgfältig untersucht.
Zahlreiche Werthgegenstände kommen zum
Vorschein.
Griechenland.
Athen, 1. Sept. In Folge eines Schmäh-
artikels auf das Heer erstürmte heute
Mittag eine große Anzahl von Offizieren
und Mannschaften die Bureaus der
Zeitung „Akropolis" und zerstörte alles.
Die Ergrimmten warfen den Widerstand,
den man ihnen entgegensetzte, mit den
Waffen in der Hand nieder. Es sind viele
Verwundungen vorgekommen, doch wurde
Niemand schwer verletzt.
Inland.
Die „Nat.-Ztg." schreibt: Es ist schon
berichtet worden, daß am Donnerstag Abend
in Sanssouci beim Kaiser eine kleine
Abendgesellschaft stattfand, in der auch
musicirt wurde. Es war das erste Mal
seit langer Zeit, daß das Schloß von
Sanssouci zu einem Zwecke der ©efellig
feit wieder benutzt wurde, und zwar waren
die Zimmer Friedrich's des Großen dazu
gewählt. Das Concert fand im Musik
zimmer des großen Königs statt und die
mitwirkenden Künstler waren in der Tracht
der damaligen Zeit; unter anderem wurden
Flötencompositionen Friedrich's in dem
Raume, wo er sie selbst so oft gespielt hat,
vorgetragen.
— Das zukünftige famose Seu
ch enge setz wirft bereits seine Schatten
voraus. Eine Anklage ist gegen einen
hiesigen Arzt wegen Vergehens gegen § 327
St.-G.-B. anläßlich der «Diphtheritis-Er-
krankungen in einem Hotel erhoben wor
den. Der Arzt wird beschuldigt, die bei
Diphtheritis > Erkrankungen vorgeschriebene
Anzeigepflicht und somit „Absperrungs
oder Aufsichtsmaßregeln oder Einfuhr
Verbote, welche von der zuständigen Be
Hörde zur Verhütung des Einführens oder
Verbreitens einer ansteckenden Krankheit
angeordnet worden sind, wissentlich ver
letzt" zu haben. Es ist dies unseres
Wissens der erste Fall einer Anwendung
des § 327 auf einen Arzt. Die Situa
ist für den Angeklagten, der sich demnächst
vor der Strafkammer zu verantworten
hat, insofern sehr ernst, da der § 327 für
den Fall, daß in Folge dieser Pflicht-Ver
letzung ein Mensch von der ansteckenden
Krankheit ergriffen worden ist, Gefängniß,
strafe von drei Monaten bis zu 3 Jahren
androht.
Berlin, 30. Aug. Als ein Zeichen der
Zeit wird mitgetheilt, daß in Folge des
beträchtlich zurückgegangenen Fremdenver
kehrs in den letzten fünfviertel Jahren in
Berlin nicht weniger als 27 H otels ver-
kracht sind.
dm Uebcrmuth so schnell gefunden hatten,
durch die Räume, wo Einer immer an den
andern stieß, dabei plaudernd, lachend und
die alte eigenartige Ausstattung betrachtend.
„Sieh' da, das ist das reizendste Fleckchen
hier im ganzen Schlosse, jetzt ist cs noch leer
von Menschen, denn die drängen sich alle so
viel als möglich in die oberen Salons, um
die Strahlen der fürstlichen Sonne, welche
dort nun bald aufgehen wird, so früh als
möglich auf ihre Häupter scheinen zu lassen.
Setzten wir uns. So — das thut gut nach
der Steherei."
Beide nahmen auf einem Doppelsessel,
welcher vor einem mächtigen, mit alten Schweins-
lederbänden gefüllten Büchergestell stand, Platz.
(Fortsetzung folgt.)
Berlin, 31. Aug. Ueber den Termin
der Einweihung des neuen Reichs
tagsgebäudes steht immer noch nichts
fest. Die „N.-L. C." hält aber nicht für
wahrscheinlich, daß der früher in Aussicht
genommene Tag, der 18. Oktober, wird
eingehalten werden können. Mit der Er
öffnung des neuen Gebäudes steht auch
der Zeitpunkt des Beginnens der nächsten
Reichstagssession im Zusammenhang. Wenn
es sich irgend machen läßt, beabsichtigt
man, die neue Session gleich mit der Ein
weihungsfeier zu verbinden und sonach
von dem alten Gebäude überhaupt für den
Reichstag keinen Erdrauch mehr zu machen
— Zu den Klagen darüber, daß man
die Besitzer einzelner Gehöfte ge
zwungen habe, diese während der Dauer
militärischer Schießübungen zu
verlassen, weil sie sonst von den weit
tragenden Gewehren getroffen werden
könnten, bemerkt die „Köln. Ztg.": Es ist
dies zweifellos für die Betreffenden nichts
weniger als angenehm, aber da die weit
tragenden Gewehre nun einmal da sind
und da es sich aus Rücksichten auf die
Staatskassen nicht machen läßt, daß man
überall vollständig ausreichende Schießplätze
einrichtet, so ist diese vorübergehende Be
schränkung des Eigenthums nicht zu ver
meiden. In vielen Fällen handelt es sich
dabei um Schießplätze, die nur ein einziges
Mal benutzt werden, und es wäre Hand-
greiflicher Unsinn, wenn man zu diesem
Zweck große Landgebiete ankaufen wollte.
Andrerseits machen aber die verschiedenen
Berichte den Eindruck, als ob nicht überall
ganz richtig verfahren worden wäre. Zu
nächst sollten solche Anordnungen nicht
durch die Militärbehörde, sondern nur durch
die Civilbehörde getroffen werden. Dann
aber kann man mit Recht die Forderung
'tellen, daß solche Verordnungen nicht von
einem Tage zum andern getroffen werden,
andern daß man durch vorherige An
kündigung den Bewohnern Zeit lassen muß,
ich auf die ihnen auferlegte Beschränkung
einzurichten. Endlich ist in solchen Fällen
nicht nur eine billige, sondern eine reich
liche Entschädigung zu gewähren, denn der
Eingriff in das Privateigenthum ist hier
o stark, daß dem auch eine entsprechende
Gegenleistung gegenüberstehen muß. Eine
allgemein gültige Regelung dieser Ange-
legenheit wäre durchaus angezeigt, da solche
Fälle sich ber der großen Tragweite unserer
Gewehre aller Voraussicht nach nicht selten
wiederholen werden.
— Rund 406 000 Postsendungen
blieben im Jahre 1892 bei der Reichspost-
Verwaltung endgültig unbestellbar. An die
bei den verschiedenen Ober-Postdirektionen
befindlichen Ausschüsse zur Eröffnung un
bestellbarer Postsendungen gelangten über
1 Million Stück, von welchen es gelang,
rund 700000 an die Absender zurückzugeben.
Die Ursache dieser feststehenden Thatsache
haben wir fast ausschließlich in Verab
säumungen seitens der Briefschreiber zu
suchen, unter denen aller Wahrscheinlichkeit
nach das schöne Geschlecht in hervorragen
der Weise beitheiligt ist.
- „Versöhnungs-Thaler" sollen in
diesem Jahr aus Anlaß der „Versöhnung"
zwischen dem Kaiser und dem Altreichs
kanzler in der Berliner Münze geprägt
worden sein. Es sind im Ganzen 5000
Stück, die wohl nie öffentlich ausgegeben
und bald den kostbarsten Werthmünzen sich
anreihen werden. Die eine Seite zeigt
das Brustbild des Kaisers in Generals
uniform mit Helm; die Unterschrift lautet:
„Wilhelm II., Deutscher Kaiser, König
von Preußen, 1894." Die andere Seite
enthält das Brustbild des Altreichskanzlers
in Kürassier-Uniform ohne Helm mit der
Unterschrift: „Otto Fürst von Bismarck,
Herzog von Lauenburg". Am Rande der
Münze liest man: „Ein Gedächtnißthaler".
Das „Berl. T.", welches diese Meldung
bringt, fügt hinzu: „Von zuständiger
Seite haben wir dagegen erfahren, daß es
ich hier lediglich um ein Privatunter
nehmen handelt, und daß die oben be
schriebenen Münzen nicht in der Reichs
münze, sondern in einer Nürnberger Privat-
Prägeanstalt hergestellt wurden, somit gar
keinen numismatischen Werth haben."
— Bei der Neuregelung der
widerruflichen Staatsbeihilfen für Volks
-chulzwecke gehen die Ministerien von dem
Grundsatz aus, daß als Durchschnittsbe-
lastung der Gemeinde für Volksschul.
zwecke die Höhe von 7 5 p C t. der
Einkommen st euer anzusehen ist;
eine solche Last müsse von den Gemeinden
ohne Staatsbeihilse getragen werden.
Aus Berlin wird berichtet: Der singende
Händler ist eine neue Spezies von
Originalen, die in den Kneipen der
Friedrichstadt und vielleicht auch anderswo
verkehren. Während man sich in die feuch-
ten Gründe des Maßkruges vertieft, dringt
Nützlich eine helle Männerstimme an das
Ohr. Mitten in der Kneipe steht ein junger
Mann von etwa 20 Jahren, der nach einem
reundlichen Blick, den er mit der Wirthin
austauscht, ohne Vorrede ein Lied anstimmt.
Seine Stimme ist gar nicht so übel, und
der junge Tenorist, der von Lenz und
Liebe singt, findet daher meist freundliche
Aufmerksamkeit. In der Regel wählt er
chwermüthige Weisen, die das Herz der
Frau Wirchin rühren und auch sonst em
pfindliche Seelen erweichen. Ist diese
thränenfeuchte Wirkung eingetreten, so ver
wandelt sich der poetische Sänger in einen
nüchternen Handelsmann; er umgürtet sich
mit einem Kasten, der Wachsstreichhölzer
enthält und geht dann von Tisch zu Tisch
Zum Bierkrieg in Berlin wird ge
meldet, daß die vereinigten Brauereien zu
einem erneuten Vorstoß geschritten sind,
nachdem in der sozialdemokratischen Parte,
offenkundige Anzeichen für eine eingetretene
E r m a t t u n g an die Oeffentlichkeit ge
drungen sind. Die Brauereien haben Cir
kularschreiben an eine große Anzahl besser
gestellter Gastwirthe ergehen lassen, die
auf die durch das Verhalten der Sozial
demokraten herbeigeführte Schädigung der
kleineren Wirthe hinweisen und
nicht blos zu Beiträgen an die Unter-
stützungskasse von Seiten der Empfänger
solcher Cirkulare, sondern auch zu Samm
lungen in den bezüglichen Bekanntenkreisen
auffordern.
Trotzdem zur Durchführung des Bier
boykotts in Berlin ein ganzes Heer von
Bierschnüfflern angestellt ist, läßt sich die
Ueberwachung des Bierverbrauchs nicht
mit der Strenge durchführen, daß den be-
klagenswerthen „Genossen" boycottirtes
Bier mit absoluter Sicherheit ferngehalten
werden kann. Tagtäglich muß der „Vor
wärts" neue Namen von Wirthen, die sich
in die Tafel der parteilich approbirten
Schankwirthschaften hatten eintragen lassen,
'treichen, weil sie trotzdem boycottirtes
Bier weiter verzapft hatten; es zeigt sich
eben, daß die Magen der Genossen sich
nicht so leicht wie die Köpfe für sozialistische
Einrichtungen gewinnen lassen. Und nicht
jeder sozialdemokratische Schankwirth ist so
glücklich wie ein „Genosse", der im „Vor
wärts" anzeigt, daß er seine Kundschaft,
die Boycottbier verlangt, „verkauft" habe
und nunmehr nur boycottfreies Bier ver
sänke. Glückliche Kundschaft, die so durch
ein Kaufgeschäft einer Gefahr entrückt ist
Die Umgehung des Boycottverbots zeigt
indessen, daß der Parteileitung schließlich
nichts übrig bleiben wird, als das
boycottfreie Bier nach dem Rezepte zu
brauen, das einmal im Reichstag für
Kunstbutter in Vorschlag gebracht worden
ist: Mit veilchenblauem oder moosgrünem
boycottirtem Bier, meint die „Magdeb.
Ztg." wird nicht gemogelt werden können
- Auf zwei recht bezeichnende Zeitungs
anzeigen lenkt das „Bromberger Tageblatt"
die Aufmerksamkeit. In der einen wird
eine musikalische Erzieherin gegen ein
Jahresgehalt von 80 Jt, in der anderen
eine „Mamsell" gesucht, welche in der Auf
zucht von Schweinen, Federvieh und Jung
vieh bewandert sein muß. Lohn: 240 Ji
Da werden die jungen Damen, welche sich
dem Lehrerinnenberuf zu widmen beabsich
tigen, gut thun zu überlegen, ob sie nicht
besser fahren, wenn sie sich mit der Schweine
zucht befassen.
Auch Staatsanwälte haben zuweilen gute
Laune! Unter dieser Spitzmarke berichten
Berliner Blätter: Von einem dieser Herren
der erst neuerdings in großen Prozessen
durch sein scharfes Auftreten sich bemerkbar
gemacht hat, erzählt man in Juristenkreiseu
eine artige Geschichte. Der Staatsanwalt
führte einst eine Sache, in der es sich um
einen jugendlichen Angeklagten handelte,
der die unfreiwillige Muße im Untersuchungs-
gefängniß dazu benutzte, seine Geliebte in
einer Reihe von Gedichten zu besingen.
Die Verse waren in die Hände des Staats
anwalts gelangt, und der Vertheidiger,
einer unserer bekanntesten Anwälte, hielt
es auch seinerseits für geboten, in die
poetischen Erzeugnisse seines Clienten Ein
blick zu nehmen — vielleicht um aus „des
Dichters schönem Wahnsinn" einen gewissen
Milderungsgrund herzuleiten. Er stellte
also den formellen Antrag, ihm eine Ab
schrift der Gedichte zu senden. Der Staats
anwalt aber verfügte kurzer Hand den
launigen Bescheid:
„Die Verse sind für Röschen
Und nicht für Sie erdacht,
Die Abschrift aus den Acten
Wird darum nicht gemacht."
Ueber das Attentat in Essen, wo ein
verurtheilter Bergmann auf den Ge
richtshof schoß, wird weiter gemeldet:
Der Gerichtshof zieht sich zur Berathung
zurück, worauf der Angeklagte seine Weste
aufknöpft und sich in die Bank zurücklehnt.
Als der Gerichtshof wieder eintritt, steht
der Angeklagte auf, hält die rechte Hand
in der Jackettasche und wühlt mit nervöser
Hand in der Tasche herum. Das Gericht
hat nur aus 14 Tage Gefängniß erkannt,
owie den Beleidigten die Befugniß zuge-
prochen, den Urtheilstenor 4 Wochen nach
erlangter Rechtskraft im „Reichsanz." und
ln der „Gelsenk. Ztg." je einmal auf
Kosten des Angeklagten zu veröffentlichen.
Der Angeklagte zieht dann Plötzlich
einen Revolver und erhebt ihn zum
Schießen. Unter lautem Schreien flieht
das Publikum in panikartiger Weise, der
Gerichtshof flüchtet ins Berathungszimmer,
der Wachtmeister zieht den Degen und
versucht auf den Angeklagten einzudringen,
der ihm den Revolver entgegenhält, wo
rauf auch er in den Korridor flüchtet.
Der Staatsanwalt und der Zeitungs-
Korrespondent decken sich hinter ihren
Tischen. Zunächst unschlüssig, auf wen er
feuern soll, giebt der Angeklagte emen
Schuß nach der Ecke ab, wo sonst der
Protokollführer sitzt, dann richtet er die
Waffe auf seine linke Brust und drückt
ab. Er läßt dann den Revolver fallen
und fällt in die Bank zurück. Während
der Staatsanwalt den Revolver nimmt,
wird der Bergmann hinausgeschleppt und
auf eine Zeugenbank im Flur gelegt. Es
stellt sich heraus, daß wohl der Rock ver
brannt ist, die Kugel muß aber wahr
scheinlich auf der Tragbandschnalle abge
prallt sein, man fand sie im Flur liegen
Nach kräftiger Gegenwehr wurde der An
geklagte gefesselt wieder in die Anklage
bank gebracht und dann wegen Ungebühr
vor Gericht, vorbehaltlich weiterer Maß
nahmen, zu einer sofortigen Haftstrafe von
drei Tagen verurtheilt. Ein Arzt wurde
sofort geholt, anscheinend ist der Ange
klagte unverletzt geblieben.
Auf seine eigene Mutter hat in
Benrath ein junger Mensch in kindlicher
schon oft gerügter Spielerei mit einem
Gewehr geschossen. Als er seiner Mut
ter ansichtig wurde, rief er ihr zu: „Soll
ich Dich erschießen" und drückte, ohne die
Gefahr zu kennen, das Gewehr los. Die
Kugel ging in die Brust der armen Frau,
die nun hoffnungslos darniederliegt.
Bei dem letzten Unwetter in Obcrschlesien
ind auf drei Eisenbahnstrecken Wagen durch
den Sturm in Bewegung gesetzt und auf
weite Strecken fortgetrieben. Der Wagen,
der bei Burowietz zwei Bahnarbeiter
tödtete, stammte von Paulineschacht. Von
Karolinegrube fuhren fünf Wagen in größter
Geschwindigkeit nach Zalenze und sausten
an dem dortigen Bahnübergänge in dem
Augenblicke vorüber, wo Fußgänger eben
das Geleise überschreiten wollten. Auch
auf der Kleophasgrube wurden mehrere
leere Eisenbahnwagen vom Sturme bis
zum Prellbock getrieben, wo sie aus dem
Geleise gehoben wurden. So selten der
Fall vorkommen mag, daß Eisenbahnwagen
durch den Sturm fortgetrieben werden,
mahnen die Vorgänge dieses Tages doch
die Eisenbahnverwaltung, namentlich da,
da, wo ein starkes Gefälle der Bahn die
die Fortbewegung der Wagen beschleunigt,
Veranstaltungen zu treffen, um die Wagen
aufzuhalten.
Ein Schildbürger st ücklein wird
den „N. H. Vbl." aus Griesheim be
richtet. Dort brannte dieser Tage
ein Gehöft nieder, ohne daß rechtzeitig
energische Löscharbeiten vorgenommen wer
den konnten Man hatte nämlich von
Kirchweihwegeu ein Karrussel vor
dem Spritzenhaus errichtet, und zwar
so unmittelbar davor, daß das Karrussel
erst abgebrochen werden mußte, ehe man
die Spritze aus ihrem Gehäuse heraus
ziehen konnte.
Köln, 1. Sept. Die Strafkammer
verurtheilte jenes Individuum, das jüngst
die Georgskirche verunreinigte, was die
antisemitische Partei ungerechtfertigter Weise
zu einer Skandalgeschichte gegen
die Juden ausnutzte, zu sechs Monaten
Gefängniß und einer Woche Haft. Die
Kölner Antisemiten hatten s. Zt. die un
wahre Behauptung aufrechterhalten, der
Thäter sei ein Jude, trotzdem die ultra-
montane „Köln. Volksztg." ausdrücklich
erklärte, daß er ein Christ sei. Gegen den
Vorstand des Antisemitenvereins ist des
halb Anklage erhoben worden.
Papenburg, 31. Aug. Der bereits be
richtete B erg i ftungsfal l in dem Ge
höfte bei Walchum hat noch zwei weitere
Opfer gefordert, so daß im Ganzen 4
Personen dem tückischen Zufall erlegen
ind. Die alte Bäuerin soll ob des Vor
kommnisses beinahe den Verstand verloren
haben. Die fünfte Person dürfte jeden
falls am Leben bleiben.
Ein größerer Diebstahl an Werth-
a p i e r e n ist, wie die Staatsanwalt
schaft in Karlsruhe mittheilt, am 28. v.
Mts. in Baden-Baden ausgeführt. Dort
wurden 15 französische Noten zu je 1000
Francs und 11 zu je 100 Frcs. und ein
Creditbrief über 60000 Frcs. von der
Creditanstalt für Handel und Gewerbe
Berlin durch einen Unbekannten, der
erscheinend Engländer, und im Anfang
der vierzieger „Lahre ist, braunen Schnurr
bart und ein eingefallenes, gebräuntes Ge-
ächt hat, gestohlen.
Breslau, 31. August. In Josefsdorf-
Domb, Kreis Kattowitz, erkrankten binnen
drei -Lagen unter choleraverdächtigen Sym-
Nomen 28 Personen, wovon fünf starben.
Dle bakteriologische Untersuchung ergab
asiatische Cholera.
Bremen, 1. Sept. Gebrandschatzt von
emem Schwindler wurden in den letzten
Wochen mehrere hiesige Familien
und zwar solche, deren Söhne z. Zt-
in Freiburg i. B. studiren oder bis
vor kurzem dort studirt haben. Bei seinen
Besuchen, die der Schwindler den Familien
machte, hat er sich für den Sohn eines
Professors der Universität zu Freiburg
ausgegeben, der auf einem Lloyddampfer
als Maschinist eine Reise nach Südamerika
mitmachen will. Fast in allen Fällen hat
die studirenden Söhne, obwohl sie
während der Ferien, hier sind, nicht zu
Hause getroffen; den Angehörigen gegen-
über gerirte er sich dann als inlimer
Freund ihrer Söhne, die er fast alle bei
Vornamen zu nennen wußte. Dieser Um
stand sowohl wie sein gewandtes Auftreten
verschafften ihm allenthalben freundliche
Aufnahme; er wurde sogar in einigen
Häusern zu Tisch geladen. Beim Verab
schieden wußte er dann noch in verschämter
Weise seine augenblickliche Geldverlegen
heit kundzugeben und um ein kleines Dar
lehen zu bitten mit dem Versprechen bal
diger Rückzahlung. Nach Empfang des
Geldes in Beträgen von 10 bis 20 M
verschwand der Gauner unter verbindlich stem
Dank und erschien nicht wieder; selbst die
Einladungen zu Tisch ließ er unberück
sichtigt. Wie einer der Betrogenen durch
eine Anfrage in Freiburg festgestellt hat,
ist dem betreffenden Professor der Gauner
völlig unbekannt. Dieser muß mit den
dortigen Verhältnissen genau vertraut fein-
Aus Metz wird der „V. Z." geschrie
ben: Die wegen Verdach tes der Spio
nage von Noveaunt hier eingelieferte Frau
Jsmert ist eine geborene Elsässerin aus
der Gegend von Zabern, und ihr Mann,
der früher Grenzkommissar war, ist eben
falls Elsässer. Beide sind der deutschen
und französischen Sprache mächtig. Schon
seit längerer Zeit war es aufgefallen, daß
die Frau so häufig die Grenze passirte,
ohne einen erkennbaren Zweck damit zu
verbinden. Sie wurde nun strenge über
wacht, und es stellte sich heraus, daß sie
nur in Kreisen verkehre, die allgemein als
deutsch-feindlich bekannt sind, und die, wie
es schien, in Metz zusammenkamen. Bei
ihrer Untersuchung wurden zwei Briefe
verdächtigen Inhalts vorgefunden, die zur
Verhaftung führten. Nach einem Verhör
durch den Ersten Staatsanwalt wurde die
Verhaftung aufrecht erhalten, und der Land
gerichtsrath Schiber mit der vorläufigen
Untersuchung beauftragt. Es verlautet ge
rüchtweise, daß ein deutscher Militärbeam
ter und ein Civilbeamter, oder deren
Frauen, die geborene Lothringer sind, in
die Sache verwickelt sind, jedoch ist Zu
verlässiges darüber nicht zu erfahren.
Bon Rügen. Dieser Tage hat sich,
eine Viertelstunde von Saßnitz entfernt
bei den sogenannten Wissower Klinken
infolge der in der letzten Zeit eingetretenen
Regengüsse ein etwa 20 m hoher und
Tausende von Zentnern schwerer Kreide
felsen abgelöst und ist in die See gestürzt.
Zwei in demselben Augenblick daneben
womenirenden Badegäste aus Preußisch-
Schlesien, welche noch rechtzeitig zur Seite
Prinzen konnten, wären von den Wogen
der hochgehenden See wegespült worden,
wenn nicht zufällig mehrere in der Nähe
beschäftigte Dammarbeiter hilfreich beige
sprungen wären.
Harburg, 30. Aug. Ein bedauerlicher
Unglücksfall ereignete sich in der Kies
grube bei Neugraben. Daselbst ist eine
ganze Anzahl Arbeiter mit dem Ausschachten
von Kies, der auf das zweite Geleise der
Strecke Harburg-Stade gebracht wird, be
schäftigt. Da man den Kies stellenweise
ziemlich tief herausnimmt, löste sich aw
Montag eine größere Erdmasse und ver
schüttete zwei Arbeiter, die sich in der
Nähe befanden. Obwohl man sich sofort
mit aller Macht daran machte, die Ver
unglückten zu retten, gelang dies doch nur
bei einem Arbeiter. Der Andere konnte
nur als Leiche unter den Erdmassen heraus
geholt werden. Der Gerettete hat starke
innere Verletzungen erlitten.
Am 9.September d. I- wird inSchwartau
ein größeres Sängerfest abgehalten. Man
erwartet 12—14 Vereine mit 200—300
Sängern.
Hamburg, 29. Aug. Tie gestern abge
haltene Delegirtenversammlung des Ham
burger Gewerkschaftskartells
verdient nicht wegen ihrer Verhandlungen,
die kein allgemeines Interesse boten, wohl
aber wegen der aus einem ungewöhnlichen
Grunde erfolgten polizeilichen Auflösung
einer Erwähnung. Als die Mitternachts
stunde geschlagen hatte, forderte der über
wachende Polizeikommissar den Vorsitzenden
auf, wegen dieses Umstandes die Versamm
lung zu schließen und als dieser sich dessen
weigerte, weil er die Versammlung für den
28. und 29. bei der Polizeibehörde ange
meldet habe, löste der Beamte die Ver-
ammlung auf mit der Aufforderung an
die Anwesenden, sofort das Lokal zu räu
men. Ruhig und in größter OrdnungI
verließen die Delegirten den Saal.
Seit Erbauung der ersten Eisenbahn in
der Provinz Schleswig-Holstein wird aM
18. September ein halbes Jahrhundert
verflossen sein. Es war dies nämlich die
etwa 100 Kilometer lange Bahn von
Altona nach Kiel. Jetzt beträgt in Schles
wig-Holstein die Länge der Schienenstraßen
etwa 1400 Kilometer, worin reichlich 1000
Kilometer auf Staatsbahnen entfallen
Unter diesen ist die längste die Marschbahn
mit 220 Kilometer, die längste Privat-
bahn ist die 80 Kilometer lange Strecke von
Flensburg nach Kiel und die kürzeste die
Sylter Dampfspurbahn vom Hafen zn
Munkmarsch nach Westerland mit einer
Strecke von 4 Kilometern.
Durch Allerhöchste Kabinetsordre vom
11. d. Mts. ist dem in Altona liegenden
1.Thüringischen Infanterie-Regiment Nr.3l,
dessen Chef üer kürzlich verstorbene General
der Jnfanlerie Graf Bose war, zum An-