Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

Glasgow, 31. Aug. Auch die schotti 
scheu Kohlenarbeiter scheinen einzusehen, 
daß die Verhältnisse mächtiger als die 
Menschen sind. Offen gestehen die Führer 
des Streikes jetzt ein, daß der Ausstand 
bedenklich ins Wanken kommt. In vierzig 
Gruben wird jetzt die Arbeit schon theib 
weise wieder aufgenommen. Eines der 
neuen Mitglieder des Exekutiv-Ausschuffes 
der schottischen Bergleute, James Tennor, 
hat seinen Posten niedergelegt. Er sagt, 
er könne es nicht länger mit ansehen, wie 
70000 ehrliche Bergleute dem Unverstand 
und dem Ehrgeiz geopfert würden. Glad- 
stone hat letzter Tage dem Streikkomitee 
eine Geldsumme gesandt. Erst hatte er 
übrigens bei seinem Wahlagenten, Sir 
John Cowan, angefragt, was er thun solle. 
In dem Briefe fügte er jedoch eigens hin 
zu, daß das Geld für die Suppenküchen 
bestimmt sei. Eine Ansicht über den Streik 
solle damit nicht ausgedrückt werden. 
Aus London meldet der „L.-A." : Vi 
comte Aoki begibt sich morgen nach Ber 
lin, um einen, dem mit England verein 
barten analogen Vertrag mit der deutschen 
Regierung über die Abschaffung der 
Consular-Gerichtsbarkeit in Japan 
abzuschließen. 
Bulgarien. 
Nach einer der Pol. Korr, aus Sofia 
zugehenden Meldung läßt die verwittwete 
Gräfin Hartenau die aus russischen 
Blättern übernommene Nachricht der dor 
tigen Zeitung „Volksfreund", wonach Fürst 
Ferdinand Beweise dafür besäße, daß 
der frühere bulgarische Ministerpräsident 
Stambulow mit ihr (der Gräfin Har 
tenau) in Unterhandlungen stand, um ihren 
Sohn Arsen zum Fürsten von Bulgarien 
zu proklamiren, als absolut erfunden de- 
mentiren. 
Sofia. Dragan Zankow, dessen 
Wiedererscheinen auf der politischen Bild- 
fläche den bulgarischen Ministern einige 
Kopfschmerzen verursacht, wird jetzt so lange 
in Belgrad bleiben, bis die Neuwahlen zur 
Sobranje vorüber sind. Da er als einer 
der Urheber der Umwälzung vom 9. Aug. 
1886, die bekanntlich mit der Vertreibung 
des Fürsten Alexander endete, von der 
Amnestie ausgeschlossen ist, verweigert ihm 
die bulgarische Regierung die Rückkehr nach 
Bulgarien und droht, ihn verhaften zu 
lassen, wenn er die Grenze überschreitet. 
Zankow bestreitet freilich, daß er jemals 
das Haupt oder der Urheber einer Ver 
schwörung gewesen; indessen scheint er es 
doch vorziehen zu wollen, von Belgrad 
aus die Aktion seiner Anhänger bei den 
Sobranjewahlen zu leiten, als sich Gefahr 
auszusetzen, durch seine Verhaftung zu 
vollständiger Unthätigkeit gezwungen zu 
werden. 
Rumänien. 
Ein unerhörter Fall von Bewucherung 
macht in Bukarest viel von sich sprechen 
Herr Caragiale, derzeit dramatischer Schrift- 
steller und — Besitzer einer Bierhalle, be 
fand sich im Jahre 1875, als er sich noch 
ausschließlich mit der Litteratur befaßte, 
in sehr mißlichen Verhältnissen. Er 
wandte sich damals an einen Wucherer und 
entlieh demselben 70 Frcs. In dem 
Schuldschein verpflichtete er sich zu 14 Fr 
Verzugszinsen pro Tag. Er konnte die 
Schuld am Verfallstage nicht begleichen 
gab einige Zeit nachher aber dem Wucherer 
ohne viel zu verhandeln, 140 Fr. und 
glaubte so die Angelegenheit geregelt zu 
haben. Doch der Wucherer strengte den 
Prozeß an, und Caragiale wurde zur 
Zahlung des Capitals und der vereinbarten 
Verzugszinsen verurtheilt. Der Dichter 
kümmerte sich garnicht um das Urtheil, 
ebensowenig ließ der Gläubiger was von 
sich hören. Da erschienen nach 19 Jahren 
dieser Tage die Gerichtsexecutoren bei 
Caragiale und legten dem „N Wiener T 
zufolge, auf dessen Hab und Gut Beschlag 
auf Grund jenes Urtheils aus dem Jahre 
1875. Der Wucherer begehrt nun im 
Ganzen die Summe von 160000 Francs 
für das Darlehen von 70 Fr. Caragiale 
hat dagegen gerichtlichen Einwand erhoben 
Italien. 
Rom, 31. Aug. König Humbert 
soll die Absicht haben, im nächsten Jahre 
in Begleitung des Ministerpräsidenten, 
Herrn Crispi, Sicilien zu besuchen. Der 
König selbst habe die Absicht kundgegeben, 
indem er zu einer Dame aus Palermo, 
mit welcher er in Ceresole Reale sprach, 
sagte: „Wir werden uns bald wieder in 
Palermo sehen". Der Prinz von Neapel 
wird im November nach der Hauptstadt 
Siciliens übersiedeln, wo er bekanntlich 
das Commando der dortigen Heeresdivision 
übernimmt. 
Frankreich. 
Paris, 31. Aug. Bis zum 31. Decem 
ber 1895 treten nicht weniger als 21 
französische Divisionsgenerale zur 
Reserve über, 3 noch in diesem Jahre. 
Ter französische Generalstab hat seit langer 
Zeit keine so große Lücke erhallen. Die 
in diesem Jahre abgehenden Generale sind 
die Generale Berenger, v. Verdiöre und 
Baillod. Auch General v. Gallifet wird 
in den nächsten großen Manövern sein 
Amt des General-Armeeinspectors jedenfalls 
zum letzten Mal versehen, denn er tritt 
am 23. Januar 1895 aus dem activen 
Dienst. Von den 21 in die Reserve über- 
gehenden Generälen gehören 9 der Jnfan 
terie, 6 der Cavallerie, 4 der Artillerie, 
1 dem Geniecorps und 1 dem Stabe an. 
Tvanien 
Der Aussatz greift in der span i- 
schon Provinz Alicante immer weiter um 
sich. Im Dorfe Benidorm sollen zur Zeit 
17 Familien mit 82 Personen von der 
entsetzlichen Krankheit behaftet sein. In 
anderen Küstenortschaften der Provinz sind 
die Verhältnisse nicht viel besser. 
Belgien. 
In Antwerpen verheirathete sich am 
letzten Dienstag der soeben vom Kongo 
zurückgekehrte Dr. Dupont mit Fräulein 
Julia Wouvermanns. Die Neuvermählten 
beabsichtigen die Reise nach dem Kongo 
als Hochzeitsreise zu machen. 
Oesterreich. 
Ueber einen flüchtigen Fesselballon 
wird aus Wien gemeldet: Aus der Felix- 
dörfer Heide bei Wien, auf der militärische 
Uebungen abgehalten werden, riß sich 
Donnerstag - Nackmittag der Fesselballon, 
in dem Oberstleutnant Dworzak saß, los 
und verschwand in denLüften. Oberstleutnant 
Dworzak landete mit dem Fesselballon nach 
mittags im Walde bei der Poststation Zu- 
banje an der Save, nachem er eine ziemliche 
Strecke mit dem Korbe geschleift worden 
war. Die Luftlinie Wien—Zubanje be 
trägt ungefähr 420 Kilometer. 
Ueber die Verhaftung eines von den 
deutschen Behörden seit längerer Zeit ge 
suchten Hochstaplers, die in Graz auf 
Requisition der Münchener Polizei erfolgt 
ist. erhält das „Berl. T." folgende Mit- 
theihung: Die Verhaftung Anton v. Koppen- 
heier's erregt das größte Aufsehen. Koppen- 
heier stand in nahen Beziehungen zum 
Salzburger Domkapitel und zu den Spitzen 
der Grazer Behörden. Er wußte sich auch 
die Protektion des jetzigen Handelsministers 
Grafen Wurmbrand als Landeshauptmanns 
zu verschaffen. Koppenheier wollte einen 
Theaterbau finanziren, zahlreiche Lokal 
bahnen in Steiermark errichten, war Di 
rektor der geplanten Ausstellung, und be 
rief für Sonnabend einen großen Fremden 
kongreß ein. Schließlich wurde Koppen- 
heier als ein von deutschen Behörden viel 
fach gesuchter Hochstapler entlarvt, der 
unter dem Namen Delorme und Eichen- 
roeder in Deutschland vielfache Schwindeleien 
verübt hat. Koppenheier, Delorme und 
Eichenroeder ist identisch mit jenem Arno 
Mayer, der vor Jahren in Wien ein kleri 
kales Blatt herausgab, mit der dortigen 
hohen Geistlichkeit in Verbindung stand 
und wegen vielfacher Betrügereien eine 
längere Freiheitsstrafe erlitt. 
Inland. 
Berlin, 31. Aug. Es steht nunmehr 
fest, daß die Einschiffung des Kaisers 
an Bord der „Hohenzollern" am 13. Sep 
tember in Swinemünde stattfindet. Am 
13. und 14. September sollen taktische 
Uebungen des Geschwaders sein und am 
15. großer Geschwadergottesdienst. Vom 
16. bis 22. September finden die Kaiser- 
Manöver der Flotte statt. Am Sonntag 
den 23. September findet die Auflösung 
der Herbst-Uebungsflotte statt, die in ein- 
zelnen Geschwadern hierauf nach den beiden 
Stationen in Kiel und Wilhelmshaven 
zurückkehrt. 
Der Kaiser hat durch kürzlich ergan- 
gene Kabinetsordre der I n f a n t e r i e 
Schießschule in Spandau eine beson 
dere Schießauszeichnung verliehen. Die 
Avancirten erhalten nämlich, sobald sie 
ihren Kursus in lobenswerther Weise ab 
solvirt haben, außer den Fangschnüren eine 
eigene Dekoration in Gestalt einer silber- 
n e n Eichel, die vorn an der Brust an 
einer feinen silbernen Schnur hängend zu 
gleich mit der Fangschnur getragen wird 
Die Krone der Eichel ist aus Mattsilber, 
der Kern aus blankem Silber gefertigt 
Berlin, 31. Aug. Der „Kreuzztg." zu 
folge werden im Kaisermanöver ver 
suchsweise zwei Radfahrer per Ba 
taillon den Meldedienst übernehmen. 
Ferner wird eine Anzahl technischer Erfin- 
düngen weitere Proben ablegen. Zwei 
Luftschiffe werden die Manöver begleiten, 
das eine, um, wie in Lothringen, die Auf- 
klärungen und Erkundigungen zu unter- 
stützen, das andere, uni seine technische 
Brauchbarkeit zu prüfen, da es neuerer 
Konstruktion ist. Das Telephon wird einer 
Prüfung unterzogen werden, besonders in 
Bezug auf den Anschluß der aufklärenden 
Kavallerie an die Hauptarmee. Jnfante- 
ristische Meldereiter kommen nicht zur Geb 
tung. Die Nachricht, daß bei jedem Korps 
ein Bataillon auf volle Kriegsstärke ge 
bracht werden solle, entbehrt der Begrün- 
dung. Die Kavallerie ist mit zusammen- 
legbaren Bertho - Faltbooten ausgerüstet. 
Diese bestehen aus einem leichten Gestell, 
das mit wasserdichter Leinwand bezogen ist. 
- Es ist nichts Neues, wenn die „Nat- 
lib. Corr." mittheilt, im Reichsschatz 
amt werde an der neuen Tabak 
'teuervorlage gearbeitet, von anderen 
Steuerentwürfen verlaute nichts und von 
der Miquel'schen Reichsdotation an die 
Einzelstaaten sei es ganz stille geworden. 
Wer die höchst bedeutsame Erklärung des 
Reichskanzlers, welche die Reichstagsabge 
ordneten als letztes Wort in der Session 
mit auf den Heimweg bekamen, aufmerke 
sam liest, findet, daß in ihr bereits die 
Grundzüge eines solchen Finanzplanes, wie 
er jetzt aus dem Reichsschatzamt hervor- 
gehen soll, angedeutet sind. Das Ziel 
einer Reform in dem Sinne, daß die Fi 
nanzen des Reiches und der Einzelstaaten 
einer reinlichen Scheidung unterworfen 
werden, was bereits bei einem Ausgleich 
zwischen Matrikularbeiträgen und Reichs- 
zuschüssen unter formaler Aufrechterhaltung 
der lex Franckenstein zu erreichen ist, muß 
unseres Erachtens jedenfalls beibehalten 
werden. Erleichtert wird der Weg zu 
diesem Ziel offenbar durch die höchst er- 
freuliche Entwicklung der Einnahmen des 
Reiches in den letzten Monaten, die im 
Allgemeinen auf eine Belebung von Handel 
und Wandel und eine Steigerung der Con- 
sumtion im Volke schließen läßt. Ob aber 
dies natürliche und gesunde Wachsthum 
der Reichseinnahmen hinreicht, um das 
Gleichgewicht im Etat herzustellen und die 
nothwendigen Ausgaben in Gegenwart und 
Zukunft, ohne die ein lebenskräftiges 
Staatswesen sich nicht fortbilden kann, zu 
decken, das erscheint im höchsten Grade 
fraglich, zumal die Beträge aus den Bör- 
sensteuern weit hinter den offiziellen Bud 
getsätzen zurückbleiben werden. Es bleibt 
also nichts weiter übrig, als neue Ein 
nahmequellen zu erschließen, und das wird 
mit der Tabakfabrikatsteuer beabsichtigt. 
Vielleicht ist es indessen möglich, die neue 
Vorlage nach zwei Richtungen gegenüber 
der vorjährigen abzuändern: Einmal hal 
ten wir es nicht für ausgeschlossen, daß 
die günstigere Gestaltung unserer Finanz 
lage eine Ermäßigung der Steuersätze zu 
läßt, und weiter wäre in Verbindung da 
mit eine Erleichterung der Controlvor 
schriften wünschenswerth, die noch mehr 
als die Steuer selbst Industrie und Handel 
beschweren. 
Berlin, 31. August. Das durch die 
Börsenenquetekommission aufgehäufte 
Material scheint nun gesetzgeberisch ver 
arbeitet werden zu sollen. Wie nach der 
„Magd. Ztg." verlautet, werden hier im 
Oktober Vertreter der Bundesstaaten die 
Berathungen in Sachen der Börsenenquete 
beginnen. Bisher sei der Meinungsaus 
tausch auf schriftlichem Wege erfolgt. Es 
handelt sich anscheinend besonders um eine 
strengere staatliche Oberaufsicht der Börse 
und um die Einführung der Börsenregister. 
— Eine derjenigen Vorlagen, welche 
der Bundesrath bald nach der Wiederauf 
nahme seiner Berathungen erledigen dürfte, 
wird, wie offiziös geschrieben wird, das 
neue amtliche W aarenverzeich niß zum 
Zolltarif sein. Mit der Herstellung 
des neuen Waarenverzeichnisses werden 
natürlich die Zolltarifstreitigkeiten nicht aus 
der Welt geschafft werden. Immerhin 
trägt jede Ergänzung und Erweiterung des 
Waarenverzeichnisses zur Verringerung dieser 
Streitigkeiten bei, und aus diesem allge- 
meinen Gesichtspunkte wäre auch, ganz 
abgesehen von den Neuerungen im Einzel 
nen, das baldige Zustandekommen des neuen 
Waarenverzeichnisses zu wünschen. 
^ Brandenburg, 29. August. In den 
Flußgebieten der Havel und anderer 
Gewässer ist seitens der Regierung zu 
Potsdam die Einrichtung von Laich sch on 
re vieren in Aussicht genommen, um dem 
Fischereigewerbe in unserer Gegend einen 
Aufschwung zu geben. Nach vielen Ver 
Handlungen sind die von zuständiger Stelle 
bezeichneten Schonreviere genehmigt worden 
Nähere Bestimmungen sollen in einer 
Polizeiverordnung getroffen werden, nach 
der insbesondere das Befahren der durch 
Tafeln als solche kenntlich gemachten Schon 
reviere für Dampfer wie für Gondeln 
verboten wird. 
Magdeburg, 27. Aug. Als Abgesandter 
des Justizministeriums war der „Magdeb 
Ztg" zufolge der Kommissionsrath Leh 
mann aus Berlin hier anwesend, um die 
Verkaufsverhandlungen zur Erwerbung 
eines Grundstücks für das neue Justiz 
Gebäude in Magdeburg abzuschließen 
Gekauft wurde das in der Sudenburg ge- 
legene StUnus'sche Grundstück, etwa 36 000 
Quadratmeter groß, für 700000 JL Mit 
dem Bau soll sofort nach Zustimmung des 
Abgeordnetenhauses begonnen werden. 
__ Halle, 30. Aug. Der Kommerzienrath 
Steckn er hat den Armen der Stadt Halle 
die Summe von 50000 Mk. vermacht. 
Aus Posen wird mitgetheilt: Die Mel 
dung der „Posener Zeitung" von der Ver 
Haftung des Raubmörders K ö g l e r 
Kempen bestätigt sich nicht. 
Um den B ü r g e r m e i st e r p o st e n 
in Wittenberg sind bisher 44 Bewerber 
aufgetreten. Die eigenartigste der 44 
Meldungen dürfte folgende sein, die wir 
hier wörtlich wiedergeben: „Berlin, den 
23. Juli 1894. (Straße und Hausnummer.) 
Hochwohlgeborener Herr! Hochgeehrtester 
Herr Vertreter des Bürgermeisters in 
Wittenberg! Die Anzeige von dem Unglück, 
das die Stadt Wittenberg betroffen, erfüllt 
mich mit tiefem Schmerze. Laut dieser 
Anzeige sollen ja sehr traurige städtische 
Verhältnisse herrschen! Treue und Glauben 
ist dahin. Euer Hochwohlgeboren trage ich 
die gehorsamste Bitte vor, mir umgehend 
zu benachrichtigen, da ich als Bürgermeister 
außerordentlich passe, wie die Verhältnisse 
liegen! Ich bringe eine reine Hand, 
da 
strenge Pflichttreue und eine Ehrlichge 
sinnung mit: Beweis meine Atteste: Bin 
früher im Offizierdienst (Bursche) gewesen, 
Gutsbesitzer, Kaufmann, kenne das Leben 
durch und durch, sowie das Allgemeine 
Landrecht, Strafrecht, Polizeigesetze und 
Vorschriften. Hätte ich Aussicht, wenn ich 
mich persönlich vorstelle, gewählt zu werden ? 
Unsere Familie stammt von Luter her; 
wollen Sie nicht die Güte haben und mir 
schreiben, wie der Herr Landrath heiß und 
wo Er wohnt. Das ganz besondere Interesse 
für die Stadt Wittenberg und die Verhält- 
nisse bestimmen mich, mit ganzer Kraft 
meine Kenntnisse (!?) und mein Leben dar- 
zubringen. Ich habe die Ehre, mich der 
Gewogenheit Ener Hochwvhlgeboren bestens 
zu empfehlen, und verharre mit voll- 
kommenster Hochachtung Euer Hochwohlqe- 
boren N. N." 
Durch eine Suppe sind, wie aus 
Papenburg gemeldet wird, auf einem Ge- 
Höft bei Walhum, Kreis Aschendorf, mehrere 
Person en vergiftet worden. Die etwa 
siebzigjährige Frau eines Landwirthes be 
reitete eine Suppe zu, zu der sie Mehl 
benöthigte. Ein unglücklicher Zufall spielte 
ihr eine Düte in die Hände, in der Arsenik 
aufbewahrt wurde. Ohne von dem ge- 
fährlichen Inhalt Kenntniß zu haben, 
schüttete die ahnungslose Frau die Masse 
in den Topf und setzte alsdann das Essen 
den Leuten vor. Den beiden erwachsenen 
Söhnen fiel sofort ein bitterer, pfeffer 
artiger Geschmack auf, jedoch ein in dem 
Hause arbeitender Schneider suchte ihre 
Ansichten zu zerstreuen und langte frisch 
zu, ebenso that auch ein junger Kuhknecht. 
Schließlich aßen fünf Personen von der 
Suppe. Die Folgen stellten sich alsbald 
ein, denn unter schrecklichen Schmerzen 
starb der fünfundsiebzigjäbrige Schneider 
und der Kuhknecht. Die drei anderen Per 
sonen liegen auf den Tod erkrankt dar- 
nieder. Die Alte hat von der vergifteten 
Suppe nichts gegessen. 
In Koblenz soll, wie geschrieben wird, 
der Oberbürgermeister die Einführung einer 
Mobiliar - Bersicherungs- Steuer 
beabsichtigen, die von allen Versicherungen 
im Betrage von mehr als 3000 Mark zu 
erheben wäre. Also eine Steuer auf die 
Vorsicht, das dürfte wohl so ziemlich die 
verkehrteste sein, die sich überhaupt aus 
denken läßt. 
Bielefeld, 31. Aug. Die Arbeiter 
und Arbeiterinnen der hiesigen Seiden 
weberei C. A. Delius und Söhne be 
finden sich seit gestern Abend iin Aus- 
stand. Von 140 weiblichen Arbeitern 
haben sich nur fünf von der Arbeitsein 
stellung ausgeschlossen. Die Ausständigen 
hatten regelrecht 14 Tage vor Nieder 
legung der Arbeit gekündigt. Ursache des 
Konflikts ist eine von der Firma vorge- 
nommene „Lohnregulirung". 
Wiesbaden, 60. Lug. Wie das „Tage 
blatt" meldet, ist heute die amtliche Nach 
richt eingetroffen, daß der Kaiser am 16 
Oktober zur Einweihung des Kaiser 
Denkmals und zur Eröffnung des 
neuen Theaters hier eintrifft und 
Abends wieder abreist. Festbankett und 
Fackelzug sind abgelehnt worden. 
Wegen fortgesetzter Einbruchsdieb 
stähle, die sie in Bautzen und Umgegend 
verübt hatten, wurden drei Soldaten 
des 4. sächsischen Jnsanterieregiments Nr 
103 jüngst vom Kriegsgericht abgeurtheilt. 
Die Strafen lauteten für den am schwersten 
belasteten Soldaten auf 5 Jahre 6 Mo 
nate Gefängniß, sür den anderen 3 Jahre 
Gefängniß und für den dritten 2 Jahre 
Gefängniß. Außerdem wurden allen drei 
Soldaten die bürgerlichen Ehrenrechte auf 
3 Jahre anerkannt, und sie in die zweite 
Klasse des Soldateustandes versetzt. 
Nürnberg, 28. Aug. Der Magistrat 
hat sich heute mit der Gefahr der Milz 
brandvergiftung für Arbeiter der 
Bürsten- und Pinselbranche beschäftigt. 
Einstimmig wurde der Erlaß einer orts 
polizeilichen Vorschrift beschlossen, die für 
alle zur Verarbeitung gelangenden Roß 
und Kuhhaare, und für die von auswärts 
kommende Mischwaare die Desinfektion 
anordnet. Ferner soll der Bundesrath 
ersucht werden, eine diesem Beschlusse ent- 
sprechende reichsgesetzliche Verfügung zu 
erlassen. 
Große Sensation erregt in Stuttgart, 
wie von dort berichtet wird, ein Liebes- 
)rama, das einen tragischen Abschluß ge 
funden hat. Der ledige 25jährige Kauf 
in mann und Reservelieutenant Mayer-Beck 
und die 19jährige Frau eines dortigen 
Rechtsanwalts vergifteten sich ge 
meinsam gesternNacht mittelst Cyankaliums 
in der Wohnung des Ersteren. — Beide 
Würben Morgens auf dem Sopha sitzend 
todt aufgefunden. Die Frau war, wie von 
anderer Seite gemeldet wird, erst seit sechs 
Wochen verehelicht. 
Geschossen haben in Kempen einige 
Schützen auf einen Ballon der Berliner 
Luftschiffer - Abtheilung, in dem 
Glauben, daß es sich um einen zu wissen- 
chaftlichen Zwecken dienenden Luftballon 
handle, um den Ballon zum Sinken zu 
bringen und 50 Mark zu verdienen. Zum 
Glück verfehlten die Schützen ihr Ziel, 
onst hätte leicht, da sich zwei Offiziere 
und ein Unteroffizier in dem Ballon be 
fanden, größeres Unheil entstehen können. 
Aus Bremen wird gemeldet, daß der 
in Newyork auf Betreiben der badischen 
Behörden verhaftete frühere Bürger 
meister Nagel aus Leopoldshasen mit 
dem Schnelldampfer „Havel" in Bremer 
hafen heute eingebracht worden ist. Nagel, 
der wegen Defraudation und Fälschung ver 
folgt wurde, wird nach Karlsruhe über 
führt werden. 
In Hamburg ; erschoß sich in feinem 
Comptoir ein bekannter Fondsmakler, 
welchem von einem Landmann in der Um 
gegend Bergedorfs 19—20000 Ji anver 
traut waren und welche er unterschlagen 
hatte. 
Ein ungetreuer Kommis Schreiber, 
der 15 Briefe, welche 240000 Mk. in 
Wechseln euthieleen, unberechtigter Weise 
bei der Post abforderte, wurde am Don 
nerstag in Hamburg zu 14 Monaten Ge 
fängniß verurtheilt. Wegen des Betrugs 
versuches bei der beabsichtigten, aber miß 
lungenen Unterbringung eines Checks von 
1234 Pfd. Sterl. bei einem Bankier soll 
die Staatswallschaft ein besonderes Ver 
fahren einleiten. 
Brovluzielles 
Von den ca. 50 Königlichen Steuer 
kassen in Schleswig-Holstc-n werden reich 
lich 30 eingehen. 
Ein Zeichen der Zeit sind die zahlreichen 
Zwangsverkäufe, zu denen Termine beim 
Altonacr Amtsgericht angesetzt sind.! Augen 
blicklich stehen nicht weniger als 73 Termine 
für den zwangsweisen Verkauf von Grund 
stücken an. 
Altona, 30. Aug. Gelegentlich einer 
beim Manöver im Gönnebeker Lager statt- 
gehabten Schnitzeljagd, an der die 
Offiziere der 15. und 16. Jusaren Theil 
nahmen, ist Rittmeister v. Bülow von 
den Wandsbeker Husaren mit einem Pferd 
gestürzt und sehr schwer verletzt worden. 
Der Verunglückte wurde in besinnungs 
losem Zustande ins Lazareth gebracht, 
? Gaarden, 31. Aug. Unser Ort ist, [ 
wie bereits kurz telegraphisch berichtet, 
heute der Schauplatz eines tief bedauer 
lichen Familiendramas gewesen, eines 
Mordversuchs und Selbstmords, 
Die polizeilichen Untersuchungen haben 
folgende Einzelheiten ergeben: Der Gast 
wirth . Steffen, ein früherer Werfthand 
werker, guletzt Inhaber der unweit der 
Germania-Werft belegenen Restauration 
Stadt Hamburg" kam heute Vormittag 
gegen 8'/ 2 Uhr aus seinem Schlafzimmer 
gestürzt und drang, mit einem scharfen 
Dolch bewaffnet, auf seine hinter dem 
Buffet in der Gaststube befindliche Frau 
ein und warf diese zu Boden. Er brachte 
ihr dann verschiedene Stiche in Bruit, ' 
Kopf und Arm bei, bis der Dolch in der 
Brust stecken blieb. Es gelang der Schwer 
verwundeten dennoch, sich von dem Atten 
täter zu befreien, und auf ihre Hülferufe 
waren ein Dienstmädchen und ein Arbeiter 
herbeigeeilt und der nun waffenlose Mör 
der floh in sein Schlafzimmer und machte 
hier seinem Leben durch gleichzeitiges Er 
schießen und Erhängen ein Ende. Die 
Leiche wurde nach der Leichenkammer 
des Krankenhauses zu Gaarden geschafft, 
während die tödtlich verletzte Frau Steffen, 
eine Tochter des früheren Besitzers von 
Stadt Hamburg, Mecklenburg, ins Kranken 
haus transportirt wurde; an ihrem Auf 
kommen wird, da auch Stiche in die Lunge 
gedrungen sind, gezweifelt. Die Motive 
der unseligen That sind nicht bekannt ge- 
worden, so viel steht indessen fest, daß 
Eifersucht nicht vorgelegen. Steffen stand 
im Alter von ca. 40 Jahren, die Ehe war 
kinderlos; er soll trunksüchtig und die 
Vermögensumstände keine besonders glän 
zende gewesen sein. 
Dem Oberpostdirektor Tasche in Kiel 
ist zum 1. Oft. die Leitung des Ober- 
Postdirektionsbezirks Magdeburg übertragen 
worden. Zu seinem Nachfolger ist der 
Ober-Postdirektor Lauenstein in Gumbinnen 
bestimmt. 
Aus Apenradc wird geschrieben: Der 
muß es wissen! Ein Bierbrauer behauptete 
vor einigen Tagen in einer Wirthschaft in 
Apenrade, daß er ganz genau durch eine 
Probe feststellen könne, ob das ihm darge 
reichte Bier dortiges oder auswärtiges sei. 
Der Mann wurde beim Wort genommen 
und die Probe sollte stattfinden. Dem 
Brauer wurden nun die Augen verbunden, 
hierauf übergab man dem Feinschmecker 
nach verschiedenen anderen Proben ein 
Glas Apenrader Bier und kaum war das 
Glas an den Mund gebracht, als der 
Brauer ausrief: „Das ist überhaupt kein 
Bier, das ist nur Wasser." Unter stür 
mischem Gelächter der Gäste wurde nun 
der kluge Hvpfenverarbeiter von dem Gegen 
theil seiner Behauptung überzeugt. 
* Kreis Rendsburg, 1. Sept. Nachdem 
die in früheren Jahren in den hiesigen Be« 
zirken so blühende Gänsezucht, well 
nicht mehr gewinnbringend, immer mehl 
zurückgegangen ist, hat man in den beiden 
letzten Jahren veersucht, Gänse aus Pom 
mern hier einzuführen, und zwar mit zu 
nehmendem Erfolg. So sah man auch 
gestern wieder eine große Schaar pomnier- 
cher Gänse in hiesiger Gegend, von denen 
das Stück mit 3,50 bis 4 Mk. abgegeben 
wurde. Diese Günsetrnpps werden von 
Ort zu Ort geführt und dienen meistens 
zum baldigen Schlachten. Mit dem Mästen 
will 
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