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Aendsvurger
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Vierteljährlich 2 Jt.—, frei ins Haus geliefert
2 Ji 15 c),
für AuAvärttqe, durch die Post bezogen
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Jnsertisns-rcisr pro Petttzcike 15 Ķ
Wo. 202.
Arrestes rmd gelefenstes KLatt im Kreise Uendsvnrg.
Anzeigen fiir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten.
Sifter Jahrgang. 4^-
Mittwoch, den 29. August
Morgen-Depeschen.
Berlin, 29. August. Heute Vormittags
fand auf dem Teurpelhoser Felde die Be-'
fichtigung der fünften Infanterie-Division
durch den Kaiser statt. Zahlreiche Verl
treter der Generalität, Prinz Friedrich von!
Hohenzollern und der Kriegsminister waren
^schienen. Der Kaiser, welcher von großer
Suite begleitet war, ließ die neunte gegen
die zehnte Brigade manöveriren. Alsdann
wurden die Truppen zu einem Parade-
marsch vor Britz zusammengezogen und es
fanden zwei Vorbeimärsche statt. Nach
der Parade hielt der Kaiser die Kritik ab
und begab sich später nach Rudow zur
Jagd.
Berlin, 29. Aug. Bon einer angeblich
dem Reichskanzler nahestehenden Seite wird
einem hiesigen Berichterstatter mitgetheilt,
daß der Reichskanzler Graf Caprivi in
vertraulichen Kreisen den ausdrücklichen
Wunsch ausgesprochen habe, den preußischen
Finanzminister Dr. Miguel unter allen
Umständen seinem Amte erhalten zu sehen.
Nach Ansicht des Grafen Caprivi sind die
Genialität und Arbeitskraft Dr. Miguels
im Interesse des Vaterlandes als schwer
entbehrlich zu betrachten. — Der Reichs-
kanzler hatte vor seiner Abreise eine län-
gere Unterredung mit dem vom Urlaub
zurückgekehrten Staatssekretär Frhrn. v.
Marschall über schwebende Fragen der
auswärtigen Politik. Auch mit dem Grafen
Eulenburg hatte der Reichskanzler eine
längere Conferenz.
Berlin, 29. Aug. Der „Reichsanz."
veröffentlicht eine Bekanntmachung des
Staatskommissars für die Gesundheits-
dflege im Stromgebiet der Oder, wonach
?ur Verhinderung der Verschleppung der
Eholera auf dem Wasserwege auf der Netze
und Warte vorläufig in Jssefinen bei
Rakel, in Netzdamm bei Weißenhöh, in
Czarnikan und in Landsberg a. W. eine
' ärztliche Ueberwachung des Schiffahrts-
und Flößereiverkehrs stattfindet.
Berlin, 29. Aug. Wie die „B. N. N."
erfahren, werden zur Zeit bei den von
auswärts nach Berlin zugezogenen Ar
beitern von amtlicher Seite Erhebungen
darüber angestellt, durch welche Gründe
dieselben veranlaßt wurden, die Heimath
zu verlassen und nach Berlin zu ziehen.
In gleicher Weise soll auch ermittelt wer
den, welchen Einfluß der Zuzug ländlicher
Arbeitskräfte auf die Erwcrbsverhältnisse
ŗ^Berliner Arbeiterschaft ausübt.
, 29. Aug. Wie der „Köln. Ztg."
mitgetheilt wird, sollen am nächsten Sonn
abend vor der Gewehrprüfungskommission
in Spandau Schießverfuche gegen einen
von dem Techniker Otto Wilhelmi in
Straßburg hergestellten Panzer gemacht
werden, der angeblich nur wenig über 6
Kilogramm wiegt.
Pilsen, 29. Aug. Das Städtchen Plaß
brannte in vergangener Nacht ab. Auch
Fürst Metternichs prächtiges Schloß
wurde ein Raub der Flammen.
Wien, '2«. Aug. Gestern herrschte hier
eine so hohe Temperatur, daß die Hitze
fast unerträglich wurde. Bei einer Kavallerie
Übung in der Umgegend wurden über 100
Soldaten vom Hitzschlag getrosten, doch
waren es meist leichte Fälle. — Bei
Temesvar kamen bei einer Truppe drei
Todesfälle infolge Hitzschlags vor.
Wien, 29, Aug. Wie den Abendblättern
aus Belgrad gemeldet wird, richtete ein
Wolkenbruch auf der Eisenbahnlinie Sa
loniki Dedeagatsch große Verwüstungen an.
Bei Tawirlan wurde die neuerbaute Eisen
bahnbrücke weggeschwemmt. Ein Arbeiter
ist ertrunken.
London, 29. Aug, Wie dem Bureau
Reuter aus Odessa gemeldet wird, wurde
das Asowsche Meer von einem furcht
baren Orkan heimgesucht. Ganze Strand
dörfer sind von den Wellen fortgeschwemmt
und mehrere Dampfer total verloren.
Livorno, 29. Aug. Im Etablissement
Panealdis ist eine Blechbüchse explodirt
ohne besondere Detonation, sie enthielt
Glassplitter und Eisenstücke. Es wurde
keinerlei Schaden angerichtet; der Thäter
ist noch unbekannt.
Krakau, 29. August. Es verlautet, daß
die Manöver in Smolensk deßhalb abbe
'tellt seien, weil im letzten Moment ein
Attentat gegen den Zaren entdeckt wurde.
An dem Komplott sollen auch Beamte der
Orlow-Witebsker Bahn betheiligt gewesen
ein. Der Zar soll bei der Meldung von
der Verschwörung erregt gewesen und in
folgedessen eine Verschlechterung in seinem
Befinden eingetreten sein.
Marseille, 29. Ang. Vor dem Militär
kasino in Motauban wurde von einem
Ausländer eine Bombe geworfen. Die
Explosion richtete nur geringen Schaden
an dein Gebäude an. Der Thäter wurde
vfort festgenommen.
Paris, 29. Aug. Ein hiesiges Blatt
meldet, die Hinausschiebung der Hinrichtung
des Abbe Bruueau sei auf die Inter
vention des Papstes erfolgt. Unter der
Bevölkerung herrscht hierüber große Er
regung. Seitens der katholischen Presse
wird für die Begnadigung Bruneaus keine
Fürsprache eingelegt.
Paris, 29. Aug. In eingeweihten
Kreisen spricht man davon, daß offizielle
Schritte unternommen werden, um die Ver
Handlungen behufs Abschlusses eines Handels
vertrages zwischen Frankreich und der
Schweiz wieder aufzunehmen.
Paris, 29. Aug. Die hiesige Polizei
behörde fahndet auf das Eifrigste nach den
Urhebern der an den Präsidenten Casimir
Pörier fast täglich einlaufenden Drohbriefe.
Haag, 29. Aug. Durch ein heute dem
Colonialminister zugegangenes Telegramm
werden die Niederlagen und großen Ver
lüfte -der Expedition gegen Lombok be
stätigt. Zugleich wird mitgetheilt, daß die
Expedition reconstruirt wird, in 4 Tagen
wird ein Bataillon Infanterie und eine
starke Abtheilung Artillerie nachgeschickt.
Die Schiffsmacht hat die Expedition verstärkt.
Ausland.
Außereuropäische Gebiete.
Ueber ein furchtbares Eisenbahn
unglück, das sich in der Nacht zum 10.
ds. Mts. auf der Chikago-, Rock-, Island-
und Pacific-Bahn an einer vier Meilen
von Linkoln gelegenen Brücke über den
Salt Creek ereignete, bringen die ameri
kanischen Blätter folgende Einzelheiten:
Der verunglückte Zug ist als der „Forth
Worth Accomodation Train" bekannt und
war um 9 Uhr 40 Min. Abends in Linkoln
fällig. Als die Lokomotive die Brücke er
reicht hatte, wichen die Schienen aus ihrer
Lage, der Zug holperte eine kurze Distanz
über die Schwellen hin und stürzte dann
über die Brücke, die Lokomotive voran,
dann die „Kombination-Car", der Rauch-
wagen und andere Wagen, und zwar der
art, daß die Hinteren Wagen den Zugang
zu dem Rauchmagen und den anderen vor
deren Wagen fast unmöglich machten. Die
Lokomotive explodirte und die glühenden
Kohlen, welche umherflogen, steckten die
Wagen und das Holzwerk der Brücke in
Brand. In wenigen Minuten entstand
eine gewaltige Feuersbrunst, die in kurzer
Zeit die Brücke zerstörte. Aus den Trüm
mern der in die Tiefe gestürzten Wagen
erscholl das herzzerreißende Hilfsgcschrei
der eingeklemmten Passagiere, welchen Hilfe
zu bringen eine Unniöglichkeit war. Unter
den Trümmern der Lokomotive lagen die
Leichen des Lokomotivführers und des
Heizers. Elf Menschen sind ums Lxben
gekommen, davon mehrere lebendig ver
brannt. Der Bremser Foote, einer der
wenigen, die dem Verderben entgingen,
sagt mit Bestimmtheit aus, daß das Un
glück böswillig verursacht wurde. Die
Unholde hatten eine Schiene auf der Brücke
losgerissen und führten dadurch die Ent
gleisung des Zuges sowie den Zusammen
sturz der Brücke herbei. Man fand eines
der Werkzeuge, dessen sich die Frevler be
dient hatten, und mehrere ausgezogene
Schienennägel. Die Polizei verhaftete am
andern Tage den Neger Geo. Davis, von
dem man vermuthet, daß er die Katastrophe
herbeiführte. Kurz nach der Entgleisung
ersuchte er einen in der Nähe befindlichen
Droschkenkutscher, ihn nach der oberen Stadt
zu fahren; er sagte, er sei auf dem Zug
gewesen und habe seinen Rock verloren.
Zeugen wollen ihm mit einem Brecheisen
in der Nähe der Unglücksstätte gesehen
haben.
Ein eigenes Frauen-Monaco, einen
Spielpalast für Damen, entdeckte soeben
eine Damen-Commission, die sich die kühne
Aufgabe stellte, die Lasterhöhlen in den
Großstädten Amerikas zu studiren, in Ncw-
Pork. Diese Commission, die beherzt in
die verrufensten Häuser drang, macht in
ihrem offiziellen Bericht nun auch die
Mittheilung, daß sie in New-Iork einen
Spielpalast für Frauen entdeckt, von dessen
Existenz bisher in der großen Oeffentlich-
keit Niemand eine Ahnung hatte. In dieses
mit raffinirtestem Luxus ausgestattete
Haus in einer der stärkst belebten Straßen
New-Aorks ist noch nie eines Mannes Fuß
getreten. Nur eingeweihte Damen, oder
von solchen Eingeführte erhalten Zutritt.
Durch ein von einer Negerin gehütetes
diskret ausgestattetes Vestibüle gelangt man
in den Salon. Dicke Teppiche ersticken
das Geräusch der Schritte, hohe Spiegel
hängen zwischen den Fenstern, die von
kostbarsten Vorhängen umgeben sind. Auf
Onixpiedestalen erglänzen in den dunklen
Ecken herrliche Marmorstatueu von blen
dendem Weiß. Gegenüber der Thür steht
eine gigantische Stutzuhr, von deren Höhe
ein Mephisto, die vier Aß in der Hand,
einen Goldhaufen mit Füßen tretend, mit
greulich verzerrtem Gesicht herabgrinst.
Das gesammte Dienstpersonal setzt sich aus
Negerinnen zusammen, die eine schwarze
Uniform mit weißen Turbanen und
Spitzen tragen. Sie enipfangcn die Be-
Bei Betriebsstörungen
irgend welcher Art ist die regelmäßige Licfeņing
dieses Blattes vorbehalten.
Als Beilagen
werden dem Blatt „Der Landwirth" sonne das
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigcgcben.
3909 Abonnenten.
1894.
sucherinnen im Salon, führen sie in die
Garderobe und dann in die Spielsäle.
Da spielt man das mexikanische Monte,
hier Pharao, Baccarat, Rouge et noir,
Roulette. Der interessanteste Saal ist der
,,Limitless Play Rpom“, der Raum, in
welchem für die Einsätze keine Maximal
grenze existirt, wo die reichsten Damen
spielen. Dieser Saal wird separat, nach
tagelanger Vormerkung vermiethet, Hundert
tausende werden hier verloren und gewonnen,
die exquisitesten und theuersten Soupers
servirt. In den anderen Sälen erhält
man Cigaretten und Speisen umsonst;
nur der Champagner wird bezahlt. Die
Eigenthümerin und Leiterin des Spiel
palastes, Frau H., hält sich im Mittel
punkte des Hauses, in einem luxuriös aus
gestatteten, mit einer Glaskuppel gedeckten
Cabinet auf, zu dem jede Dame Zutritt
hat. Vom Abend bis zum Morgen füllen
das Haus Frauen aus allen Gesellschafts
klassen, zumeist aus dem bessersituirten
Mittelstände. Die schüchternsten spielen
verschleiert; aber auch die Unverschleierten
haben keinen Verrath zu befürchten.
Wenigbemittelte Frauen und Mädchen:
Ladenmädchen, Postbeamriuuen, Telegra
ohistinnen, Arbeiterinnen opfern hier dem
Spiele. Frau H. öffnet allerdings nicht
ihre Salons dieser mageren Clientel. Sie
müssen ihre Ersparnisse vereinigen und
entsenden eine Vertrauensperson.
Der Deutsche, Theodor Nestler, welcher
Anfang Juli in Sydney an Bord des
Norddeutschen Lloyd - Dampfers „Salier"
wegen Fälschung von Noten der,
Bank von Eng land verhaftet wurde
ist den deutschen Behörden nunmehr aus
geliefert worden. Nestler befindet sich wie
der an Bord des „Saliers", aber auf der
Heimreise nach Deutschland. Bei seiner
Verhaftung in Sydney fand man in seinen
Effekten nicht weniger als 1500 gefälschte
Banknotenscheine der Bank von England.
Aus Tucuman (Argentinien) wird ge
schrieben: „Eine schreckliche Kata
strophe erfolgte am 24. d. Mts. auf dem
hiesigen Centralbahnhofe. Die Lokomotive
des planmäßig um 9 Uhr Morgens ab
gehenden Zuges explodirte anderthalb Stun
den früher, als der Führer im Begriffe
stand, den Kessel derselben mit Wasser zu
füllen. Die Detonation und die Verheerun
gen waren schrecklich. Als sich die Rauch-
und Staubmassen etwas verzogen hatten,
zählte man 7 Todte und 4 Verwundete,
zu welchen sich später noch 3 Todte resp.
Man sagt.
Roman von E. von Wald-Zcdtwitz.
(Herr von Römhild hatte sich schon von
dem. Hausherrn verabschiedet, während Heinz
Noch-verweilte; der Hofniarschall merkte ihm
an, : daß er noch etwas auf dem Herzen hatte
Wollte er ihm etwa eine Eröffnung bezüglich
Anna's machen? Er beschloß, ihm eine Aus
sprache -zu erleichtern.
„Wny, mein lieber Herr Königshofen, Sie
wollen -mir noch etwas sagen?"
„Allerdings, Excellenz. Ich bitte im Vor
aus, -es .nicht falsch zu deuten. Sie haben
mich so überaus freundlich hier aufgenommen,
ich fühl« -mich unter Ihrem gastlichen Dache
so wohl, aber ich muß es offen ge
stehen — sch sehe dem Zusammensein mit
den höchsten Herrschaften, welche Sie erwarten,
Mit einer gewissen Beklommenheit entgegen."
„Aber warum eigentlich, mein lieber Königs
hofen?"
-.Ich fürchte,-daß cs den Herrschaften, wenn
auch liebenswürdig genug sein werden, es
'"cht auszusprcchcn, doch nicht angenehm ist,
"stt einem znkümtiqen Schauspieler ein und
Htbe Tafel zu Heilen.»
»Sie sind .auf Irrwegen, junger Freund."
»Eine Zurücksetzung, die ich int Grunde
benommen durch mein Verweilen selbst hervoc-
ģerustņ hätte, würde mich unendlich kränken."
« wr von Maurer legte seine derbe, fleischige
(fug stst auf Heinzens Schulter. „Sehe ich
£ - ' chre ein Mann, der einen seiner Gäste
b'j solchen Behandlung aussetzen würde?"
übersichtlich gewiß nicht," cntgcgnetc Heinz
CY
»Mt!) kenne meine hohen Herrschaften und
meine Freunde genug, um zu wissen, daß
man Sie allseitig mit der Höflichkeit behandeln
wird, welche man dem Gaste meines Hauses
schuldig ist."
Herr Königshofen sah starr zur Erd
„Und doch giebt es Ausnahmen."
„Haben Sie schon diesbezügliche Erfah-
ruügcn gemacht?"
„Offen gestanden —■ ja."
„Nun? Und?" fragte der Hofmarschall
weiter.
„Excellenz wollen das Benehmen von
Fräulein von Ehlavn gütigst in's Auge fassen,
y-ald fft sie ganz Liebenswürdigkeit, bald ist
ft chîşşallend zurückweisend. — Das Letztere
JL 5 l " wenn ihr einfällt, daß sie ihre
Gnade an einen Mann verschwendet -
sprechen wer m, Geiste der jungen Dame
der unter die Komödianten gehen will."
Der Hofniarschall durchmaß einige Male
das Znmner, m Nachdenken versunken, wie
er diesen zarten Punkt mit Heinz erörtern könne
ohne ihn zu kränken. Plötzlich blieb er vor
ihm stehen, ihm mit großen Angen fest in's
Gesicht sehend.
„Ja. In diesem einen Falle will ich
Ihnen beipflichten. Wenn Sie sich wirklich
entschließen, die Bühnenlaufbahn zu betreten,
so würde dies in hundert Fällen ein kaum
zn überwindendes Hinderniß bei der Wahl
einer zukünftigen Lebensgefährtin sein, voraus
sichtlich, daß dieselbe aus dem Stande stammt,
wo Sic dieselbe nach Ihrer Geburt und
Bildung suchen werden. Es giebt nun ein
mal Lebcnsanschauungen, welche, selbst ivenii
man sie als Borurtheile bezeichnen wollte,
was ich jedoch für meine Person nicht thue,
nicht zn überwinden sind. So würde ich
-um Beispiel meine Tochter, wenn ich eine
solche besäße, auch an keinen Schauspieler
vcrheirathen."
Heinz seufzte auf. „Und würden Sie selbst
auch keine Schauspielerin hcirathen?"
Diese Frage, obgleich sie von Heinz ohne
jeden Hintergedanken gestellt, hatte auf den
Hofmarschall eine ganz außerordentliche Wir
kung, die ihm im ersten Augenblick verstummen
ließ. Hatte nicht die Baronin Römhild auch
der Bühne angehört? Wagte der junge Mann
darauf zuzielen? Die Zornader auf Herrn
von Mäurcrs Stirn schwoll hoch an, doch
bald überzeugte er sich, daß Heinz vollständig
harmlos gesprochen hatte.
„Im Prinzip verneine ich Ihre Frage,
antwortete er nach einer Weile. „Ausnahmen
lasse ich gellen."
„Und -önntc ich selbst nicht auch als solche
gelten?" fuhr Heinz fort.
„Das käme leider nicht auf Sie an, mein
werther Freund, sondern auf Diejenige, bev
Sie sich verbinden wollten."
„Freilich, das muß ich zugeben."
Wieder ging Lorenz einige Male auf und
ab, wieder hielt er mit seiner Wanderung vor
Heinz stille.
„Nun, mein lieber Herr Königshofen, lassen
Sff uns das Gespräch beenden und ziehen
Sie meine Rathschläge, welche ich dahin prä-
cifive, in Erwägung: Erstens bleiben Sic und
Prüfen Sie, wie die Gesellschaft dem zukünfti
gen Mimen begegnet, und zweitens, machen
Sic sich's klar, ob Ihnen die Kunst höher
steht, oder Ihre zukünftige soziale Stellung,
denn mit einer gewissen Zurückhaltung be
gegnet man nun einmal den Jüngern Tha-
licns. Einigen — den größten vielleicht aus
genommen — ich sage vielleicht — denn die
Welt ist nur allzu schnell damit bei der Hand,
einen
Topf
auch sie mit den übrigen in
werfen."
„O, mein Gott, welche Aussicht!" seufzte
Heinz.
Der Hofniarschall reichte ihm voller Mit
leid die Hand. „Muth, junger Mann, das
Leben gleicht der bewegten Sec, und da giebt
es eben Klippen und Untiefen."
„Muth! Ja, Muth!" rief Heinz, sich stolz
emporrichtend. „So soll cs sein! Ich bleibe
und ich entsage nicht! Gute Nacht, Excellenz!"
Aufgeregt ging er hinaus.
Das Wetter war dem guten Hofmarschall
am nächsten Morgen gnädig. Kein Wölkchen
war am Himmel, die Sonne lachte über das
ganze Gesicht, dazu scheuchte ein leiser Wind
die Hitze, kurz, es versprach ein Tag zu werden,
wie ihn sich Herr von Maurer nicht schöner
wünschen konnte.
Im leichten jägermäßigen Morgenanzuge
durchstreifte er, mehr um seiner Erregung
Herr zu werden, als um nach dem Rechten
zu sehen, Schloß, Stallungen sowie Garten
und sah jetzt lang: dem leichten, hübschen
Gefährt nach, welches nach der Bahn fuhr,
um Frau von Römhild abzuholen. Ein
Krümperwagen, welcher das Gepäck der Ba
ronin, sowie die von Borchardt eintreffenden
Sendungen nach Storckwitz führen sollte, folgte.
Lorenz zog die Uhr. „Eine Stunde fährt
er, zehn Minuten rechne ich auf das Warten,
eine Stunde zurück, um 11 Uhr kann sic hier
sein."
Das klang freudig, seine Augen belebten
sich, und hastig seine Cigarre verdampfend,
etzte er ungeduldig seinen Rundgang fort.
Gegen '/„11 Uhr hielt er es endlich nicht
mehr aus und schlug dm Weg nach der
Bahnstation ein
„Endlich!" Damit lief Lorenz dem Wagen
entgegen, der in eine Staubwolke gehüllt, der
mit Simerkirschbäumcn bepflanzten Weg ent
lang kam.
„Da kommen Excellenz selbst," wandte sich
der Kutscher an die Insassen des Wagens,
worauf sich Frau vou Römhild erhob, Lorenz
mit dem aufgespamttenSonneuschirm zuwinkend.
— Der Kutscher hielt.
„Willkommen! Willkommen" tönte es her
über und hinüber.
„Hier, mein Kind, mein lieber Mäurer,"
sagte Bertha weichen mütterlichen Tones, da
bei auf ein junges, blondes, bildhübsches Mäd-
chcn deutend, welches dem Hofmarschall ihre
schmale, mit eineni dänischen Handschuh be
kleidete Rechte ohne Umstände entgegenstreckte.
Fräulein Ellinor! O — wie reizend!
Ganz Ihr Ebenbild, Frau Bertha!" rief
Herr von Mäurer aus voller Ueberzeugung.
— Ellinor erröthcte leicht.
Das hört meine Mutter gern, Excellenz,"
sagte sic, „denn ich soll ihr wirklich wie aus
den Augen geschnitten sein und sie hat mich,
eitdcm wir zusammen sind, fast mit ihrer
Liebe erdrückt."
„Mein süßes, einziges Kind." Bertha
'ab sie verzückten Blickes an. „Sie glauben
nicht, Mäurer, wie glücklich ich bin, meine
Ellinor wieder zu haben."
„Ich sollte das nicht glauben? O! Ich
glaube es Ihnen sogar ungesagt."
„Aber wollen Sie denn nicht zu uns
einsteige»?"
„Ja, wenn Sic Platz haben."
„Natürlich!" rief Ellinor. So, ich sitze
hier," sie uahin auf dem Rücksitz Platz.
„Das bei Damen unvermeidliche Handgepäck
schieben wir ein wenig bei Seite."