Full text: Newspaper volume (1894, Bd. 2)

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Aendsvurger 
Bezugs-Preis: 
Vierteljährlich 2 Jt.—, frei ins Haus geliefert 
2 Ji 15 c), 
für AuAvärttqe, durch die Post bezogen 
2 J( 25 j 
Ind. Postprovision re., jedoch ohne Bestellgeld. 
Jnsertisns-rcisr pro Petttzcike 15 Ķ 
Wo. 202. 
Arrestes rmd gelefenstes KLatt im Kreise Uendsvnrg. 
Anzeigen fiir die Tagesnummer werden bis 12 Uhr Mittags erbeten. 
Sifter Jahrgang. 4^- 
Mittwoch, den 29. August 
Morgen-Depeschen. 
Berlin, 29. August. Heute Vormittags 
fand auf dem Teurpelhoser Felde die Be-' 
fichtigung der fünften Infanterie-Division 
durch den Kaiser statt. Zahlreiche Verl 
treter der Generalität, Prinz Friedrich von! 
Hohenzollern und der Kriegsminister waren 
^schienen. Der Kaiser, welcher von großer 
Suite begleitet war, ließ die neunte gegen 
die zehnte Brigade manöveriren. Alsdann 
wurden die Truppen zu einem Parade- 
marsch vor Britz zusammengezogen und es 
fanden zwei Vorbeimärsche statt. Nach 
der Parade hielt der Kaiser die Kritik ab 
und begab sich später nach Rudow zur 
Jagd. 
Berlin, 29. Aug. Bon einer angeblich 
dem Reichskanzler nahestehenden Seite wird 
einem hiesigen Berichterstatter mitgetheilt, 
daß der Reichskanzler Graf Caprivi in 
vertraulichen Kreisen den ausdrücklichen 
Wunsch ausgesprochen habe, den preußischen 
Finanzminister Dr. Miguel unter allen 
Umständen seinem Amte erhalten zu sehen. 
Nach Ansicht des Grafen Caprivi sind die 
Genialität und Arbeitskraft Dr. Miguels 
im Interesse des Vaterlandes als schwer 
entbehrlich zu betrachten. — Der Reichs- 
kanzler hatte vor seiner Abreise eine län- 
gere Unterredung mit dem vom Urlaub 
zurückgekehrten Staatssekretär Frhrn. v. 
Marschall über schwebende Fragen der 
auswärtigen Politik. Auch mit dem Grafen 
Eulenburg hatte der Reichskanzler eine 
längere Conferenz. 
Berlin, 29. Aug. Der „Reichsanz." 
veröffentlicht eine Bekanntmachung des 
Staatskommissars für die Gesundheits- 
dflege im Stromgebiet der Oder, wonach 
?ur Verhinderung der Verschleppung der 
Eholera auf dem Wasserwege auf der Netze 
und Warte vorläufig in Jssefinen bei 
Rakel, in Netzdamm bei Weißenhöh, in 
Czarnikan und in Landsberg a. W. eine 
' ärztliche Ueberwachung des Schiffahrts- 
und Flößereiverkehrs stattfindet. 
Berlin, 29. Aug. Wie die „B. N. N." 
erfahren, werden zur Zeit bei den von 
auswärts nach Berlin zugezogenen Ar 
beitern von amtlicher Seite Erhebungen 
darüber angestellt, durch welche Gründe 
dieselben veranlaßt wurden, die Heimath 
zu verlassen und nach Berlin zu ziehen. 
In gleicher Weise soll auch ermittelt wer 
den, welchen Einfluß der Zuzug ländlicher 
Arbeitskräfte auf die Erwcrbsverhältnisse 
ŗ^Berliner Arbeiterschaft ausübt. 
, 29. Aug. Wie der „Köln. Ztg." 
mitgetheilt wird, sollen am nächsten Sonn 
abend vor der Gewehrprüfungskommission 
in Spandau Schießverfuche gegen einen 
von dem Techniker Otto Wilhelmi in 
Straßburg hergestellten Panzer gemacht 
werden, der angeblich nur wenig über 6 
Kilogramm wiegt. 
Pilsen, 29. Aug. Das Städtchen Plaß 
brannte in vergangener Nacht ab. Auch 
Fürst Metternichs prächtiges Schloß 
wurde ein Raub der Flammen. 
Wien, '2«. Aug. Gestern herrschte hier 
eine so hohe Temperatur, daß die Hitze 
fast unerträglich wurde. Bei einer Kavallerie 
Übung in der Umgegend wurden über 100 
Soldaten vom Hitzschlag getrosten, doch 
waren es meist leichte Fälle. — Bei 
Temesvar kamen bei einer Truppe drei 
Todesfälle infolge Hitzschlags vor. 
Wien, 29, Aug. Wie den Abendblättern 
aus Belgrad gemeldet wird, richtete ein 
Wolkenbruch auf der Eisenbahnlinie Sa 
loniki Dedeagatsch große Verwüstungen an. 
Bei Tawirlan wurde die neuerbaute Eisen 
bahnbrücke weggeschwemmt. Ein Arbeiter 
ist ertrunken. 
London, 29. Aug, Wie dem Bureau 
Reuter aus Odessa gemeldet wird, wurde 
das Asowsche Meer von einem furcht 
baren Orkan heimgesucht. Ganze Strand 
dörfer sind von den Wellen fortgeschwemmt 
und mehrere Dampfer total verloren. 
Livorno, 29. Aug. Im Etablissement 
Panealdis ist eine Blechbüchse explodirt 
ohne besondere Detonation, sie enthielt 
Glassplitter und Eisenstücke. Es wurde 
keinerlei Schaden angerichtet; der Thäter 
ist noch unbekannt. 
Krakau, 29. August. Es verlautet, daß 
die Manöver in Smolensk deßhalb abbe 
'tellt seien, weil im letzten Moment ein 
Attentat gegen den Zaren entdeckt wurde. 
An dem Komplott sollen auch Beamte der 
Orlow-Witebsker Bahn betheiligt gewesen 
ein. Der Zar soll bei der Meldung von 
der Verschwörung erregt gewesen und in 
folgedessen eine Verschlechterung in seinem 
Befinden eingetreten sein. 
Marseille, 29. Ang. Vor dem Militär 
kasino in Motauban wurde von einem 
Ausländer eine Bombe geworfen. Die 
Explosion richtete nur geringen Schaden 
an dein Gebäude an. Der Thäter wurde 
vfort festgenommen. 
Paris, 29. Aug. Ein hiesiges Blatt 
meldet, die Hinausschiebung der Hinrichtung 
des Abbe Bruueau sei auf die Inter 
vention des Papstes erfolgt. Unter der 
Bevölkerung herrscht hierüber große Er 
regung. Seitens der katholischen Presse 
wird für die Begnadigung Bruneaus keine 
Fürsprache eingelegt. 
Paris, 29. Aug. In eingeweihten 
Kreisen spricht man davon, daß offizielle 
Schritte unternommen werden, um die Ver 
Handlungen behufs Abschlusses eines Handels 
vertrages zwischen Frankreich und der 
Schweiz wieder aufzunehmen. 
Paris, 29. Aug. Die hiesige Polizei 
behörde fahndet auf das Eifrigste nach den 
Urhebern der an den Präsidenten Casimir 
Pörier fast täglich einlaufenden Drohbriefe. 
Haag, 29. Aug. Durch ein heute dem 
Colonialminister zugegangenes Telegramm 
werden die Niederlagen und großen Ver 
lüfte -der Expedition gegen Lombok be 
stätigt. Zugleich wird mitgetheilt, daß die 
Expedition reconstruirt wird, in 4 Tagen 
wird ein Bataillon Infanterie und eine 
starke Abtheilung Artillerie nachgeschickt. 
Die Schiffsmacht hat die Expedition verstärkt. 
Ausland. 
Außereuropäische Gebiete. 
Ueber ein furchtbares Eisenbahn 
unglück, das sich in der Nacht zum 10. 
ds. Mts. auf der Chikago-, Rock-, Island- 
und Pacific-Bahn an einer vier Meilen 
von Linkoln gelegenen Brücke über den 
Salt Creek ereignete, bringen die ameri 
kanischen Blätter folgende Einzelheiten: 
Der verunglückte Zug ist als der „Forth 
Worth Accomodation Train" bekannt und 
war um 9 Uhr 40 Min. Abends in Linkoln 
fällig. Als die Lokomotive die Brücke er 
reicht hatte, wichen die Schienen aus ihrer 
Lage, der Zug holperte eine kurze Distanz 
über die Schwellen hin und stürzte dann 
über die Brücke, die Lokomotive voran, 
dann die „Kombination-Car", der Rauch- 
wagen und andere Wagen, und zwar der 
art, daß die Hinteren Wagen den Zugang 
zu dem Rauchmagen und den anderen vor 
deren Wagen fast unmöglich machten. Die 
Lokomotive explodirte und die glühenden 
Kohlen, welche umherflogen, steckten die 
Wagen und das Holzwerk der Brücke in 
Brand. In wenigen Minuten entstand 
eine gewaltige Feuersbrunst, die in kurzer 
Zeit die Brücke zerstörte. Aus den Trüm 
mern der in die Tiefe gestürzten Wagen 
erscholl das herzzerreißende Hilfsgcschrei 
der eingeklemmten Passagiere, welchen Hilfe 
zu bringen eine Unniöglichkeit war. Unter 
den Trümmern der Lokomotive lagen die 
Leichen des Lokomotivführers und des 
Heizers. Elf Menschen sind ums Lxben 
gekommen, davon mehrere lebendig ver 
brannt. Der Bremser Foote, einer der 
wenigen, die dem Verderben entgingen, 
sagt mit Bestimmtheit aus, daß das Un 
glück böswillig verursacht wurde. Die 
Unholde hatten eine Schiene auf der Brücke 
losgerissen und führten dadurch die Ent 
gleisung des Zuges sowie den Zusammen 
sturz der Brücke herbei. Man fand eines 
der Werkzeuge, dessen sich die Frevler be 
dient hatten, und mehrere ausgezogene 
Schienennägel. Die Polizei verhaftete am 
andern Tage den Neger Geo. Davis, von 
dem man vermuthet, daß er die Katastrophe 
herbeiführte. Kurz nach der Entgleisung 
ersuchte er einen in der Nähe befindlichen 
Droschkenkutscher, ihn nach der oberen Stadt 
zu fahren; er sagte, er sei auf dem Zug 
gewesen und habe seinen Rock verloren. 
Zeugen wollen ihm mit einem Brecheisen 
in der Nähe der Unglücksstätte gesehen 
haben. 
Ein eigenes Frauen-Monaco, einen 
Spielpalast für Damen, entdeckte soeben 
eine Damen-Commission, die sich die kühne 
Aufgabe stellte, die Lasterhöhlen in den 
Großstädten Amerikas zu studiren, in Ncw- 
Pork. Diese Commission, die beherzt in 
die verrufensten Häuser drang, macht in 
ihrem offiziellen Bericht nun auch die 
Mittheilung, daß sie in New-Iork einen 
Spielpalast für Frauen entdeckt, von dessen 
Existenz bisher in der großen Oeffentlich- 
keit Niemand eine Ahnung hatte. In dieses 
mit raffinirtestem Luxus ausgestattete 
Haus in einer der stärkst belebten Straßen 
New-Aorks ist noch nie eines Mannes Fuß 
getreten. Nur eingeweihte Damen, oder 
von solchen Eingeführte erhalten Zutritt. 
Durch ein von einer Negerin gehütetes 
diskret ausgestattetes Vestibüle gelangt man 
in den Salon. Dicke Teppiche ersticken 
das Geräusch der Schritte, hohe Spiegel 
hängen zwischen den Fenstern, die von 
kostbarsten Vorhängen umgeben sind. Auf 
Onixpiedestalen erglänzen in den dunklen 
Ecken herrliche Marmorstatueu von blen 
dendem Weiß. Gegenüber der Thür steht 
eine gigantische Stutzuhr, von deren Höhe 
ein Mephisto, die vier Aß in der Hand, 
einen Goldhaufen mit Füßen tretend, mit 
greulich verzerrtem Gesicht herabgrinst. 
Das gesammte Dienstpersonal setzt sich aus 
Negerinnen zusammen, die eine schwarze 
Uniform mit weißen Turbanen und 
Spitzen tragen. Sie enipfangcn die Be- 
Bei Betriebsstörungen 
irgend welcher Art ist die regelmäßige Licfeņing 
dieses Blattes vorbehalten. 
Als Beilagen 
werden dem Blatt „Der Landwirth" sonne das 
Blatt „Mode u. Heim" gratis beigcgcben. 
3909 Abonnenten. 
1894. 
sucherinnen im Salon, führen sie in die 
Garderobe und dann in die Spielsäle. 
Da spielt man das mexikanische Monte, 
hier Pharao, Baccarat, Rouge et noir, 
Roulette. Der interessanteste Saal ist der 
,,Limitless Play Rpom“, der Raum, in 
welchem für die Einsätze keine Maximal 
grenze existirt, wo die reichsten Damen 
spielen. Dieser Saal wird separat, nach 
tagelanger Vormerkung vermiethet, Hundert 
tausende werden hier verloren und gewonnen, 
die exquisitesten und theuersten Soupers 
servirt. In den anderen Sälen erhält 
man Cigaretten und Speisen umsonst; 
nur der Champagner wird bezahlt. Die 
Eigenthümerin und Leiterin des Spiel 
palastes, Frau H., hält sich im Mittel 
punkte des Hauses, in einem luxuriös aus 
gestatteten, mit einer Glaskuppel gedeckten 
Cabinet auf, zu dem jede Dame Zutritt 
hat. Vom Abend bis zum Morgen füllen 
das Haus Frauen aus allen Gesellschafts 
klassen, zumeist aus dem bessersituirten 
Mittelstände. Die schüchternsten spielen 
verschleiert; aber auch die Unverschleierten 
haben keinen Verrath zu befürchten. 
Wenigbemittelte Frauen und Mädchen: 
Ladenmädchen, Postbeamriuuen, Telegra 
ohistinnen, Arbeiterinnen opfern hier dem 
Spiele. Frau H. öffnet allerdings nicht 
ihre Salons dieser mageren Clientel. Sie 
müssen ihre Ersparnisse vereinigen und 
entsenden eine Vertrauensperson. 
Der Deutsche, Theodor Nestler, welcher 
Anfang Juli in Sydney an Bord des 
Norddeutschen Lloyd - Dampfers „Salier" 
wegen Fälschung von Noten der, 
Bank von Eng land verhaftet wurde 
ist den deutschen Behörden nunmehr aus 
geliefert worden. Nestler befindet sich wie 
der an Bord des „Saliers", aber auf der 
Heimreise nach Deutschland. Bei seiner 
Verhaftung in Sydney fand man in seinen 
Effekten nicht weniger als 1500 gefälschte 
Banknotenscheine der Bank von England. 
Aus Tucuman (Argentinien) wird ge 
schrieben: „Eine schreckliche Kata 
strophe erfolgte am 24. d. Mts. auf dem 
hiesigen Centralbahnhofe. Die Lokomotive 
des planmäßig um 9 Uhr Morgens ab 
gehenden Zuges explodirte anderthalb Stun 
den früher, als der Führer im Begriffe 
stand, den Kessel derselben mit Wasser zu 
füllen. Die Detonation und die Verheerun 
gen waren schrecklich. Als sich die Rauch- 
und Staubmassen etwas verzogen hatten, 
zählte man 7 Todte und 4 Verwundete, 
zu welchen sich später noch 3 Todte resp. 
Man sagt. 
Roman von E. von Wald-Zcdtwitz. 
(Herr von Römhild hatte sich schon von 
dem. Hausherrn verabschiedet, während Heinz 
Noch-verweilte; der Hofniarschall merkte ihm 
an, : daß er noch etwas auf dem Herzen hatte 
Wollte er ihm etwa eine Eröffnung bezüglich 
Anna's machen? Er beschloß, ihm eine Aus 
sprache -zu erleichtern. 
„Wny, mein lieber Herr Königshofen, Sie 
wollen -mir noch etwas sagen?" 
„Allerdings, Excellenz. Ich bitte im Vor 
aus, -es .nicht falsch zu deuten. Sie haben 
mich so überaus freundlich hier aufgenommen, 
ich fühl« -mich unter Ihrem gastlichen Dache 
so wohl, aber ich muß es offen ge 
stehen — sch sehe dem Zusammensein mit 
den höchsten Herrschaften, welche Sie erwarten, 
Mit einer gewissen Beklommenheit entgegen." 
„Aber warum eigentlich, mein lieber Königs 
hofen?" 
-.Ich fürchte,-daß cs den Herrschaften, wenn 
auch liebenswürdig genug sein werden, es 
'"cht auszusprcchcn, doch nicht angenehm ist, 
"stt einem znkümtiqen Schauspieler ein und 
Htbe Tafel zu Heilen.» 
»Sie sind .auf Irrwegen, junger Freund." 
»Eine Zurücksetzung, die ich int Grunde 
benommen durch mein Verweilen selbst hervoc- 
ģerustņ hätte, würde mich unendlich kränken." 
« wr von Maurer legte seine derbe, fleischige 
(fug stst auf Heinzens Schulter. „Sehe ich 
£ - ' chre ein Mann, der einen seiner Gäste 
b'j solchen Behandlung aussetzen würde?" 
übersichtlich gewiß nicht," cntgcgnetc Heinz 
CY 
»Mt!) kenne meine hohen Herrschaften und 
meine Freunde genug, um zu wissen, daß 
man Sie allseitig mit der Höflichkeit behandeln 
wird, welche man dem Gaste meines Hauses 
schuldig ist." 
Herr Königshofen sah starr zur Erd 
„Und doch giebt es Ausnahmen." 
„Haben Sie schon diesbezügliche Erfah- 
ruügcn gemacht?" 
„Offen gestanden —■ ja." 
„Nun? Und?" fragte der Hofmarschall 
weiter. 
„Excellenz wollen das Benehmen von 
Fräulein von Ehlavn gütigst in's Auge fassen, 
y-ald fft sie ganz Liebenswürdigkeit, bald ist 
ft chîşşallend zurückweisend. — Das Letztere 
JL 5 l " wenn ihr einfällt, daß sie ihre 
Gnade an einen Mann verschwendet - 
sprechen wer m, Geiste der jungen Dame 
der unter die Komödianten gehen will." 
Der Hofniarschall durchmaß einige Male 
das Znmner, m Nachdenken versunken, wie 
er diesen zarten Punkt mit Heinz erörtern könne 
ohne ihn zu kränken. Plötzlich blieb er vor 
ihm stehen, ihm mit großen Angen fest in's 
Gesicht sehend. 
„Ja. In diesem einen Falle will ich 
Ihnen beipflichten. Wenn Sie sich wirklich 
entschließen, die Bühnenlaufbahn zu betreten, 
so würde dies in hundert Fällen ein kaum 
zn überwindendes Hinderniß bei der Wahl 
einer zukünftigen Lebensgefährtin sein, voraus 
sichtlich, daß dieselbe aus dem Stande stammt, 
wo Sic dieselbe nach Ihrer Geburt und 
Bildung suchen werden. Es giebt nun ein 
mal Lebcnsanschauungen, welche, selbst ivenii 
man sie als Borurtheile bezeichnen wollte, 
was ich jedoch für meine Person nicht thue, 
nicht zn überwinden sind. So würde ich 
-um Beispiel meine Tochter, wenn ich eine 
solche besäße, auch an keinen Schauspieler 
vcrheirathen." 
Heinz seufzte auf. „Und würden Sie selbst 
auch keine Schauspielerin hcirathen?" 
Diese Frage, obgleich sie von Heinz ohne 
jeden Hintergedanken gestellt, hatte auf den 
Hofmarschall eine ganz außerordentliche Wir 
kung, die ihm im ersten Augenblick verstummen 
ließ. Hatte nicht die Baronin Römhild auch 
der Bühne angehört? Wagte der junge Mann 
darauf zuzielen? Die Zornader auf Herrn 
von Mäurcrs Stirn schwoll hoch an, doch 
bald überzeugte er sich, daß Heinz vollständig 
harmlos gesprochen hatte. 
„Im Prinzip verneine ich Ihre Frage, 
antwortete er nach einer Weile. „Ausnahmen 
lasse ich gellen." 
„Und -önntc ich selbst nicht auch als solche 
gelten?" fuhr Heinz fort. 
„Das käme leider nicht auf Sie an, mein 
werther Freund, sondern auf Diejenige, bev 
Sie sich verbinden wollten." 
„Freilich, das muß ich zugeben." 
Wieder ging Lorenz einige Male auf und 
ab, wieder hielt er mit seiner Wanderung vor 
Heinz stille. 
„Nun, mein lieber Herr Königshofen, lassen 
Sff uns das Gespräch beenden und ziehen 
Sie meine Rathschläge, welche ich dahin prä- 
cifive, in Erwägung: Erstens bleiben Sic und 
Prüfen Sie, wie die Gesellschaft dem zukünfti 
gen Mimen begegnet, und zweitens, machen 
Sic sich's klar, ob Ihnen die Kunst höher 
steht, oder Ihre zukünftige soziale Stellung, 
denn mit einer gewissen Zurückhaltung be 
gegnet man nun einmal den Jüngern Tha- 
licns. Einigen — den größten vielleicht aus 
genommen — ich sage vielleicht — denn die 
Welt ist nur allzu schnell damit bei der Hand, 
einen 
Topf 
auch sie mit den übrigen in 
werfen." 
„O, mein Gott, welche Aussicht!" seufzte 
Heinz. 
Der Hofniarschall reichte ihm voller Mit 
leid die Hand. „Muth, junger Mann, das 
Leben gleicht der bewegten Sec, und da giebt 
es eben Klippen und Untiefen." 
„Muth! Ja, Muth!" rief Heinz, sich stolz 
emporrichtend. „So soll cs sein! Ich bleibe 
und ich entsage nicht! Gute Nacht, Excellenz!" 
Aufgeregt ging er hinaus. 
Das Wetter war dem guten Hofmarschall 
am nächsten Morgen gnädig. Kein Wölkchen 
war am Himmel, die Sonne lachte über das 
ganze Gesicht, dazu scheuchte ein leiser Wind 
die Hitze, kurz, es versprach ein Tag zu werden, 
wie ihn sich Herr von Maurer nicht schöner 
wünschen konnte. 
Im leichten jägermäßigen Morgenanzuge 
durchstreifte er, mehr um seiner Erregung 
Herr zu werden, als um nach dem Rechten 
zu sehen, Schloß, Stallungen sowie Garten 
und sah jetzt lang: dem leichten, hübschen 
Gefährt nach, welches nach der Bahn fuhr, 
um Frau von Römhild abzuholen. Ein 
Krümperwagen, welcher das Gepäck der Ba 
ronin, sowie die von Borchardt eintreffenden 
Sendungen nach Storckwitz führen sollte, folgte. 
Lorenz zog die Uhr. „Eine Stunde fährt 
er, zehn Minuten rechne ich auf das Warten, 
eine Stunde zurück, um 11 Uhr kann sic hier 
sein." 
Das klang freudig, seine Augen belebten 
sich, und hastig seine Cigarre verdampfend, 
etzte er ungeduldig seinen Rundgang fort. 
Gegen '/„11 Uhr hielt er es endlich nicht 
mehr aus und schlug dm Weg nach der 
Bahnstation ein 
„Endlich!" Damit lief Lorenz dem Wagen 
entgegen, der in eine Staubwolke gehüllt, der 
mit Simerkirschbäumcn bepflanzten Weg ent 
lang kam. 
„Da kommen Excellenz selbst," wandte sich 
der Kutscher an die Insassen des Wagens, 
worauf sich Frau vou Römhild erhob, Lorenz 
mit dem aufgespamttenSonneuschirm zuwinkend. 
— Der Kutscher hielt. 
„Willkommen! Willkommen" tönte es her 
über und hinüber. 
„Hier, mein Kind, mein lieber Mäurer," 
sagte Bertha weichen mütterlichen Tones, da 
bei auf ein junges, blondes, bildhübsches Mäd- 
chcn deutend, welches dem Hofmarschall ihre 
schmale, mit eineni dänischen Handschuh be 
kleidete Rechte ohne Umstände entgegenstreckte. 
Fräulein Ellinor! O — wie reizend! 
Ganz Ihr Ebenbild, Frau Bertha!" rief 
Herr von Mäurer aus voller Ueberzeugung. 
— Ellinor erröthcte leicht. 
Das hört meine Mutter gern, Excellenz," 
sagte sic, „denn ich soll ihr wirklich wie aus 
den Augen geschnitten sein und sie hat mich, 
eitdcm wir zusammen sind, fast mit ihrer 
Liebe erdrückt." 
„Mein süßes, einziges Kind." Bertha 
'ab sie verzückten Blickes an. „Sie glauben 
nicht, Mäurer, wie glücklich ich bin, meine 
Ellinor wieder zu haben." 
„Ich sollte das nicht glauben? O! Ich 
glaube es Ihnen sogar ungesagt." 
„Aber wollen Sie denn nicht zu uns 
einsteige»?" 
„Ja, wenn Sic Platz haben." 
„Natürlich!" rief Ellinor. So, ich sitze 
hier," sie uahin auf dem Rücksitz Platz. 
„Das bei Damen unvermeidliche Handgepäck 
schieben wir ein wenig bei Seite."
	        
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